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Entwicklung von Jugendinformation und dezentraler Jugendbeteiligung in Essen

Im Dokument „mitWirkung!“ in der Praxis (Seite 36-39)

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‚mitWirkung!‘ ausgebildeten Prozessmoderatoren für die Arbeit mit Content-Management-Systemen. So können sie in ganz Essen jugendliche Multiplikatoren in die Lage ver-setzen, zukünftig als administrative Redakteure für ihre Stadtteile zu arbeiten.“

So groß die Anstrengungen für das „Townload“-Portal auch waren, so sehr hat dieses Projekt den Beteiligten vor Augen geführt, welche Herausforderungen damit verbunden sind, wenn kommunale Welt auf Jugendkultur stößt. Im Grunde mussten Ruff und seine Mitstreiter im Laufe der Zeit genau die Strukturen überwinden, die ursprünglich die alte Jugend-Website der Stadt Essen für Jugendliche so wenig attraktiv gemacht hatten. „Allein die Art des Internet-Auftrittes und die Form der Inhalte sind, wenn man sie jugendgerecht machen will, inkompatibel zu dem, was die kommunale Internet-Präsenz leisten kann“, sagt Medienfachmann Ruff und weist auf die Formular-Server hin, die im Internet nur Verwaltung abbilden, nicht aber Jugendliche ansprechen und in Leistung und Struktur nicht auf Chat-Funktionen oder Community-Foren ausgerichtet sind. Er berichtet aber auch von Verordnungen zur Barrierefreiheit, die nicht nach kom-munalen Kriterien umgesetzt werden könnten, oder gestalte-rischen Vorstellungen der Jugendlichen, die durch städtische

„Corporate-Design“-Vorgaben eigentlich wieder in der Schub-lade hätten verschwinden müssen.

Dass die neue Jugend-Website mittlerweile online ist, geht letztendlich auf eine Entscheidung des Essener Jugenddezer-nenten Peter Renzel zurück, der kurzerhand verfügte, dass www.townload-essen.de zukünftig unabhängig von der Online-Redaktion oder den CI-Vorgaben der Stadt Essen arbeiten darf. Sehr zur Zufriedenheit von Andreas Ruff:

„Irgendwann muss man halt die Entscheidung treffen: Will

ich Beteiligung durch Jugendinformation ernsthaft um- setzen? Wenn ja, dann muss ich auch konsequent den An-schluss zur Lebensrealität der jungen Menschen herstellen.

Alles andere ist rausgeschmissenes Geld und vertane Arbeit.“

Essen dezentral

Unmittelbaren Anschluss an die Lebenswirklichkeit und den Alltag der Jugend bekamen die Essener Partizipations-bemühungen im Zuge der Initiative „mitWirkung!“ auch durch das Projekt der dezentralen Jugendbeteiligung.

Dezentral meint die Fokussierung der Beteiligungsansätze auf einzelne der neun Essener Stadtbezirke mit ihren insge-samt 50 Stadtteilen. Das Maß an Dezentralität wird schon dadurch relativiert, dass allein Essen-Borbeck als Modell-bezirk von „mitWirkung!“ mit 85.000 Einwohnern fast so groß ist wie die größte Modellkommune der Initiative „mit-Wirkung! Schleswig-Holstein“ — nämlich Flensburg mit sei-nen 87.400 Bürgern. Hier ist erfolgreiche Partizipation eine Frage der engagierten Mitarbeiter aus den Jugendeinrich-tungen in den Stadtteilen, die entweder einen großen gemeinsamen Nenner für die Kinder und Jugendlichen vor Ort finden oder Lösungen für kleinskaligere, auf den Stadt-teil bezogene Projekte entwickeln müssen.

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In beiden Fällen brauchen sie die Unterstützung der Jugendlichen vor Ort, so wie in Borbeck die der Jugend-gruppe „we:too e.V.“, die dafür sorgt, dass Kinder und Jugendliche zukünftig einen eigenen, selbst verwalteten Anlaufpunkt für ihre Belange im Stadtteil finden. „we:too“, das sich frei übersetzt nicht nur als „wir auch“, sondern ebenso als „veto“ verstehen lässt, ist aus der ehemaligen Lenkungsgruppe zur dezentralen Jugendbeteiligung ent-standen. Zehn Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahren sowie drei Pädagogen wollen mithilfe des eingetragenen Vereins erreichen, dass auch über das Ende der Initiative

„mitWirkung!“ hinaus Strukturen für Beteiligung im Bezirk bestehen bleiben und weitere Jugendliche zur Mitarbeit gewonnen werden.

