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Einflüsse auf die Thrombozytenfunktion

6. Hämostase und Inflammation

6.2 Einflüsse auf die Thrombozytenfunktion

Die Thrombozytenfunktion wird während einer Entzündung nicht nur durch das oben aufgeführte Thrombin, sondern auch durch Lipopolysaccharide, Endotoxine, Plättchen-aktivierenden Faktor und Interleukine beeinflusst.

6.2.1 Lipopolysaccharide und Endotoxine

Im gesunden Organismus stellt das Endothel eine antithrombotische Oberfläche dar, die der Thrombozytenadhäsion und Thrombusformation entgegen wirkt. Dies ändert sich jedoch unter dem Einfluss von LPS, die einen Bestandteil der bakteriellen Zellwand darstellen (HENNEKE und GOLENBOCK, 2002; ZHAO et al., 2001). Endothelzellen reagieren auf LPS mit zytoplasmatischer Schwellung und beginnen sich abzulösen. Eine weitere Reaktion ist die Expression von Adhäsionsmolekülen auf der Endothelzelloberfläche und die Freisetzung von vWF.

Dies bedingt wiederum eine vermehrte Thrombozytenadhäsion und steigert die Thrombosegefahr (SCHOUTEN et al., 2008; VALLET und WIEL, 2001). DORE und SIRIOIS (1996) detektierten auch auf caninen Endothelzellen eine verstärkte Expression von P-Selektin nach Stimulation mit LPS.

Neben den morphologischen Veränderungen erhöht sich durch die Endothelzellaktivierung auch die vaskuläre Permeabilität. Daraus resultiert Ödembildung, einhergehend mit Hypovolämie und Hypotension durch Flüssigkeitsverlust in den Extrazellularraum im septischen Patienten (AIRD, 2003).

SABA et al. (1984) untersuchten den Einfluss von LPS auf humane Thrombozyten. In PRP oder Suspensionen mit gewaschenen Thrombozyten konnten sie eine hemmende Wirkung von LPS auf die Thrombozytenaggregation nachweisen. Der Mechanismus beruhte laut SABA et al. auf einer direkten, schnellen Wirkung von LPS auf die Thrombozyten im Zusammenhang mit Ca2+, da die inhibitorische Wirkung von LPS durch Ca2+-Zugabe wieder aufgehoben werden konnte. Eine direkte Bindung von LPS an die Thrombozyten wurde ausgeschlossen, da der hemmende Effekt des LPS auch nach der Waschung von mit LPS inkubierten Thrombozyten weiter bestand. Im Gegensatz dazu zeigten SALDEN und BAS (1994) jedoch in einer Studie in Patienten mit Sepsis eine direkte Bindung von LPS an Thrombozyten auf, in dem sie in PRP eine signifikant höhere LPS-Konzentration nachwiesen als in plättchenarmen Plasma.

Keinen hemmenden, sondern einen aktivierenden Effekt von LPS auf Thrombozyten detektierten ZIELINSKI et al. (2002). Der in vitro Einsatz von LPS sowie von LPS-Segmenten führte zu einer verstärkten Adhäsion von Thrombozyten auf einer Kollagenoberfläche.

Neben den bakteriellen Bestandteilen können auch bakterielle Endotoxine die Thrombozyten aktivieren. Die Endotoxine enthalten beispielsweise Proteasen, die die Thrombozyten über eine Spaltung des PAR 1 aktivieren, auf ganz ähnliche Weise wie Thrombin (FITZPATRICK et al., 2009). Einige Staphylokokkenarten produzieren so genannte Superantige und „staphylococcal superantigen-like toxins“ (FRASER und PROFT, 2008), die direkt an die Thrombozytenrezeptoren GP Ib und GP VI binden können und so zur Thrombozytenaktivierung und -aggregation führen (DE HAAS et al., 2009; HU et al., 2011). Staphylokokkus aureus hingegen produziert das porenbildende !-Toxin (BERNHEIMER, 1965). Es bindet an die Thrombozytenoberfläche und bildet eine transmembrane Pore, die zum Ca2+ -Einstrom in den Thrombozyten und somit zur Aktivierung führt (ARVAND et al., 1990).

