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Ergebnisse der fragebogengestützten Erhebung

IV. Auswertung der Stakeholderbefragung

3. Ergebnisse der fragebogengestützten Erhebung

a. Aufgreifen von Fällen (Fragen 1 bis 5)

Die Angaben zur Zahl der Fälle, die von den Verbänden pro Jahr geprüft werden, variieren stark. Das Spektrum reicht von „ca. 50“ bis zu „11.000 bis 15.000“ (Frage 1).

Auch die von den Verbänden ergriffenen Maßnahmen decken ein weites Spektrum ab (Frage 2). Als häufigster Grund dafür, dass ein Fall nicht weiterverfolgt wird, wird der Umstand genannt, dass kein Verstoß gegen eine Rechtsnorm ersichtlich ist oder (etwas weniger häufig), dass der Verstoß nur geringfügig erscheint bzw. die weiteren Ermittlungen zu aufwändig oder zu wenig aussichtsreich wären (Frage 3).

b. Sachverhaltsermittlung (Fragen 6 bis 10)

Eine Reihe von Verbänden gibt an, dass sie gelegentlich oder häufig von der weiteren Verfolgung von Fällen absehen, weil sie Schwierigkeiten bei Ermittlung oder Nachweis des Sachverhaltes sehen (Frage 6). Am häufigsten ergeben sich Ermittlungs- und Beweisschwierigkeiten bei der Ermittlung von Tätern (insbesondere bei Fällen mit Auslandsbezug) und beim Nachweis des Verhaltens (Frage 7). Von Seiten der Verbraucherverbände wurde die Intransparenz von Geschäftsmodellen und Finanzströmen als häufiger Grund von Ermittlungsschwierigkeiten hervorgehoben.

Tabelle 1: Ermittlungs- und Beweisprobleme in spezifischen Konstellationen (Skala: 1 (überhaupt nicht) bis 5 (sehr gravierend), Durchschnittswert, n=Häufigkeit)

Sachverhaltskonstellation Unternehmensverbände Verbraucherverbände Schleichwerbung in user

generated content

2,3 (n=3) 3,5 (n=4)

Nutzung von

Verbraucherdaten ohne Einwilligung

2,3 (n=3) 4,5 (n=6)

Mangelnde Neutralität einer Produktbewertungsplattform

3 (n=2) 4,3 (n=6)

Fehlerhafte oder

irreführende Preisangaben im Internet

3 (n=3) 2,7 (n=6)

Fehlerhafte oder

irreführende Preisangaben im traditionellen Handel

2 (n=3) 2,3 (n=6)

Nicht ausreichende

Bevorratung bei

1,7 (n=3) 4,3 (n=6)

Lockangeboten im Online-Handel

Nicht ausreichende

Bevorratung bei

Lockangeboten im Offline-Handel

2 (n=3) 3,25 (n=6)

Fake Online-Shops 4,7 (n=3) 4,2 (n=6)

Auf die Frage nach besonders intransparenten Geschäftspraktiken und -modellen werden u.a. folgende Beispiele genannt (Frage 9):

 Preisherabsetzungen (insbes. im Möbelhandel)

 Preiswerbung ohne Hinweis auf Zusatzkosten (insbes. Preisgestaltung von Fluggesellschaften, Online-Reisevermittlern und Dating-Portalen)

 Teleshoppingangebote

 Verkaufsförderungssysteme, Multi-Level-Marketing, Schneeballsysteme

 Geistheiler-Gewerbe, Heilpraktikerwesen, Scoring und Kreditinformationen,

 Vermittlungsportale (insbes. für Konzertkarten und Veranstaltungstickets)

 Bewertungsportale, gefälschte Testseiten

 Transparenz bei einigen Portalen im Hinblick auf 
Anbieter, Vertragspartner, Vermittler, Provisionszahlungen

 Lockwerbeangebote (z.B. „Black Fridays“),

 Tarnung eines gewerblichen als privates Angebot 
(einschließlich Umgehung von Haftung und Informationspflichten)

