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4. Zusammenfassung der Ergebnisse und übergreifende Diskussion Die vorliegende Dissertationsschrift umfasst zwei Publikationen, in denen die Reduktionen von lebensmittel-assoziierten Zoonoseerregern (Publikation 1) und die von multiresistenten Keimen (Publikation 2) auf zwei unterschiedlichen Matrices durch die Behandlung mit kaltem Atmosphärendruck Plasma untersucht wurden. Neben dem Vergleich der Reduktionseffizienz im Hinblick auf unterschiedliche Behandlungszeiten und unterschiedliche Matrices, wurde in Publikation 1 die Reduktion der Bakterien auf dem Lachsschinken während der Lagerung bei 8 °C ± 0,5 °C unter einer modifizierten Schutzgasatmosphäre untersucht. Weiterhin wurde eine chemische Untersuchung des Lachsschinkens mittels Nahinfrarot-Spektroskopie nach direkter Plasma-Behandlung und im Anschluss an eine Lagerung durchgeführt.

4.1. Einfluss der Plasmachemie auf die Reduktion

Vier verschiedene Plasma-Einstellungen (6,4 kV, 10 kHz und 10 kV, 2 kHz, jeweils nass und trocken) wurden ausgewählt, um die Reduktion von Mikroorganismen auf Lachsschinken zu untersuchen. Die Einstellungen wurden aus Vorversuchen von der Entwicklerfirma terraplasma GmbH ausgewählt.

Vorangegangene Untersuchungen der terraplasma GmbH wiesen einen Einfluss unterschiedlicher Einstellungen der Spannung und Luftfeuchtigkeit auf die Zusammensetzung der Plasma-Chemie auf (SHIMIZU et al. 2012; ZIMMERMANN 2013). Es wurde gezeigt, dass bei niedriger Spannung (6,4 kV, 10 kHz) vor allem Sauerstoffradikale (ROS), wie z.B. Ozon, erzeugt werden, während bei höherer Spannung (10 kV, 2 kHz) energiereichere Elektronen generiert werden, die einen höheren Anteil radikaler Stickstoffspezies (RNS) erzeugen (SHIMIZU et al. 2012;

ZIMMERMANN 2013).

Diese spannungsabhängigen Zusammensetzungen des kalten Plasmas sind auf unterschiedliche Dissoziationsenergien der Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle zurückzuführen (RIEDEL u. JANIAK 2011; HIRSCHBERG 2017). O2-Moleküle sind durch eine Doppelbindung verbunden, deren Dissoziationsenergie 5,7 eV beträgt, während die Dreifachbindung der N2-Moleküle eine höhere Dissoziationsenergie von

42 9,8 eV hat (RIEDEL u. JANIAK 2011). Die Plasmachemie wird daher bei steigender Spannung durch energiereichere Elektronen zugunsten einer höheren Konzentration ebenfalls energiereicherer und vermutlich stärker bakterizid wirkender NOx-Spezies verändert (SHIMIZU et al. 2011). Diesen Umständen folgend definierte Hirschberg (2017) kalte Plasmen auf Grundlage der zu ihrer Generierung angelegten Spannung.

Kalte Plasmen mit geringen Elektronenenergien werden als Ozonregime definiert, während hochenergetische Plasmen als NOx-Regime bezeichnet werden (HIRSCHBERG 2017).

Auf Grundlager der Kenntnis der variierenden Plasma-Chemie wurden die bakteriziden Effekte der gebildeten radikalen Plasmaspezies gegenüber den unterschiedlichen Bakterienspezies S. Typhimurium und L. monocytogenes auf Lachsschinken erfasst.

In Publikation 1 konnte eine spannungsabhängige Reduktion von S. Typhimurium und L. monocytogenes auf Lachsschinken nach der direkten Plasma-Behandlung gezeigt werden. Niedrige Spannung (6,4 kV und 10 kHz) resultierte in signifikant (p < 0,05) geringerer Reduktion. Hohe Spannung (10 kV und 2 kHz) hingegen zeigte eine signifikant höhere Reduktion beider Bakterienspezies auf der Oberfläche des Lachsschinkens. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass bei steigender Plasma-Behandlungsdauer bei beiden Plasma-Einstellungen eine signifikante (p < 0,05) Zunahme der Reduktion beider Bakterienspezies erfolgte.

