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1. I n Neuendettelsml.

Von

Propst «lligerode

in Dorpat.

Hcrrmaunsbnrg mit seiner gesegneten Arbeit unter de» Heiden hatte ich kennen gelernt, Nnnuiehr lag mir Alles darau, unser Teutschland nicht wieder zu verlassen, und in »»eine Heimath nicht zurückzukehren, bevor ich auch Neucndettelsau mit seinen heilsamen Anstalten für den Anobau des Reiches Gottes daheim kennen gelernt, S o kürzte ich denn meinen Auf-enthalt im schönen Schwaben, der lrauicn Kinderstube Teutschlands, ab, und ging am 26. Juli ( ? . August) von Stuttgardt über Wasscralfingcn yach Nördlingen, am anderen Tage aber iibcr Gnnzcnhansm weiter »ach Ncuendcttelsau. Je ferner mir das Schwabcnland mit seinen kuMnlosni Bergen und seinen confcsswnsloscn Gcmcindeu trat, und je mehr ich mich dem Frankcnlande mit seinen weiten Ebenen und seineu herrlichen Thür-mcn näherte, um so heimischer wurde es mir wieder zu Muthe. Wie vor Herrmanuslmrg, so wechselten auch vor Nencndettclsau Sand und Wiese, Kicfcrngchölz und Konigcfllde lieblich mit einander ab. Nur das Haidekra»!

mit den snmmendcn Bienen fehlte. Dagegen guckte hier und da ein Land«

städtchen in altfränkischem Gcwaudc »uter den Dörfern und Hmtersassen-hänsern hervor, und schaute verwundert in die Neuzeit hinein. Immer und inmier wieder tritt mir der Prophctenspnich vor die Seele, das! der Herr sein Volk in die Wnste führen, und da mit ihm freundlich redcu wolle, und während mein Fuhrmann mit seinem Beisassen munter plaudert, summe ich mit dem alten Sänger vor mich hin: „Nicht Jerusalem, sondern Brlhlehciu!"

Werden sich die Großstädte und Machtrciche der Welt auch je dem Getreu-zigten zu seinen Füßen hinlegen? Oder wird Christi Kirche in diesem Zeil-laufe immer ein Bethlehem bleiben, bis das himmlische Jerusalem

herab-I n Nenendettelsau.

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kommt, und sie in de» Muttcrschoft nimmt? Freilich Rom hat Glöftstädle gebau!, nnd Genf hat Machtreichc gegründet, der Lutheraner aber u,ag, >me viel Kinder Gottes da auch gezählt werden, nimmer in diesen Biute» das Reich anschauen, dessen er harret. Nicht Icnisalem, sondern Bethlehem!

Sei's denn Bethlehem, wenn's da n»r aussieht, wic i» Herrmannsbmg

»öd in Nmmdcttelsan, und Hirten und Weise sammt den Engeln Gottes den Heiland mit ihren Liedern loben, und mit ihren Schätzen schmücken!

Aber wic man nach Bethlehem au manchem Prophetengrabe vorüber »mhte, so führte mich mein Weg nach Ncnendettclsau an mancheni Römischen Wallfahrtskreuze vorüber, und diese Kreuze sind doch nur Grabkreuze, er-richtet über den Gräbern des rechten, einigen Glaubens. Die Väter tödtcten ihn, so bauen die Söhne ihm Gräber. S o oft ich an einen» Wallfahrts»

kreuze vorüber kam, war mirs, als ginge ich über einen Todtcnacker, und tief seufzte ich auf, daß Jahrhunderte hingingen über Teutschland, und der Teutsche Glaube »och immer in dm Gräbern liegt, gleich als wäre der Hall der Thüringer Posaune Gottes noch nimmer erklungen. Ach, wann wird Teutschland endlich das Wälsche Wesen von sich thun, und in allen seinen Gauen den Teutschen Glauben glauben?!

