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Empfehlungen zur Steigerung der Nutzung von AEDs für zukünftige Notfalleinsätze

Dauer zwischen Notrufeingang und 1. Schockabgabe

4.6. Empfehlungen zur Steigerung der Nutzung von AEDs für zukünftige Notfalleinsätze

Um die Anzahl von AED-Einsätzen zukünftig zu steigern, ist es erforderlich, vermehrt Aufklärungsarbeit über den Stellenwert der Defibrillation bei VF/VT zu leisten. Das Ziel sollte sein, die Bevölkerung über das Vorhandensein, den Nutzen und den Gebrauch von AEDs aufzuklären, um so einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung zu schu-len. Möglichst viele Menschen sollten lernen, wie eine bewusstlose Person zu behan-deln und wie ein AED zu bedienen ist. Zudem müsste die Öffentlichkeit über die Symp-tome des plötzlichen Herztodes informiert werden. Dies könnte Ersthelfern die Angst nehmen, eine leblose Person fehlerhaft zu behandeln oder ihr dadurch größeren Scha-den zuzufügen. Mit Scha-den genannten Maßnahmen könnte der Anwenderkreis von AEDs erweitert werden. Aufklärungsarbeit könnte nicht nur in speziellen Schulungen erfol-gen, sondern auch im Alltag mit Hilfe von Videofilmen, Werbebannern und Informati-onsbroschüren. Ferner sollte die Bevölkerung besser über das äußere Erscheinungs-bild und über die Standorte von AEDs informiert werden. Vor diesem Hintergrund be-tonten Hansen et al. [65] die Notwendigkeit von dauerhaft zugänglichen AEDs an öffentlichen Plätzen. Mit ihrer Studie, die über einen Beobachtungszeitraum von sie-ben Jahren in Kopenhagen durchgeführt wurde, untersuchten sie, ob im Falle eines

Herzstillstandes die im Umkreis von 100 Metern öffentlich platzierten AEDs potentiel-len Ersthelfern überhaupt zugänglich waren. Es zeigte sich, dass 61,8% aller Herzstill-stände abends stattfanden. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch nur 9,1% aller öffentlich installierten AEDs für Ersthelfer zugänglich. Dadurch wurde die Überlebensrate bei Herzstillständen, die sich nachts ereigneten hatten, negativ beeinflusst. Hansen et al.

[65] zeigten mit diesen Ergebnissen nicht nur wie wichtig ein AED für das Überleben bei Vorliegen von VF/VT ist, sondern auch wie wichtig ein dauerhafter Zugang zu AEDs im öffentlichen Raum ist. Von defibrillierbaren, kardialen Notfällen betroffene Menschen profitieren nur dann von öffentlich installierten AEDs, wenn diese auch zu jeder Tages- und Nachtzeit frei zugänglich sind.

Eine weitere Möglichkeit zur Steigerung des Bekanntheitsgrades von AEDs wäre es, beim Absolvieren des Kfz-Führerscheins nicht nur einen Erste-Hilfe-Kurs als Voraus-setzung für die Zulassung zur Kfz-Prüfung zu fordern, sondern auch einen Reanimati-onskurs unter Zuhilfenahme von AEDs zu verlangen. Hierdurch könnten insbesondere junge Menschen mit der Bedienung von AEDs vertraut gemacht werden.

Darüber hinaus wäre sogar eine flächendeckende Schulung weiterer Bevölkerungs-gruppen zum effektiven Einsatz der HLW und dem Gebrauch von AEDs zu empfehlen.

In Betracht kämen hier insbesondere solche Personen, die eine Tätigkeit im öffentli-chen Raum ausüben. In Frage kämen Piloten, Flugbegleiter, Zugbegleiter und Sicher-heitspersonal wie Empfangspersonal in Hotels und Bürogebäuden. Auch Angehörige kardiovaskulärer Risikopatienten wie beispielsweise Ehe- und Lebenspartner kämen in Betracht. Im Falle eines kardialen Notfalles könnten die Angehörigen nicht nur schneller handeln, sondern sie könnten zudem eigenständig eine suffiziente Reanima-tion mit HLW und bei Bedarf auch eine DefibrillaReanima-tion mit einem zu Hause vorhandenen AED durchführen. Darauf haben auch andere Autoren, darunter Lackner et al. [8] und Cummins et al. [59], hingewiesen.