 Einwilligungserklärungen in die Datenverarbeitung (insbes. Datenerhebung aus Kfz durch Telematikdienstangebot der Kfz-Hersteller)

 Irreführende Bewerbung von Produkten mit angeblichen Umweltvorteilen

 Verkauf von Geräten und Pkw an Endverbraucher, die gesundheitsschützende Grenzwerte nicht einhalten

 Online-Kreditvermittlungen „ohne Schufa“

 Angebote im Bereich des grauen Kapitalmarktes

c. Verfahren (Fragen 11 bis 17)

Die Erfolgsquote in Fällen, in denen Maßnahmen gegen Rechtsverstöße ergriffen werden, ist nach der übereinstimmenden Selbsteinschätzung der befragten Verbände recht hoch. Die Angaben reichen von 70% bis 99% (Frage 11). Schlüsselt man die Angaben zur Erfolgsquote nach unterschiedlichen Maßnahmen auf, variieren sie dagegen stark (Frage 12). Während einzelne Verbände bereits durch Gespräche mit den jeweiligen Unternehmen gute Erfolge erzielen, führt bei anderen Verbänden diese Maßnahme nur selten zum Erfolg. Eine besonders hohe Erfolgsquote erzielen die Verbände bei Anträgen auf einstweilige Verfügung (85% bis 99%) und im

Klageverfahren (80% bis 99%). Ebenfalls hoch ist die Erfolgsquote bei der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (80% bis 99%). Als typische Gründe für ein Scheitern der Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren werden am häufigsten genannt, dass die Täter ihr Verhalten in anderer Form fortsetzen und dass die Täter nicht greifbar sind (Frage 15).

Die Verbände geben an, dass sie sehr häufig (2x genannt), häufig (4x genannt) oder gelegentlich (2x genannt) Verfahren wegen gleichartiger Verstöße führen (Frage 16).

Dabei handelt es sich häufig (8x genannt) um Verfahren, bei denen die Rechtslage bereits geklärt war. Zur Frage, für wie erforderlich die Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen gegenüber Dritten eingeschätzt wird (z.B. durch eine Allgemeinverbindlicherklärung), gehen die Ansichten weit auseinander (Frage 16).

Während die Verbraucherverbände eine solche Drittwirkung überwiegend befürworten, sehen die Wirtschaftsverbände dies eher kritisch und äußern teilweise verfassungsrechtliche Bedenken. Auch von Seiten der Verbraucherverbände wird betont, dass bei einem solchen Modell das Grundrecht auf rechtliches Gehör gewahrt werden müsse.

d. Einzelne Ansprüche (Fragen 18 bis 25)

Die klagebefugten Verbände geben an, dass sie im Jahr 2016 am häufigsten Ansprüche nach § 8 UWG geltend gemacht haben (Frage 18). Als typische Schwierigkeiten bei dieser Anspruchsgrundlage werden u.a. Umgehungspraktiken und die nicht ausreichende Signalwirkung der erstrittenen Entscheidungen auf dem Markt genannt. Bei der Frage, ob einzelne Verbraucher hinreichend von der Entscheidung profitieren gehen die Meinungen auseinander. Von Seiten der Verbraucherverbände wird dies verneint, und darauf verwiesen, dass die Einführung eines Folgenbeseitigungsanspruchs im Nachgang zum REFIT-Prozess auf europäischer Ebene diskutiert wird. Von Seiten der Wirtschaftsverbände wird dagegen betont, dass jeder einzelne Verbraucher von der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs aus § 8 UWG profitiert.

Verfahren nach §§ 9, 10 UWG wurden von den befragten Verbänden im Jahr 2016 kaum durchgeführt (Fragen 19 und 20). Als typisches Problem bei § 10 UWG wird von mehreren Verbänden genannt, dass ein vorsätzliches Verhalten nur schwer nachzuweisen sei. Teilweise wird auch darauf verwiesen, dass Ermittlung und Nachweis des kausal erzielten Gewinnes nur schwer möglich seien. Andere Verbände weisen darauf hin, dass § 10 UWG gerade für schwerwiegende Fälle eingeführt worden sei, in denen der Nachweis des Vorsatzes kein Problem sei. Bei betrügerischen Fällen scheitere jedoch in der Regel die Durchsetzung des Gewinnabschöpfungsanspruchs. Als problematisch wird ferner die Abführung der abgeschöpften Gewinne an den Staatshaushalt genannt.

