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Im Folgenden werden Begriffe erklärt, die für den Bericht wichtig sind und im Rahmen des Berichtes in einem bestimmten Sinn verstanden werden sollen. Dabei werden über-geordnete Begriffe zuerst berücksichtigt. Die Reihenfolge ihres Erscheinens entspricht der Publikation im Tierschutzgesetz (TSchG) vom 16. Dezember 2005.

Unter diesem Blickwinkel kann man eine Fragestellung zur Ethik entwickeln und Wege suchen, um darauf eine angemessene Antwort zu finden.

Ethik

Die Ethik ist eine praktische und normative philosophische Disziplin, die in einem struktu-rierten System bestimmt, wie sich Menschen untereinander und gegenüber ihrer Umwelt verhalten sollen. Dazu gehört auch, dass sie bestehende Werte und Regeln hinterfragt.

Die ethische Frage besteht folglich darin, systematisch zu eruieren, was man tun muss oder wie vorzugehen ist, damit es gut und richtig sei.

Wohlergehen

Das TSchG (Art. 3 Bst. b) definiert den Begriff „Wohlergehen“ wie folgt:

Wohlergehen der Tiere ist namentlich gegeben, wenn:

1. die Haltung und Ernährung so sind, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört sind und sie in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht überfordert sind,

2. das artgemässe Verhalten innerhalb der biologischen Anpassungsfähigkeit gewähr-leistet ist,

3. sie klinisch gesund sind,

4. Schmerzen, Leiden, Schäden und Angst vermieden werden.

Somit ist das Wohlergehen ein Zustand bei welchem ein Lebewesen frei ist von negati-ven Empfindungen und andauernden starken Bedürfnissen.

Natürliche Bedürfnisse des Pferdes

Der Begriff „Bedürfnis“ eines Lebewesens bezeichnet eine Empfindung bzw. ein Gefühl.

Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächli-chen Mangel Abhilfe zu schaffen. Der Begriff „Bedarf“ hingegen ist eine konkrete und quantifizierbare Grösse von etwas Notwendigem, welches dem Lebewesen erfolgreichen Selbstaufbau, Selbsterhalt und Fortpflanzung ermöglicht.

Ein Lebewesen hat somit einen Bedarf an bestimmten Stoffen und Reizen, sowie unter-schiedlich ausgeprägte Bedürfnisse, welche es ständig zu befriedigen sucht.

Die Bedeutung von Bedürfnissen ist gross, da sie biologisch sinnvoll, ja sogar notwendig sind. Ein Tier ist sich seines Bedarfs an Wasser oder Kohlehydraten nicht bewusst. Der Bedarf wird nur dank der Bedürfnisse, nämlich dank Hunger oder Durst, gedeckt. Durch Bedürfnisse werden lebenserhaltende Verhaltensabläufe gesteuert, welche die Bedarfs-deckung und Schadensvermeidung ermöglichen.

Die Bedürfnisbefriedigung kann aber durchaus auch schadensträchtig und dem Wohlbe-finden abträglich sein, weil nicht alle Bedürfnisse natürlich sind. Dann nämlich, wenn das Bedürfnis nicht einem biologischen Bedarf im obigen Sinn entspricht. So würde das Pferd, wenn es die Möglichkeit dazu hätte, sein Bedürfnis nach Hafer wohl so lange be-friedigen, bis es krank davon würde. In seinem natürlichen Lebensraum (die Steppen) würde dies jedoch nie eintreffen, da kein Kraftfutter vorhanden ist und dementsprechend nie ein Bedürfnis danach geweckt würde.

Würde

Der Bund1 erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Si-cherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.

Die Beachtung der Würde des Tieres verpflichtet somit den Menschen in allen Situatio-nen, in denen er in Verbindung mit Tieren steht, zum Beispiel bei deren Gebrauch2. Das TSchG (Art. 3 Bst. a) definiert den Begriff „Würde“ wie folgt:

Würde: Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. Die Wür-de Wür-des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung Wür-des Tieres nicht durch überwiegen-de Interessen gerechtfertigt werüberwiegen-den kann. Eine Belastung liegt vor, wenn überwiegen-dem Tier ins-besondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten ein-gegriffen oder es übermässig instrumentalisiert wird.

Eine Belastung, im Sinn der in der Würdedefinition Art. 3 TSchG genannten Kriterien, ist immer eine Würdeverletzung. Kann diese Belastung durch überwiegende Interessen ge-rechtfertigt werden, wird die Würde des Tieres geachtet. Kann die Belastung nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden, wird die Würde des Tieres missachtet.

