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35.1 (1) Die Synchronisierung von Erzeugung und Verbrauch erfordert klare Regeln für den Strommarkt sowie wirtschaftliche Anreize für die Marktteilnehmer, um ein systemstabilisierendes (systemdienliches, netzdienliches) Verhalten zu fördern. So etwa wird die Nichteinhaltung von geplanten Erzeugungs– und Verbrauchsmengen (Fahrplänen) durch hohe Ausgleichsenergiepreise pönalisiert. Dies trägt dazu bei, Abweichungen gering zu halten. Die OeMAG war gesetzlich verpflichtet, ihre Ausgleichsenergieaufwendungen zu minimieren. Die spezifischen Rahmenbedin­

gungen der Ökobilanzgruppe erschwerten ihr dies jedoch:

Tabelle 31: Ökobilanzgruppe im Vergleich zu sonstigen Bilanzgruppen

Ökobilanzgruppe übrige Bilanzgruppen

Prognose

hohe Dargebotsabhängigkeit und intermittierendes Erzeugungsprofil von Windkraft und Photovoltaik erschweren die Prognose

Anlageneinsatz und Fahrpläne werden energiewirtschaftlich optimiert

höherer Grad an Durchmischung (z.B.

konventionelle Erzeuger, Ökostrom­

anlagen ohne OeMAG–Vertrag, Verbraucher)

erzeugungsseitige Steuerung

– bei Windkraft– und Photovoltaik–

Anlagen technisch beschränkt auf Abregelung;

– wirtschaftliche Anreize für system­

dienliches Verhalten der Ökostrom­

erzeuger fehlen

wirtschaftlicher Anreiz zur Vermei­

dung von Ausgleichsenergiekosten, Erzeugung nach Bedarf bspw. durch Abschaltung (erhöht Marktwert des erzeugten Stroms)

verbrauchsseitige

Steuerung nicht möglich (nur Erzeuger, keine

Verbraucher in der Ökobilanzgruppe) z.B. zeitliche Lastverschiebung oder Lastverringerung durch Großabnehmer

Quellen: APG; E–Control; Darstellung: RH

Die OeMAG übernahm – stellvertretend für alle Ökostromeinspeiser – das Kosten­

risiko von Fahrplanabweichungen. Aufgrund der garantierten Einspeisetarife, des Einspeisevorrangs und des gesicherten Absatzes hatten die Ökostromeinspeiser keine wirtschaftlichen Anreize, bedarfsgerecht einzuspeisen. Unter den für sie geltenden Rahmenbedingungen verhielten sie sich rational, wenn sie zu jedem Zeit­

punkt möglichst große Mengen an Ökostrom in das öffentliche Netz einspeisten.

(2) Die ab Mitte 2021 geltenden EU–Vorschriften sehen vor, dass für größere Ökostromanlagen künftig der Grundsatz der Direkt– bzw. Eigenvermarktung gilt, der ihnen auch eine Teilnahme in allen Segmenten des Strommarkts eröffnet, so etwa auch auf dem Ausgleichs– und Regelenergiemarkt. Für kleinere Erzeuger sah der Ministerratsvortrag vom 5. Dezember 2018 weiterhin eine Abwicklungsstelle vor, welche die Vermarktung des erzeugten Stroms übernehmen sollte.

(3) Nachstehende Tabelle zeigt, dass sich die Aufwendungen der OeMAG für Ausgleichsenergie vom Jahr 2012 auf das Jahr 2015 nahezu verdreifachten:

Tabelle 32: Ausgleichsenergie – Nettoaufwendungen 2012 bis 2017

2012 2013 2014 2015 2016 2017

in Mio. EUR

Ausgleichsenergie, Nettoaufwand1 28,81 39,36 69,19 85,41 71,73 42,07

Intraday–Vermarktung ab 20152 2,35 2,24 5,34

Mengen in Gigawattstunden

Ausgleichsenergie3 726 939 1.136 1.304 1.307 1.219

Windeinspeisung 2.390 2.970 3.640 4.592 4.932 5.746

1 Saldo aus Erlösen (Lieferung) und Aufwand (Bezug) für Ausgleichsenergie, abzüglich der Erlöse aus Intraday–

Vermarktung (OeMAG Jahresabschlüsse)

