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C. Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

Ein umfassender Wohlfahrtsstaat, der seinen Bürgern soziale Sicherheit und Vollbeschäftigung ermöglicht – so wird Schweden in der Wohlfahrtsstaatstypologie des Dänen Gøsta Esping-Andersen charakterisiert (Vgl. Esping-Andersen 1990: 223). Doch in der jüngeren Vergangenheit verliert das schwedische Modell an Vorbildcharakter. So berichtet die WELT im Jahr 2005 über „Schwedens versteckte Arbeitslose“ (Banze 2005), die sich nach Meinung von Gewerkschaftsökonom Jan Edling in der Frühverrentung oder im Krankenstand wiederfinden und so die Arbeitslosenquote beschönigen. Die Lektüre von Mauricio Rojas’ Werk Sweden after the Swedish Model hinterlässt ebenfalls Risse in der perfekten Fassade. „The maximalist Welfare State suffered a crisis and was abandoned during the 1990’s” (Rojas 2005: 63). Damit gemeint sind Probleme am Immobilienmarkt und in der Bankenwelt sowie eine steigende Inflation, die Schweden zu Beginn der 1990er Jahre in eine wirtschaftliche Krise gleiten lassen (Vgl. Wintermann 2005: 116).

Die Motivation, sich aufgrunddessen der schwedischen Arbeitsmarktpolitik zuzuwenden, liegt darin, dass die ökonomische Krise nur drei Jahre anhält, die 1990er Jahre jedoch zum Jahrzehnt werden, in dem die Problematik der Arbeitslosigkeit einen zentralen Stellenwert einnimmt (Vgl. Kautto 2000: 20) und das Modell der Arbeitsmarktpolitik auf die Probe gestellt wird (Vgl. Björklund 1996: 196). Im Zeitraum von 1990 bis 1993 steigt die Arbeitslosenquote von 1,5 Prozent auf 8 Prozent.

Dabei handelt es sich ausschließlich um den Prozentsatz Arbeitsuchender, die sich in der offenen Arbeitslosigkeit befinden und demnach eigenständig auf der Suche nach einer Erwerbstätigkeit sind. Zählt man auch diejenigen Schweden hinzu, die während ihrer Arbeitslosigkeit an einem arbeitsmarktpolitischen Programm teilnehmen, beträgt die Arbeitslosenquote 13 Prozent (Forslund/Krueger 2008: 4)1. Das skandinavische Land befindet sich demnach in der schwersten Rezession seit den 1930er Jahren (Vgl.

Lindbeck: 1997: 65).

Die bis zum Jahr 1990 vorherrschende niedrige Arbeitslosenquote erklärt sich unter anderem durch den Einsatz aktiver arbeitsmarktpolitscher Instrumente (Vgl.

1 Bei dieser Quelle handelt es sich um ein unveröffentlichtes Manuskript, dass der Autorin zur Verfügung gestellt wurde und sich im Anhang der Arbeit im Kapitel V befindet.

1. Kapitel: Einleitung

Andersen 1990: 168 / Lindbeck 1997: 72 / Forslund 1997: 122). Mit der wirtschaftlichen Krise stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Arbeitsmarktpolitik, bezüglich ihrer Ausrichtung, der neuen Situation angepasst hat.

Die Forschungsliteratur bestärkt das Vorhaben, die Entwicklung dieses Politikfeldes zu analysieren, denn angesichts der Beschäftigungskrise soll langfristig ein „radikaler Kurswechsel und damit ein Bruch mit der Vergangenheit“ (Zänker 1998: 23) vollzogen werden. Schwedische Forscher resümieren einen Wandel bezüglich des Vollbeschäftigungszieles der 1990er Jahre. „Under det senaste decenniet förefaller det […] som om sysselsättningsmålet förlorat i betydelse gentemot önskan att hålla inflationen nere“2 (Blomsterberg/Furåker 2002: 276). Zudem finden sich in den schwedischen Regierungserklärungen Hinweise auf eine Erneuerung und Reformierung der Arbeitsmarktpolitik (Vgl. RE 1992: 1 / RE 1996: 4). Die vorliegende Arbeit beleuchtet daher die Inhalte der Arbeitsmarktpolitik, denn „[d]as Vollbeschäftigungsland von einst zählt heute zu den Industrieländern mit den größten Beschäftigungssorgen“ (Zänker 1998: 64). Ziel ist es, eine deskriptive Darlegung dieses Politikfeldes im Zeitraum von 1991 bis 2007 vorzunehmen.