Ähnliche Ergebnisse konnten auch Winter et al. (2011) bei der Erhöhung der Spannung eines mit Argon- und Luft-betriebenen DBD-Plasmas (engl. dielectric barrier discharge, dielektrisch behinderte Entladungen) erzielen. Mit steigender Spannungszufuhr wurde eine höhere Reduktion von Bacillus (B.) subtilis in einem flüssigen Medium durch eine steigende Konzentration energiereicherer Argon- und Hydroxylradikale nachgewiesen. Aber auch die Studie von Bauer et al. (2017), die im Gegensatz zu Winter et al. (2011) ein mit Umgebungsluft-betriebenes DBD-Plasma genutzt hat, bestätigte den Zusammenhang einer Spannungssteigerung mit einer höheren Reduktion von verschiedenen Bakterienspezies (S. aureus, L. monocytogenes und E. coli) auf Rindfleisch (BAUER et al. 2017). Sie erklärten die höhere Reduktion mit einer Verschiebung der Plasmachemie hin zu einem NOx

-43 Regime mit hohen N2O- und NO2-Konzentrationen, die durch ihre stärkere bakterizide Wirkung eine höhere Reduktion der Bakterienspezies erzielten.

Anders als in den beiden aufgeführten Studien wurde in dieser Arbeit eine semidirekte Plasma-Quelle verwendet. Bei dieser Plasma-Quelle beträgt der Abstand von der Elektrode zur Probe mehrere Zentimeter. Durch diese vergleichsweise lange Wegstrecke erreichten vor allem nur langlebige Radikale, d.h. radikale Sauerstoffspezies (ROS) wie Ozon, radikale Stickstoffspezies wie z.B. NO2, N2O und emittierende UV-Strahlen die zu behandelnde Oberfläche (SHIMIZU et al. 2012).

Dennoch kann angenommen werden, dass die Generierung energiereicher Elektronen zur Erzeugung radikaler Stickstoffspezies im Arbeitsgas den gleichen physikalischen Grundlagen folgt (BARDOS u. BARANKOVA 2010).

Die signifikant (p < 0,05) bessere Abtötung von S. Typhimurium und L. monocytogenes auf Lachsschinken bei höherer Spannung (10 kV, 2 kHz) könnte somit durch die höhere Konzentration dieser stärker bakterizid wirkenden radikalen Stickstoff-Spezies bedingt sein. Der bei diesem Versuchsaufbau längere Abstand von der Plasma-Quelle zur Behandlungskammer trug vermutlich sogar dazu bei, ein breiteres Spektrum radikaler Stickstoffspezies im kalten Plasma zu erzeugen.

In der Studie von Shimizu et al. (2012) konnte gezeigt werden, dass die in der Umgebungsluft befindlichen Moleküle weitere sogenannte Kaskadenreaktionen mit den energiereichen Elektronen und/oder radikalen Plasmaspezies eingehen. Auch weitere Studien belegen weitere Reaktionen ionisierter Stickstoffatome bzw. -moleküle mit Sauerstoff- und Stickstoffatomen des Trägergases aufgrund ihrer hohen kinetischen Energie (LAROUSSI et al. 2012).

Die höhere Reduktion von S. Typhimurium und L. monocytogenes könnte nach Anwendung der hohen Spannungseinstellung durch diese Kaskadenreaktionen gefördert worden sein. Aufgrund des Abstandes von der Plasma-Quelle zur Behandlungsbox erreichen womöglich weniger Plasma-Spezies direkt die Oberfläche des Lachsschinkens. Durch weitere Kaskadenreaktionen der energiereicheren Plasma-Spezies auf dem Weg zur Probe wurde mutmaßlich aber eine höhere Konzentration und/oder ein höherer Anteil verschiedener bakterizider Plasma-Spezies erzeugt, die dadurch eine noch stärkere bakterizide Wirkung ausübten.

44 Eine höhere Reduktion der Bakterienspezies kann auch durch die Behandlungsdauer beeinflusst werden (LAROUSSI et al. 2003). Einerseits werden bei steigender Behandlungsdauer die Bakterienspezies länger gegenüber radikalen Plasma-Spezies exponiert. Andererseits wiesen Laroussi et al. (2012) Folgereaktionen der in hochenergetischen Plasmen gebildeten radikalen Sauerstoffspezies, insbesondere des Ozons, beim Vorhandensein von energiereichen Elektronen zu reaktiveren Stickstoffspezies nach (LAROUSSI et al. 2012). In der Studie von Helmke et al. (2013) wurde auch nachgewiesen, dass eine hohe NOx-Spezies Konzentration negativ mit der Ozonkonzentration, aufgrund der eben genannten Reaktion, korreliert (HELMKE et al. 2013).

Neben der verlängerten Exposition beider Bakterienspezies gegenüber radikalen Plasmaspezies nach 20-minütiger Plasma-Behandlung könnte die höhere Reduktion der Bakterienspezies S. Typhimurium und L. monocytogenes durch die zusätzliche Bildung stärker bakterizid wirkender radikaler-Stickstoffspezies gefördert worden sein.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass durch die Anwendung der hohen Spannungseinstellung (10 kV, 2 kHz) die initial erzeugte höhere Konzentration radikaler Stickstoffspezies eine bessere bakterizide Wirkung gegenüber den beiden Bakterienspezies ausüben kann.

4.2. Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Zusammensetzung der