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Einsatz und Nutzung von trächtigen Stuten in Sport und Freizeit

4. Spezielle ethische Fragestellungen

4.4 Nutzung der Equiden für die Zucht

4.4.7 Einsatz und Nutzung von trächtigen Stuten in Sport und Freizeit

Heute werden auch von Zuchtstuten zunehmend gute Leistungen verlangt. Folglich ist es keine Seltenheit, dass der Weg einer Zuchtstute über den Sport führt – und damit auch für trächtige Stuten die Frage aufkommt, wie lange und wie intensiv sie belastet werden können. Die Anforderungen an eine erfolgreiche Zucht- oder Sportstute sind sehr unterschiedlich. Sind in Wettkämpfen Kraft, Technik, Gesundheit und Leistungsbe-reitschaft gefragt, so sind es in der Zucht die Gesundheit des Genitaltraktes, das Ge-schlechts- und Mutterverhalten und während der Trächtigkeit insbesondere die Entwick-lung des Fötus. Da eine Trächtigkeit kein pathologisches Phänomen darstellt, ist das an-gepasste Bewegen unter dem Reiter oder am Wagen unumstritten. Auch frei lebende Pferde bleiben aktiv während der gesamten Trächtigkeitsdauer und zeigen dabei die gleichen Raum-Zeit-Muster ihres Verhaltens wie ihre nicht-trächtigen Herdenmitglieder.

Der Einsatz von trächtigen Stuten im (Freizeit-)Sport hingegen wird kontrovers diskutiert.

Nach der empfohlenen und in der Regel praktizierten 6-wöchigen Turnier- und Arbeits-pause der Stuten in der Zeit der Belegungen werden diese danach in der Regel weiter unter dem Sattel oder am Wagen bewegt, dies bis einige Wochen vor Abfohltermin.

Wurden sie früher noch in der Landwirtschaft bei relativ tiefen Geschwindigkeiten gear-beitet, dabei aber z.B. hohen Zuglasten ausgesetzt, sollen sie heutzutage in dieser Zeit häufig auch an Sportprüfungen eingesetzt werden. Gerade in dieser Zeit zeigen Stuten unter dem Einfluss des Trächtigkeitshormons Progesteron zum Teil eine erhöhte Leis-tungsbereitschaft und –kapazität. Dies wird - analog zu Erfahrungen aus dem Human-sport - in wenigen Kreisen sogar soweit ausgenutzt, dass Stuten belegt werden und zu

einem gewissen Zeitpunkt (in der Regel nach 5 Monaten resp. Ende Sportsaison) ein Abort eingeleitet wird. Empirisch wird berichtet, dass der Einsatz von Stuten in den ers-ten 4 Monaers-ten, in Spring- und Dressurprüfungen noch länger, problemlos möglich sei. In nur wenigen Sportdisziplinen (s. unten) ist der Einsatz von trächtigen Stuten reglementa-risch geregelt. Konkrete wissenschaftliche interdiziplinäre Nachforschungen zur Thema-tik bestehen keine. Hinreichlich bekannt ist, dass die den Fötus beinhaltende Gebärmut-ter ab dem 5. Trächtigkeitsmonat in die Bauchhöhle absinkt, und je nach Ausbildung der Abdominalmuskulatur wird die Trächtigkeit ab dem 7. bis 9. Monat von aussen ersicht-lich.

Als wichtigste Belastung der trächtigen Stute ist demzufolge anzusehen, dass im Verlauf der Trächtigkeit ab dem 5. Monat die zunehmende Masse des trächtigen Uterus indirekt auch auf das Zwerchfell drückt und damit die Funktionalität des Atem- und Kreislaufap-parates zunehmend eingeschränkt wird. Dies kann weiter zu einer Unterversorgung der Muskulatur mit Sauerstoff führen mit frühzeitigerer Ermüdung sowie einer erhöhten psy-chischen Belastung des Pferdes.

Die übliche Arbeit und demzufolge auch Sporteinsätze können von der Stute zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in gewohntem Masse durchgeführt werden. Dies kann ein Reiter oder Fahrer am Verhalten des Pferdes sowie an seiner Atemfrequenz und –qualität in der Regel problemlos erkennen und damit die Arbeit regulieren. Unter Wettkampfbedin-gungen ist es hierbei jedoch schwierig bis unmöglich, auf die individuellen Gegebenhei-ten einer hochträchtigen Stute optimal einzugehen. Es kann hierbei zu Überbelastungs-erscheinungen kommen mit zunehmender Verletzungs-, Sturz- und Abortgefahr. Weiter sind in der Hochträchtigkeit potentielle Komplikationen wie Abdominalhernie oder Torsio uteri (Gebärmutterverdrehung) zu erwähnen und insbesondere das Abortrisiko infolge Virusinfektionen (Herpesvirus, Equines Arteritis-Virus) – vor allem auch hinsichtlich der erhöhten Anzahl Kontakte mit anderen Tieren und damit erhöhter Infektionsgefahr auf den Wettkampfplätzen.

Tendenz: Das Interesse, trächtige Stuten im Sport einzusetzen, ist als konstant einzu-schätzen.

Gelegentlich wurde beobachtet, dass Stuten mit starkem Rosseverhalten zwecks einfa-cherem Verkauf belegt wurden, ohne dass der Käufer über die Trächtigkeit in Kenntnis gesetzt wurde.

