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7 Schlussfolgerungen und Empfehlungen

7.1 Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Tansania und Senegal

7.1.2 Eigene Agrarpolitik

Die vorliegende Analyse zeigt, dass für Tansania und Senegal eine effektive interne Förderung der Agrarsektoren mit und ohne internationale Agrarliberalisierungen erfor-derlich ist für Wirtschaftsförderung, Armutsbekämpfung und Ressourcenschutz. Die Agrarsektoren sind in den letzten Dekaden stark vernachlässigt worden. Insofern ist die Betonung der Interessen der Agrarsektoren durch die afrikanischen Länder im Rahmen der WTO prinzipiell zu begrüßen.

Gleichzeitig wurde deutlich, dass viele Interventionen in Handels- und Agrarpolitik eng mit Motivation und Möglichkeiten zu Korruption und Klientelismus zusammenhängen.

Schon bisher spielen große nationale Agroindustrien in Tansania und Senegal in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle, einige sind Relikte vergangener interventionistischer Politiken. In Zukunft könnte auch der Einfluss von Bauernorganisationen insbesondere im Senegal größer werden, was sich wahrscheinlich auch in unrealistischen und über-zogenen Forderungen nach Stützung äußern wird. In allen Fällen können internationale Vereinbarungen dazu dienen, die Regierungen vor dem übertriebenen Einfluss solcher Lobbygruppen abzuschirmen und die agrarpolitischen Interventionen stärker an rationa-len Zierationa-len zu orientieren. In Bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten der internen Agrarpolitiken stehen die Regeln der WTO daher im Spannungsfeld zwischen dem Erhalt notwendiger Flexibilität, die für Entwicklungsländer durchaus anders sein kann als für Industrieländer, und der Eindämmung kontraproduktiver Willkür und Patronage.

Marktzugang

Eine Hauptforderung von Entwicklungsländern ist die Möglichkeit einseitiger Protekti-on, insbesondere durch hohe Importzölle für special products und SSM. Der Schutz gegen billige (subventionierte) Agrarimporte ist zwar zumindest von Seiten des Agrar-sektors zu begrüßen, aber aus verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Gründen nur in begrenztem Maße zu verwirklichen. Die Tatsache, dass in Tansania und Senegal die hohen gebundenen Zölle bei weitem nicht ausgeschöpft werden (mit einigen poli-tisch brisanten Ausnahmen), unterstützt die Einschätzung, dass mehr als moderate dauerhafte Barrieren keine sinnvolle Forderung darstellen. Moderate Schutzmaßnah-men sollten allerdings von der WTO für alle Entwicklungsländer legitimiert werden, unabhängig von ihren (oft uninformierten) Verpflichtungen aus der Uruguay-Runde.

Sie rechtfertigen sich, außer durch Subventionen der Industrieländer, auch durch die schwankende Natur landwirtschaftlicher Märkte, die hohe Verletzlichkeit der Einkom-men von Kleinbauern gegenüber Preiseinbrüchen und deren längerfristigen negativen Folgen für ländliche Armut und Ernährungssicherheit.

Um die Forderungen entwicklungspolitisch zu rechtfertigen, sollten die Schutzmaß-nahmen restriktiv und transparent sein. Das heißt: Beschränkung auf wenige Import-produkte mit hoher Signifikanz für größere Produzentengruppen (für ExportImport-produkte wie Baumwolle macht diese Maßnahme keinen Sinn) und nationale und internationale Transparenz zur Abwehr von Klientelismus. Inhaltliche Gründe für eine zeitliche Be-grenzung von special products gibt es wenige, sie sollten vielmehr vom Grad der Er-nährungssicherungs- und Armutseffekte abhängig sein.102 Für SSM sollte gerade in LDC kein aufwändiger Beweismechanismusder speziell im Agrarsektor ohnehin nur schwer durchführbar istnotwendig sein, sondern einfach zu bestimmende Mengen- oder besser Preis-Trigger, schnelle und transparente Entscheidungsfindung sowie klare, der Marktlage angemessene Schutzfristen.

Zu beachten ist, dass für den Schutz vor Importen aus anderen Ländern SSA besonders hohe Maßstäbe zu setzen sind (wenn sie angesichts der bedeutenden Schwarzmärkte überhaupt zu bremsen sind). Denn einerseits haben diese Länder oft ähnliche landwirt-schaftliche Produkte und Produktionsbedingungen, sind also als Konkurrenten beson-ders ernst zu nehmen, könnten aber andererseits durch Exportmöglichkeiten für über-schüssige Nahrungsmittel ihre eigene Ernährungssicherheitssituation signifikant verbessern. Dies gilt reziprok für alle Länder.

102 Für eine ausführliche, ebenfalls grundsätzlich nicht abgeneigte Position zu special products vgl. Ruffer 2003, der aber stärker protektionistische und marktverzerrende Gefahren betont und daher das Ausmaß von special products vom Weltmarktvolumen abhängig machen will.

Exportsubventionen

Tansania und Senegal sollten aus Effizienzgründen auf direkte Exportsubventionen verzichten, bei den WTO-Verhandlungen aber darauf achten, dass Struktursubventio-nen im Agrarsektor auch mit Exportzielsetzung erlaubt bleiben, ähnlich wie es für arme Länder im Subventionsabkommen vorgesehen ist. Es gibt keinen Grund, den Agrarsek-tor auszusparen, im Gegenteil, es gibt eindeutige legitime Interessen in Entwicklungs-ländern, wie komparative Vorteile und Ernährungssicherheit, die die Förderung von Agrarexporten nahe legen. Dazu gehört auch die Diskussion um eine akzeptable Rolle von Staatsbetrieben und staatlich sanktionierten Monopolen (vgl. Kap. 6.4).