Einige Unternehmen und Industriebetriebe halten AEDs bereits als festen Bestandteil in ihren Betriebsstandorten vor. Die Geräte werden in Bürogebäuden und in Produkti-onsbetrieben installiert. So haben beispielsweise die Siemens AG und die MAN AG ihre Bürogebäude mit AEDs ausgestattet [67]. Die Defibrillatoren wurden nach be-stimmten Algorithmen so über die einzelnen Stockwerke verteilt, dass die Mitarbeiter

möglichst kurze Wege zu den jeweiligen Geräten haben. Jede Erstinstallation von AEDs beinhaltete auch eine Fortbildungsveranstaltung, die zunächst gezielt für die Mitarbeiter durchgeführt wurde, die für die Betriebssicherheit zuständig sind. Die Ver-antwortlichen der Betriebssicherheit gaben dann ihr erlerntes Wissen an alle Mitarbei-ter in dem jeweiligen Bürogebäude bzw. Produktionsbereich weiMitarbei-ter. So können suk-zessive alle Mitarbeiter einer Firma über die Standorte und über die Bedienung der AEDs informiert werden. Zusätzlich hat die Siemens AG eingeführt, dass ein AED auch an jeder externen Baustelle vorhanden sein muss. Hierdurch wird sichergestellt, dass eine medizinisch notwendige Defibrillation auch außerhalb der Betriebsstandorte ver-fügbar ist. Auch private Zuggesellschaften wie die Meridian oder die Bayerische Ober-landbahn haben mittlerweile AEDs in ihren Zügen installiert. Gleiches gilt für die Flug-zeuge der Lufthansa AG. Diese Vorgehensweise zeigt, dass nicht nur in öffentlicher Hand geführte Unternehmen, wie beispielsweise die drei Flughäfen in Chicago und die Münchner Verkehrsbetriebe, sondern auch große privatwirtschaftlich geführte Unter-nehmen das Ziel verfolgen, dem plötzlichen Herztod ihrer Mitarbeiter und Besucher vorzubeugen. Konsequent statten sie die Arbeitsbereiche mit sprachgesteuerten AEDs aus und veranstalten regelmäßig Schulungen, die den Mitarbeitern die Scheu vor einem bewusstlos vor ihnen liegenden Menschen nehmen und ihnen zugleich die sich selbsterklärende Vorgehensweise einer Defibrillation vermitteln. Auch lernen die Mitarbeiter, dass bei den Notfallmaßnahmen die Zeit eine wichtige Rolle spielt und es lebensrettend sein kann, parallel zu einer HLW eine Defibrillation vorzubereiten und bei Bedarf konsequent durchzuführen.

Grundsätzlich ist abzuwägen und auch zu definieren, welche Grundkenntnisse in der Notfallmedizin zu vermitteln sind und wie oft ein Training wiederholt werden muss, da-mit ein Notfalleinsatz für einen Laien, der eine suffiziente HLW und den Gebrauch ei-nes AED beinhaltet, dauerhaft effizient durchgeführt werden kann. In einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München aus dem Jahr 2001 konnte gezeigt werden, dass bereits ein 12-minütiges Training durch ein Demonstrationsvideo und ein Merk-blatt ausreichend waren, um Ersthelfern die wichtigsten Punkte einer kardiovaskulären Reanimation und einer korrekten Anwendung eines AEDs zu vermitteln [8]. Weitere Autoren, wie Priori et al. [38], McKee et al. [68] und Walters et al. [69] führten aus, dass ein Unterrichtsaufwand von mindestens 2-4 Stunden notwendig ist, um die Grundlagen einer erfolgreich durchzuführenden Reanimation zu vermitteln. Priori et al. [38]

erläuterten, dass die Dauer und die Art der Schulung abhängig vom medizinischen Hintergrundwissen des zu unterrichtenden Personenkreises sind. Eine AED-Schulung sollte somit individuell für den Anwenderkreis zusammengestellt werden.