Ordnungspolitischer Kontext

Die Thematik ist in der Tierschutzgesetzgebung nicht explizit geregelt. Zwei Pferdesport-disziplinen regeln den Einsatz von trächtigen Stuten: In der Distanzreiterei sind hochtra-gende Stuten „ausdrücklich ausgeschlossen“ (Endurance Reglement, Schweizerischer Verband für Pferdesport, Stand 1.1.10: Art. 6.1.2.), während es im Schweizerischen Trabrenn-Reglement, Suisse Trot, Stand 11.3.09, Art. 37, heisst: „Eine tragende Stute kann bis max. 4 Monate nach der letzten Bedeckung an Rennen teilnehmen“ und „…Im Falle einer Fehlgeburt oder Totgeburt nach einer Trächtigkeit von 4 Monaten kann die Stute frühestens nach 3 Monaten an Rennen teilnehmen“.

In Ihrem Verhaltenskodex (FEI, 2011) schreibt die FEI vor, dass Stuten ab dem vierten Trächtigkeitsmonat bzw. in Laktation nicht mehr in Prüfungen eingesetzt werden dürfen.

Diese Bestimmung wird im Veterinärreglement formell aufgenommen (Art. 1011, § 2.6.3). Allerdings muss man annehmen, dass sie den unterschiedlichen Akteuren nicht bekannt ist.

Ansonsten ist es an nationalen Sport- oder Zuchtprüfungen in der Schweiz generell den Richtergremien/Jurys vorbehalten, allfällig überforderte Pferde zu kontrollieren resp.

auszuschliessen. Unter Umständen kann der anwesende Platztierarzt zur Beratung bei-gezogen werden.

Interesse für die Parteien und Konfliktfelder zwischen den verteidigten Wer-ten

Die Thematik ist von Interesse für die Züchter, Reiter und Fahrer, Pferdehalter, Tier-schützer und Tierrechtler, Sport- und Zuchtverbände, Vollzugsbehörden sowie Versiche-rungen (Pferd, Mensch).

Wer eine trächtige Stute in einer Sport- oder Zuchtprüfung, in der Freizeit resp. als Ar-beitstier (Landwirtschaft, Wald, Reitschule) einsetzt, bezweckt eine Optimierung der Nut-zung sowie eine eventuelle Wertsteigerung (Handel, Zuchtwert, etc.). Möglicherweise geht es nur darum, einen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen. Dabei profitieren alle - bewusst oder unbewusst - potentiell vom mit der Trächtigkeit verbundenen Ausschluss des Geschlechtsverhaltens sowie einer Steigerung der Leistungsbereitschaft und – kapazität.

Dem gegenüber steht die Meinung, dass aus tierschützerischen Überlegungen jegliche psychische und physische Überbelastung von trächtigen Stuten zu vermeiden ist. Aller-dings ist es für alle Parteien schwierig, die auch vom Individuum selbst mitbeeinflusste Grenze zwischen „akzeptabel“ und „zuviel“ zu kennen. Neben der potentiellen Überbe-lastung sehen tierschützerische Kreise in einer trächtigen Stute auch eine übermässige Instrumentalisierung im Rahmen von rein ökonomischen und/oder persönlichen Interes-sen. Auch ist der Einsatz von trächtigen Stuten relevant für Versicherungen, die Risiken wie Verletzungen, Stürze wie auch Infektionen und Aborte der Tiere, aber auch Unfälle der Reiter, abdecken.

Alternativen, die das gleiche Ziel erreichen, aber mit geringerer Belastung Als alternative Möglichkeiten können nur der Verzicht auf die Belegung und somit der Trächtigkeit oder der Verzicht auf intensiven Einsatz (Sport, Arbeit) gezählt werden. Wei-ter wäre allfällig der unWei-ter 4.4.4. beschriebene Embryotransfer eine AlWei-ternative.

Resultat der Güterabwägung und Rechtfertigung der Belastung

Der Einsatz von trächtigen Stuten (ab dem 5. Monat) im Sport ist beim heutigen Stand der Dinge aus tierschützerischen Überlegungen und angesichts der Belastung für die Stuten sowie der Sicherheit für die Tiere und Reiter abzulehnen. Dies gilt insbesondere auch für den Einsatz von trächtigen Stuten mit nachfolgender Abtreibung des Föten. Die Wiederaufnahme von sportlichen Aktivitäten solcher Stuten muss unter Berücksichtigung des Abortzeitpunktes und der notwendigen Trainingsaufbauzeit geschehen.

Empfehlungen für die Implementierung

• Integration der Thematik im Rahmen von Ausbildungskursen und Sensibilisierung.

• Klar definierte, gemäss den Anforderungen und dem Risikopotential für Tiere und Reiter angepasste, disziplinspezifische Regelungen durch die Sport- und Zuchtver-bände.

• Interdisziplinäre Forschung zu mentaler und physischer Überforderung und Definiti-on vDefiniti-on praxistauglichen Indikatoren.

Themenbezogene Literatur

FEI Fédération équestre internationale (2011), Code of conduct for the welfare of the Horse, Lausanne, http://www.feicleansport.org [am 22.02.2011].

SCHWEIZ. VERBAND FÜR PFERDESPORT (2010). Endurance Reglement, Stand 1.1.10: Art. 6.1.2.

SUISSE TROT (2009). Schweizerisches Trabrenn-Reglement, Suisse Trot, Stand 11.3.09, Art. 37

4.4.8 Einsatz und Nutzung von laktierenden Stuten in Sport, Freizeit und