Eine Reihe von Verbänden hat im Jahr 2016 auch Verfahren nach §§ 1, 2 UKlaG

durchgeführt (Fragen 21 und 22). Die Zahl der Verfahren ist allerdings deutlich geringer als bei § 8 UWG. Als typische Schwierigkeiten werden hier ebenfalls Umgehungspraktiken genannt. Als Problem bei §§ 1, 2 UKlaG wird genannt, dass die erstrittenen Urteile keine Rechtswirkungen für andere Unternehmen entfalten, die inhaltsgleiche AGB verwenden. Kritisiert wird ferner, dass die Unterlassungsklagen keine Folgen für die Vergangenheit entfalten. Verbraucher, die durch die unzulässige AGB geschädigt worden sind, könnten sich bei Schadensersatzklagen nicht auf das Urteil berufen. Außerdem seien etwaige Schadensersatzansprüche bis zu einem letztinstanzlichen Urteil im Unterlassungs-klageverfahren meist schon verjährt.

Die Zahl der Verfahren nach § 4a UKlaG und § 79 Abs. 2 ZPO ist nach Angaben der befragten Verbände gering (Fragen 23 und 24). Als Problem bei § 79 Abs. 2 ZPO wird genannt, dass das Verfahren einen erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand erfordert, impraktikabel sei und keine Bindungswirkung gegenüber Dritten entfalte.

e. Verstöße gegen Verbraucherrecht (Fragen 26 bis 28)

Unter den verschiedenen Schutzrichtungen des Verbrauchrechts ist nach übereinstimmender Ansicht der Verbände die wirksame Abstellung konkreter Verstöße besonders wichtig (Frage 26). Dieses Ziel wird nach ebenfalls weitgehend übereinstimmender Ansicht gut erreicht. Hinsichtlich der anderen Schutzzwecke gehen die Auffassungen dagegen auseinander, wie Tabelle 2 zeigt.

Tabelle 2: Schutzrichtungen des Verbraucherrechts

(Skala: 1 (sehr gering) bis 5 (sehr hoch), Durchschnittswert, n=Häufigkeit)

Schutzzweck Bedeutung des

Schutzzwecks

Zielerreichung durch das bestehende Durchsetzungsregime Wirksame Abstellung des

konkreten Verstoßes

4,4 (n=16) 4,2 (n=16)

Prävention künftiger Verstöße

4,7 (n=16) 3,9 (n=15)

Ausgleich konkreter Verbraucherschäden

3,5 (n= 16) 2,6 (n=10)

Funktionieren der Marktwirtschaft durch informierte

Verbraucherentscheidungen

4, 1 (n=16) 3,5 (n=15)

Vermeidung von „chilling

effects“ für

unternehmerisches Handeln

3,2 (n=13) 2,4 (n=11)

Wie Tabelle 3 zu entnehmen ist, ergeben sich auch unterschiedliche Auffassungen bei der Frage, welche Instrumente des Verbraucherschutzes einer Stärkung bedürfen (Frage 27). Während aus Sicht der Verbraucherverbände insbesondere die Gewinnabschöpfung, eine gebündelte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie Folgenbeseitigungsansprüche gestärkt werden sollten, stehen die Unternehmensverbände erwartungsgemäß einer Stärkung von Verbraucherschutzinstrumenten insgesamt eher skeptisch gegenüber.

