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Definition des informellen Lernens

2.1 Informelles Lernen

2.1.1 Definition des informellen Lernens

In der öffentlichen Wahrnehmung beanspruchen Schulen das Bildungsmono-pol. Dennoch existieren viele weitere Quellen, aus denen Menschen (im Spe-ziellen Kinder oder Schüler) lernen. Neben reinen Umgebungsbedingungen wie Elternhaus oder Peer-Groups und ökonomische, politische und soziale Voraussetzungen, beeinflussen auch ganz konkrete, weniger als Lernhandlun-gen erkannte Vorgänge das Lernen. Dazu zählen neben dem Fernsehen, dem Beschäftigen mit Videospielen bzw. das Lesen in Büchern, Zeitschriften oder Zeitungen auch Besuche in Museen, Science Centern, Zoos oder gar das Spie-len auf dem Spielplatz. Dieses außerschulische Lernen kann dabei Ausmaße annehmen, dass es sogar die Einflüsse der Schule überdeckt. Schibeci (1989) zitiert in diesem Zusammenhang aus Averch et al. (1974): ”[. . . ] the evidence appeared to indicate that factors outside of schools have a strong influence on students’ educational outcomes, perhaps strong enough to swamp the effects

of variations in educational practices.” Wild (2003) unterstreicht dies, indem sie aus Krumm (1990) zitiert:

”Die Unterrichtsforschung ist bis zu einem gewissen Grad Op-fer ihres Ansatzes geworden. Sie hat über ihre das scheinbare Forschungsterrain absteckenden Begriffe ’Schule’ und ’Unterricht’

vergessen, dass es auch für sie noch andere relevante Lernorte gibt als die Schule. Sie hat ihren Gegenstandsbereich unnützig und un-angemessen eingeengt auf ’Schullernforschung’. Sie schaut genau so wenig wie der Lehrer über den Zaun des Klassenzimmers oder der Schule hinaus.”(Krumm, 1990, S. 41)

unbewusste

Tabelle 2.1: Einteilung des informellen Lernens nach Lucas (1983).

Das informelle Beschäftigen mit beispielsweise naturwissenschaftlichen Gegenständen und das daraus resultierende Lernen kann auf vier Arten ge-schehen: Einerseits kann man sich bewusst auf das Lernen einlassen, indem man sich an einem Sonntagnachmittag vornimmt, ein Science Center zu be-suchen, ein durchaus auch für diese Gelegenheit konzipierter Lernort.1 Ande-rerseits lernt ein Kind unbewusst etwas über Hebelgesetze, wenn es sich mit einem anderen zum Wippen auf dem Spielplatz trifft, einem ”Lernort”, der als solcher nicht ursächlich gedacht ist. Mischformen sind ebenfalls denkbar.

Ein Kind kann etwas über Raumfahrt erfahren, indem es ein Science-Fiction-Roman liest (unbewusste Begegnung mit beabsichtigten Quellen) oder auch etwas über das Sinkverhalten verschiedener Körper in der Badewanne (be-wusste Begegnung mit unbeabsichtigen Quellen). Lucas (1983) schlägt ein 2x2-Raster vor, mit dem man das informelle Lernen vor diesem Hintergrund einordnen kann (Tabelle 2.1).

1Selbstverständlich ist es auch denkbar, dass sich Personen für den Besuch eines Science Centers aus Gründen der Unterhaltung oder des sozialen Erlebnisses entschließen. Da sich die Mehrzahl der Besucher jedoch eher für den Besuch eines Museums entscheiden, weil sie mehr über die ausgestellten Dinge erfahren wollen (siehe z. B. McManus, 1992), wird dies mit einer bewussten Begegnung identifiziert.

2.1. Informelles Lernen 9

Dem informellen Lernen steht das formelle Lernen in der Schule gegen-über. Dieses ist begleitet von Zwängen. Die Schüler haben im Allgemeinen keine Möglichkeit, die Inhalte und die Art ihrer Vermittlung frei zu wählen.

Wellington (1990) hat die jeweiligen Charakteristiken dieser Lernformen zu-sammengestellt, um über eine Abgrenzung vom formellen Lernen zu einer Definition des informellen Lernens zu kommen (siehe Tabelle 2.2).

Informelles Lernen Formelles Lernen

freiwillig vorgeschrieben

planlos, unstrukturiert strukturiert

unbewertet bewertet

ohne vorgegebenes Ende geschlossen

lernergesteuert lehrergesteuert

lernerzentriert lehrerzentriert

außerhalb von formellen Orten klassenraumbasiert außerhalb des Schulkontextes Schulkontext

nicht-curriculumbasiert curriculumbasiert

ungeplant geplant

viele unbeabsichtigte Ergebnisse weniger unbeabsichtigte Ergebnisse sozialer Kontakt / kollaborativ Einzelarbeit

ungeregelt vom Lehrer vorgegeben

Tabelle 2.2:Merkmale von formellen und informellen Lernen (nach: Welling-ton, 1990; Ramey-Gassert et al., 1994).

Aus dieser Definition ergibt sich eine scharfe Abgrenzung des informel-len zum formelinformel-len Lernen. Eine derartig strenge Dichotomie vereinfacht die Situation jedoch zu sehr. Es lassen sich durchaus Mischformen finden: Ein Besuch in einem Museum beispielsweise kann ebenso verpflichtend wie auch strukturiert sein (die Teilnahme einer Führung verletzt z. B. die Punkte ”ler-nergesteuert”, ”planlos” oder ”ungeregelt”). Unterricht in der Schule dagegen kann über Projektarbeiten oder entsprechende Gestaltung der Unterrichts-stunden ebenso informelle Charakteristiken aufweisen. Hofstein und Rosen-feld (1996) ziehen daher nach Crane et al. (1994) dieser zu engen Definition einen ”Hybrid Approach” vor:

”Informal learning refers to activities that occur outside the school setting, are not developped to be part of an ongoing school

cur-riculum, and are characterized by voluntary as opposed to man-datory participation as part of a credited school experience.” (S.

90)

Diese Definition scheint auf dem ersten Blick ähnlich zu der nach Wellington (1990). Doch schränken Crane et al. (1994) ein:

”Informal learning activities also may serve as a supplement to formal learning or even be used in schools or by teachers, but their distinguishing characteristic is that they were developed for out-of-school learning in competition with other less challenging uses of time”. (Hofstein und Rosenfeld, 1996 nach Crane et al., 1994, S. 90)

Demnach ist es möglich, informelle Lerneinheiten in formellere Rahmenbe-dingungen einzupassen, ohne dass sie dabei ihre speziellen Eigenschaften ver-lieren. Ausflüge von Schulklassen in Museen, Science Centern oder Schüler-laboren tragen daher trotz ihrer Einbettung in ein formelleren Kontext (dem Schulunterricht) zu der informellen Lernerfahrung bei. Die vorliegende Ar-beit beruft sich daher im weiteren Verlauf auf diesen ”Hybrid Approach”, da sie Schüler untersucht, die sich im Klassenverband an Besuchen in einen Schülerlabor beteiligten. Abschnitt 2.3 geht vor diesem Hintergrund der Fra-ge nach, wie groß der Einfluss außerschulischer Lernorte auf das Lernen von Schülern ist bzw. sein kann. Demnach wird sich diese Arbeit gemäß Tabelle 2.1 hauptsächlich mit dem bewussten Umgang mit als für solche Zwecke auch intendierten informellen Lernorten beschäftigen.