Eigenwert des Tieres

Der Begriff des Eigenwertes ist ein normatives Leitkonzept, das vorwiegend in biozentri-schen Positionen begründet ist. Zahlreiche Autoren3 verwenden auch die Begriffe „inhä-renter Wert“ oder „intrinsischer Wert“. Die Abgrenzung dieser Begriffe ist nicht immer klar.

Die Anerkennung des Eigenwertes verlangt (Art. 3 Bst. a TSchG), dass das Tier um sei-ner selbst willen in seinen artspezifischen Eigenschaften, Bedürfnissen und Verhaltens-weisen respektiert wird. Kommt einem Wesen Eigenwert zu, heisst das, dass es unab-hängig von unseren Gefühlen, persönlichen Einstellungen und Erfahrungen zu achten und moralisch zu berücksichtigen ist.

Das Tier hat einen Eigenwert unabhängig davon, ob es auch einen instrumentellen Wert, einen Marktwert, einen sentimentalen Wert oder einen erbrechtlichen Wert hat

Belastung

• Ausüben von physischem oder psychischem Zwang auf das Tier, um damit einen Nutzen für den Menschen zu erreichen

• Mit dieser Handlung verbundene Nachteile für das Tier

• Gewalt, die man ausübt, um ein Tier gegen seinen Willen zu etwas zu zwingen oder es daran zu hindern, das zu tun, was es gerne möchte.

Verwandte Begriffe: Einschränkung, Beeinträchtigung, Zwang, Druck, Unterwerfung, Knechtschaft, evtl. Unterdrückung, Versklavung.

Im Sinn des Tierschutzgesetz (TSchG) vom 16. Dezember 2005, Art. 3 TSchG, ist unter

„Belastung“ Folgendes zu verstehen:

1 Bundesverfassung, Art. 120. Abs. 2.

2 Der Begriff Würde des Tieres ist nicht für den Bereich der Genetik reserviert, wie dies auf den ersten Blick Artikel 120 der Bundesverfassung vermuten lässt.

3 S. z.B. P. Balzer, K. P. Rippe et P. Schaber, Was heisst Würde der Kreatur?, Schriftenreihe Umwelt, Nr.

294, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (heute Bundesamt für Umwelt) , Berne, 1997, pp. 32-37;

I. Prätorius et P. Saladin, Die Würde der Kreatur (Art. 24 novies Abs. 3 BV), Schriftenreihe Umwelt Nr. 260, Berne 1996, A. Bondolfi, L'homme et l'animal: dimensions éthiques de leur relation, Éditions universitaires Fribourg Suisse, Fribourg 1995.

• Zufügen von Schmerzen, Leiden, Schäden

• In Angst versetzen

• Erniedrigung

• Tief greifender Eingriff in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten

• Übermässige Instrumentalisierung.

Zusammengefasst legt das TSchG fest, dass es verboten ist, ein Tier ungerechtfertigt einer Belastung zu unterwerfen (Verletzung, Schmerz, Stress, Freiheitsbeschränkung, Missachtung der Würde etc.). Es verlangt somit eine Güterabwägung, in deren Rechtfer-tigung die Belastung des Tieres den Interessen der betroffenen Parteien (Mensch, Tier, Umwelt) gegenüber gestellt wird. Fällt die Belastung des Tieres stärker ins Gewicht als die Interessen der betroffenen Parteien, ist die Belastung des Tieres missbräuchlich, d.h.

es liegt eine Missachtung der Würde des Tieres vor.

Anmerkung: Die Arbeitsgruppe geht von der Prämisse4 aus, dass zwischen Mensch und Tier eine asymmetrische Beziehung besteht. Diese Asymmetrie zeigt sich insbesondere darin, dass die Haltung von Tieren (v.a. von Nutz- und Begleittieren) immer eine gewisse Belastung dieser Tiere mit sich bringt. Der Mensch verfolgt in seiner Beziehung zu Tie-ren immer (auch) eigene Interessen.

Der Mensch ist es seiner eigenen Würde schuldig, auf jeglichen Missbrauch zu verzich-ten, zu dem ihn diese Asymmetrie verleiten könnte. Er soll sie grosszügig berücksichti-gen mit dem Ziel, die Risiken, die mit einer Belastung verbunden sind, vorauszusehen und wenn möglich auszuschalten.

Erniedrigung

Kriterien für Erniedrigung sind u.a.

(BVET, 2010):

• Mechanisierung des Tieres, Tier nur als Maschine;

• Lächerlich Machen des Tieres;

• Tier als unbelebte Sache dargestellt, Verdinglichung;

• Massnahmen, die mit einem kom-pletten Kontrollverlust verbunden sind (Cyborg)5.