Tabelle 3: Notwendigkeit der Stärkung bestimmter Instrumente des Verbraucherschutzes

(Skala: 1 (kein Handlungsbedarf) bis 5 (eine Stärkung ist unbedingt erforderlich), Durchschnittswert, n=Häufigkeit)

Instrument Unternehmensverbände Verbraucherverbände Rückzahlungsansprüche /

Folgenbeseitigung

1,0 (n=8) 4, 2 (n=6)

Individuelle

Schadensersatzansprüche

1,0 (n=8) 3,3 (n=7)

Gebündelte

Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einzelner Verbraucher

1,3 (n=8) 4, 3 (n=7)

Gewinnabschöpfung 1,6 (n=8) 4,6 (n=7)

Geldbußen 1,4 (n=8) 3,4 (n=7)

Einziehung von Vermögen 1,8 (n=8) 3,1 (n=7)

f. Bestehende behördliche Rechtsdurchsetzung

Die Verbände geben an, dass kommunale und regionale Aufsichtsbehörden in einer Reihe von Bereichen des Verbraucherschutzes tätig sind (Frage 29). Als Schwerpunkte werden u.a. folgende Tätigkeitsfelder genannt:

 Lebensmittelaufsicht und Gastronomie

 Gewerberecht (z.B. Kaffeefahrten, Inkassounternehmen)

 Produktsicherheit

 Aufsicht über den Arzneimittelverkehr

 Prüfung der Insolvenzabsicherungspflicht nach § 651k BGB

Gleichzeitig beklagen zahlreiche Verbände Durchsetzungsdefizite im Bereich des Verbraucherschutzes durch kommunale und regionale Behörden (u.a. im Bereich Kaffeefahrten und Fulfillmentcenter). Als Ursachen werden häufig die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung der Behörden genannt. Teilweise wird auch auf unklare Zuständigkeiten und unzureichende Vorgaben der übergeordneten Behörden

verwiesen.

Die Staatsanwaltschaften werden nach Angaben der befragten Verbände in erster Linie in folgenden Bereichen mit Bedeutung für den Verbraucherschutz tätig (Frage 30):

 Kapitalanlagebetrug

 Betrügerischer Abschluss von Telefongeschäften

 Internetkriminalität (z.B. Fake Shops)

Auch in Bezug auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften beklagen zahlreiche Verbände Durchsetzungsdefizite. So werde häufig trotz offensichtlich vorliegender Straftaten (z.B. Betrugsdelikte, Fake Shops, Abofallen) auf die Einleitung von Strafverfahren aus Effizienzgesichtspunkten verzichtet. Als Ursachen werden auch hier zumeist die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung genannt. Im Hinblick auf Fälle strafbarer Werbung und Fake Shops regt ein Wirtschaftsverband die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften an, damit die tatsächlichen und wirtschaftlichen Ausmaße derartiger Verstöße besser sichtbar werden.

In folgenden Tätigkeitsbereichen sind nach Einschätzung der befragten Verbände Bundesbehörden besonders aktiv im Verbraucherschutz (Frage 31):

 Finanzdienstleistungen, Versicherungen

 Produktsicherheit

 Lebensmittelüberwachung, Gesundheitsbereich (insbes. Arzneimittel- und Medizinproduktesicherheit)

 Telekommunikation (z.B. Telefonwerbung, Rufnummernmissbrauch)

 Energiesektor

 Importkontrolle (insbes. Produktfälschungen)

Als besonders aktiv werden insbesondere folgende Behörden wahrgenommen:

 BaFin

 BNetzA

 BMF (Zoll)

 BKartA

 BfAM

 KBA

 UBA

 Luftfahrtbundesamt, Eisenbahnbundesamt

Einige Verbände verweisen darüber hinaus auf die Aufsicht der Landesdatenschutz-beauftragen im Bereich des Datenschutzrechts. Die Durchsetzungsdefizite im Bereich Bundesbehörden werden tendenziell als eher gering eingeschätzt. Eine Ausnahme

bildet nach Auffassung eines Verbandes die unzureichende Kontrolle umweltbezogener Verbraucherschutzvorschriften. Teilweise wird darüber hinaus die Vermutung geäußert, dass auch die Behörden mit Beweisproblemen konfrontiert sind.

Kritisiert wird ferner, dass das EBA keine Zuständigkeit für Busunternehmen hat. Von Seiten der Verbraucherschutzverbände wird ferner darauf hingewiesen, dass das Aufsichtsziel Verbraucherschutz bei den Behörden nur neben anderen Zielen (z.B.