Um die Nachmittagsstunde des 27. J u l i (8. August) erschaute ich das ersehnte Dorf mit seinem Kirchthürmleiu. Bald führ ich in dasselbe hinein, und war mitten unter seinen schmucken, meist blaugctünchten Fach-Werkhäusern mit den altteutschen aufstrebenden Giebeln, Stille war's wie in Herrmannsburg, und nur hier und da ging ein ernster Ncucndettelsauer in seinem dunklen Kleide dem Ackcrwerke nach. Den frischen Eindruck, den Herrmnmisbmg auf mich gemacht hatte, vermißte ich in Neuendettelsa», und wären mir die Ncncndettelsauer später nicht ganz anders cntgcgcnge-treten, so möchte ich mit den Altfranken meinen, sie seien nicht Tcntsche», sondern Slavischen Ursprunges, nnd man habe m Neuendeltclea» wie bei uns z» Lande zwei Nationalität», die wohl, wic Stahl und Slei» an ein-ander geschlagen, Feuer, aber »ich!, wie Wachs u»d 5>I mit einein-ander vcr-bunden, Licht geben. I n Hcrrmaimsbiirg durch Harms von uiciucr Scheu vor der „Umialjbarkeit" unserer Dioskuren erlöst, folgte ich dem Rathe meines Gunzcuhauseuer Gastwirthen, »üd kehrte nicht im Dorfsgasthause ein, sondern fuhr geradezu vor das Pfarrhaus hin, »m mir da sageu zu lassen, wo ich, ob nuch kein Naphacl, bei irgeud einem Tobias ein „ R a -Phaelszimmer" finden möge. Des Pfarrers Tochter trat mir in der Pforte

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freundlich entgegen, und nöthigte mich hinein, auf daß man mir ei» Naphac-lium im Dürfe ausfindig machen, oder im Pfarrhause einweise» möge. Ersteres war mir schon recht, in Letzteres aber mochte ich »immer willige!,, denn sollten Harms und Lohe jeden Pilger in ihre Häuser aufuehmcn, so w»r-den sie vor lauter raphaclischem Umgange bald gar nicht mehr zu ihren Beichtkindern kommen. Da stand ich mit der Tochter des — seit Jahre»

schon verwittweten — Pfarrers kor dem Hause, aus dem Gott so wunder-bar viel hat hervorwachsen lassen, und schaute es an. Schmuck und sauber, wie das des Herrmannsburgers, aber viel kleiner, denn die Fränkischen Pfarrer Haben's im Leiblichen nicht so gut, wie die Lnneburgcr „Pastüre," u»d was man auch sagen mag von der Gleichheit des Thalers im Thalerlande mit dem Gulden im Güldculande, ein Thaler bleibt doch immcr um 45 Kreuzer größer als ein Gulden. Hätte Löhc nicht aus eigenen Mitteln gar Man-chcs an sein niedliches, blau getünchtes Giebclhäuechcn gewandt, es stünde dem Herrmannsburger Hanse mit seinen frischrothcn Backsteinen zwischen dmi kerngesunden Fachwerke weit nach. Nun aber sieht man's ihm nicht au, daß ihm mit dein „Fortschritte" gar manche Einnahme wcggcschrittcn ist, und daß ihm die „Entwickelung" gar manches Recht abgewickelt hat. Des Pfarrers Tochter führt mich eine Stiege hinauf in cin gar frcudlichcs

Gc-»nach. Da muß ich mich zu Löhes verwittwctcr Schwester und cincm Frau-lein v. R. setzen, und plaudern, während die M a i d uns den Kasse bereitet.

Bald plaudern wir gar gemüthlich, als säße ich noch im Schwabenlandc an heißem Sommernachuiiltage bei „a bissrl Tunkle", Livland und Dorpat beschäftigen uns zunächst, denn im Neucndettclcauer Pfarrhausc sind wir gar wohl bekannt und gerne gelitten. Hat doch fast jeder unscrcr Pastoren und Theologen, wenn er unser Wiegeuland besuchte, von dem uns vcr-wandten Erlangen oder dein nrteutschen Nürnberg aus einen Abstecher nach Nenendettelsau gemacht, und wie Liebe dort gelassen, so auch von dort Liebe mitgenommen. Als wir aber genug geplaudert hatten von Livlaud und Dorpat, machten wir uns auf nach Herrmanusburg. Davon wußte ich, von Neuendettelsan aber wüßten die Frauen zu erzählen, und da vereinigten sich Nord und Süd, wie ferne sie auch sonst auseinander stehen, gar lieb-lich mit einander.

