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Entflechtungsmöglichkeiten

(618) Aus der summarischen Zusammenstellung des obigen Kapitels lassen sich mehr oder weniger weit gehende Entflechtungsmöglichkeiten ableiten:

223 FRIEDERICH UELI (1999): Art. 126 des Gemeindegesetzes des Kantons Bern, Rz. 21, in:

ARN/FRIEDERICH/FRIEDL/MÜLLER/MÜLLER/WICHTERMANN (1999): Kommentar zum Gemeindegesetz des Kantons Bern, Bern.

224 Vgl. dazu die Forderung nach einer Vereinfachung der Aufsicht bei FRIEDERICH UELI (1999): Art. 126 des Ge-meindegesetzes des Kantons Bern, Rz. 22, in: ARN/FRIEDERICH/FRIEDL/MÜLLER/MÜLLER/WICHTERMANN (1999):

Kommentar zum Gemeindegesetz des Kantons Bern, Bern.

225 Aus der doppelten Aufsicht ergibt sich auch die Frage nach der Verantwortlichkeit bei der Behebung von Konflik-ten. Rein rechtlich gesehen können beide Behörden – die staatliche und die kirchliche – einer Pfarrperson die Anstellung entziehen, weil Wahlvoraussetzung die Zustimmung beider Seiten ist: vgl. dazu als Beispiel für die ka-tholische Seite den Röschenzer Kirchenstreit: bei www.kath.ch (Zugriff 8.9.2014).

226 Probleme können sich zeigen, wenn wie etwa bei der römisch-katholischen Kirche zu wenig Priester zur Verfü-gung stehen und darum Geistliche aus anderen Kulturkreisen angestellt werden müssen.

 (619) In einer ersten Stufe könnte das gemeinderechtliche „Korsett“ – also die Gesamt-heit der gemeinderechtlichen Regeln – stufenweise gelockert und den Landeskirchen mehr Organisationsautonomie sowie mehr Regelungs- und Aufsichtskompetenzen zuge-wiesen werden. Das würde den Aufbau entsprechender Dienste in den Landeskirchen bedingen, was zweifellos einige Zeit und beträchtliche Mittel erfordern würde. Im Gegen-zug könnten die kantonalen Dienststellen in der Kirchendirektion reduziert werden. Zu denken ist etwa an die Finanzaufsicht227. Eine Oberaufsicht des Kantons müsste natürlich so lange erhalten bleiben, als eine öffentlich-rechtliche Anerkennung besteht228. Die Zeit erscheint nach hier vertretener Auffassung gekommen für eine grössere Organisationsau-tonomie der Kirchen: Weil die kircheninterne Organisation ohnehin schon aus finanziellen Gründen schlanker werden muss, laufen bereits Reorganisationsprozesse, so etwa in der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde der Stadt Bern229. Die reformierten Kirch-gemeinden der Stadt Zürich sind wegen eines höheren Problemdrucks in diesem Punkt bereits weiter fortgeschritten230. In der Gemeindeabstimmung vom 28. September 2014 haben sich die Stimmberechtigten der bisherigen 33 Stadtzürcher Kirchgemeinden über-aus deutlich für einen Zusammenschluss zu einer einzigen Kirchgemeinde entschieden231.

 (620) In einer weiteren Stufe könnte sich der Kanton als Anstellungsbehörde für die von ihm finanzierten Pfarrstellen zurückziehen. Er würde dann die nach den historischen Rechten geschuldeten Finanzhilfen an die Personalkosten der Landeskirchen überwei-sen. Damit würden grössere Aufgaben und Kosten vom Staat auf die Landeskirchen ver-schoben. Selbstverständlich bedürfte es einer Aufsicht nach Staatsbeitragsgesetz232, um die Zweckbindung der Gelder zu überwachen.