Interne Subventionen

Das wichtigste Aktionsfeld für Tansania und Senegal ist die aktive Dynamisierung der Agrarsektoren. Da direkte finanzielle Einkommenstransfers in aller Regel in SSA kaum durchführbar sind, stellen sich an die Agrarpolitik zusätzliche Herausforderungen, wie regionale und haushaltsspezifische Ungleichgewichte bspw. aus den Wirkungen inter-nationaler Agrarliberalisierungen zumindest abzufedern sind.

Eine Reihe von prioritären Interventionsfeldern wurde analysiert. Die meisten sind auch ohne SDT durchaus WTO-konform zu realisieren. Ausnahmen könnten im Bereich der Dünger- und Kreditsubventionierung, regionaler Aufkäufe und Exportförderungen auftreten. Aber es gibt in fast jedem Fall entwicklungs- und ordnungspolitische sowie budgetäre Gründe, die für eine marktwirtschaftliche, indirekte und nicht preissubventi-onierende Ausgestaltung solcher Maßnahmen sprechen. Darüber hinaus dürfte die De-minimis-Ausnahmeregel für Subventionen in Höhe von 10 % des aggregierten landwirt-schaftlichen Produktionswertes einen ausreichenden Handlungsspielraum sowie eine sinnvolle Begrenzung für Amber-Box-Maßnahmen sein.

Andere Politikfelder

Die Diskussion der Agrarstrategien von Tansania und Senegal hat gezeigt, dass der Agrarsektor als offener Sektor entscheidend von anderen Politikfeldern mitgeprägt wird wie Bodenrecht, Arbeitsrecht, Rechtspflege, Finanzwesen, Wassermanagement, Wech-selkurse, Regionalintegration, Infrastruktur, Transportwesen, Investitionsförderung, Wettbewerbspolitik, Dezentralisierung, Korruption, usw. Dieser offene Charakter des Agrarsektors ist für Foster / Brown / Naschold (2001) der wesentliche Grund, warum integrierte Sektoransätze in der Landwirtschaft weniger gut abschneiden als in sozialen Sektoren. Eine Koordinierung all dieser Politiken wäre wichtig, doch leider gehört gerade dies nicht zu den Stärken schwacher Staaten. Wichtig wäre auch, die Staatsein-nahmen noch stärker auf nichthandelsbasierte Steuerinstrumente zu stützen. Die Ab-hängigkeit von Zolleinnahmen macht es Ländern wie Tansania und Senegal schwer, die Handelspolitik rational nach entwicklungspolitischen Zielen zu gestalten, und führt oft

zu Lasten längerfristigen und armutsorientierten Wachstums. Eine Besteuerung land-wirtschaftlicher Einkommen darf nicht ausgeschlossen werden, damit der Agrarsektor als wichtigster Wirtschaftsektor seinen Teil zur Ressourcenmobilisierung für die Ent-wicklung leistet. Abschöpfungen müssen aber moderat und möglichst wenig verzerrend und produktivitätsmindernd gestaltet werden.

Kurz- und mittelfristig muss der inhaltliche Schwerpunkt auf den traditionellen Export-kulturen sowie auf selektiver Förderung einzelner NahrungsExport-kulturen für lokale und regionale Märkte liegen. Hier sind Produktivitätsreserven und akkumuliertes Know-how, Strukturen und Institutionen vorhanden. Eine Massenwirkung auf ländliche Armut ist wahrscheinlich. Mittel- bis langfristig muss die Diversifizierung und Integration der lokalen und nationalen Nahrungsmittelmärkte vorangetrieben werden, möglichst in Kompatibilität mit den lokalen Betriebssystemen und Wirtschaftskreisläufen. Für beide Bereiche müssen Forschung und Entwicklung, Betriebsmittelvermarktung, ländliche Finanzsysteme, Bauernorganisationen und Agroindustrie gezielt gefördert werden.

Unterstützung durch Makro- und andere Sektorpolitiken sowie die Schaffung handels- und investitionsfördernder Rahmenbedingungen ist essentiell. Besondere Fördermaß-nahmen mit stärkerem Transfercharakter sollten besonders armen Regionen und spe-ziellen Zielgruppen vorbehalten seinangesichts knapper Mittel und dem Bemühen um wirtschaftliche Nachhaltigkeit müssen effiziente, produktive Maßnahmen Vorrang haben.

Die größte Herausforderung für arme Länder wie Tansania und Senegal wird sein, angesichts knapper Mittel detailliertere zeitliche, räumliche, betriebssystem- und pro-duktbezogene Prioritäten zur optimalen Abstimmung von Handels-, Agrar- und anderen Politiken festzulegen, die mit den monetären, personellen und institutionellen Kapazitä-ten übereinstimmen. Dafür ist eine gute, quantitative Informationsbasis über Engpässe, Kosten-Nutzen-Relationen und Armutsrelevanz von Maßnahmen notwendig. Die Ko-operation mit der Forschung, NRO, privatem Sektor und Bauernorganisationen sowie anderen Verbänden ist unumgänglich. Entscheidungen müssen möglichst transparent und politisch legitimiert sein. Sie müssen an andere Instrumente und Prozesse wie SAP, PRS, Integrated Framework103 und den Agrarsektor betreffende Politiken gekoppelt werden.