Einstweilen war, dem Pfarrhansc gerade gegenüber, cin Naphacls zimmer für mich gefunden und bereitet worden, und ich säumle nicht wcücr, mich dahin zu begeben, während Lohe im Dorfe umhcrwandcrtc, um der

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I n Nmmdtllclsau, ^ Scelsurge zu pflege», „die an ihn, herankam," die aber ninnner an ihn her-angefommen »>me, il'eiu', cr si^ nichl gesucht hätle. M e i n Rapiaeli»,» be^

fand sich im Gkbelhlnwchen eine!? Neiicndeüelvauer Einfassen, (5m seelen-guter V i a u n , eine kicxzbwve Frau, muuteie Kinderchen, »nd eine unvcr-wüstlich heitere, lcbeüsfrische Haüsmagd traien »>ir fn»»d!ich cntgqic», »nd f m i t m sich, >u!cdcr '»in! ciiu» Livländcr „aiio >>cr 6;>,'gnid hinkr Ungarn"

bci sich z„ schm. Ich fand i» ihücn cbm sc> wenig Slaucn, a!o sic in inir cincn Nnssrn, und cs wlir uns gcgmsciüg ganz Triitsch z» Mnthc. I n im'inmi, luir in dm nlüigcn Zimmcichcn hing iibcr jcdrni Bcttc cin Crnci-firkin. Büdcr niio dcv hciügcii Grschich<c schniücktc» dic Wändc, und hcüigl' Cchiiftcn und Andachlklnich^r lagcü auf jcdci» Tische nnd jcdev lioin-niodl', slchiilichl!? war mir schan ini Pfarrhansc cütgcgcngrtn'k'ü, »nd hatte

!»ich.da schmi frappirt. War,»»? Wa dcr H n r in die Hcrzcn nnfgcnom-,mcn ward, da habcn wir in »nscrn Hänsern ja auch Cincifire nnd Bilder nnd Andachtobnchcr, Gewiß; aber während bei :ms Bilder n»d Criicifirc niehr Gegenstände der Kunst >»id dco Echmnckes sind, sind sie in Neuen-dettelsau, wenn ich so sagen mag, Epn'sse» auf der Himmclöleitcr der An-dacht. Nicht unter auderc Gegenstände hingestellt, sonder» der einzige Schmuck des Hansen, sehen nnd reden sie den Eintretenden gleich daranf a», ob er im Gebete lebe, oder nicht. M i r war daö schon recht, nnd in dcmseben Masih als die Römischen Glanbclisgrabkrcnze mie!) »nangonch»! bernhit hat-len, berührten mich die Ncuendetteloaucr Glciubenserucifir,- »nd Bilder-Rahmen nngcnch». Daß ich keinen falschen Eindruck empfangen halte, sah ich noch am selben Abende, denn der Tag wnrdc nicht beendet ohnc gemein-schaftüäM Bibellesen nnd Beten. Ich hätte auch nichtö dagegen, wenn man bei uns i» jedem Hanse ein Betzimmer oder einen Bctwinkel mit (iuicifir »nd Bild, Altar und Küieschemel herrichtete. D a wiirdc in man-chein Hanfe, wo jrt,t das Gebet ein Fmndling ist, gebetet, »nd in manchem Hanse, wo jeljt das Gebet nur seile» vorkommt, häufiger ein Gebet gespro-ehe» werde». Freilich gem'igt's, daß nus alle Zeit »nd Stunde Christi Name,

»ild Krc»z in, Herzensgrunde funkele, aber wie l'iel Starkgläubigc haben wir, bei denen das der Fall ist? Und wenn ich dem Schwachgläübigw auf Nmendettclsaner Himnielsleileispiossc» zur Andacht helft» mag, warum soll ich's nicht th»»? Karlstädtrr Abscheu »or allen Bildern ist doch gewiß eben so wenig Lutherisch als biblisch, »nd Negation der Römischen ist doch noch lange nicht El'angelischcö Wesen, Namentlich haben die Himmelelcitersprosscu

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da ihr Gutes, wo man, wie in Neuendettelsau, mehr oder minder von Römischen Christen umgeben ist. Lerne der Römer vom Lutheraner die richtige Stellung zum Bilde, und den rechten Gebrauch des Crncifizes! Es wird ihm das mehr nützen, als wenn er von einen, Karlstädter in unend-liches Negiren des Römischen fortgerissen wird. Denn geben auch Ncgatio-nen, wo sie auf einander wirken, ein positives Product, so giebt doch die schlechthinnige Negation der Position immer nur eine Null, eine inhaltsleere Form.