Solvenzschutz bei der BaFin) eine Rolle spielt. Teilweise wird auch kritisch angemerkt, dass politische Abhängigkeiten bestünden (z.B. Verflechtungen mit der Politik und technischen Prüfdiensten im Fall des KBA).

g. Einzelne Verhaltensweisen

Die Frage nach Verhaltensweisen, die vom Verbraucherrecht erfasst werden sollten, aber von den vorhandenen Tatbeständen nicht erfasst werden (Frage 33), wird von den Unternehmensverbänden durchgängig verneint. Aus den Reihen der Verbraucherverbände werde als Beispiele Multi-Level-Marketing sowie neuartige digitale Geschäftsmodelle genannt (Offenlegung von Rankingkriterien bei Plattformen, Fake-Bewertungen, Personalisierte Preissetzung). Ein Verbraucherverband sieht besonderen rechtspolitischen Handlungsbedarf etwa bei den Fragen nach der Nachvollziehbarkeit von Algorithmen sowie bei der Plattformhaftung. Bei den digitalen Geschäftsmodellen stoße das geltende allgemeine Verbraucherrecht (UWG und AGB-Recht) auf die Schwierigkeit, dass die gesetzlichen Vorschriften sehr allgemein gefasst seien und nur in einem langen Prozess der gerichtlichen Klärung für neue Geschäftsmodelle verlässliche Bewertungsmaßstäbe liefern könne. Bis diese Klärung abgeschlossen sei, seien die Geschäftsmodelle schon wieder überholt. Daher stelle sich die Frage, inwieweit im Bereich der Digitalwirtschaft ähnlich wie in anderen technischen Rechtsgebieten – etwa in der Telekommunikation oder in der Energiewirtschaft – ein „more technological approach“ erforderlich sei. Hierunter verstehe der Verbraucherverband einen Regulierungsansatz, bei dem die generellen Rechtsvorschriften durch untergesetzliche technische Regelwerke ergänzt werden, die klare Verhaltensanweisungen für die Unternehmen enthalten. Defizite werden ferner im Bereich der umweltbezogenen Werbung (z.B. Angaben zu Energieverbrauch und Emissionen) sowie bei Finanzdienstleistungen gesehen. So werde beispielsweise Falschberatung kaum von den Aufsichtsbehörden erfasst, weil die Verbraucherschutznormen zu unpräzise seien und die zuständige Aufsichtsbehörde keine Präzisierung vornimmt.

Die Frage, ob bestimmte Verhaltensweisen, Branchen oder Unternehmen genannt werden können, gegenüber denen die Verbraucherrechtsdurchsetzung besonders mangelhaft ist (Frage 34), wird ebenfalls von den meisten Unternehmensverbänden verneint. Ein Unternehmensverband verweist auf Durchsetzungsdefizite im Bereich des Möbelhandels, ein anderer auf Defizite im Bereich der Telefonwerbung, bei Fake Onlineshops und bei Kaffeefahrten. Aus dem Kreis der Verbraucherverbände werden als Beispiele u.a. die Verbraucherrechtsdurchsetzung gegenüber

Automobilunternehmen, der Bereich Multi-Level-Marketing, Fake Shops, Schlüsseldienste, der Bereich Gesundheit und Pflege (insbesondere ausländische Anbieter von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln) genannt.

Auf die Frage nach besonderen Schwierigkeiten bei der Verbraucherrechtsdurchsetzung (Frage 35) werden im Wesentlichen die gleichen Branchen und Verhaltensweisen genannt wie bei Frage 34. Ein Wirtschaftsverband verweist in diesem Zusammenhang kritisch auf einen von ihm etwa im Bereich der Wasserversorgung beobachteten Trend zur Rekommunalisierung („Flucht in die öffentlich-rechtliche Rechtsform“). Dies habe zur Folge, dass das BKartA mangels Anwendbarkeit des GWB die Unternehmen nicht mehr kartellrechtlich sanktionieren könne.

