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Einbürgerung im frühen 19. Jahrhundert

3. Staatsangehörigkeit und Einbürgerung

3.1 Einbürgerung im frühen 19. Jahrhundert

3.1.1 Baden

Wie in anderen Staaten des Deutschen Bundes setzte sich auch im Großherzogtum Baden nach 1800 eine Auffassung von Staatsangehörigkeit durch, die die bisherige Vielfalt von Angehörigkeitsprinzipien verdrängte. Mit der Grundverfassung der verschiedenen Stände von 1808 erhielt Baden erstmals ein einheitliches Staatsangehörigkeitsrecht. Dieses Konstitutionsedikt sprach allen die badische Staatsangehörigkeit zu,

die in denen zum Großherzogthum gehörigen Landen bei dem Vollzug der Rheinischen BundesAkte als Standesherren, Grundherren, oder als hohe und niedere StaatsDiener, ingleichem als Bürger, Hintersassen oder Schutzverwandten, oder endlich als von ihren Renten ohne Staatsbeschäftigung lebend, wohnhaft waren, wo nicht ihre Hauptwohnung oder ihr würkliches Bürgerrecht damals zugleich in einem anderen Staat hatten.13

Des weiteren konnte das badische Staatsbürgerrecht durch Abstammung, Geburt im Lande oder zehnjährigen ehrlichen Aufenthalt erworben werden.

Die ständische Verfassung Badens von 1818 enthält schon einen eigenen Abschnitt "staatsbürgerliche und politische Rechte der Badener“. Im Verfassungstext haben die Begriffe Staatsbürger, Staatsangehöriger und Badener den Untertanenbegriff in den Hintergrund gedrängt, jedoch ohne dass der Text Bestimmungen darüber enthält, was den badischen Staatsbürger ausmacht oder wie die badische Staatsangehörigkeit erworben werden kann. Lediglich § 9 enthält die Verleihung durch Aufnahme in den Staatsdienst: "Ausländer, welchen Wir ein Staatsamt conferieren, erhalten durch diese Verleihung unmittelbar das Indigenat."14 Das Großherzogtum Baden war damit einer von sechs deutschen Staaten15, die bereits vor 1829 Regelungen bezüglich der Staatsangehörigkeit trafen. In 13 Staaten des Deutschen Bundes kam es zwischen 1830 und 1848, in zwölf erst nach 1848 zu einer Regelung.16

13 Regierungsblatt für das Großherzogthum Baden 18 (1808), S.152.

14 Verfassungsurkunde vom 22.8.1818, in: Huber, Ernst Rudolf (Hg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 31978 [1961], S.172-186, hier 173.

15 Das waren neben Baden: Bayern, Österreich, Coburg-Saalfeld, Sachsen-Meiningen und Württemberg.

16 Grawert, S.172.

Der Verfassung ist keine Definition der Eigenschaft von Staatsangehörigkeit und deren Erwerb zu entnehmen. Präzisere Aussagen sind in der "Uebereinkunft zwischen Baden, Württemberg und Bayern wegen Uebernahme der Vaganten und anderer Ausgewiesener" enthalten.17 Da sich die beteiligten Staaten dazu verpflichteten, ausschließlich Staatsangehörige des Vertragspartners in den betreffenden Staat auszuweisen, musste festgelegt werden, welche Personen als Staatsangehörige zu betrachten sind. Dies sind nach § 2 des Vertrages 1.) Abkömmlinge eines Vaters, der

„zur Zeit ihrer Geburt in der Eigenschaft eines Unterthans mit dem Staat in Verbindung gestanden ist“, 2.) Personen, "welche ausdrücklich zu Unterthanen aufgenommen worden sind", 3.) "Diejenigen, welche von heimatlosen Eltern zufällig innerhalb des Staatsgebiets geboren sind", 4.) Personen, die "mit obrigkeitlicher Bewilligung daselbst geheirathet haben", 5.) Personen, welchen "während eines Zeitraums von Zehn Jahren stillschweigend gestattet worden ist, darinn ihren Wohnsitz zu haben". Nach diesem Vertrag galten also das Abstammungs-, Aufnahme-, Geburts-, Heirats- und Wohnsitzprinzip, die jeweils zur Staatsangehörigkeit führen konnten. Ausdrücklich aufgegeben wurde das Wohnsitzprinzip in Baden erst mit einem Gesetz von 1854.18 Seitdem konnte die badische Staatsangehörigkeit nicht mehr durch zehnjährigen legalen Aufenthalt ersessen werden.

3.1.2 Bayern

Das Königreich Bayern ist genau so wie das Großherzogtum Baden in Folge der Umwälzungen am Anfang des 19. Jahrhunderts zum Verfassungsstaat geworden. Ähnlich wie in Baden sah das bayerische Indigenatsedikt von 1812 sowohl Abstammung als auch den zehnjährigen Aufenthalt als Erwerbsgrund vor.19 Nach dem Wiener Kongress wurde die Verfassung aus der Rheinbundzeit durch die Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 ersetzt, die das Indigenat zur Voraussetzung für die vollen bürgerlichen Rechte

17 Großherzoglich-Badisches Regierungsblatt 37 (1816), S.139-141.

18 Großherzoglich-Badisches Regierungsblatt 52 (1854), S.51.

19 Edikt über das Indigenat vom 6.1.1812, in: Der Rheinische Bund 22,64 (1812), S.3-22, hier 4f.

erhob.20 Wie das Indigenat zu erwerben sei, legte eine separate Beilage zur Verfassung fest.21 Neben der Möglichkeit, das Indigenat über die Abstammung von Eltern, die seit ihrer Geburt im Besitz des Indigenats waren, zu erwerben, war die Einbürgerung vorgesehen. Frauen erhielten das Indigenat durch Heirat mit einem Bayern. Sofern sie ihre Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit nachweisen konnten, erwarben Einwanderer das Indigenat über ihre Niederlassung. Und schließlich konnte die Einbürgerung durch ein königliches Dekret erreicht werden.22

In Bayern konnte die Staatsangehörigkeit ebenso wie in Baden nach mehreren Prinzipien erworben werden. Im Indigenatsedikt wie auch im oben genannten Vertrag mit Baden war in Bayern das Wohnsitzprinzip als Erwerbsgrund anerkannt. Erst 1871 gab Bayern das Wohnsitzprinzip vollständig auf.