AIs es Abend wurde, und der Tag sich neigte, ging ich mit meinem Stubengcnoffcn, einem blutjungen Fränkischen Pfarrvicare, vor das Dorf hin zu der Diakonissenanstalt, um der Vesper im Betsaale derselben anzu-wohnen. W i r nähern uns dem Garten der Anstalt, der sich nach dem Dorfe hin ausdehnt. Unter den Blumen wandelt ein M a n n einsam nm-her. „ D a s ist L o h e ! " rief ich, und eilte von meinem Genossen fort. 3 a wohl war's Lohe, vor dem ich nach etlichen Augenblicken stand. Ein Mittel-großer, körniggestalteter M a n n mit breiten, lastbaren Schultern. Ich grüße ihn, er sieht zu mir auf. D a schaue ich in das große, tiefe, blaue Ange, von dem mir unser seliger V a l e n t i n Holst gesprochen, >md blicke an über dem Auge die hohe, breite Stirne, an deren Seiten das ergrauende Haar schlicht herabfällt. Arbeit und Krankheit haben das Auge in etwas getrübt, immer aber noch ist's ein See, der Perlen in seinem Grunde birgt, und Mühe und Sorgen haben die Stirne gefurcht, immer aber noch steht sie ehern da allen Anfechtungen gegenüber. Ich reiche dem theuren Manne die Hand, er drückt sie mir tentschherzlich, und dann wandeln wir mit einander durch die Blumen dahin, bald hiervon, bald davon plaudernd. Hätte Lohe aber nicht gesprochen, mir wären die Lippen nimmer aufgegangen. Es war mir ge-nug, den M a n n , der überall Samenkörner des Gebetes ausgestreut, und an jedem Orte lebendige und belebende Worte gesprochen, nntcr seinen Blumen am Hntenstabe wandeln zu sehen vor den gewaltigen Werken, die er ge-schaffen. Freilich empfiehlt mau, namentlich in unseren Tagen, das Nichts-bewundern gar sehr, ich habe aber von dieser altclassischen Tugend nimmer viel gehalten, weil mir das Nichtsbewundcrn immer mit dem Richtsfd'rdcrn Hand in Hand z» gehen scheint, nnd weil bei dein Nichtsbewundern doch immer dcr Nichtelnwundernde, und zwar als u n i o u m , das mitunter gnnz licsenhafle Dimensionen an»immt, übrigbleibt. S o lange ich beim Nichts-bewundern Gefahr laufe ein Narciß zu werden, bewundere ich ganz gerne

I,l Nwmdettelsau. ^ "

Andere, Es macht „üch das uon mir selbst los, na»>c»tlich wen» das

Bc-wnnderte nicht den Bclvnndnten, sondern dem Herr» Jesu Christo angehört.

Und worüber plauderten wir mit einander? Nun, über Pastoralicn. Dabei erfuhr ich, daß Lohe mir 1,100 Beichtkinder hat. Nur 1.100 Beichtkin-der, und »eben Lohe sei» Adjunct — oder Vicar — W e b e r , der Heraus-gebcr des Freimunds, der Courcclor an der Diakonissenanstalt L o ß e , ,dcr Lehrer an den verschiedenen Schule» M e y e r , der Inspcctor mn Missions-hause B a u e r , »nd der, freilich nur zeitweilig in Nenendettclsml domicili-re»de Docent Z c z s c h w i h , der übrigen Arbeiter zu geschweige»»! Fürwahr, da war's gauz natürlich, daß L ü h e sich, gleich Harms, entsetzte, wenn ich ihm non den Pastoralen Verhaltnisse» erzahlte, die in nnsercn Landen uor-konüuen, und wie Harms sagte, da sei eine gedeihliche und gesegnete Seelen»

pflege ilnmöglich, während ich Ne»endeltclsa» glücklich pries. Und doch, was wären die 5 Hirten in Ncuelidettelsa», Zezschwih nicht mitgezählt, wenn sie nicht Ein Herz n»d Eine Seele wären? U»d was könnte an den 1,100 Ncueiidetlelsaüern gewirkt werden, wenn sie nicht Eine Gemeinde, E i n in sich abgeschlossener Orgamonms, Ein Leib mit mmichcrl« Gliedern unter dm»

Einen Ha»ptc wären? Wohl mag in Ne»endettel?a» auch gar mancher Riß in de» B a u Gottes gerissen werden, aber es ist da doch nicht die nationale und ständische Zerrissenheit, das Kastenwesen, an dem wir in unseren Laudm so schwer z» tragen haben, uud a» der wir immer noch unsere Lebenskraft zcrarbeiten, »nd unseren Odem l>erse»fzcn.