Das zentrale Forschungsinteresse besteht darin, zu untersuchen, ob die schwedische Arbeitsmarktpolitik einen Wandel bezüglich seiner Ziele, Prinzipien und Instrumente durchläuft. Es wird angenommen, dass mit der wirtschaftlichen Krise zu Beginn der 1990er Jahre 1) das Vollbeschäftigungsziel vernachlässigt wird, 2) das Arbeits- und Leistungsprinzip eine Erweiterung erfährt, 3) die passive Arbeitsmarktpolitik an Generosität verliert und 4) die aktive Arbeitsmarktpolitik mit aktivierenden Instrumenten ausgestattet wird. Bezüglich der theoretischen Einbettung verfügt die Politikfeldanalyse, wie sie hier vorgenommen wird, über zahlreiche Theoriestränge. Das Pfadabhängigkeitstheorem ist dabei eine Erklärungsmöglichkeit für den Wandel bzw.

die Kontinuität der Arbeitsmarktpolitik. Methodisch wird zur Beantwortung der Forschungsfrage eine qualitative Vorgehensweise verwendet. Insgesamt werden vier Leitfadeninterviews mit Akteuren und Experten der schwedischen Arbeitsmarktpolitik, Regierungserklärungen, nationale Aktionspläne, Studien der schwedischen Arbeitsmarktforschungsinstitute, Regierungsdokumente und Economic Surveys der

2 Übersetzung: „Während des vergangenen Jahrzehnts scheint es, als ob das Vollbeschäftigungsziel, gegenüber dem Wunsch die Inflation niedrig zu halten, an Bedeutung verloren hat.“

1. Kapitel: Einleitung

Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) sowie relevante Forschungsliteratur einer Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring3 unterzogen.

Zunächst wird in Kapitel zwei die theoretische Einbettung vorgenommen sowie die Anwendung des Pfadabhängigkeitstheorems auf das Politikfeld Arbeitsmarktpolitik skizziert. Im Anschluss dienen ein Abriss zum politischen System Schwedens sowie die Vorstellung der politisch relevanten Akteure als Hintergrundinformationen für das weitere Verständnis. In Kapitel vier finden sich Definitionen zu den relevanten Begriffen der Arbeitsmarktpolitik, die in dieser Arbeit fortlaufend Erwähnung finden.

Daraufhin folgt die Konkretisierung des hier vorliegenden Untersuchungsgegenstandes – die schwedische Arbeitsmarktpolitik. Insbesondere wird dabei auf deren Ursprung, die wesentlichen Institutionen und Akteure eingegangen. Des weiteren wird die bisherige Entwicklung in diesem Politikfeld dargelegt, um in der Datenanalyse Veränderungen und Korrekturen zu erkennen. Nach der umfassenden Einführung in das Thema, widmen sich die folgenden Kapitel dem Forschungsstand zur schwedischen Arbeitsmarktpolitik sowie der übergeordneten Forschungsfrage und den Hypothesen dieser Magisterarbeit.

Kapitel acht befasst sich mit den Quellen, welche für die qualitative Auswertung verwendet werden. Im Anschluss wird das Konzept des Leitfadeninterviews vorgestellt und die inhaltliche Strukturierung als eine Form der Inhaltsanalyse nach Mayring präsentiert. Es folgt die Entwicklung eines Kategoriensystems, das sich aus dem Gegensatzpaar Kontinuität und Wandel zusammensetzt und über je vier Unterkategorien zu den Zielen, Prinzipien und Instrumenten der schwedischen Arbeitsmarktpolitik verfügt. Das Kategoriensystem ist hypothesengeleitet und beinhaltet Definitionen und Beispiele, die die Nachvollziehbarkeit der Datenanalyse garantieren.

Der zentrale Teil der Magisterarbeit – die Untersuchung der schwedischen Arbeitsmarktpolitik – findet sich in Kapitel zehn. Für den Forschungszeitraum von 1991 bis 2007 werden die jeweiligen Unterkategorien zu Wandel und Kontinuität einer Datenanalyse unterzogen. Die Ergebnisse dieser deskriptiven Studie sowie die

3 Siehe Mayring, Philipp (2003): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 8. Auflage.

Weinheim.

1. Kapitel: Einleitung

Darlegung möglicher Fehlerquellen der Analyse finden sich in den Kapiteln elf und 12.

Im Anschluss werden die Resultate der Untersuchung unter Einbezug des Pfadabhängigkeitstheorems beleuchtet und die Verifikation beziehungsweise Falsifikation der Hypothesen vorgenommen. Die Zusammenfassung in Kapitel 15 sammelt die zentralen Erkenntnisse der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit und gibt einen Ausblick zum weiteren Forschungsbedarf.

Das Ziel der Untersuchung ist es, einen Wandel der schwedischen Arbeitsmarktpolitik zu skizzieren. Der Anspruch besteht nicht darin, eine Evaluation einzelner arbeitsmarktpolitischer Programme vorzunehmen, um Aussagen über die Effizienz oder Effektivität der Maßnahmen zu treffen.

2. Kapitel: Theoretische Einbettung