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Anzahl der Einsätze automatischer externer Defibrillatoren

Dauer zwischen Notrufeingang und 1. Schockabgabe

4.5. Anzahl der Einsätze automatischer externer Defibrillatoren

Im Münchner U-Bahnnetz ereigneten sich von 2001 bis 2016 insgesamt 78 Einsätze, bei denen ein AED zum Einsatz kam. In Kenntnis der Tatsache, dass innerhalb der Bunderepublik Deutschland täglich ca. 300 Menschen am plötzlichen Herztod sterben, erscheint die Anzahl von 78 Einsätzen über einen Zeitraum von 15 Jahren in einem so hoch frequentierten, öffentlich zugänglichem Gebiet wie dem Münchner U-Bahnnetz als gering [7, 8]. Hierfür könnte es verschiedene Gründe geben. Festzuhalten ist, dass die AEDs im Münchner U-Bahnnetz sukzessive installiert wurden. Anfangs verfügte das U-Bahnnetz aufgrund der hohen Anschaffungskosten nur über wenige Geräte an den größeren Bahnhöfen. Bei nur wenigen verfügbaren Geräten musste zwangsläufig auch die Anzahl potenzieller Einsätze entsprechend geringer sein. Erst seit dem Jahr

2014 war ein AED an jedem U-Bahnhof installiert, so dass hierdurch das Einsatzgebiet für die AEDs erheblich erweitert wurde.

In der Studie von Caffrey et al. [30] an den Flughäfen von Chicago kamen die dort installierten AEDs innerhalb des zweijährigen Studienzeitraumes insgesamt nur 26 Mal zum Einsatz. Auch diese Anzahl von Notfalleinsätzen erscheint gering, wenn man in Betracht zieht, dass es sich bei diesem Einsatzgebiet um 3 verschiedene Flughäfen handelte, die Tag und Nacht von Menschen aus aller Welt bevölkert wurden. Zu dis-kutieren ist daher, warum in der Studie von Caffrey et al. [30] und in der Münchner Studie die Anzahl der AED-Einsätze insgesamt so gering war.

Ein wichtiger Grund dafür könnte sein, dass eine große Zahl potentieller Ersthelfer mit der Notfallsituation überfordert war. Ohne jegliches medizinische Wissen haben Erst-helfer naturgemäß Angst, einen ihnen nicht bekannten, vom Tod bedrohten Menschen fehlerhaft zu behandeln. Medizinischen Laien dürfte in der Regel nicht bekannt sein, dass für die Ingebrauchnahme eines AED kein Vorwissen notwendig ist. Es ist davon auszugehen, dass Ersthelfer größte Bedenken haben, durch eine möglicherweise fal-sche Benutzung eines ihnen unbekannten medizinifal-schen Gerätes den Zustand eines vom Tode bedrohten Menschen zu verschlechtern.

Einige Autoren haben ermittelt, dass sich die meisten kardiovaskulären Notfälle nicht in der Öffentlichkeit, sondern zu Hause ereignen [62, 63]. Belegt wurde dies von Weis-feldt et al. [64], die in ihrer Studie aus dem Jahr 2011 zeigten, dass lediglich 21,35%

aller beobachteten Notfallereignisse mit kardialen Herzrhythmusstörungen an öffentli-chen Plätzen stattfanden. Die Autoren untersuchten über einen Zeitraum von zwei Jahren in zehn verschiedenen Städten Nordamerikas, mit welchen Faktoren das Auf-treten eines kardiovaskulären Notfalles in Zusammenhang stand. Dabei ergab sich, dass zwei Drittel der kardiovaskulären Notfälle zu Hause stattfanden und dass die Überlebensrate bei diesen Fällen aufgrund nicht vorhandener AEDs nur 3% betrug. In zwei weiteren Studien konnten Kitamura et al. [74] wie auch Murukami et al. [75] auf ähnliche Ergebnisse in ihren Studien verweisen. Hier fanden die beobachteten Notfall-ereignisse mit kardialen Rhythmusstörungen zu nur 9,5% beziehungsweise 22,3% in der Öffentlichkeit und dementsprechend nicht zu Hause statt.

