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1. Theoretischer Hintergrund

1.4 Elevation – eine positive moralische Emotion

Elevation ist eine positive moralische Emotion, die von Haidt (2003) als warmes, erhebendes Gefühl beschrieben wird, das bei der Beobachtung einer moralisch guten Handlung entsteht und zu dem Wunsch führt, selbst ein besserer Mensch werden zu wollen.

Diese Definition beinhaltet bereits einige Kriterien, nach denen sich Emotionen allgemein einteilen lassen. So besteht bei Elevation der Auslöser in der Beobachtung einer moralisch großartigen Handlung. Wenn eine Handlung als moralisch großartig beschrieben wird, dann ist, wie bereits erwähnt, ein gesellschaftlich richtiges Verhalten gemeint (vgl. Brambilla, Sacchi, Rusconi, Cherubini, Yzerbyt. 2012; Decety & Cowell, 2014), das bei anderen Menschen Bewunderung findet (Haidt, 2003). Exemplarisch wird hier von einer Situation gesprochen, in der jemand Zeuge davon wird, wie sich ein Mensch einem anderen gegenüber äußerst prosozial verhält, ohne dabei ein eigennütziges Ziel zu verfolgen. Ein Beispiel, das Haidt (2000) hierfür gibt, ist eine Geschichte von jemanden, der Zeuge davon wird, dass ein Mann seinen Taxifahrer auf dem Heimweg bittet, ihn vorher aussteigen zu lassen, da er gerade aus dem Fenster des Taxis eine alte Frau gesehen hat, die Schnee schippt und er ihr spontan helfen will. Auf Beobachtung dieser Art folgen dann affektive und kognitive Reaktionen, die zusammengesetzt als Elevation-Konstrukt verstanden werden.

Affektiv wird Elevation von Haidt (2003) als ein warmes, erhebendes Gefühl definiert.

Dabei kann die Beschreibung „erhebend“ laut Menninghaus und KollegInnen (2015) im Deutschen gleichgesetzt werden mit den Worten rührend, berührend oder ergreifend. Neben diesen Wörtern wird in bisheriger Literatur der entstehende Affekt auch noch mit den Adjektiven bewegend (Schnall, Roper & Fessler, 2010), inspirierend oder bewundernd (Freeman, Aquino & McFerran, 2009) beschrieben. Körperliche Empfindungen dabei sind beispielsweise ein warmes Gefühl in der Brust (Schnall, Roper & Fessler, 2010), Tränen in den Augen, Gänsehaut auf dem Körper oder einen Kloß im Hals (Landis et al., 2009). Dieser

Affekt wurde in bisheriger Literatur (vgl. Schnall, Roper & Fessler, 2010; Amoyal, 2014) und wird daher auch in dieser Masterarbeit zusammenfassend mit dem Begriff der emotionalen Bewegtheit bezeichnet.

Kognitiv besteht laut Haidt (2003) die Emotion Elevation auch aus dem Wunsch, selbst ein besserer Mensch werden zu wollen. Diese Formulierung lässt viel Interpretationsspielraum, was genau es bedeutet, ein besserer Mensch sein zu wollen. In bisherigen Studien wurde häufig angegeben, ähnlichen Handlungsmotiven nachgehen zu wollen, die in der auslösenden Situation beobachtet wurden (Freeman, Aquino & McFerran, 2009). So ist der Wunsch häufig an der Ausübung konkreter, prosozialer Handlungen orientiert, die als moralisch gut bezeichnet werden können. Daher wird in dieser Masterarbeit auch immer von moralischer Intention geredet, die in diesem Fall bedeutet, dass eine Person die Absicht hegt, eine moralischere Person sein zu wollen.

1.4.1 Emotionale Bewegtheit (affektive Komponente)

Dass die Emotion Elevation in ihrem affektiven Erleben als emotionale Bewegtheit bezeichnet werden kann, ist eine Annahme von Cova, Deonna und Sander (2015). Dabei ist die emotionale Bewegtheit grundlegend als ein positiver Affekt zu verstehen, der jedoch aus einem Zusammenspiel der Basisemotionen Trauer und Freude resultiert (Hanich et al., 2014).

So beschreiben Cova und Deonna (2014) die emotionale Bewegtheit als eine affektive Reaktion auf Situationen, in denen positive Werte trotz negativer Umstände existieren.