3.1.3 Preußen

Im Gegensatz zu den süddeutschen Staaten schlug Preußen nicht den vom revolutionären Frankreich beeinflussten Weg zum Verfassungsstaat ein. Eine allgemeine Bestimmung der Staatsangehörigkeit existierte nicht und die vorhandenen Regelungen blieben unabgestimmt und fragmentarisch.23 Das Allgemeine Landrecht galt nicht in dem gesamten preußischen Staatsgebiet und lässt nach Grawert lediglich eine "Tendenz zur Angehörigkeitseinheit"

erkennen und der "einheitliche Staatsuntertan und die Staatsbürgergesellschaft [sind] noch unter der Decke der sozialen, ständischen und provinziellen Differenzierungen verborgen".24 Weder die Abstammung von einem Untertan noch die Geburt im Land sind als Erwerbsgründe im Allgemeinen Landrecht erwähnt. Lediglich in den Regelungen über die Auswanderung besagt das Allgemeine Landrecht, dass es niedergelassenen Ausländern frei steht, "innerhalb der ersten Zehn Jahre

20 Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818, in: Huber (Hg.): Dokumente, Bd. 1, S.155-171.

21 Bayerisches Indigenatsedikt vom 26. Mai 1818, in: Woeber, Jakob: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 mit den bayerischen Vollzugsvorschriften, München 41928 [1914], S.144-146.

22 Ebd., S.144.

23 Gosewinkel: Einbürgern und Ausschließen, S.69.

24 Grawert, S.129.

nach ihrer Ankunft wieder auszuwandern."25 Wie in Baden und Bayern machte damit auch in Preußen das Wohnsitzprinzip Einwanderer zu Untertanen.

Die kommunale Zugehörigkeit hatte in Preußen auf Grund von fehlenden allgemeinen Regelungen noch eine große Bedeutung.26 Auch hier galt lange die bewilligte Niederlassung als Aufnahmegrund. Allerdings führte auch in Preußen die Entwicklung auf ein einheitliches Staatsangehörigkeitsrecht hin.

Am 31. Dezember 1842 erließ Friedrich Wilhelm IV. das "Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als Preußischer Unterthan".27 Nach dem Untertanengesetz wurde die preußische Staatsangehörigkeit durch Abstammung, Legitimation eines Kindes, für Frauen durch Heirat und allgemein durch Verleihung erworben. Die Einbürgerungsurkunde wurde unmittelbar durch die Anstellung im Staatsdienst oder auf ausdrücklichen Antrag hin verliehen. Die Antragsteller mussten dabei geschäftsfähig und unbescholten sein, sowie Unterkommen und Unterhalt für ihre Familien nachweisen können. Auf Grund der Bundesakte benötigten Angehörige anderer Staaten des Deutschen Bundes einen Nachweis über die Militärpflicht. Ausdrücklich legte das Gesetz die Sonderstellung von Juden fest. Nur für sie galt der Genehmigungsvorbehalt von Seiten des preußischen Innenministers.

Mit dem Gesetz von 1842 wurde erstmals die automatische Einbürgerung auf dem Weg über die legale Wohnsitznahme explizit ausgeschlossen. "Der Wohnsitz innerhalb Unserer Staaten soll in Zukunft für sich allein die Eigenschaft als Preuße nicht begründen."28 Damit stieg das ius sanguinis in Preußen zum konkurrenzlosen Prinzip des Staatsangehörigkeitserwerbs auf, ohne allerdings den Weg in ein völkisches Staatsangehörigkeitsrecht unausweichlich vorher zu bestimmen. Schließlich begründete das Gesetz die Eigenschaft als Preuße und nicht den Deutschen als solchen.

Insgesamt stellte das preußische Untertanengesetz den Prototyp für die weitere Entwicklung der Einbürgerungsbestimmungen in der zweiten Hälfte

25 Allgemeines Landrecht § 132 II 17, in: Pappermann, Ernst (Hg.): Preußisches Allgemeines Landrecht. Ausgewählte öffentlich-rechtliche Vorschriften, Paderborn 1972, S.176.

26 Gosewinkel: Einbürgern und Ausschließen, S.69.

27 Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1843, S.15-18; zur Entstehungsgeschichte: Gosewinkel: Einbürgern und Ausschließen, S.81ff.

28 Untertanengesetz § 13.

des 19. Jahrhunderts dar.29 Der Norddeutsche Bund wie das Kaiserreich haben die Formulierungen Preußens fast eins zu eins übernommen, während andere Formen des Staatsangehörigkeitserwerbs, wie sie die süddeutschen Staaten kannten, nach und nach aufgegeben wurden. Zuvor aber nahmen die Revolutionäre von 1848 einen Anlauf, einen deutschen Nationalstaat zu gründen und gaben damit dem Konzept der Staatsangehörigkeit eine nationalistische Wende.