2 Erlöse abzüglich Abwicklungskosten (OeMAG Jahresabschlüsse)

3 Gesamtabweichung (Bezug und Lieferung laut OeMAG–Website; vorzeichenneutral addiert)

Quelle: OeMAG

Im Jahr 2018 sank der Aufwand für Ausgleichsenergie laut Auskunft der OeMAG auf 27,77 Mio. EUR und reduzierte sich durch die Intraday–Vermarktung von Prognosee­ abweichungen auf 25,37 Mio. EUR.

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Der überwiegende Anteil der Ausgleichsenergiekosten (85 % bis über 90 %) entfiel auf die Windkraft, deren Einspeisung im Zeitraum 2012 bis 2017 von 2,39 TWh auf 5,75 TWh um 140 % anstieg. Während die Menge an Ausgleichsenergie von 2012 auf 2015 um rd. 80 % stieg, erhöhten sich die Aufwendungen dafür um nahezu 200 %.

Von 2015 auf 2017 sanken die Mengen geringfügig, die Aufwendungen halbierten sich jedoch wie nachstehende Abbildung illustriert:

Abbildung 7: Ausgleichsenergie – Entwicklung von Menge und Kosten (Index)

(4) Die Ausgleichsenergiekosten beruhten auf einem von der Regulierungsbehörde E–Control genehmigten Preismodell, das einen Basispreis mit einem Aufschlag vorsah. Der Aufschlag sanktionierte starke Prognoseabweichungen. Der Bilanzgrup­

penkoordinator (Verrechnungsstelle) teilte die Kosten jener Bilanzgruppe überpro­

portional zu, die den Großteil des Regelzonendeltas verursachte.92 Dies traf insbesondere die OeMAG, die – mit steigender Erzeugung aus Windkraft – bei einer Fehlprognose die gesamte Regelzone beeinflussen konnte. Im Jahr 2015 trug sie etwa 150 % der in der Regelzone anfallenden Ausgleichsenergiekosten.

92 E–Control, Gutachten laut Ökostromgesetz 2012 § 42 Abs. 4 zur Bestimmung der aliquoten Ausgleichsener­

gie–, Verwaltungs– und Technologieförderungsaufwendungen der Ökostromförderung für das Jahr 2017 auf Basis der Aufwendungen im Jahr 2016 vom 16. März 2017, Seite 9

7

Ökostromförderung am Beispiel Windkraft und Photovoltaik_004.642

Tabellen und Grafiken

Abbildung 7

2012 2013 2014 2015 2016 2017

100 100

129

156

180 180

168 137

240

296

249

146

Ausgleichsenergiemenge Nettoaufwand

Quelle: E–Control, Ökostrombericht 2018; Berechnung und Darstellung: RH Index 2012 = 100

Das Preismodell führte zu Erlösen (aus der Verrechnung der bilanziellen Unausgegli­

chenheit), welche die Kosten weit überstiegen. Diese Übereinnahmen waren entsprechend dem Preismodell zugunsten anderer Bilanzgruppen zu verteilen (negative Sozialisierung). Das Modell hatte ursprünglich jedoch eine positive Soziali­

sierung bezweckt, d.h. die anderen Bilanzgruppen sollten im Ausmaß von 20 % an den Ausgleichsenergiekosten beteiligt werden.

Die APG hatte das Ministerium und die E–Control schon im Juli 2004 auf spezifische Nachteile dieses Preismodells für die Ökobilanzgruppe hingewiesen. Eine Anpas­

sung der Parameter der Formel des Preismodells milderte die unerwünschten Auswirkungen ab 2016.93 Infolge von Harmonisierungsprozessen auf europäischer Ebene trat Anfang 2019 als Übergangsmodell ein geändertes Regelreserve–Regime mit einem neuen Ausgleichsenergie–Preismodell in Kraft.

