Lösung
'^rapeulikum
Immunologie Serie (11)4^^
Genmaterial benötigt wird, wobei jeweils nur eine X'ariante von allen Möglichkeiten zur Ex
pression kommt. Dies wäre ein ungeheurer Lu
xus, eine Verschwendung an Platz und Mate
rial in der Bücherei unserer Gene. Also muß auch hier eine vereinfachte Form vorliegen.
Wie läßt sich so etwas erreichen?
Zunächst einmal sei daran erinnert, daß von den Antigenrezeptoren wie auch von den An
tikörpern nur bestimmte Areale unterschied
lich aiissehen, andere jedoch stets gleichgestal
tet sind. Es sei das Schlüssel-Schloß-Prinzip zur Veranschaulichung herangezogen: der Schlüsselgriff ist immer gleich, nur der Bart ist unterschiedlich. Dies hilft aber nicht viel wei
ter, weil es eben 10^ verschiedene Bärte für ebenso viele Schlösser gibt. Also muß da noch etwas anderes vorliegen. Da fällt uns ein, wie manche Zahlenschlösser konstruiert sind. Es bedarf beispielsweise bei ihnen nur dreier Ringe mit jeweils 10 verschiedenen Ziffern, um 1000 Lösungsmöglichkeiten zu gewährleisten.
Wenngleich die Natur anders verfährt, so ist die Ausführung nicht fern von diesem Ver
gleich. Denn schließlich läßt sich auch die Kon
struktion des antigenbindenden Anteils von Antikörpern auf wenige Einheiten zurückfüh
ren, die nur durch die jeweilige Kombination zu diesem Variantenreichtum führen. Anders ausgedrückt, es bedarf nur weniger Struktur
gene, um einer Fülle von wenigstens 10^ un
terschiedlichen antigenbindenden Enden am Antigenrezeptor und Antikörper zu gewährlei
sten. Es wird geschätzt, daß mit etwa 100 sol
cher Gene das gesamte und riesige Spektrum der unterschiedlichen immunologischen Spezi
fitäten, d. h. die Fülle der Klone komponiert wird. Wie und wo erfolgt dieser Zusammen
bau?
Hier kommt uns wieder der Thymus in den Sinn und damit auch das Bursaäquivalent. Es fällt auf, daß in ihm eine sehr hohe Zahl von Lymphozyten enthalten ist, die eine unerhört hohe Zellteilungsrate aufweisen. Verglichen mit dieser Menge von produzierten Zellen ver
lassen aber nur sehr wenige Thymus und Bur
saäquivalent. Es muß also im Thymus ein Vor
gang zur Vielfalt des Immunsystems beitragen.
Offenbar ist die sehr hohe Zellteilungsrate und die geringe Zahl überlebender Zellen der Schlüssel zum Geheimnis der immunologi
schen Diversität. Eine Theorie besagt, daß die noch unfertigen Stammzellen im Thymus unter dem Eindruck von teilungsfördernden Fakto
ren einen ungeheuren Zellumbau erfahren und bei dieser Gelegenheit immer neue Varianten
Fazit
Die Grenzen des Immunsystems liegen also in der verfügbaren Masse und Zellzahl begründet.
Selbst unter bestmöglicher Ausnutzung des Be
wegungsspielraums kann stets nur eine be
grenzte Vielfalt an Antigenspezifitäten her
vorgebracht werden. Als vorteilhaft erweist sich das allmähliche Verlöschen von Klonen, die kei
nen Antigenkontakt aufweisen, zugunsten neuer Klone gegen häufiger auftretende Antigene. So betrachtet weist das Immunsystem eine gewisse Plastizität auf, man könnte sogar kühn formu
lieren, es lernt sich den Notwendigkeiten anzu
passen.
Unabhängig vom Variantenreichtum bezüglich der Zellfamilien kommt noch hinzu, daß im Be
darfsfälle ein Klon sich um ein Vielfaches ver
mehren und ausdehnen kann. Dann nimmt die Masse des Immunsystems für eine kurze Zeit zu, was sich an vergrößerten Lymphknoten, vermehrter Knochenmarksaktivität und erhöh
tem Antikörpertiter zeigt. Dies ist übrigens ein weiterer Grund, warum die Natur vom rechne
rischen Optimum zugunsten einer höheren Klonzahl bei weniger Familienzellen abgewi
chen ist.
Alles in allem, so müssen wir staunend und bewundernd feststellen, hat uns die Natur tat
sächlich ein Immunsystem beschert, das im vor
gegebenen Rahmen das bestmögliche Angebot vorhält. Zugegeben, unser Immunsystem kennt Grenzen, aber die werden - auch wenn es uns anders erscheint - im Vergleich zur Zahl der
»Ereignisse« nur selten schmerzlich zur Kennt
nis gebracht.
an Zellen auftreten. Diese Varianten ergeben sich aus einer Art Würfelspiel, wobei die Zahl der Würfel den Strukturgenen entspricht und die Augen bei jedem Wurf durch die verschie
denen Kombinationen der Bausteine symboli
siert sind. Es geht eigentlich nur noch darum, bei den verschiedensten auftretenden Varian
ten die nützlichen von den unsinnigen oder gar gefährlichen zu trennen. Nützlich wären solche Antigenspezifitäten, die schädliche Faktoren erkennen und eliminieren, unsinnig und ge
fährlich dagegen solche Spezifitäten, die gegen harmlose und körpereigene Strukturen gerich
tet sind.