6.2.2 Plättchen-aktivierender Faktor

Die Aktivierung von Thrombozyten bei Entzündungen erfolgt neben Thrombin auch über den Plättchen aktivierenden Faktor (PAF), einen proinflammatorischen Mediator (ZIMMERMAN et al., 2002), der von neutrophilen Granulozyten freigesetzt wird (JARVIS und EVANS, 1994). Der Mechanismus der PAF-induzierten Thrombozytenaktivierung beruht dabei auf dem Einstrom von extrazellulärem Ca2+ in

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den Thrombozyten (LEE et al., 1981). Dies bestätigten auch TSUCHIYA et al. (2008) in einer Studie beim Hund, indem sie mit einem selektiven Ca2+-Kanalblocker den Thrombozyten-aktivierenden Effekt von PAF unterdrückten.

Eine Hemmung von PAF durch spezifische PAF-Rezeptor Antagonisten im Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen war auch beim Hund die Fragestellung diverser Studien. Diese befassten sich jedoch überwiegend mit der Hämodynamik und gingen wenig auf den Einfluss von PAF-Antagonisten auf die Thrombozytenfunktion ein (KAWAMURA et al., 1994; OKANO et al., 1995a;

YAMANAKA et al., 1993). So konnte eine durch LPS induzierte Thrombozytopenie beim Hund durch die Gabe eines PAF-Antagonisten signifikant vermindert werden (TSUCHIYA et al., 1999). Der Einsatz des Antagonisten BB-882 in Hunden mit experimentell induziertem Endotoxinschock erhöhte den mesenterialen Blutfluss um 50 %, weitere Einflüsse auf die Hämodynamik blieben allerdings aus (SPAPEN et al., 1997). OKANO et al. (1995b) detektierten in Hunden mit Endotoxinschock nach Gabe des PAF-Antagonisten TCV-309 einen verbesserten mittleren Aortendruck und ein verbessertes Herzminutenvolumen.

Bei einer Entzündung kommt es zusätzlich zur vermehrten Präsentation von PAF auch zur Dysregulation der PAF-Acetylhydrolase (AH), einem Enzym, das normalerweise durch selektiven Abbau die Plasmakonzentration von PAF bestimmt (YOST et al., 2010). So war die Konzentration der PAF-AH in Menschen mit Sepsis vermindert, was zu einer vermehrten Verfügbarkeit von PAF führte (GOMES et al., 2006). Dies wurde auch detektiert von TIMOREAU et al. (2000) in einer Studie mit 90 Patienten, die an Sepsis erkrankt waren. Im Mausmodell senkte die Gabe von exogenem PAF-AH die PAF-Konzentration und steigerte die Überlebensrate (GOMES et al., 2006).

6.2.3 Interleukine und proinflammatorische Mediatoren

Bei einer Entzündung kommt es außerdem zur vermehrten Produktion von proinflammatorischen Zytokinen. Interleuktin (IL) 6 bewirkte in vitro eine gesteigerte Produktion von humanen Thrombozyten. Die neu produzierten Thrombozyten wurden schon durch geringere Thrombinkonzentrationen aktiviert als herkömmliche Thrombozyten und waren somit prokoagulatorisch aktiv (BURSTEIN, 1997; ESMON, 2005). In an Sepsis erkrankten Hunden erfassten DE CLUE et al. (2012) signifikant höhere Plasmaspiegel von IL 6 als in gesunden Kontrolltieren. In einer weiteren Studie beim Hund zeigte sich sogar, dass die IL 6-Konzentration mit dem

Schweregrad der Erkrankung und der Sterblichkeit der Tiere korrelierte (RAU et al., 2007). Die IL 6-Konzentration stieg bei einer experimentell induzierten Sepsis beim Hund schon 1 Stunde nach intravenöser LPS-Verabreichung an und erreichte nach etwa 1,5 Stunden ihren Höhepunkt. Die höchste Konzentration wurde über 24 Stunden aufrechterhalten (MIYAMOTO et al., 1996).