(5) Das Ministerium und die Regulierungsbehörde E–Control drängten die OeMAG ab 2008 verstärkt, Maßnahmen zur Minimierung der Ausgleichsenergie zu setzen (siehe TZ 36). Anders als in den Anfangsjahren der Ökostromförderung veranlasste das Ministerium im Rahmen seiner Aufsichtspflicht jedoch keine Überprüfung der Angemessenheit der Aufwendungen der OeMAG für Ausgleichsenergie, obwohl diese von 2012 auf 2015 um beinahe 200 % gestiegen waren.

(6) Die marktbasierte Beschaffung der Primärregelung begann in Österreich im Jahr 2010, jene der Sekundärregelung im Jahr 2012. Berichte der E–Control und Studien verwiesen in diesem Zusammenhang auf das anfänglich nicht immer effizi­

ente Funktionieren des österreichischen Regelenergiemarkts, das sich auch auf die Aufwendungen der OeMAG für Ausgleichsenergie auswirken konnte. Erst ab 2015 sanken die Regelenergiekosten durch verstärkte internationale bzw. grenzüberschrei­

tende Kooperationen sowie Maßnahmen zur Beseitigung von Markteintrittsbarrieren für potenzielle Marktteilnehmer am österreichischen Regelreservemarkt.94

35.2 Der RH hielt fest, dass die Aufwendungen der OeMAG für Ausgleichsenergie von rd. 29 Mio. EUR (2012) auf rd. 85 Mio. EUR (2015) stiegen. Dies entsprach einer Erhöhung um nahezu 200 % innerhalb von drei Jahren. Die Entwicklung der Aufwen­

dungen korrelierte dabei nicht mit jener der Mengen. Ab 2015 sanken die Aufwen­

dungen für Ausgleichsenergie um die Hälfte (rd. 51 %).

93 APCS Power Clearing and Settlement AG, Anhang Ausgleichsenergiebewirtschaftung v16.00, Seite 12 der Allgemeinen Bedingungen des Bilanzgruppenkoordinators (Version 12)

94 siehe Marktberichte der Jahre 2013 bis 2017 der E–Control; siehe bspw. auch R. Haas, Technische Universität Wien (2015): Strommarktdesign für die Integration steigender Anteile erneuerbarer Energie in Österreich und Europa, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Land– und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­

wirtschaft, Wien; siehe F. Ocker, K.M. Ehrhart, M. Ott: Bidding Strategies in the Austrian and German Second­

ary Balancing Power Market, Präsentation 16. Februar 2017, Internationale Energiewirtschaftliche Tagung (IEWT) 2017, Technische Universität Wien; siehe G. Petritsch, A. Moik: Preisblasen im APG Regelenergie­

markt, 2017, Präsentation 16. Februar 2017, IEWT 2017

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Er hob kritisch hervor, dass die Voraussetzungen der OeMAG für die ihr gesetzlich aufgetragene Minimierung der Ausgleichsenergieaufwendungen von Anfang an ungünstig waren, vor allem

• die Konstruktion der Ökobilanzgruppe als Sonderbilanzgruppe ohne Verbraucher sowie

• ein Preismodell, das die Nachteile der Sonderbilanzgruppe verstärkte, wobei die ungünstige Wirkung des Preismodells allen Beteiligten, u.a. auch der E–Control und dem Ministerium, schon im Jahr 2004 bekannt war.

Ferner wies der RH kritisch darauf hin, dass Österreich – im Gegensatz zu anderen EU–

Ländern – marktorientierte Instrumente wie die Direktvermarktung von Ökostrom noch nicht umgesetzt hat. Ökostromerzeuger hatten daher keine wirtschaftlichen Anreize, Systemverantwortung zu übernehmen bzw. war ihnen dies – ohne Änderung des Fördersystems – aus beihilfenrechtlichen Gründen auch nicht möglich.

Ebenso verwies der RH auf Probleme des österreichischen Regelenergiemarkts nach der Umstellung auf wettbewerbliche Ausschreibungen ab 2012. Die geringe Zahl an Bietern sowie das Design von Auktionen führte ab 2012 zu einem Anstieg der Regel­

reserve– und Ausgleichsenergiekosten, der auch zu den hohen Ausgleichsenergie–

Aufwendungen der OeMAG beitrug.