 (621) Schliesslich könnte auch auf die kantonale Umschreibung der Kirchgemeinden durch den Grossen Rat sowie die entsprechende Zuweisung von (kantonal finanzierten) Pfarrstellen verzichtet werden. Der Kanton könnte dies den Kirchen überlassen im Rah-men von kirchengesetzliche Richtlinien, die beispielsweise einen Ausgleich zwischen den bevölkerungsstarken und den dünn besiedelten Kantonsteilen regeln. In diesem Rahmen

227 Siehe dazu als Beispiel die wenigen finanzrechtlichen Grundsätze nach § 11 ff. der Zürcher Verordnung zum Kirchengesetz und zum Gesetz über die anerkannten jüdischen Gemeinden.

228 Der Umfang der Oberaufsicht und der damit verbundene Aufwand kann – wie die unterschiedlichen Verhältnisse in den Schweizer Kantonen zeigen – stark variieren.

229 Strukturdialog: vgl. www.gkgbe.ch (Zugriff am 4.9.2014).

230 Vgl. dazu die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vom 27. August 2014: Reformwille auf dem Prüfstand: Die Stadtzürcher Reformierten können zwischen zwei Modellen der Strukturanpassung wählen: „Der Mitgliederschwund der refor-mierten Kirche Zürich ist dramatisch: Seit den 1960er Jahren ist die Zahl der Mitglieder um zwei Drittel gesunken, von 270‘000 auf 90‘000. Nach wie vor unterhalten aber die 34 im Stadtverband zusammengeschlossenen Kirch-gemeinden eigene Sekretariate, 48 Kirchen, 35 Kirchgemeindehäuser und 65 Pfarrhäuser. Angesichts rapide sinkender Einnahmen – auch auf längere Sicht ist mit einem Vermögensverzehr von jährlich rund 10 Millionen CHF zu rechnen – und der nicht mehr angemessenen Nutzung der Infrastrukturen ist der Reformbedarf unbestrit-ten. …“

231 www.zh.ref.ch (Zugriff am 11.10.2014).

232 Art. 20 ff. des Staatsbeitragsgesetzes vom 16. September 1992 (StBG, BSG 641.1).

könnte der Kanton auch einen geeigneten Finanzausgleich unter den Kirchgemeinden vorschreiben.

 (622) Als weitestgehenden Schritt könnte der Kanton auf die Territorialität der Kirchge-meinden verzichten. Welche Auswirkungen ein solcher Schritt haben könnte, müsste na-türlich vertieft abgeklärt und mit den Landeskirchen diskutiert werden. Entsprechende Überlegungen sprengen den Umfang dieses Berichts. Immerhin sei darauf hingewiesen, dass gewisse Kirchgemeinden in Deutschland Personalgemeinden sind233. Solche Ent-wicklungen liessen sich beispielsweise auch für Zentrumskirchen in den grossen Städten überlegen (Münstergemeinde, Heiliggeist-Gemeinde in der Stadt Bern). Der Vorteil läge in einer grösseren Freiheit bei der Wahl der Gemeindezugehörigkeit. Der Nachteil könnte darin liegen, dass die Kirchgemeinden noch stärker als heute ein eigenes Profil entwi-ckeln könnten, weil sich in einer Personalgemeinde in der Regel die Gleichgesinnten ver-sammeln. Dem heutigen Pluralismus in den Kirchgemeinden der Landeskirchen könnte das abträglich sein. Zudem könnten Personalgemeinden eine Ausdünnung der Leistun-gen der Kirchen auf dem Lande fördern. Der Gesetzgeber müsste also die Frage beant-worten, wie stark er eine flächendeckende pfarramtliche Versorgung will und welche Mittel er dafür einzusetzen gedenkt.

233 Beispiel: Die Kirchgemeinde der berühmten Nikolaikirche in Leipzig, die zur evangelisch-lutheranischen Landes-kirche des Bundeslandes Sachsen gehört: www.nikolaiLandes-kirche-leipzig.de (Zugriff 2.9.2014).

7 Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften durch den

Staat