Beispielsweise kann nach einem Streit die Versöhnung zweier Freunde emotional bewegend sein, wie auch die beruhigenden Worte, die eine Mutter auf dem Sterbebett ihren Kindern mitgibt. Somit tritt emotionale Bewegtheit in unterschiedlichen Kontexten auf. Man kann sowohl von dem Ausblick eines Berges, dem Hören einer schönen Musik als auch von einer moralisch großartigen Handlung emotional bewegt sein (Konečni, 2005).

Um emotionale Bewegtheit quantitativ zu erfassen, wurden unterschiedliche Fragebögen (z.B. Elevation-Scale, Haidt, 2003) konstruiert. Sie beinhalten weitere Affektwörter, die das Gefühl der emotionalen Bewegtheit beschreiben. Beispiele dafür sind berührend, bewegend oder inspirierend (vgl. Menninghaus et al., 2015; Schnall, Roper &

Fessler, 2010; Freeman, Aquino & McFerran, 2009). Diese Fragebögen wurden teilweise auch um körperliche Empfindungen ergänzt, da diese oftmals mit dem Affekt der emotionalen Bewegtheit einhergehen. So zeigte Zickefeld (2015), dass Menschen, die sich emotional bewegt fühlen, eher von einem warmen Gefühl in der Brust berichten als Menschen, die sich nicht emotional bewegt fühlen. Nach der Studie von Benedek und Kaernbach (2011) zeigt

sich Gänsehaut als ein Indikator für die emotionale Bewegtheit. Auch können feuchte Augen oder Tränen laut Scherer, Zentner und Schacht (2001) während der emotionalen Bewegtheit auftreten.

Mittels dieser Fragebögen kann daher auch festgestellt werden, ob die Beobachtung einer moralisch großartigen Handlung tatsächlich zu einer emotionalen Bewegtheit führt, so wie die Emotion Elevation affektiv definiert ist. Es existieren bereits Laborstudien, die unterschiedliches Text- und Videomaterial einsetzten, das moralisch großartige Handlungen darstellt. In der Studie von Aquino, McFerran und Laven (2011) handelte die eingesetzte Geschichte von einer amischen Gesellschaft, die bei einem erweiterten Suizid eines Mannes ihre Kinder verlor, aber dennoch die Frau des Täters aufsuchte und ihr finanzielle Hilfe anbot.

Auch Van de Vyer und Abrams (2015) wählten das Motiv der Vergebung, indem sie ein Video zeigten, das von einem Mann erzählt, der durch ein Gummigeschoss in seiner Kindheit erblindete und später dem damaligen Täter verzeihen konnte. Das am häufigsten eingesetzte Video war jenes über eine Show, in der sich ein Musiker bei seinem Mentor dafür bedankt, dass dieser ihn vor dem Leben in einer kriminellen Bande gerettet hat (z.B. Amoyal, 2014;

Lai, Haidt & Nosek, 2014; Silvers & Haidt, 2008; Schnall, Roper & Fessler, 2010). In all diesen Studien wurde gefunden, dass sich die UntersuchungsteilnehmerInnen, die der Experimentalbedingung (moralischer Text/Video) zugeteilt waren, nach dem Text- beziehungsweise Videomaterial berührt (Silvers &Haidt, 2008), bewegt (Amoyal, 2014, Schnall, Roper & Fessler, 2010) und inspiriert (Silvers &Haidt, 2008; Aquino, McFerran &

Laven, 2011; Van de Vyer & Abrahms, 2015) fühlten. In einigen Studien wurde berichtet, nach dem Text- beziehungsweise Videomaterial emotional erhoben zu sein (Lai, Haidt &

Nosek, 2014; Schnall, Roper & Fessler, 2010) und Bewunderung zu empfinden (Van de Vyer

& Abrahms, 2015; Aquino, McFerran & Laven, 2011). Auch körperliche Empfindungen, wie beispielsweise ein warmes Gefühl in der Brust, wurden angegeben (Amoyal, 2014; Schnall, Roper & Fessler, 2010). Daraus lässt sich schließen, dass Text- und Videomaterial, welches großartige moralische Handlungen darstellt, sowohl physisch als auch affektiv zu emotionaler Bewegtheit führt.