Zu den Gründungsmitgliedern gehören u. a. Berit (17), Schülerin am Mädchengymnasium Borbeck, und der Zivil-dienstleistende Roland (22). Beide sind qualifizierte Jugend-moderatoren und haben eine Moderationsausbildung zu Methoden der „Technology of Participation®“ durchlaufen.

Roland ist bereits seit Beginn des Mitwirkungsprojektes

„Pimp my Stadtteil“ im Sommer 2007 in Borbeck dabei.

Damals ging es darum, Jugendliche aus dem Stadtteil über-haupt erst einmal zu erreichen und sie für Mitwirkung zu gewinnen. Das gelang zum einen über die direkte An- sprache der Jugendlichen an den Orten, wo sie bereits organisiert sind, also in Vereinen, Pfarreien, freiwilligen Feuerwehren oder Jugendtreffs. Zum anderen konnten sie sich über „Pimp my Stadtteil“ direkt bei der Gestaltung des eigenen Umfeldes engagieren.

„Am Anfang war ich noch echt skeptisch“, sagt Roland.

„Früher gab es immer mal wieder hochgelobte Aktionen zu Beteiligung, bei denen dann aber nichts mehr nachkam.

Der Moment, als ich das erste Mal ‚wow‘ gesagt habe, war, als der beim Auftakt-Event geplante Bolzplatz wirklich so gebaut wurde, wie sich die Jugendlichen das vorgestellt hatten“ — „mitWirkung!“ zeigte Wirkung. Nun aber geht es der Gruppe „we:too“ nicht mehr nur um einen Bolzplatz, sondern um das ehrgeizige Ziel eines eigenen Ladenlo-kales, wie Berit berichtet: „Wir wollen einen Laden im Stadtteil haben, der für die Borbecker Jugendlichen eine feste Anlaufstelle ist, wo Ansprechpartner und Informationen vorhanden sind und wo es auch ein Internet-Café gibt.“ Den Einwand, es gebe doch schon zahlreiche Jugendzentren in den Stadtteilen, lässt Roland nicht gelten. Er sieht im

„we:too“-Büro ein Projekt von jungen Menschen für junge Menschen und hält genau das für den entscheidenden Punkt. Schließlich hätten viele Jugendliche eine gewisse Scheu und Zurückhaltung, wenn Erwachsene ein Projekt managen und nur sie als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stünden.

Nach Aussage von Gudrun Potysch-Wieczorek, Projekt- koordinatorin der Initiative „mitWirkung!“ in Essen, soll das Ladenlokal auch kein Ersatz bzw. keine Konkurrenz für die Gründungsmitglieder der Jugendgruppe „we:too e.V.“: Berit (17), Schülerin am Mädchengymnasium Borbeck, und

der Zivildienstleistende Roland (22).

Gudrun Potysch-Wieczorek, Projektkoordinatorin

„mitWirkung!“ in Essen

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Jugendtreffs oder andere Freizeiteinrichtungen sein. „Die Idee einer von der ‚we:too‘-Gruppe in Eigenregie geführten Einrichtung ist auch mit Blick auf die anderen Bezirke Essens ein gutes Beispiel für eine direkte Anlaufstelle für dezentrale Beteiligungsmöglichkeiten. Hier erfahren Jugendliche, welche konkreten Beteiligungsprojekte im eigenen Stadtteil laufen, hier können sie ihre Wünsche unmittelbar in die Stadtteil-planung einbringen und finden sie Verbündete, mit denen sie Dinge in Gang bringen und umsetzen können.“

Die Leiterin der Essener Kinder- und Jugendarbeit kann sich aber nicht nur mit Blick auf die Erprobung der dezen-tralen Jugendbeteiligung in Borbeck zufrieden zeigen.

Auch wenn Jugendarbeit ihre Erfolge nicht immer mit direkten Zahlen belegen und somit der Politik auch nicht in jedem Punkt deutlich machen könne, welche kon-kreten Ergebnisse erzielt worden seien, ist Gudrun

Daniel Dimke, verantwortlicher Sozialarbeiter für den Stadtteil Borbeck

In jedem Jugendlichen stecken der Wunsch

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