Die befragten Verbände nennen eine Vielzahl von Ursachen für die Defizite bei der Verbraucherrechtsdurchsetzung. Unter anderem wurden folgende konkrete Beispiele genannt:

Schlüsseldienste: Regelmäßig werde bei überteuerten Rechnungen vor Ort

„kassiert“ (bar oder sogar via EC-Karte und Lesegerät). Für Verbraucher sei es daher sehr schwierig das Geld wieder zurückzubekommen, da diese den Klageaufwand scheuen. Selbst bei (gewonnenen) Gerichtsverfahren bestehe aufgrund „unseriöser“ Firmenstrukturen das Risiko, nicht vollstrecken zu können.

Telekommunikationsanbieter/Drittanbieter: Da es sich um Dauerschuldverhältnisse handele könnten die Anbieter bei auch unrechtmäßigen Forderungen Druck auf die Verbraucher ausüben, indem diesen die Sperrung des Anschlusses angedroht werde. Die Anbieter würden streitige Forderungen selten einklagen. Häufig komme es aber vor, dass unberechtigte Forderungen massiv angemahnt würden und teilweise sogar Anschlusssperrungen durchgeführt würden, obwohl diese nach den Vorschriften des TKG eigentlich unzulässig seien. Auf diese Weise würden teilweise (rechtswidrig) Fakten geschaffen, um Druck auf Verbraucher auszuüben, streitige Forderungen zu bezahlen. Das Risiko für die Unternehmen sich schadensersatzpflichtig zu machen sei gering, da der (materielle) Schaden bei Verbrauchern meist sehr klein sei.

Heilberufe: Informationen seien oft nur schwer erhältlich, da es kein öffentliches Approbationsregister und kein gemeinsames Register für Heilpraktiker/innen gebe.

Digitale Geschäftsmodelle: Die technischen Prozesse und die auch im Hintergrund laufenden Prozesse seien nur äußerst schwer feststellbar und damit auch kaum nachweisbar.

Bei der Frage, ob die Durchsetzung von Verbraucherrechten bei digital angebotenen Gütern oder Leistungen besonders schwierig und erheblich schwieriger sei als im Offline-Bereich (Frage 36) gehen die Meinungen der Verbände weit auseinander. Von Seiten der Unternehmensverbände wird die Frage überwiegend verneint. Teilweise wird sogar darauf verwiesen, dass Rechtsverstöße im Online-Bereich leichter zur recherchieren seien. Die meisten Verbraucherverbände sehen im Online-Bereich dagegen größere Schwierigkeiten bei der Verbraucherrechtsdurchsetzung als im Offline-Bereich. Unter anderem wird darauf verwiesen, dass die (teilweise anonymen) Anbieter im Internet schwerer greifbar seien.

Auch seien die Geschäftsprozesse der Unternehmen weniger leicht zugänglich, wenn sie etwa von (geheim gehaltenen) Algorithmen gesteuert würden, das Verständnis des Algorithmus und dessen Bewertung aber für die Beurteilung und das Abstellen eines möglichen Rechtsverstoßes ausschlaggebend seien.

Die Verbände nennen zahlreiche Beispiele für verbraucherrechtliche Marktverhaltensregeln, die über § 3a UWG in das Durchsetzungsregime des UWG einbezogen werden (Frage 37). Eindeutige Schwerpunkte lassen sich dabei nicht erkennen. Das Spektrum der genannten Beispiele reicht von Vorschriften aus dem Lebensmittel- und Gesundheitsbereich (HWG, LFMGB, LMIV, HCV, AMG, HeilpraktikerG) über sonstige branchenspezifische Kennzeichnungspflichten (Textilprodukte, Energieeffizienz) bis zu den allgemeinen Informationspflichten der §§

312 ff. BGB (i.V.m. den Vorschriften des EGBGB), des TMG und der PreisangabenVO.

Die Frage nach besonderen Durchsetzungsdefiziten im Zusammenhang mit § 3a UWG (Frage 38) wird von nahezu allen Verbänden verneint. Lediglich ein Verband verweist

auf Durchsetzungsdefizite im Zusammenhang mit

Energieverbrauchskennzeichnungen.