Die Vesper soll beginne», L ö h c bleibt n»tcr seinen Mitarbeitern nnd Freunde» vor dem Bclsaale stehe», ich trete hinein. Ei» gar schöner S a a l , Oben vor den buntbemalten Glaöfenstern der Choiplatz mit dem Altare in der Tiefe, dem sicbcnarmigen Leuchter a» der linken, nnd dm«

Prcdigtstnhlc an der rechten Seile, A u f dem Altare nebe» anderem Zier-rathe B i l d »nd Erneistz, I m Miltelraume langhinlaiifendcs Qücrgestnhl, a» de» Wänden Apostelstatnettcn uud Bilder aiio der heiligen Geschichte.

N o Chorplnl) und Mittclraum zusammenstoße», 2 niedliche Ocfe». Unten das Harmonium. Tiefe S t i l l e , heiliger Ernst im ganzen Raume. Gc-räuschlos setzt sich hier ein Pastor, dort ein Bauersmann, hier cinc Diat'o-nisse, dort eine Schülerin nieder. Die Männer sind alle ganz schwarz oder doch schr duüfelfarbig gekleidet. Die Diakonissen tragen schwarze Kleider, blaue Schürzen mit über den Nacke» gekreuzlcu Achsclbäudcrn, weifte»

Hauptschmuck mit langem Herabhange, A m Halse hat dao Kleid eine

dunkel-44 W i l l i g e r o d e ,

lilafarbige Abzeichnung, Die Schülerinnen sind, l'is auf den Hauptschmuck, der vo» zierlich^! Haarflechten erseht wird, ebenso gekleidet. Am Hanno-nimn sitzt eine Diakonisse. Alle sind cmgetrcten, Alle haben stille gebetet.

Da erklimmt da? Harmonium mit leisen, immer mehr und mehr anschwellen-de», immer gewaltiger werdenden, wimdcrbar ergreifenden Tönen, und sinkt dann wieder mehr nnd mehr zum Piano herab, bis es ganz verhallt. Und nun beginnt das mir ganz neue Wcchsclsprechcn der Weiber »nd Männer, bis sich die beiden Chöre im Hnllelujah oder Amen wieder zur Einer Gc-meinde zusammenschließen. „Der Herr ist in seinem heiligen Tempel, — es sei stille vor ihm alle Welt. Vom Aufgang der Sonne bis zum Nieder-gang soll »nein Name herrlich werden unter den Heiden, — und an allen Orten soll meinem Namen geräuchert, und ein rein Speisopfer geopfert wer-den. Denn mein Name soll herrlich werden unter den Heiden, — spricht der Herr, Kyrie, — eleison. Christe, — eleison, Kyrie, — eleison. Laß dir Wohlgefallen die Rede meines Mundes, — nnd das Gespräch meines Herzens vor dir, Herr, mein Hort und mein Erlöser. Herr, handle nicht mit mir nach meinen Sünden, — »ud vergilt mir nicht nach meiner Misse-that. Gehe nicht in'? Gericht mit deiner Magd, — denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, — »nd tilge alle meine Missethat. Ich erkenne meine Missethat, — und meine Sünde ist immer vor mir. Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, — und tilge meine Sünde nach deiner großen Barmherzigkeit." Nunmehr tritt eine der Schülerinnen an die Stufen des Chorplatzes vor die Gemeinde hin, und rccitilt, gleich den Wechselsprcchcrn, in bestimmten!, mit größster Genauigkeit migchaltcncnl, ganz lieblich anzuhörendem Tonfalle ein Gebet, worauf die Gemeinde das Amen spricht. Und wieder beginnt das Wechsclsprechen.