Einen interessanten Ansatz verfolgten Rea et al. [70], die die Installation von Notfall-Sendern vorschlugen, mit denen der nächstgelegene AED geortet werden kann. Diese Idee verfolgte bereits der Kreisverband Nordschwaben zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz, indem sie eine App für Mobiltelefone entwickelten, über die der nächst-gelegene AED Standort geortet werden kann. Hierdurch hoffte der Landkreis Nordschwaben, einen Beitrag zur Verbesserung der Rettungskette leisten zu können [71]. Ein anderer Ansatz könnte ein Alarmsystem sein, das mittels Mobilfunkgeräten den Laien-Helfer über ein kardiales Notfallereignis in seiner Nähe informiert und zeit-gleich den Standort des nächstgelegenen AED anzeigt. Für die suffiziente Behandlung einer potentiell letalen Rhythmusstörung ist es grundsätzlich besonders wichtig, dass Ersthelfer nicht nur über das Notfallereignis informiert werden, sondern ihnen auch gleichzeitig vermittelt wird, wo sie bei einem kardiovaskulären Notfall den nächstgele-genen Defibrillator finden. Nur so ist sicherzustellen, dass die lebensrettende Maß-nahme innerhalb der ersten fünf Minuten zum Einsatz kommen kann. Einen ähnlichen Ansatz haben das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, die Universität Lübeck und weitere Partner verfolgt, indem sie gemeinsam die „Ersthelfer App“ entwickelten [72].

Über diese App können sich professionelle Ersthelfer oder in der Notfallmedizin aus-gebildete Laien auf ihren eigenen Wunsch hin registrieren lassen. Kommt es zu einem kardiovaskulären Notfall und ging ein Notruf bei der Leitstelle ein, können zusätzlich zum Notarzt in der Umgebung anwesende Ersthelfer über die App kontaktiert werden.

Der Ersthelfer, der als erster auf den Alarm der App reagierte, wird zum Unfallort ent-sendet. Dieser kann schon vor dem Eintreffen des Notarztes mit Wiederbelebungs-maßnahmen beginnen. Weitere Ersthelfer, die sich ebenfalls in der näheren Umge-bung befanden, können gebeten werden, einen AED zu beschaffen und diesen unver-züglich zur Notfallstelle zu bringen.

Um die Effektivität eines PAD-Programms zu steigern, ist die strategische Platzierung von AEDs von großer Bedeutung. Darauf haben insbesondere Hanefeld et al. [22] im Jahr 2015 hingewiesen. Zum gleichen Ergebnis kamen auch Folke et al. [44] aufgrund der Resultate ihrer Studie in den Städten Kopenhagen und Dänemark aus dem Jahr

2009. Sie untersuchten, wie effizient die Empfehlung des ERC und der American Heart Association (AHA) hinsichtlich der strategischen Platzierung von AEDs war. Die Leitli-nien des ERC fordern, dass AEDs insbesondere an solchen Orten zu platzieren sind, an denen mindestens ein Notfallereignis mit plötzlichem Herztod während der letzten zwei Jahre registriert worden war [22]. Die AHA empfiehlt die Positionierung der Defi-brillatoren darüberhinausgehend sogar dort, wo innerhalb der letzten fünf Jahre ein Notfall mit plötzlichem Herztod eingetreten war [73]. Folke et al. [44] kamen zu dem Ergebnis, dass AEDs nicht nur an solchen Orten installiert werden sollten, an denen bereits ein kardiovaskulärer Notfall aufgetreten war, sondern auch dort, wo täglich viele Menschen verkehren, wie beispielsweise an Bahnhöfen, Flughäfen und in Einkaufs-zentren. Darüberhinausgehend könnte man erwägen, ob AEDs nicht beispielsweise auch in Fitness Studios, in Theatern, Opernhäusern und in Kinos platziert werden soll-ten. Folke et al. wiesen auch darauf hin, dass die Geräte nicht nur entsprechend plat-ziert sein müssen, sondern dass ihre Beschriftung und Farbgestaltung auffällig gestal-tet sein sollte, um bei einem kardiovaskulären Notfall zeitnah gefunden zu werden.

Diesen Anforderungen ist man auch im Bereich des Münchner U-Bahnnetzes gerecht geworden, indem die 121 AEDs nicht nur dort installiert wurden, wo sie für jedermann zugänglich sind, sondern vor allem auch dort, wo täglich besonders viele Passanten verkehren. Mit ihren mehr als 100 Bahnhöfen stellt das Münchner U-Bahnnetz einen Knotenpunkt im täglichen Leben sehr vieler Menschen dar [46]. Die Stadt München erfüllt damit in vorbildlicher Weise die Empfehlungen des ERC und der AHA.