1.4.2 Moralische Intention (kognitive Komponente)

Neben der affektiven Komponente, aus der die Emotion Elevation besteht, definiert Haidt (2003) Elevation auch noch kognitiv mit dem entstehenden Wunsch, selbst ein besserer Mensch sein zu wollen. Dieser Wunsch sollte ebenfalls aus einer Situation hervorgehen, in der eine großartige moralische Handlung beobachtet wird. Um dies zu überprüfen, nutzten

einige Studien (vgl. Algoe & Haidt, 2009; Schnall, Roper & Fessler, 2010; Amoyal, 2014) auch bereits Text- und Videomaterial, in dem großartige moralische Handlungen dargestellt wurden und befragten ihre ProbandInnen nach deren Wunsch, ein besserer Mensch sein zu wollen. In all diesen Studien ließ sich feststellen, dass Menschen, nachdem sie eine großartige moralische Handlung beobachteten, eher den Wunsch hatten, in ihrem weiteren Leben ein besserer Mensch zu sein, als wenn sie solche Handlungen nicht beobachteten.

Es wurde in diesen Studien jedoch nicht definiert, was es für die ProbandInnen bedeutet, ein besserer Mensch zu sein, sprich in welcher Hinsicht sie sich oder ihr Leben ändern wollten. Dies genauer zu beforschen, fand in einer Studie von Aquino, McFerran und Laven (2011) statt. Sie äußerten den Gedanken, dass Personen, die bei einer moralisch großartigen Handlung beobachtet werden, für die ZuseherInnen als positive Rollenvorbilder wahrgenommen werden können. Diese Annahme bestätigte sich auch in den Ergebnissen ihrer Studie, insofern, dass die ZuseherInnen solcher moralisch großartigen Handlungen eher angaben, die dargestellten Handlungen in ihr eigenes Leben integrieren zu wollen und von den dargestellten Personen lernen zu wollen. In einer Folgestudie (Aquino, McFerran &

Laven, 2011) gaben Menschen nach der Beobachtung einer moralisch großartigen Handlung auch eher den Wunsch nach konkreten, moralischen Handlungen an. Sie besaßen eher die Intention, sich um andere Menschen zu sorgen, gute Dinge für andere Menschen zu tun und allgemein anderen Menschen zu helfen. Die Beobachtung einer moralisch großartigen Handlung aktivierte hierbei also die Intention, moralisch zu handeln. Der in bisherigen Studien (vgl. Algoe & Haidt, 2009; Schnall, Roper & Fessler, 2010; Amoyal, 2014) angegebene Wunsch, ein besserer Mensch sein zu wollen, kann somit verstanden werden als die Intention, sich moralischer zu verhalten beziehungsweise eine moralischere Person sein zu wollen. Dies ist insofern naheliegend, als dass eine moralische Person als eine gute Person bezeichnet wird (vgl. Steger, Kashdan & Oishi, 2008; Vargas, 2013). Es gibt jedoch viele Theorien dazu, was zu den Charaktereigenschaften einer moralischen Person gehört. Als eine bekannte und einflussreiche gilt die Moral Foundation Theorie, da sie sich auf viele kulturübergreifende Beobachtungen stützt (Graham, Haidt & Nosek, 2009). Nach ihr lässt sich Moral in die Bereiche Sorge, Fairness, Loyalität, Respekt und Reinheit einteilen. Da jedoch auch solch eine Theorie nicht alle interindividuellen Unterschiede in den Moralvorstellungen erfassen kann, lässt sich keine klare Definition für Moral bestimmen. Den meisten Definitionsversuchen gemein ist die Auffassung, dass es sich bei der Moral um eine soziale Norm handelt, die gesellschaftlich richtiges Verhalten zu anderen Personen beschreibt

(vgl. Brambilla, Sacchi, Rusconi, Cherubini & Yzerbyt, 2012; Decety & Cowell, 2014). Was gesellschaftlich richtiges Verhalten meint, belibt jeder Person für sich zu definieren. So gibt auch der auf die Beobachtung einer moralisch großartigen Handlung folgende Wunsch, selbst ein besserer Mensch sein zu wollen, Raum für die individuelle Absicht, moralischer handeln beziehungsweise moralischer sein zu wollen.