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Einfluss der Fliehkraft

Eine rotierende Quelle für einen Strahl aus langsamen und kalten Molekülen

7.4 Einfluss der Fliehkraft

Wie schon in Abschnitt 7.1 erwähnt, muss die Düse annähernd mit der wahrscheinlichsten Geschwindigkeit des Strahls bewegt werden, um einen langsamen Strahl zu erzeugen. Dazu sind hohe Umdrehungszahlen notwendig, aufgrund derer die Zentrifugalkraft entscheidenden Einfluss auf den Rotor und das Gas im Rotor ausübt:

• Der Rotor muss derart konstruiert werden, dass er die hohen Drehzahlen schadlos übersteht. Gupta et al. [56] machten einige Versuche mit zylindrischen Rotoren, die auf beiden Seiten mit Endkappen verschlossen wurden. Bei hohen Drehzahlen lösten sich diese angelöteten Endkappen teilweise.

• Die auf die Gasteilchen wirkende Zentrifugalkraft macht sich in einem erhöhten effektiven Druck vor der Düse bemerkbar. Dadurch verändert sich das Expansionsverhältnis pp

0.

7.4.1 Zerreissfestigkeit des Rotors

Ein Volumenelement des Rotors mit der Massedm, das sich bei einer Winkelgeschwindigkeitωauf einer Kreisbahn mit dem RadiusRbewegt, erfährt aufgrund der Rotation eine nach außen gerichtete Kraft

dF =dm ω2R=ρω2A(R)R dR. (7.3)

Im letzten Schritt wurde die Masse dmdurch die Dichteρund das Volumenelement A(R)dRersetzt, wobei die Dichte als konstant angenommen wird. Integration beider Seiten ergibt die Kraft, die von der

QuerschnittsflächeA(r)des Rotors an der Stelle r aufgenommen werden muss:

Fcent(r, ω) =ρ ω2

R0

Z

0rR0

A(R)R dR . (7.4)

Damit lässt sich die Zugbelastung des Rotormaterials durch die Zentrifugalkraft an jeder Stelle des Rotors berechnen:

Z(r, ω) = Fcent(r, ω)

A(r) = ρ ω2 A(r)

R0

Z

0rR0

A(R)R dR . (7.5)

Das Material hält der Belastung stand, wennZ(r, ω)≤S ∀r >0gilt.Sist die Zugfestigkeit und stellt eine materialabhängige Konstante dar. In Tabelle 7.1 sind Dichte und Zugfestigkeit für einige Materialien angegeben.

Material ρ[kg/m3] S[N/mm2] S/ρ[m2/s2] p

S/ρ[m/s]

Edelstahl 304 7870 514 65311 256

Messing 8400 986 117400 343

Aluminium 2700 167 61851 249

Aluminium 7075 2700 486 180000 424

Titan 4500 940 208888 457

CFK 1550 1400 903226 950

Tabelle 7.1:Zugfestigkeit und Dichte verschiedener Materialien.

Beim Design des Rotors ist zu berücksichtigen, dass der Querschnittsfläche auf der Drehachse des Rotors (r= 0) besondere Bedeutung zukommt: Die Masse des Rotors wird im Allgemeinen symmetrisch um die Drehachse verteilt, um keine Unwucht zu erzeugen. Für die QuerschnittsflächeA(0)bedeutet das, dass sie von beiden Seiten mit der gleichen Zentrifugalkraft belastet wird. Also gilt für die Zugbelastung beir= 0

Z(0, ω) = 2Fcent(0, ω)

A(0) = 2ρ ω2 A(0)

Z R0

0

A(R)R dR≤! S . (7.6)

7.4.1.1 Zylindrisches Profil

Bei einem zylindrischen Profil mit Radiusrmax– wie es der oben abgebildete Rotor zeigt – ist die Quer-schnittsfläche konstant,A(R) =π rmax2 , wodurch sich für Gl. (7.6) Folgendes ergibt:

Z(0, ω) = 2ρ ω2

R0

Z

0

R dR=ρ ω2R02

⇒ vtip

!

s S ρ.

(7.7)

Aus Tabelle 7.1 ergibt sich nach der Folgerung von (7.7) direkt die maximal mögliche Geschwindigkeit für die Rotorspitze bei Verwendung eines zylindrischen Rotorprofils. Nur kohlefaserverstärkter Kunststoff (CFK) erfüllt demnach die Anforderungen, um eine Düsengeschwindigkeit zu ermöglichen, die die wahr-scheinlichste Geschwindigkeit von Argon auf wenige zehn m/s reduziert.

