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Einbindung in den Schulunterricht: reale Situation

2.4 Einbindung von Besuchen außerschulischer Lernorte in den Schulunterricht – reale Situation

Im Laufe dieses Kapitels wurde deutlich, dass die Mehrzahl der Forschungs-arbeiten einen positiven Effekt bei der Einbindung von Besuchen außerschu-lischer Lernorte in den Schulunterricht erkennt. Dies gilt sowohl für kognitive als auch für affektive Lernziele. Aus diesem Grund werden Lehrer aufgefor-dert, die Besuche im Unterricht aufzuarbeiten. Neben den grundlegenden positiven Effekten, die mit einer Einbindung einher gehen, werden auch ne-gative Nebenwirkungen informellen Lernens, wie z. B. die Ausbildung von Fehlvorstellungen vermieden. Vor allem bei jüngeren Schülern erscheint es sinnvoll, sie auf die wissenschaftlichen Konzepte, die sie im Museum erwar-ten, vorzubereierwar-ten, um zu verhindern, dass sich Fehlvorstellungen zu sehr in den Köpfen der Schüler ausbilden.

Bitgood (1989) stellt fest, dass eine Aufarbeitung der Besuche im Unter-richt offensichtlich leider nicht im gewünschten Maße geschieht:

”Therefore, one might expect that teachers cognizant of contem-porary constructivist theories of learning would be eager to ex-plore and exploit these new experiences to guide their students’

developing understanding of science through the visit to infor-mal learning centers followed by appropiate post-visit activities.

The reality is that teachers seldom implement post-visit activi-ties specifically designed to do so.” (aus Bitgood (1989) zitiert in:

Anderson et al., 2000, S. 659)

Griffin et al. zeigen in einigen Untersuchungen (Griffin, 1994; Griffin und Symington, 1997), dass tatsächlich nur sehr wenige Schulklassen auf einen Besuch in einem Museum vorbereitet werden. Bei diesen wenigen konzentrier-te sich die Vorbereitung sogar dann lediglich auf organisatorische Aspekkonzentrier-te.

Auch die Frage nach einer Nachbereitung beantworteten die an den Studien beteiligten Lehrer negativ: obgleich Absichtserklärungen abgegeben wurden, wurde aus dem Besuch sehr wenig im Unterricht aufgenommen (siehe auch Tal et al., 2005). Eysel und Schallies (2003) bemerken, dass die fehlende Einbindung in den Unterricht dazu führt, dass der Besuch reinen ”Ausflugs-charakter” erhält und sich die Schüler lediglich als ”Touristen” fühlen, ohne konkrete Vorstellungen über einen möglichen Ablauf oder Inhalte zu haben.

Kisiel (2005) zeigt, dass zwar 90% der untersuchten Lehrer das Ziel haben, den Besuche in den Unterricht einzubinden, aber nur 23% es als erforderlich ansahen, dass auch Schüler diese Verbindung herstellen. Diese Diskrepanz

wiegt daher so schwer, da besonders die Schüler eine Verküpfung zwischen Besuch und Unterricht herstellen müssen. Sie sind ja auch diejenigen, die einen kognitiven oder affektiven Zuwachs erkennen lassen sollen.

Dass sich diese Forderung nicht nur aus rein ergebnisorientierten Tat-sachen ergibt, macht eine beispielhafte Schüleraussage aus Griffin und Sy-mington (1997) deutlich: ”It [der Besuch, Anm. d. Autors] needs to have something to do with school so we can relate what we’re seeing here to what we’re doing at school.”

Auch im deutschsprachigen Raum findet zur Zeit eine detalliertere Aus-einandersetzung zu diesem Thema statt. Klaes und Welzel (2006a) stellen eine Untersuchung vor, in der Erkenntnisse über die bisherigen Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen der Lehrkräfte mit außerschulischen Lern-orten gewonnen wurden. Eine erste Befragung ergab, dass Lehrer durchaus großes Interesse an Besuchen in außerschulischen Lernorten hatten und dass das Thema des Besuches aus ihrer Sicht gut zu dem laufenden Unterricht passte. So gaben 54% der Lehrer an, dass ein Besuch den darauffolgenden Unterricht beeinflusste. Leider wurden keine Aussagen über das Ausmaß der Beeinflussung getroffen. So ist fraglich, ob eine Nachbereitung im Unterricht über ein reine Nachbesprechung hinaus geht oder ob auch inhaltliche Aspekte aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.

Gründe für die Zurückhaltung der Lehrer sind vielfacher Natur. Zunächst ist dies die teilweise auftretende geringe Kompetenz der Lehrer für ein be-stimmtes Fach. So zeigt Bailey (1988), dass vor allem bei Besuchen von Grundschulklassen Rahmenbedingungen gegeben sind, die eine Vor- und Nach-bereitung sehr erschweren. Ähnlich der Berliner Situation des neu geschaffe-nen Schulfaches ”Naturwissenschaften” (NaWi) ab der 5. Klasse, sind auch US-amerikanische Lehrer dieser Schulstufe in der schwierigen Situtation, dass sie für naturwissenschaftliche Inhalte schlichtweg nicht ausgebildet wurden.