„ S o wir sagen, wir haben feine Sünde, so verführen wir uns selbst, nnd die Wahrheit ist nicht in nns; — so wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünde vcrgiebt nnd reinigt nns von aller Untugend. Hallclujah. Herr, thue meine Lippen auf, — daß mein Mnnd deinen Ruhm verkündige. Cilc, Gott, mich zu erretten, — Herr, mir zu helfen. Ehre sei dem Vater, nnd dem Sohne, nnd dem heiligen Geiste, — wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, nnd von Ewigkeit zu Ewigkeit. Hallelujah." Darauf ertönt das Harmonium wieder in seiner unwiderstehlich hinreißenden Weise, die Psalmodic einleitend. Eine Stimme singt die Psalmenantiphone, die Gemeinde die Response. Der Antiphone

I n Neuendettelsau.

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lind Response folgt das Wechsclsiugcn des Psalmes. 3 » m Schlosse der Psalmodic wird das kleine Gloria wcchselgesunge». Cs war der erste Psalm, den ich wechselsingen hörte, und die Psalmodic machte einen nin so gewaltigeren Eindruck auf mich, je besser die Ncucndelielsaucr singe». Wurde so in Zion gesnngcn? Und gedenkt der Psalmist dieses Siugcns mit, wenn er von den schönen Gottesdiensten Ichuvahs redet? Wohl sind die

Psal-»icn gelesen und gebetet herrlich, aber als die Poesie aller Poesie treten sie doch nur so gesungen vor die Seele hin. D a möchte mau all' sein' Leb-tage im Hause des Herrn sein, und denkt nicht daran, das Haus Gottes zu einem verwehenden Nebel über Alles hin auszudehnen. D a ist ein Tag in den Vorhofcn des Herrn, in seiner Gemeinde hier auf Erden, besser denn sonst tausend, und da frcnen wir uns, wenn uns gesagt wird, daß wir hinaufgehen znm Hause des Herr»! Die Orgelklängc verhallen leise und immer leiser, und nach einander treten drei Mägdlein an die Stufen des Chorplahes hin, und rccitiren, gar concct lesend und gar lieblich schnar-rend, die Lectioncn des Tages. Jede spricht, wenn sie ihren Abschnitt been»

det hat! „ D u aber, o Herr, erbarme dich uuscr", n»d die Gemeinde spricht gegen: „Lob sei dir ewig, o Jesu." Das Wort des Herrn ist gegeben; der Lutheraner laßt sich aber nicht genügen an dem Worte, wie cs da ist in der heil. Schrift; auch in seinem eigenen Fleische und VIntc, in dcr Predigt will cr's haben, denn ob wir auch aus dem Worte selig werden, wir wer-den es doch nur durch de» Glauben, der das Wort faßt »»d hat und hält.

Darum tritt nun Lohe in den Predigtstnhl, verliest 1 Mos. 2 8 , 17, und legt den Iakobsspruch von der Herrlichkeit der Stätte aus, an wclchcr die Ehre des Namens des drcicinigcn Gottes wohnt. I n der heiligen Stätte, in dein Hause Gottes, und in der Pforte des Himmels findet er die Dreieinigkeit Gottes, in der Erfahrung des, die Himmelsleiter schauenden Jakobs das Gnadenwort des dreieinigcn Gottes, und in der, von Jakob vollzuglnen Salbung des Steines, ans dem sein Haupt gelegen, und sein Geist seinen Gott geschaut, das Thun des rechten einigen Glaubens gegeben. Die Stimme ist voll Mnsik, die Diction schön, der Vortrag überaus lebendig. E i n Schüler Löhe's steht vor mir, und macht mich die Kraft und Gewalt einer

Darum tritt nun Lohe in den Predigtstnhl, verliest 1 Mos. 2 8 , 17, und legt den Iakobsspruch von der Herrlichkeit der Stätte aus, an wclchcr die Ehre des Namens des drcicinigcn Gottes wohnt. I n der heiligen Stätte, in dein Hause Gottes, und in der Pforte des Himmels findet er die Dreieinigkeit Gottes, in der Erfahrung des, die Himmelsleiter schauenden Jakobs das Gnadenwort des dreieinigcn Gottes, und in der, von Jakob vollzuglnen Salbung des Steines, ans dem sein Haupt gelegen, und sein Geist seinen Gott geschaut, das Thun des rechten einigen Glaubens gegeben. Die Stimme ist voll Mnsik, die Diction schön, der Vortrag überaus lebendig. E i n Schüler Löhe's steht vor mir, und macht mich die Kraft und Gewalt einer