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 rR0

200 400 600 800 1000

v@msD

Abbildung 7.6:Zugbelastung bei zylindrischem Profil.

Die Zugbelastung nimmt mit der Helligkeit zu.

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 rR0

500 1000 1500 2000

v@msD

Abbildung 7.7: Zugbelastung bei konischem Profil.

Helligkeitsabstufung wie in Abb. 7.6.

In Abb. 7.6 ist die Zugbelastung für CFK nach Gl. (7.5) entlang eines Rotorarms als Funktion der Dü-sengeschwindigkeitvtipund des normierten Abstandsr/R0vom Drehzentrum dargestellt. Die Drehachse befindet sich bei r/R0 = 0, die Rotorspitze bei r/R0 = 1. Der doppelten Zugbelastung bei r = 0 wurde dadurch Rechnung getragen, dass nur für Werte kleiner alsS/2 = 700N/mm2die Isobaren ge-zeichnet wurden. Geschwindigkeiten von mehr als 950 m/s sind für einen CFK-Rotor mit zylindrischem Profil nicht möglich, da bei dieser Geschwindigkeit die 700 N/mm2-Isobare die Linier = 0schneidet.

Bei dieser Geschwindigkeit muss also die Querschnittsfläche im Drehzentrum des Rotors eine Zugbelas-tung von 1400 N/mm2aufnehmen. Deutlich zu erkennen ist, dass bei konstanter Bahngeschwindigkeit der Rotorspitze die Zugbelastung im Rotor bei Annäherung an die Rotorspitze monoton abnimmt.

7.4.1.2 Konisches Profil

Bei einem konischen Profil mit Radiusrmaxder Querschnittsfläche auf der Drehachse des Rotors lässt sich der Querschnittsradius beschreiben als

x(R) =rmax−c R

mitc= rRmax0. Die Querschnittsfläche zeigt dann folgende Abhängigkeit vom AbstandRzur Drehachse:

A(R) =π¡

r2max−2c rmaxR+c2R2¢ . Setzt man dies in Gl. (7.6) ein, so ergibt sich

Z(0, ω) =2ρ ω2 r2max

R0

Z

0

rmax

µ 1− R

R0

2

R dR

=1

6ρ ω2R20 ⇒ vtip≤ s

6S ρ .

(7.8)

Aus Gl. (7.8) geht also hervor, dass bei Verwendung eines sich nach außen konisch verjüngenden Rotors die Spitzengeschwindigkeit um den Faktor√

6höher sein kann, als bei einem zylindrischen Rotor aus gleichem

Material. Mit einem solchen Profil ist es dann auch möglich, andere Materialien als CFK zu verwenden und in den erforderlichen Geschwindigkeitsbereich von über 500 m/s zu kommen. Allerdings ist dafür ein höherer fertigungstechnischer Aufwand in Kauf zu nehmen. In Abb. 7.7 sind für einen CFK-Rotor mit konischem Profilverlauf Linien gleicher Zugbelastung als Funktion des normierten Abstands von der Drehachser/R0undvzu sehen. Wie in Abb. 7.6 wurden nur Linien bis 700 N/mm2geplottet. Die Isobare für 700 N/mm2schneidet die Linier= 0bei etwa 2330 m/s. Im Vergleich zum Verlauf der Isobaren beim zylindrischen Profil fällt auf, dass die Zugbelastung längs des Rotors nun nicht mehr monoton abfällt. Die maximale Belastung bei einer festen Düsengeschwindigkeit tritt nicht mehr beir/R0= 0auf. Im gezeigten Bereich in Abb. 7.7 verläuft allerdings keine Isobare für 1400 N/mm2. Der Bruch des Rotors wird also wie beim zylindrischen Profil beir= 0erwartet.

7.4.2 Drucküberhöhung an der Düse

Auf die Strahlteilchen im Rotor wirkt aufgrund der Drehung zusätzlich zur Gravitation (die bei Betrachtung der Strahlteilchen als ideales Gas allerdings vernachlässigt werden darf) die Zentrifugalkraft

F=−m ω2R . (7.9)

Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit nimmt diese Kraft linear mit dem Radius zu. Dadurch kommt es mit zunehmendem Abstand von der Rotationsachse zu einer Zunahme des Drucks im Vergleich zum Druck im Drehzentrum.