Weiters kritisierte der RH, dass das Ministerium – trotz des außergewöhnlichen Anstiegs der Aufwendungen für Ausgleichsenergie – keine Überprüfung der Ange­

messenheit der Mehraufwendungen veranlasste.

Der RH empfahl dem Ministerium, den Grundsatz der Systemverantwortung durch Direkt– bzw. Eigenvermarktung konsequent umzusetzen und die Rahmenbedingun­

gen der Abwicklungsstelle zur Minimierung von Ausgleichsenergie nach Möglichkeit weiter zu verbessern.

35.3 (1) Das Ministerium verwies in seiner Stellungnahme mit Bezug auf die Empfehlung des RH auf den Ministerratsvortrag vom 5. Dezember 2018 (Erneuerbaren Ausbau–

Gesetz): Dieser bekenne sich klar zum Grundsatz der Systemverantwortung und der Eigenvermarktung für größere erneuerbare Stromerzeugungsanlagen.

Die ÖSG–Novelle 2012 habe zu einem starken Windkraftausbau geführt, eine zufrie­

denstellende Prognose neuer Anlagen sei – so das Ministerium – jedoch erst auf Basis von Erfahrungswerten möglich. Dies sowie die vom RH erwähnte Umstellung des Regelenergiemarkts 2012 habe zum Anstieg der Aufwendungen für Ausgleichs­

energie geführt. Als Gegenmaßnahme habe die E–Control nationale Initiativen zur Belebung des Regelreservemarkts eingeleitet. Ferner sei mit der ÖSG–Novelle 2017 die kurzfristige Regelbarkeit der Einspeisung und der Zukauf von Ausgleichsenergie durch die OeMAG umgesetzt worden.

Die Maßnahmen hätten die Kosten für Ausgleichsenergie – speziell jene der Wind­

kraft – stark reduziert, von rd. 85 Mio. EUR (2015) auf rd. 42 Mio. EUR (2017).

(2) Die OeMAG bemerkte in ihrer Stellungnahme grundsätzlich, dass sie als Öko bilanzgruppe unter den gegebenen Bedingungen zwar die Mengen an konsu­

mierter Ausgleichsenergie verantworte, nicht jedoch die außerhalb ihres Einflusses liegenden Preissteigerungen. Die Mengen an konsumierter Ausgleichsenergie seien gegenüber der Windkraftproduktion sogar unterproportional gestiegen. Die vom RH dargestellte Entwicklung der Mengen belege die von der OeMAG – trotz steigender Windkraftkapazitäten – laufend erzielten Optimierungen.

Die für den Anstieg der Ausgleichsenergiekosten verantwortlichen Fehlentwicklungen seien dem Regulator (E–Control) angezeigt worden. Die Ausgleichsenergiepreise würden einerseits vom Preismodell und andererseits von den Kosten für den Einsatz von Regelenergie abhängen. Die steigenden Regelenergiepreise infolge der Liberalisie­

rung des Regelenergiemarkts hätten – als wesentlicher Kostenbestandteil der Ausgleichsenergieverrechnung – zu einer zusätzlichen Belastung geführt. Um letztere möglichst gering zu halten, habe die APG Maßnahmen gesetzt, um die Liquidität des heimischen Regelenergiemarkts zu steigern und die Regelenergieabrufe durch grenz­

überschreitende Kooperationen (Netting) zu reduzieren.

Im Jahr 2018 seien die Kosten vom Höchststand 2015 um rd. 60 Mio. EUR gesunken.

Zu verdanken sei dies vor allem der Weiterentwicklung der Prognose, der Einbin­

dung von Echtzeit–Messwerten und der Intraday–Vermarktung von Fahrplanabwein­ chungen durch die APG als Dienstleister der OeMAG. Das Ziel der APG – Reduktion von Regelenergiekosten – stehe im Einklang mit dem Ziel der OeMAG – Reduktion der Ausgleichsenergieaufwendungen.