Erniedrigung kann sich sowohl auf eine Handlung an einem individuellen Tier als auch am Tier als Abstraktum, Art, Rasse beziehen. Dabei haben gewisse Hand-lungen (z.B. ein bestimmtes Zuchtziel) Auswirkungen sowohl auf das Individu-um als auch auf die betroffene Gruppe.

Der Sachverhalt sollte unabhängig davon beurteilt werden, ob sich das Tier der Erniedri-gung bewusst ist, weil nicht abschliessend geklärt werden kann, ob ein Tier fähig ist, sich erniedrigt zu fühlen. Erniedrigung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Tiere nicht als das angesehen werden, was sie sind.

4 Synonym: Annahme, Voraussetzung, Aussage.

5 Lebewesen, deren Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzt werden. Akronym (cybernetic organism).

Abb. 1: Kommt das eingeschorene Logo des FC Ba-sels einer Erniedrigung gleich, auch wenn das Pferd sich dessen vermutlich nicht bewusst ist? (Quelle:

Schweizerisches Nationalgestüt SNG)

Tief greifende Eingriffe in das Erscheinungsbild

Von einem tief greifenden Eingriff ins Erscheinungsbild kann gesprochen werden, wenn (BVET, 2010):

• die Veränderung zu einem Funktionsverlust führt (gleichzeitig wäre dies ein tief grei-fender Eingriff in die Fähigkeiten),

• das Tier dadurch erniedrigt wird,

• das ästhetische Empfinden gestört wird (Nackthund),

• er dauerhaft oder sogar irreversibel ist (Schwanz/Ohren coupieren).

Übermässige Instrumentalisierung

Jede belastende Massnahme, die darauf abzielt, ein Tier ausschliesslich als Instrument in der Hand des Menschen zu nutzen, ohne seine spezifischen physischen und psychi-schen Bedürfnisse zu berücksichtigen (BVET, 2010).

Im Rahmen der Tierschutzgesetzgebung geht es um eine vollständige/übermässige In-strumentalisierung. Eine gewisse Instrumentalisierung ist bei jeder Nutzung eines Tieres im Spiel, und das wird auch nicht in Frage gestellt.

Risiko

Subjektive Wahrnehmung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum (Mensch, Tier) oder eine Gruppe (Organisation, Gesellschaft) bei einer bestimmten Aktivität Schäden von unterschiedlicher Intensität erleidet. Diese können die Interessen des Betroffenen temporär oder permanent beeinträchtigen. Der Schaden kann physischer, psychischer, sozialer oder ökonomischer Art sein oder die Umwelt des Individuums oder der Gruppe betreffen. Semantisch muss die Bedeutung der Begriffe Gefahr (z.B. Unfall) und Scha-den (z.B. Verletzung) auseinander gehalten werScha-den.

Die Evaluation der potentiellen Risiken ist ein unumgänglicher Schritt bei der Analyse einer ethischen Frage, wenn es darum geht, persönliche Verantwortung zu übernehmen.

Meist ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt, umgekehrt proportional zu seiner Intensität, d.h. die Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Schadens ist klei-ner, diejenige eines geringen Schadens wesentlich grösser. In Abhängigkeit von der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Intensität des Schadens kann das Risiko vernach-lässigbar, gering, moderat, erhöht oder schwerwiegend sein. Dazu kommt als dritte Vari-able die subjektive Einschätzung des Risikos, das mit einer Aktivität verbunden ist. Sie kann individuell variieren, zum Beispiel in Abhängigkeit von der Fähigkeit vorauszu-schauen.

Schwelle, bei der ein Risiko unzumutbar ist

Weil das betroffene Tier (analog: ein Kind) nicht zustimmen kann, ein Risiko (s. oben er-wähnte Definition) einzugehen, das mit einer Belastung verbunden ist, hängt die Akzep-tabilitätsschwelle eines Risiko ab:

• vom Nutzen, mit dem realistischerweise unter Berücksichtigung des zu erwartenden Schadensrisikos und der Intensität des Schadens gerechnet werden kann;

• von der Möglichkeit, einen Schaden beheben zu können oder eben nicht (Irreversibi-lität eines Schadens);

• vom Niveau des Wissens und der Wahrnehmung, das erlaubt, die Wahrscheinlich-keit des Eintretens des Risikos abzuschätzen (z.B. Erfahrung);

• vom Vorhandensein einer weniger schädlicher Alternative zur Handlung, die mit ei-nem Risiko verbunden ist.

Themenbezogene Literatur

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999.

BVET Bundesamt für Veterinärwesen (2010), Interner Bericht.

Tierschutzgesetz (TSchG) vom 16. Dezember 2005.