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1. Einleitung

Für stark schwerhörige und gehörlose Patienten kann eine Therapie mit einem Cochlea-Implantat (CI) im besten Fall wieder zu einem offenen Sprachverstehen führen. CI ersetzen die Sinneszellen der Hörschnecke (Cochlea) und stimulieren den Hörnerv direkt mit elektrischen Impulsen. Ursprünglich kam diese Therapie nur bei adulten Patienten mit starker Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit zum Einsatz. Im Zuge der ständigen Weiterentwicklung von Implantat und Sprachprozessor wurden diese Einschlusskriterien auf Patientengruppen jüngeren Alters oder mit Resthörvermögen ausgeweitet (LENARZ et al. 1998).

Parallel wurden Strategien zur elektroakustischen Stimulation (EAS) entwickelt, bei der das CI nur die hohen Frequenzen stimuliert und die tiefen Frequenzen über ein konventionelles Hörgerät abgedeckt werden (VON ILBERG et al. 1999). Die zusätzlichen Informationen, die eine solche EAS bietet, erleichtern den Patienten vor allem das Sprachverstehen im Störgeräusch (GANTZ et al. 2005). Die EAS setzt eine Erhaltung des Resthörvermögens auch nach der Implantation voraus.

Dieses Ziel kann derzeit noch nicht immer erreicht werden. Bei bis zu 26 % der Implantationen kommt es zu einem vollständigen Verlust des Resthörvermögens (HAVENITH et al. 2013). Der Hörverlust tritt entweder sofort oder mit Verzögerung von einigen Wochen bis Monaten nach der Implantation auf (GSTOETTNER et al.

2006).

Die Gründe für einen verzögerten Verlust des Resthörvermögens sind noch nicht vollständig bekannt. Jedoch beeinflusst die Menge an Bindegewebe und/oder Knochenneubildung nach der Implantation das Resthörvermögen (O’LEARY et al.

2013). Ob dies an einer erhöhten Dämpfung der Basilarmembranbewegung durch Gewebebildung in der scala tympani liegt, wie das Modell von CHOI u. OGHALAI (2005) beschreibt, oder an einer Diffusion von Entzündungsprodukten wie z.B.

Sauerstoffradikalen (ESHRAGHI et al. 2005), ist noch nicht endgültig geklärt.

Das Bindegewebe hat nicht nur Einfluss auf das akustische Resthörvermögen, es beeinflusst auch das Hörvermögen mit rein elektrischer Stimulation. So berichten KAWANO et al. (1998) von einer negativen Korrelation zwischen Menge an Bindegewebe- und Knochenwachstum in der Cochlea und dem Hörvermögen der CI-Träger. Dies kann unter anderem an Veränderungen des Stromflusses zwischen

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Elektrodenkontakt und Zielstruktur (Spiralganglienzellen/Hörnerv) liegen. Als Grund für die Impedanzerhöhung der CI-Kontakte nach der Operation wird das Bindegewebswachstum auf den Elektrodenkontakten angenommen (BUSBY et al.

2002). Die Impedanzen steigen nach der Implantation am stärksten und schnellsten an den basalen Elektrodenkontakten an (PAASCHE et al. 2006). Dort findet sich auch das meiste Bindegewebe/Knochenwachstum (KAWANO et al. 1998, LI et al.

2007). Beides spricht dafür, dass die Insertionsstelle den Ausgangspunkt für dieses Gewebewachstum darstellt. Als Insertionsstelle dient entweder eine Inzision der Rundfenstermembran (round window membrane, RWM) oder eine künstliche Öffnung in der basalen Windung (Cochleostomie, CS). Um die Öffnung wieder zu verschließen, kommen unterschiedliche Materialien zum Einsatz. Ein Teil dieser Doktorarbeit befasst sich daher mit der Frage, ob Insertionsstelle und Verschlussmaterial eine Auswirkung auf das Resthörvermögen und die Entstehung von Bindegewebe oder Knochen nach der CI-Implantation haben.

