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– Einbinden von Frauen in die Kulturarbeit –

Im Dokument Textilzirkel in der DDR (Seite 95-99)

Die Textilzirkel wurden ganz bewusst als frauenspezifische Sparte innerhalb des bildnerischen Volksschaffens aufgebaut. Dahinter verbarg sich die An-nahme, dass diese Tätigkeit den speziellen Neigungen und Bedürfnissen von Frauen eher entsprechen würde.247 Zugleich konnte an die Tätig- und Fer-tigkeiten der weiblichen Handarbeit angeknüpft werden, welche den Frauen bereits aus der Vorkriegszeit bekannt waren. Über die Handarbeiten sollte

244 Zirkelbuch Bohne-Fiegert, MEK, ohne Inv.Nr.

245 Die „Kleinbürger“ standen zwischen den Arbeitern und Kapitalisten und hatten somit keine eindeutige Klassenzugehörigkeit zum Proletariat, also der Arbeiterklasse.

246 Vgl. Teilnehmer des Zirkels für Bildnerisches Volksschaffen Wilhelmshorst: „Wir möchten unsere Zirkelarbeit nicht missen (Leserzuschriften).“ In: Bildnerisches Volksschaffen 4/1960, S.

22f.

247 Graupner, Helga: „Beschäftigung oder Bildung? Zehn Jahre künstlerische Textilgestaltung im Volksschaffen der DDR (I).“ In: Bildnerisches Volksschaffen 6/1963, S. 3-8. Hier S. 3.

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dann das Interesse am schöpferischen Gestalten geweckt werden.248 Mit der Einrichtung von Textilzirkeln erhoffte sich der Staat zudem, vermehrt Frau-en in die Kulturarbeit einzubindFrau-en.249 Die Idee, separate Textilzirkel für Frauen und Kinder zu schaffen, wird in einem Artikel der Zeitschrift „Volks-kunst“ von 1954 formuliert. Es wird deutlich, dass hierüber diejenigen Frauen erreicht werden sollten, welche aus Scheu oder Desinteresse den bildkünstlerischen Zirkeln fernblieben:

„Wir sehen also, daß Bedarf an Vorlagen und Anregungen für eigene schöpferische Arbeit vorhanden ist. Das zeigt, daß noch viele Frauen und Mädchen sich mit solchen Arbeiten beschäftigen. Man sollte sie in Laienkunstzirkeln, Kinder in Pionierzirkeln, zusammenfassen und ihnen Anleitung geben. Besonders die Frauen, die den Zirkeln für bil-dende Kunst fernbleiben, würde man so zu einer Volks- und Laien-kunstarbeit heranziehen.“250

Somit war die Textilgestaltung anfangs klar weiblich konnotiert. Die Mög-lichkeit, dass Männer Interesse an Textilzirkeln haben könnten, wurde von vornherein ausgeschlossen. Nur in den Überlegungen zu so genannten Pionierzirkeln im Kindesalter wurden sowohl Mädchen als auch Jungen berücksichtigt. Obwohl die künstlerische Textilgestaltung als frauenspezifi-sche Betätigung stigmatisiert wurde, finden sich bei näherer Recherche in späteren Gruppen jedoch vereinzelt männliche Zirkelleiter aus der Berufs-kunst, aber auch Zirkelmitglieder in verschiedenen Textilgruppen. Bei-spielsweise ein seine Frau begleitender Ehemann, ein textil interessierter Volkskundler oder ein junger Mann in einer Modegruppe. Dennoch waren männliche Mitglieder eher die Ausnahme und der Großteil der Zirkelmit-glieder waren tatsächlich Frauen.

In den Anfangsjahren der Textilzirkel waren für DDR-Verhältnisse über-durchschnittlich viele Hausfrauen in den Textilzirkeln vertreten. Es handelte sich hierbei, wie zuvor erwähnt, insbesondere um Ehefrauen von Männern in gehobenen Positionen aus dem Bildungsbürgertum, beispielsweise Frau-en von ProfessorFrau-en, DFrau-enkmalschützern oder Musikern. So bestand der Zirkel im Dorfclub Eiche-Golm unter der Leitung von Lottka Bauer 1961 aus Teil-nehmerinnen, welche alle Hausfrauenbrigaden angehörten.251 Die Hausfrau-enbrigaden entstanden aufgrund des Arbeitskräftemangels auf Initiative der

248 Vgl. Wittke, Käte: „Ästhetische Erziehung und schöpferisches Arbeiten in den Zirkeln für Textil-gestaltung.“ In: Bildnerisches Volksschaffen 2/1968, S.14-18.