Prof. Dr. med. H. VV. Baenkler Medizinische Klinik und Poliklinik der Friedrich-zMexander-Universität Krankenhausstraße 12
8520 Erlangen
Das Immunsy
stem lernt, sich den Notwendig
keiten anzu
passen
Die Natur hat uns ein Immun
system be
schert, das im vorgegebenem Rahmen das bestmögliche Angebot bereit
hält
Trotz hoher Zellteilungsrate verlassen nur relativ wenige Zellen Thymus und Bursa
äquivalent
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Leserbrief *** Leserbrief *** Leserbrief ***
Thrombozytopenie und Psychose
Ausgehend von Untersuchungen an einem Patienten, der seit Jahren we
gen einer Psychose berentet ist, wird hier gezeigt, welche differential-dia
gnostischen Möglichkeiten bei der Diagnosestellung seinerzeit noch nicht haben ausgeschöpft werden können.
Es handelt sich um einen 51-jähri
gen Patienten, von Beruf früher Post
beamter, der seit mehr als 15 Jahren krank ist. Begonnen hat seine Er
krankung mit quälenden Kopf
schmerzen, die nicht zu beeinflus
sen, aber auch ätiologisch damals nicht zu klären waren.
Ein anamnestisch bekannter Alko- holabusus führte zur Annahme eines Zusammenhanges damit, zumal eine Leberschädigung vorlag. Multiple entzündliche Effloreszenzen am Kopf, am Stamm und an den Extre
mitäten vervollständigten das Krank
heitsbild. Dermatologischerseits wurde eine chronische Herpesinfek
tion der Haut diagnostiziert. Wäh
rend der vergangenen Jahre ent
wickelte sich eine Herzdilatation.
Zudem kam es bei dem Patienten zu mehrmaligen Pleuraergüssen, schließlich auch einmal zu einer As
zitesbildung.
AufTälligerweise bestand bei dem Patienten eine immer wieder sicht
bare Thrombozytgopenie (Werte um 130000 bis 150000 pro Femtoliter), die den Gedanken an eine immuno
logische Erkrankung nahelegte. Un
ter dem Verdacht auf eine Kollage
nose vorgenommene Untersuchun
gen auf antinukleäre Faktoren (ANA) ergaben, wenn auch in niedriger Ti
terstufe, positive Ergebnisse. Gleich
zeitig waren Antikörper gegen glatte Muskulatur (ASMA) in niedriger Ti
terstufe sowie bei diesem Patienten auch Antikörper gegen Bürstensaum (Nierengewebe) nachweisbar.
Eine wegen dieser Befunde eingelei
tete Behandlung mit Triamcinolon als Kristallsuspension i.m. besserte auch die zerebrale Symptomatik.
Das bunte Bild an zerebraler, kar
dialer, hepatischer, pleuraler und peritonealer Symptomatik, verbun
den mit einer dermatologischen Er
krankung und gleichzeitigen Blut
bildveränderungen zeigt fast alle Zei
chen, die eine Kollagenose aufwei
sen kann. Es ist dabei eben nur wichtig, alle diese Symptome einmal als Zeichen einer einheitlichen Er
krankung mit in verschiedenen Or
ganen gelegenen Manifestationen zu verstehen.
Insgesamt ist es sicher erforderlich, bei Patienten, bei denen die Diagno
sestellung »Psychose (oder auch Hirnorganisches Psychosyndrom)«
bereits vor Jahren erfolgt ist, die Dia
gnose mit den heutigen diagnosti
schen Verfahren nochmals - auch mehrfach - zu überprüfen. Dies ist insbesondere bei Patienten zu for
dern, die Hinweise auf entzündliche Erkrankungen aufweisen, so bei
spielsweise in diesem Falle eine Thrombozytopenie.
Dr. med. Wolfgang Polster Arzt für Allgemeinmedizin Schwalbenstraße 22 4515 Bad Essen
Kommentar:
Ätiologisch entscheidend scheinen Alkoholabusus und eine primäre oder sekundäre Myokardiopathie zu sein.
Pathogenetisch sind die beschriebe
nen hämatologischen und serologi
schen Veränderungen als Ausdruck einer progredienten Leber- und Herzinsuffizienz mit Hypersplenie- Syndrom zu werten. Die nur als
»grenzwertig« pathologisch bzw. po
sitiv beschriebenen Autoimmunre
aktionen finden sich typischerweise als unspezifische Begleiterscheinung bei chronischen Hepatopathien. Ein primärer Autoimmunprozeß wäre bei diesen Ergebnissen differential
diagnostisch wenig wahrscheinlich.
Die im unteren Normbereich liegen
den thrombozyten sind als Folge des Hypersplenie-Syndromes zu werten.
Natürlich bedarf es eine adäquaten hämatologischen Untersuchung (Knochenmark!), um andere Formen
eines gesteigerten peripheren Thrombozytenumsatzes oder einer Bildungshemmung auszuschließen.
Daß Kortikosteroide zu einem An
stieg der Thrombozyten führen, hängt in dem hier dargestellten Krankheitsbild mit deren Suppres
sion der Makrophagenaktivität in Milz und Leber und damit einer Ver
längerung der Zirkulationsdauer zu
sammen.
Zusammenfassend handelt es sich, soweit dies aus dem Leserbrief zu entnehmen ist, um eine Nebeneinan
der verschiedener, für eine chroni
sche Hepathopathie und/oder sekun
däre Hepatopathie bei Herzinsuffi
zienz typischen Befunde.
Ein »Neues Krankheitsbild« oder ei
nen kausalen Zusammenhang mit der Psychose kann ich nicht ent
decken.
Prof. Dr. med. Ulrich R. Kleeberg Hämatologisch-onkologische Praxis Altona Max-Brauer-AIIee 52
2000 Hamburg 50
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