Mögliche Methoden, diesen Prozess zu beeinflussen, sind Gegenstand diverser Studien (Übersicht von ESHRAGHI et al. 2012). So wird nicht nur das Implantat als Ganzes in Steifigkeit, Länge oder Durchmesser variiert, um eine möglichst atraumatische Insertion zu ermöglichen, sondern auch das Trägermaterial und die Elektrodenkontakte werden verändert, um ein Ansiedeln von Fibroblasten auf den Kontakten zu verhindern. Ein weiterer Ansatz, das Bindegewebswachstum zu verringern, ist die Verabreichung von antiproliferativ wirkenden Substanzen wie z.B.

Glukokortikoiden. Selbst eine einmalige Instillation von Triamcinolon (Glukokortikoid) in die Cochlea direkt vor der Insertion der Elektrode reduziert den Impedanzanstieg nach der OP im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Behandlung (Paasche et al.

2006). Für eine Verabreichung von Pharmaka in das Innenohr werden zahlreiche Applikationswege untersucht. Dabei ist eine lokale Anwendung durch die anatomischen Besonderheiten der Cochlea (Blut-Perilymph-Schranke) zu bevorzugen (SALT u. PLONTKE 2005). Dafür kann das Pharmakon entweder intratympanal verabreicht werden und durch Diffusion in die Cochlea gelangen (ENDO et al. 2005; MIKULEC et al. 2009) oder die Substanz wird direkt in die Cochlea instilliert (DE CEULAER 2004; PAASCHE et al. 2006; STAECKER et al.

2010). Weitere Möglichkeiten sind die Einbindung des Pharmakons in einer Beschichtung auf dem CI (BOHL et al. 2012) oder in das Trägermaterial der Elektrode selbst (WRZESZCZ et a. 2012). Derzeit werden verschiedene Substanzen

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mit antiproliferativen Wirkungen auf ihre Wirksamkeit im Innenohr sowie auf potentielle Wirkungen auf das Überleben der Spiralganglienzellen (SGZ) untersucht.

Bestimmte Metallionen wie Silber- (Ag), Kupfer-II- (Cu2+) oder Zink- (Zn2+) Ionen stellen vielversprechende Kandidaten für eine Anwendung im Innenohr dar. So liegt die LD50 (letale Dosis 50 %) dieser Metallionen sowohl für Fibroblasten (Bindegewebezellen) als auch für SGZ im gleichen Konzentrationsbereich (PAASCHE et al. 2011). Um eine langfristige Applikation zu erzielen, wurden Nanopartikel (NP) aus diesen Metallen hergestellt und in das Trägermaterial (Silikon) von Cochlea Implantaten eingemischt. Auf diese Art und Weise wurden sogenannte Nanopartikel-Silikon-Komposite (NSK) generiert. Freisetzungsstudien belegen eine Freisetzung von Metallionen aus den Nanopartikel-Silikon-Kompositen (HAHN et al.

2010). Da die so freigesetzten Ionen die höchste Konzentration auf der Oberfläche des Komposits aufweisen, wird davon ausgegangen, dass die Konzentration, die die Spiralganglienzellen erreicht, nicht mehr im toxischen Bereich liegt. Daher sollte als zweites Teilprojekt dieser Arbeit untersucht werden, ob diese Nanopartikel-Silikon-Komposite als antiproliferatives Trägermaterial für CI geeignet sind.

Das Ziel dieser Arbeit war es also, mögliche Einflussfaktoren auf die Bildung von Bindegewebe bzw. Knochenwachstum nach Cochlea Implantation zu untersuchen. Dabei wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, die Quelle des Bindegewebswachstums zu identifizieren. Daher wurde der Einfluss der Elektrodeneintrittsstelle in die Cochlea (in Abhängigkeit von Insertionsart und Verschlussmaterial) auf die Bildung von Gewebe nach der Implantation im Tiermodell untersucht. Des Weiteren erfolgten Untersuchungen von Nanopartikel-Silikon-Kompositen mit metallischen Nanopartikeln in vitro hinsichtlich deren antiproliferativer Effekte, um somit ihr Potential für Cochlea Implantate zu evaluieren.

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