249 Dies schildert auch Kühn. Vgl. Kühn 2015, Die Kunst gehört dem Volke, S. 160.

250 Graupner, Helga: „Volkskunststickereien in unseren Tagen.“ In: Volkskunst 4/1954, S. 29f.

251 Fiegert, Ingeborg: „Bildnerischer Zirkel im Dorfclub Eiche-Golm.“ In: Volkskunst 1/1961, S. 77.

SED zwischen 1958 und 1963. Hausfrauen sollten „zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung und zur Abkehr vom als bürgerlich betrachteten, reinen Hausfrauendasein“ ermuntert werden.252 Diese Brigaden waren in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen beschäftigt. Auf diese Weise sollten nicht berufstätige Frauen in den Aufbau des Sozialismus einbezogen werden und beispielgebend für andere Frauen sein. Denn 1955 lag die Frauenerwerbsquote in der DDR noch bei 38 Prozent und stieg bis 1988 auf 90 Prozent an.253

Die Hausfrauenbrigaden arbeiteten ehrenamtlich oder für eine geringe Bezahlung. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) kümmerte sich um die Etablierung und Organisation der Brigaden.254 Die Initiative des DFD stand zugleich im Zusammenhang mit Diskussionen um die Integration der Mittelschicht und Intelligenz in die neue Gesellschaft. In den 1950er Jahren wurde die besondere Rolle der Frauen aus diesen Schichten bei der Republikflucht reflektiert. Diese seien insbesondere auf materiellen Wohl-stand fixiert gewesen, da die primär als Hausfrau und Mutter tätigen Frauen nicht ausreichend gesellschaftlich eingebunden waren. Ihnen wurde daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der DFD sollte sich insbesondere um diese Frauen kümmern und sie als Arbeitskräfte mobilisieren. Durch Veran-staltungen, welche an die „realen oder vermuteten Bedürfnisse“ der Frauen anknüpften, sollten diese erreicht werden – insbesondere Modenschauen dienten als Werbungsmittel.255 So sollten die Hausfrauen beispielsweise über ihre Teilnahme an einem Textilzirkel und die spätere Übernahme eines eigenen Zirkels aktiv in den Aufbau der Kulturlandschaft einbezogen wer-den. Ein Artikel zur „Berliner Textilausstellung 1968“ verdeutlicht dieses Bild. Von den dort aufgeführten sieben Textilgestalterinnen sind alle Frauen bis auf eine Ausnahme als Hausfrauen aufgeführt, darunter die interviewte Zeitzeugin Ruth Pydde.256

Die Tatsache, dass Zirkelmitglieder nicht berufstätig waren, wurde mitunter verschleiert, indem in Ausstellungskatalogen und Zeitungsartikeln die Frau-en mit ihrem erlerntFrau-en Beruf aufgeführt wurdFrau-en, auch wFrau-enn sie diesFrau-en gar

252 Berghahn, Volker & Poiger, Uta: „Hausfrauenbrigade (Januar 1960).“ In: Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern (DGDB),

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=2977&language=german (zuletzt abgerufen am 23.01.2018).

253 Kaminsky, Anna: Frauen in der DDR. Erfurt 2014, S. 51.

254 Berghahn & Poiger, Hausfrauenbrigade.

255 Ernst 1993, Erbe und Hypothek, S. 47.

256 Süßkind, Willfriede: „Berliner Textilausstellung 1968.“ In: Bildnerisches Volksschaffen 9/1968, S. 30f.

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nicht mehr ausübten. Dadurch, dass sie keiner regulären Arbeit nachgingen, konnten sich diese Frauen mehr und intensiver als Andere der Zirkeltätig-keit widmen, „denn eine Hausfrau findet im Gegensatz zu einer Berufstäti-gen zur Zeit doch noch eher Muße, die für ein schöpferisches Denken und Gestalten so unerläßlich ist“, erläuterte Helga Graupner 1960.257 Ein Grund für die fehlende Zeit der berufstätigen Frauen war, dass diese nach wie vor den Großteil der Hausarbeit erledigten und die berufstätigen Frauen einer Doppelbelastung ausgesetzt waren. Sie waren beruflich und familiär einge-bunden und hatten weniger Zeit, um ihren Freizeitinteressen nachzugehen.