Die Frage nach Verhaltensweisen, die „systematisch“ oder

„flächendeckend“ auftreten (Frage 39), wird von einigen Unternehmensverbänden verneint. Andere Verbände, darunter sowohl Unternehmens- als auch Verbraucherverbände, verweisen auf Beispielen, die bereits im Zusammenhang mit den Fragen 33 bis 35 genannt wurden. Beispielhaft werden u.a. genannt:

 Abofallen, Fake Shops

 Intransparente Vertragsabschlüsse im Internet

 Erschwerung von Kündigungen bei Dauerschuldverhältnissen im Internet

 Fehlende Kontaktmöglichkeit im Internet (keine E-Mail-Adresse, kein Impressum)

 Drittanbieterproblematik bei TK-Unternehmen

 Unlautere Telefonwerbung (Cold Calling)

 Irreführende Werbung (z.B. Gesundheitsbranche, Lebensmittelbranchen, Esoterik, Lebenshilfe, irreführende Werbung mit Ortsnetzrufnummern, d.h.

es wird in der Werbung vorgetäuscht, es bestehe vor Ort eine Niederlassung,

die es tatsächlich nicht gibt)

 Vermeintliche Schnäppchen (z.B. im Bereich Elektronik, Textil, bei denen nur Vorkasse-Zahlung möglich ist und bei denen die Kunden später keine oder minderwertige Ware erhalten)

Die Mehrzahl der Unternehmensverbände sieht bei solchen „systematischen“ oder

„flächendeckenden“ Verstößen keine besonderen Durchsetzungsdefizite. Eine Ausnahme stellt nach Ansicht einiger Unternehmensverbände (und auch einzelner Verbraucherverbände) strafrechtlich relevantes Verhalten (z.B. Fake Shops) dar. Hier müssten die Staatsanwaltschaften für die Notwendigkeit der Rechtsdurchsetzung sensibilisiert und personell bzw. finanziell besser ausgestattet werden.

h. Gewichtung (Fragen 42 bis 49)

Ein geteiltes Meinungsbild zeigt sich bei der Frage nach dem allgemeinen Niveau der Verbraucherrechtsdurchsetzung in Deutschland (Frage 42). Vier Verbände sind der Ansicht, dass das Niveau eher zu hoch ist, sieben Verbände halten es für genau richtig, vier Verbände sind der Auffassung, dass das Niveau eher zu gering ist. Das Funktionieren der privaten Verbraucherrechtsdurchsetzung (Frage 43) wird überwiegend sehr positiv bewertet (Durchschnittswert: 2,1 auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht), n=13).

Die Mehrzahl der Unternehmensverbände und auch einzelne Verbraucherbände sehen keine rechtlichen Schwierigkeiten bei der privaten Durchsetzung des Verbraucherrechts (Frage 44). Soweit spezifische rechtliche Schwierigkeiten der privaten Rechtsdurchsetzung gesehen werden, werden insbesondere Beweisprobleme, Prozessrisiken, das Fehlen von kollektiven Maßnahmen zur Folgenbeseitigung, die impraktikable Gewinnabschöpfung genannt. Auf die Frage nach tatsächlichen Schwierigkeiten bei der privaten Rechtsdurchsetzung (Frage 45) wird wiederum auf Beweisprobleme verwiesen, die schwierige Verfolgung von ausländischen Anbietern sowie das rationale Desinteresse der einzelnen Verbraucher.

Im Bereich der Verbraucherorganisationen stoße die private Rechtsdurchsetzung auch an Kapazitätsgrenzen wegen der knappen finanziellen Ausstattung. Eine Ergänzung der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung durch behördliches Handeln sei insbesondere in den Bereichen erforderlich, in denen es zur Ermittlung des Sachverhalts hoheitlicher Befugnisse bedürfte.