Die in den letzten Jahren um sich greifende reflexartige Bewegung nach Un-tersuchungen wie PISA oder TIMSS mit den anschließenden Folgerungen, ge-rade auch jüngere Schüler naturwissenschaftlich zu fördern, zeigt die Defizite in der Lehrerbildung für untere Schulstufen auf. Diese Lehrer sind nicht dazu imstande, Besuche ohne Hilfe adäquat vor- und nachzubereiten, geschweige denn, einen naturwissenschaftlichen Unterricht zu planen und durchzufüh-ren. Dies macht neue Arten von Lehrerfortbildungen erforderlich, die sich dieser Problematik annehmen. Krüger und Schön (2006), sowie Klaes und Welzel (2006b) zeigen Möglichkeiten auf, wie außerschulische Lernorte ihrer-seits einen Beitrag zur Lehrerbildung leisten können.

Zum Zweiten sind die Lehrer oftmals mit dem zu besuchenden außerschu-lischen Lernort nicht bekannt (Orion und Hofstein, 1994). Absprachen zwi-schen Lernort und Lehrer kommen nicht zustande. Im Regelfall werden den

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Lehrern auch keine Materialen und Handreichungen zur Vor- bzw. Nachbe-reitung zur Verfügung gestellt. Sollte dies aber dennoch der Fall sein, greifen die Lehrer in überwiegender Zahl nicht darauf zurück (Tal et al., 2005). Auch die Effektivität von außerschulischen Einrichtungen sind den Lehrern nicht in der Gänze bekannt. ”[T]eachers perceive the field trip as a fun event and not as a well-planned educational experience [. . . ] The teachers do not get enough experience, and do not apply their professional pedagogical knowled-ge on museum settings.” (Tal et al., 2005).

Zum Dritten sind den Lehrern organisatorische Fesseln angelegt. Sie kön-nen meist nicht selbst entscheiden, zu welchem genauen Zeitpunkt ein Besuch stattfinden soll (Kisiel, 2005). Die mitunter langen Wartelisten bei einigen Lernorten oder von der Schule auferlegte feste Zeitpunkte für einen Ausflug lassen es nicht zu, punktgenaue Abstimmungen zwischen Unterricht und Be-such zu schaffen.

Anbetracht dieser Rahmenbedingungen erscheint eine adäquate Berück-sichtigung der auf Seite 21 aufgeführten Handlungsanweisungen nach Orion (1989a, 1993) umso schwieriger. Dennoch sollte versucht werden, diese ein-zuhalten, um eine möglichst effektive Nutzung außerschulischer Lernorte zu erreichen. Die in der vorliegenden Arbeit vorgestellte Untersuchung versucht daher, diese Eckpunkte über die Nutzung eines speziellen Designs einzuhalten (siehe Kapitel 5) und darüber Aussagen über die Folgen für die Interessen-entwicklung der Schüler zu treffen.

Kapitel 3

Interessentheorie

In der Interessenforschung sind im Laufe der Jahre eine Reihe von theore-tischen Modellen entstanden, die ein mehr oder weniger einheitliches Bild abgeben. Krapp (1992a,b, 1998, 1999a, 2002) versuchte über die Suche nach Gemeinsamkeiten ein in sich geschlossenes Interessenmodell zu entwickeln.

Aufbauend auf die ”Rahmenkonzeption für eine pädagogische Interessentheo-rie” (Prenzel et al., 1986) wurde eine vereinheitlichende Theorie entwickelt, die auf Aspekten des ”individuellen Selbst” aus der Theorie der Selbstbe-stimmung (Deci und Ryan, 1991, 1993; Ryan und Deci, 2000) aufbaut und dabei das Konzept der intrinsischen Lernmotivation berührt. Äquivalent zum Kontruktivismus bei kognitiven Aspekten wird bei diesem Interessenmodell eine rein personenzentrierte Interpretation des menschlichen Erlebens und Verhaltens abgelehnt. Vielmehr ergeben sich Interessenhandlungen aus ei-ner wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Mensch und Umwelt (Person-Gegenstands-Relation).

Das Kapitel beschreibt die grundlegenden Facetten der Interessentheorie und nimmt dabei Bezug auf verwandte motivationale Theorien. Vor allem die theoretischen Grundannahmen zur Entwicklung von Interesse werden einge-hend beschrieben, da sie für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung sind.

3.1 Gegenstandsbegriff

Gegenstände werden als Ereignisse, Zusammenhänge, andere Lebewesen oder Veränderungen interpretiert. Diese bilden in der kognitiv repräsentierten Um-welt, die das Individuum erlebt, bestimmte, mehr oder weniger voneinander abgegrenzte Teilbereiche, über die Wissen erworben und ausgetauscht werden kann. Gegenstände sind dabei nicht nur Themen und reale Objekte, sondern

auch spezielle Tätigkeiten oder Auseinandersetzungsformen und Kontexte.

Die IPN-Studie zum Physikinteresse (Hoffmann et al., 1998) unterscheidet zwischen drei Aspekten des Interessengegenstandes: Inhalt, Tätigkeit und Kontext.

Zu Beachten ist, dass der Gegenstand zwar außerhalb der Person exi-stiert, die persönliche Einstellung jedoch gegenüber dem Gegenstand über die Behandlung desselben entscheidet. Eine objektive Betrachtung eines Ge-genstands ist demnach nicht-existent. Nur über gesellschaftlichen/sozialen Konsens kann ein gewisser Grad an Objektivität erreicht werden, der aber wiederum von der jeweiligen Peer-Group abhängen kann. ”Gegenstände sind somit auch immer kulturell oder sozial bestimmt” (Prenzel et al., 2000).