Ein weiteres Argument für die geringe Anzahl der AED-Einsätze könnte sein, dass Laien der Stellenwert der AEDs bei Rhythmusstörungen wie VF oder VT nicht bekannt ist. Nur bei Ärzten und bei medizinisch geschulten Nothelfern kann ein ausreichendes Wissen über Defibrillatoren als Therapiemittel der ersten Wahl bei Rhythmusstörungen vorausgesetzt werden. Im Gegensatz zu der Münchner Studie handelte es sich in der Studie von Caffrey et al. [30] jedoch nicht um ungeübte Laien, sondern um Personen, die bereits Erfahrung mit der Benutzung von AEDs hatten. Hier erhielten das Flugha-fenpersonal, das Sicherheitspersonal, die Bodenpolizei und das Kabinenpersonal eine Schulung und ein Training über die korrekte Ingebrauchnahme der AEDs. Der Stellen-wert der Defibrillation sowie die Bedienung der AEDs waren somit einem großen Teil der Ersthelfer in Chicago bekannt. Auch wenn die Anzahl der Einsätze über den zwei-jährigen Studienzeitraum in Chicago auffallend gering erscheint, könnte dies ein Grund für die absolut höhere Anzahl an Einsätzen im Vergleich zur Münchner Studie gewe-sen sein. Festzustellen ist jedoch, dass für beide Studien nicht erfasst wurde, ob die Ersthelfer über ein medizinisches Hintergrundwissen verfügten. In der Münchner Stu-die wurden in den Notfallprotokollen ausschließlich Stu-die Personalien der Ersthelfer auf-genommen und nicht deren Vorkenntnisse in der Notfallmedizin. Somit kann auch für die Münchner Studie angenommen werden, dass sich unter den Ersthelfern ebenfalls Personen mit medizinischem Vorwissen befanden und allein hierdurch die Anzahl der AED-Einsätze höher war, als wenn ausschließlich Personen ohne Vorkenntnisse die AEDs bedient hätten.

In einer Studie von Lackner et al. [8] wurde die Frage diskutiert, inwieweit ein AED-Training die Anzahl von AED-Einsätzen steigern kann. Die Autoren untersuchten an-hand von verschiedenen Testgruppen, ob - und wenn dies zutrifft - welcher Personen-kreis einen AED fehlerfrei in Gebrauch nehmen kann. Als Testpaare wählten die Au-toren Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr, Krankenpflegeschüler, Senioren und Schüler der 3., der 6. und der 10. Klasse. Es zeigte sich, dass im Mittel insgesamt 93,8% aller Testpaare die AEDs in Betrieb nehmen konnten. Es waren 94,5% der Testpersonen im Stande, die Defibrillatoren zu aktivieren und die Elektroden bei den betroffenen Personen so zu befestigen, dass der AED einsetzbar war. Die Autoren stellten außer-dem fest, dass die Durchführung der Hilfseinsätze unabhängig vom Ausbildungsstand der Testpaare war. Sie konnten zudem zeigen, dass 94,7% der Kinder aus der 6.

Schulklasse die Defibrillatoren in Betrieb nehmen konnten. Bei den Schülerinnen und

Schülern aus der 10. Klasse konnten sogar 100% der Testpaare die AEDs in Betrieb nehmen. Demgegenüber war nur die Hälfte der Testpaare aus der Seniorengruppe im Stande, die Defibrillatoren korrekt zu bedienen. Ursächlich hierfür dürfte ihr mangeln-des Wissen bei der Bedienung technischer Geräte gewesen sein. Der Hauptgrund für die insgesamt als sehr positiv zu wertenden Ergebnisse dürfte der weit entwickelte technische Standard moderner AEDs gewesen sein. Hierzu gehörten unter anderem die Gewichtsreduktion, die einfache sprachgesteuerte Bedienung und das anwender-freundliche Design [76, 77]. In der Münchner Studie wurde nicht untersucht, welche Auswirkungen das Alter des Ersthelfers auf das Notfallereignis hatte. Anzunehmen ist, dass ein medizinisches Vorwissen oder darüberhinausgehende Fachkenntnisse für den Einsatz von AEDs von Vorteil sein dürften. Die hier vorgelegten Ergebnisse bele-gen ebenfalls, dass eine Reanimation, die die Ingebrauchnahme eines AED ein-schließt, auch ohne Vorkenntnisse sicher und effizient erfolgen kann.

4.6. Empfehlungen zur Steigerung der Nutzung von AEDs für