Wie stark auch die DDR-Gesellschaft unterschwellig an den konventionellen Rollenbildern orientiert war, zeigen alleine die in den Artikeln und Selbst-zeugnissen wiederkehrenden Kommentare und Fragen, was denn die Ehe-männer dazu sagen würden „daß ihre Frauen regelmäßig jeden Dienstag außer Haus sind?“258 und wiederholt thematisiert wird, dass die Männer oft allein gelassen würden. Dies suggeriert einerseits eine Abhängigkeit der Frau vom Mann, welche die Zustimmung für ihre Freizeitaktivitäten bräuch-te. Andererseits wird das Bild vermittelt, dass die Aufgabe der Frau darin besteht, zuhause für das Wohl des Mannes zu sorgen und daher auch im Haus präsent sein zu müssen. Ein Gedicht anlässlich einer Modenschau thematisiert auf humorvolle Weise, dass sich Frauen Zeit für ihre kreative Tätigkeit nahmen und dies mitunter zu Missmut der Ehemänner führte, weil sie somit weniger Zeit für ihre häuslichen „Pflichten“ hatten:

„Bei fremden Frauen stets bewundert – der ‚Eignen‘ jedoch wird mit 100

und noch mehr Flüchen konstatiert, das was die Mode neu kreiert!

Der Hang zur eleganten Welt, er kostet für den Mann nur Geld und Zeit! Da wird kein Hemd geflickt,

‚Sie‘ kocht nicht, wäscht nicht, weil sie stickt.

Und rührt im Farbtopf mit Plaisir, sich ihre eig’ne Haute Couture.“ 259

Im Gedicht wird eine klare Unterscheidung zwischen der praktischen Funk-tion (Hemd flicken) und der eher künstlerisch-schmückenden FunkFunk-tion (Sticken, Haute Couture) von Handarbeiten vorgenommen. Während die

257 Graupner Volkskunst 2/1960, Zirkel stellen sich vor.

258 Wittke, Gisela: „Jeden Dienstagabend in Sellerhausen.“ In: Volkskunst 1/1963, S. 67.

259 N.N.: „Was ist die Mode“, Gedicht anlässlich einer Modenschau am 21.11.1970.Dokumentation des Zirkels für künstlerische Textilgestaltung Potsdam 1970, MEK, Inv.Nr. I (65 B) 1114/1990,6.

praktische Handarbeit, das Hemdflicken, als legitime Tätigkeit im Rahmen der weiblichen Hausarbeit gewertet wird, erscheint das Sticken und Kreie-ren von Mode als Tätigkeit, die im persönlichen Interesse der Frau liegt, ihre Zeit in Anspruch nimmt und aus der häuslichen Sphäre herausragt.

Den nicht berufstätigen Frauen bot sich durch die Textilzirkel eine Möglich-keit, soziale Kontakte zu knüpfen, neben ihren familiären Aufgaben den eigenen Interessen nachzugehen und eventuell sogar wieder ehrenamtlich, neben- oder hauptberuflich tätig zu werden. Viele von ihnen besuchten die Spezialschule, um sich als Zirkelleiterin zu qualifizieren und eigene Gruppen zu übernehmen. Einige wurden sogar hauptberufliche Zirkelleiterinnen, arbeiteten im Kulturhaus oder als Fachmethodikerinnen in der Spezial-schulausbildung. Die Textiltätigkeit kann somit als Emanzipation gewertet werden, da sie den Frauen einen Weg in die Selbstständigkeit eröffnete. Mit der Tätigkeit stellten die Frauen ihre eigenen Interessen in den Vorder-grund. Sie bot ihnen Arbeit und Wertschätzung sowie Entspannung und soziale Integration außerhalb des familiären Rahmens, und somit eine grö-ßere Unabhängigkeit und ein steigendes Selbstwertgefühl. In beruflicher Hinsicht konnte die Mitarbeit im Textilzirkel eine Form der Selbstfindung und eine Möglichkeit des finanziellen Zuverdienstes bieten. Gleichzeitig war diese Einbindung der nicht berufstätigen Frauen in die Zirkeltätigkeit als Teil der kulturpolitischen Arbeit von staatlicher Seite gefördert und gefor-dert, da sie auf diese Weise beruflich und gesellschaftlich erreicht und inte-griert werden konnten.

Im Dokument Textilzirkel in der DDR (Seite 95-99)