Über die bereits genannten Aspekte hinaus betonen die Unternehmensverbände, dass vor weiteren Überlegungen zur Ausgestaltung des Durchsetzungsregimes darzulegen sei, ob es überhaupt systemische Defizite der Verbraucherrechtsdurchsetzung gibt. Es wird beklagt, dass sich bislang in der öffentlichen Diskussion regelmäßig „die Aneinanderreihung von anekdotischen Einzelfällen“ wiederhole. Vor diesem Hintergrund sei eher über eine Stärkung vorhandener Strukturen (z.B. durch eine Stärkung der Staatsanwaltschaften) anstatt über einen Paradigmenwechsel

nachzudenken. Von Seiten der Verbraucherverbände wird demgegenüber auf die fehlenden Möglichkeiten des kollektiven Rechtsschutzes (z.B. Gruppenverfahren, Musterfeststellungsklage) hingewiesen.

Bei der abschließenden Frage nach einem Reformbedarf bei der privaten Durchsetzung des Verbraucherrechts (Frage 48) zeigt sich nochmals das gespaltene Meinungsbild. Fünf Verbände (darunter drei Verbraucher- und zwei Unternehmensverbände) sind der Auffassung, das System funktioniere so, wie es ist.

Sechs Verbraucherverbände beklagen ein „under-enforcement“ und sprechen sich für eine Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung aus. Fünf Unternehmensverbände kritisieren ein „over-enforcement“ und fordern eine Einschränkung der Durchsetzungsintensität. Ein Bedarf für eine Nachjustierung des bestehenden Systems wird von Seiten der Unternehmensverbände etwa im Hinblick auf Fälle des Abmahnmissbrauchs durch unseriöse Abmahnvereine und -kanzleien gesehen. Auf Seiten der Verbraucherverbände wird ein Anpassungsbedarf etwa bei der Frage gesehen, wie Verbraucher eine Kompensation für Schäden durch Verbraucherrechtsverstöße erlangen könne. Hierfür sollte nach Auffassung mehrerer Verbraucherverbände eine Musterfeststellungsklage eingeführt werden. Darüber hinaus spricht sich ein Verbraucherverband dafür aus, dass auch Überlegungen weiterverfolgt werden, Rückzahlungsanordnungen als Teil der Verpflichtung zur Folgenbeseitigung nach § 8 UWG und § 2 UKlaG einzuführen. Auf Schwierigkeiten stoße die private Rechtsdurchsetzung außerdem dort, wo zur Feststellung von Rechtsverstößen Kenntnisse aus den internen Abläufen von Unternehmen erforderlich seien. So stoße die Rechtsdurchsetzung durch Verbraucherverbände regelmäßig an ihre Grenzen, wenn die Unternehmen sich auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Das sei u.a. der Fall, wenn Verbraucher durch (nicht offengelegte) Algorithmen in bestimmte Kategorien eingeteilt und nach diesen Kategorien differenziert behandelt werden.

i. Mögliche gesetzgeberische Maßnahmen (Fragen 50 bis 59)

Die Auswertung der Antworten zu möglichen Befugnisergänzungen in Zukunft (Fragen 50-59) wird in Teil B dargestellt.

Ergänzend verweisen mehrere Verbände auf folgende Materialien:

 die Standpunkte des HDE zur öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung;

 das Positionspapier der Verbände der deutschen Wirtschaft: „Private Rechtsdurchsetzung stärken – Abmahnmissbrauch bekämpfen“;

 die Stellungnahme der Wettbewerbszentrale zu den Beratungen zur 9. GWB-Novelle vom 14.02.2017.

4. Zusammenfassung

Das Ziel einer wirksamen Abstellung konkreter Verbraucherrechtsverstöße wird nach übereinstimmender Einschätzung der befragten Verbände mit dem vorhandenen Instrumentarium der Verbraucherrechtsdurchsetzung gut erreicht. Mit Blick auf die

Das Ziel einer wirksamen Abstellung konkreter Verbraucherrechtsverstöße wird nach übereinstimmender Einschätzung der befragten Verbände mit dem vorhandenen Instrumentarium der Verbraucherrechtsdurchsetzung gut erreicht. Mit Blick auf die