Aus Gleichung (7.9) lässt sich durch Integration das Potenzial aufgrund der Fliehkraft ermitteln:

U =− Z R

0

2Rd˜ R˜ (7.10)

U =−1

2mω2R2+C=−1

2mω2R2. (7.11)

Im letzten Schritt wurde die RandbedingungU(0) = 0benutzt, so dass für die IntegrationskonstanteC= 0 gilt. Weil im Röhrchen Gleichgewicht bezüglich des Teilchenaustauschs herrscht, gilt für das chemische Potenzial

µ(~ra) =µ(~rb). (7.12)

Das ideale Gas gehorcht der mikrokanonischen Zustandssumme

Er=Er(V, N, U(~r)) =Er,0(V, N) +N U(~r). (7.13) so dass sich damit für das chemische Potenzial

µ= ∂Er(V, N, U)

∂N = ∂Er,0(V, N)

∂N +U(~r) =µ0(T(~r), P(~r)) +U(~r) (7.14) ergibt. Dabei stehtV für das Volumen,Nfür die Teilchenzahl,~rfür den Ort. Unter der Annahme, dass die TemperaturT0im gesamten Volumen des Rotors konstant ist, ergibt sich aus Gln. (7.12) und (7.14)

µ(R) =µ0(T0, P(R))−1

2mω2R2=const. (7.15)

Ableitung nach dem RadiusRergibt schließlich µ∂µ0

∂P

T0

dP

dR −mω2R= 0. (7.16)

Mit Hilfe der Durham-Gibbs-Relationdµ=−NSdT+VNdP (siehe beispielsweise [59]) läßt sich³

∂µ0

∂P

´

T0

ausdrücken als das „Teilchenvolumen“ν(R) =NV(R); gemeinsam mit dem idealen Gasgesetz P(R)V =N(R)kBT0NV(R) =kP(R)BT0 (fürN(R)6= 0undP(R)6= 0) sieht Gl. (7.16) so aus:

1 P(R)

dP

dR = mω2 kBT0

R . (7.17)

Wird auf beiden Seiten integriert und die jeweiligen Grenzen eingesetzt, folgt:

Z P(R) P(0)

1

P0dP0 = mω2 kBT0

Z R 0

R0dR0 (7.18)

⇒ln(P(R))−ln(P0) =mω2R2 2kBT0

(7.19)

⇒P(vD) =P0e2kB T0m v2D. (7.20) Im letzten Schritt wurde noch die Bahngeschwindigkeit der DüsevD=ωReingesetzt,T0bezeichnet die Temperatur des Rotors.

0 100 200 300 400 500 600 700 vD @msD

1 2 5 10 20 50 100 200

pp0

Helium Neon Argon Krypton Xenon

Hpp0LvD=vs

Abbildung 7.8:Drucküberhöhung an der Düse durch die Zentrifugalkraft für verschiedene Edelgase in Abhängigkeit von der DüsengeschwindigkeitvD. Die vertikalen Linie bezeichnen die wahrscheinlichsten Geschwindigkeiten für Xe-non, Krypton und Argon bei einem Überschallstrahl nach Tab. 5.1. Die Drucküberhöhung bei den wahrscheinlichsten Geschwindigkeiten liegt jeweils beim 12.2-fachen des Einlassdrucks.

Ideale einatomige Gase haben bei Überschallexpansion eine wahrscheinlichste Geschwindigkeit vS = q5kBT0

m . Setzt man dies als DüsengeschwindigkeitvDin Gl. (7.20) ein, so ergibt siche2kB T0m

5kB T0

m =

e5/2≈12.2. Das bedeutet, dass bei den Betriebsbedingungen, die nötig sind, um die expandierende Wolke eines Überschallstrahls zum Stillstand zu bringen, der Druck an der Düse um den Faktor 12.2 größer ist als im Zentrum des Rotors.

Abb. 7.8 zeigt die auf den Einlassdruckp0normierte Drucküberhöhung für die Edelgase Helium bis Xenon.

Gut zu erkennen ist, wie die Druckverläufe von Argon, Krypton und Xenon die Liniep/p0= 12.2bei den wahrscheinlichsten Geschwindigkeiten des jeweiligen Gases schneiden.

Für Molekülstrahlen kann Gl. (7.20) nur eine grobe Näherung darstellen, weil das ideale Gasgesetz streng genommen dann nicht mehr anwendbar ist. Da die Rotationsfreiheitsgrade der Moleküle bei der Verteilung der thermischen Energie eine Rolle spielen, ergibt sich für Moleküle auch eine andere wahrscheinlichste Geschwindigkeit als beim idealen Gas.