Neben IL 6 erhöhen sich bei Sepsis im Menschen auch die Plasmakonzentrationen von Histamin, TNF-! und IL 8 (ENDO et al., 1995;

NEUGEBAUER et al., 1996; WANG et al., 2011). Zusammen führen diese inflammatorische Mediatoren zu einer Freisetzung von übergroßen vWF-Multimeren aus dem Endothel (BERNARDO et al., 2004). Die Multimere kommen sonst nur bei der Thrombusformation unter hohen Wandschubspannungen vor (ESMON, 2005).

Im gesunden Organismus erfolgt der Umbau der übergroßen vWF-Multimere über die „vWF cleaving Protease“ (VWFCP) zu kleineren, weniger reaktiven Formen (PIMANDA und HOGG, 2002). Bei der Entzündung wird dieser Prozess jedoch durch IL 6 gehemmt, was zur Akkumulation der übergroßen vWF-Multimere im Plasma und schließlich zu Thrombozytenaggregation und Thrombozytenadhäsion an Endothel führt (BERNARDO et al., 2004).

Interleukin 10 war hingegen in an Sepsis erkrankten Hunden vermindert (DECLUE et al., 2012). Das Zytokin hemmt normalerweise die LPS-induzierte Expression von TF durch Monozyten und wirkt damit antikoagulatorisch (RAMANI et al., 1993). Dies zeigte sich auch in einer Studie beim Menschen, in der freiwilligen Testpersonen experimentell LPS verabreicht wurde. Die Gabe von IL 10 bewirkte eine abgeschwächte Aktivierung des Gerinnungssystems, erfasst durch die Messung der Plasmaspiegel von Prothrombinfragmenten und Thrombin-Antithrombin-Komplexen (PAJKRT et al., 1997).

Die aktivierten Thrombozyten tragen außerdem selbst zur Entzündung bei, indem sie große Mengen des proinflammatorischen Mediators CD40 exprimieren (KALSCH et al., 2007). Dieser Ligand induziert die Synthese von TF auf Endothelzellen (MILLER et al., 1998) und erhöht proinflammatorische Zytokine wie IL 6 und IL 8 (HENN et al., 1998). In einer multizentrischen Studie von LORENTE et al.

(2011) ergab die Analyse der CD40-Konzentration erhöhte Werte in humanen Patienten mit Sepsis. Die Werte korrelierten außerdem mit der Sterblichkeit der Patienten. Ein Mausmodell mit experimentell erzeugter polymikrobieller Sepsis zeigte

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ergänzend eine verminderte Sterblichkeit bei CD40-defizienten Tieren (NOLAN et al., 2008).

6.3.4 „Thrombozytenerschöpfung“

Auf Thrombozyten von Hunden mit entzündlichen Erkrankungen detektierten MORITZ et al. (2005) eine erhöhte P-Selektin Expression. Dies deutete auf eine in vivo Aktivierung der Thrombozyten hin, die im Gegenzug in vitro hypofunktional erscheinen können. Dies zeigt sich beispielsweise in einer verminderten Aktivierbarkeit bei einer erneuten Aktivierung in vitro. Die Ursache liegt vermutlich in einer gehemmten intrathrombozytären Ca2+-Mobilisation (PEERSCHKE, 1985).

Ein ähnliches Phänomen wurde auch bei Menschen mit Sepsis registriert (GAWAZ et al., 1995). Die Thrombozyten der erkrankten Personen zeigten eine vermehrte Expression von Adhäsionmolkülen auf der Thrombozytenoberfläche, sowie eine vermehrte Zirkulation von Aggregaten aus Thrombozyten und Leukozyten.