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Effektivitätsstudien unter Berücksichtigung der Therapieintensität

A. EINFÜHRUNG UND THEORETISCHER HINTERGRUND

3. S TUDIEN ZUR E FFEKTIVITÄT VON A PHASIETHERAPIE

3.3 Effektivitätsstudien unter Berücksichtigung der Therapieintensität

Im folgenden Abschnitt soll besonders auf die Studien eingegangen werden, denen eine so genannte Intensivtherapie zugrunde liegt. Zur Bestimmung des Begriffs „Intensivtherapie“

wird auf die Einteilung von Robey (1998) zurückgegriffen, der eine hohe Intensität mit ≥ 5 Stunden pro Woche definiert. Hinckley und Craig (1998) sprechen von intensiver Intervention bei einer Rate von 5-20 Therapiestunden pro Woche.

Studien zur Intensivtherapie in der Behandlung von Patienten mit Aphasie reichen zurück bis Backus (1945, 1952), Hagen (1973) und Elias et al. (1984). Alle Studien berichten von positiven Therapieergebnissen bei Patienten, die 18-20 Stunden Therapie pro Woche erhielten.

Die zeitlich nächste Studie, welche sich mit Intensivtherapie beschäftigt, stammt von Wertz et al. (1986). Patienten, die über einen Zeitraum von 12 Wochen 8-10 Stunden Therapie wöchentlich erhielten, unterschieden sich nach der Therapie im Porch Index of Communicative Ability (Porch, 1967) signifikant von einer nichttherapierten Kontrollgruppe.

Poeck et al. (1989) verglichen 68 Schlaganfallpatienten mit Intensivtherapie (9 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von 6-8 Wochen) mit 92 Patienten ohne Sprachtherapie. Mit Psychometrischer Einzelfalldiagnostik (Willmes, 1985) wurden nach Korrektur möglicher Spontanremissionseffekte die AAT Ergebnisse (Aachener Aphasie Test, Huber et al., 1983) nach 8 Wochen zwischen den Patienten mit und ohne Therapie verglichen. In der frühen Phase der Erkrankung (1-4 Monate nach Insult) zeigten die Patienten mit Therapie signifikant mehr Verbesserungen im Token Test, im Nachsprechen und in der Profilhöhe des AAT. In der späteren Phase der Erkrankung (4-12 Monate nach Insult) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der korrigierten Verbesserung der therapierten Patienten (eigentliche Verbesserung minus Spontanremissionseffekte) und der Spontanremission der untrainierten Patienten. Ferner erzielten nach Korrektur der Effekte einer möglicher

Spontanremission 78% der Patienten der frühen Erkrankungsphase, 46% der späten Erkrankungsphase und 68% der chronischen Erkrankungsphase (>12 Monate nach Insult) signifikante Verbesserungen im AAT auf Profilebene und/oder in einem oder mehreren Untertests. Poeck et al. (1989) folgern, dass sowohl Intensität als auch Spezifität der Therapie von wesentlicher Bedeutung in der Therapie von Patienten mit Aphasie sind.

In einer Studie aus dem Jahre 1989 von Brindley at al. wurden die sprachlichen Leistungen von 10 Patienten mit chronischer Brocaaphasie nach Phasen intensiver (25 Wochenstunden) und nichtintensiver (1-2 Wochenstunden) Therapie (3 Monate) untersucht. Die Effektivität der Therapie wurde mittels FCP (Functional Communication Profile, Sarno, 1969) und LARSP (Language Assessment, Remediation and Screening Procedure, Crystal et al., 1976) erfasst. Im FCP unterschieden sich die Verbesserungen der Patienten nach intensiver Therapie von denen nach nichtintensiver Therapie im Untertest Sprechen sowie im Gesamtwert aller Untertests. Mit LARSP zeigten sich ebenfalls nur nach Intensivtherapie signifikante Veränderungen in der durchschnittlichen Satzlänge, den Auslassungen von Satzelementen und dem Anteil vollständiger Äußerungen, was für eine Überlegenheit der Intensivtherapie gegenüber der nichtintensiven Therapie spricht. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Patienten in der intensiven Therapiegruppe das über zehnfache an Therapie erhielten. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch die Frage nach der optimalen Länge der Intensivtherapie. Brindley et al. (1989) kommen zu dem Ergebnis, dass die meisten Fortschritte in der frühen Phase der Therapie erfolgten, so dass die lange Therapiezeit von 3 Monaten ohne größere Einbußen auch verkürzt werden könnte. In einer Studie von Mackenzie (1991) erhielten fünf Patienten mit chronischer Aphasie 85 Therapiestunden innerhalb eines Monats. Die Ergebnisse weisen individuelle Verbesserungen in mindestens einem der Tests auf. Dem zufolge kann also die Wirksamkeit kürzerer Phasen von Intensivtherapie angenommen werden.

Denes et al. (1996) untersuchten längere Therapiephasen (6 Monate) und wiesen 17 Patienten mit Globalaphasie randomisiert zwei Gruppen zu. Während die eine Gruppe 5 Stunden Therapie pro Woche erhielt, wurde mit den Patienten der anderen Gruppe 3 Stunden pro Woche gearbeitet. Die Autoren fanden signifikante Verbesserungen für beide Therapiegruppen, jedoch zeigten die Patienten mit Intensivtherapie signifikant deutlichere Verbesserungen in der Schriftsprache in der italienischen Version des Aachener Aphasie Tests (De Bleser et al., 1986; Luzzatti et al., 1991). Obwohl die durchschnittliche Erkrankungsdauer der Patienten bei 3 Monaten lag, sind mögliche Effekte von Spontanremission auszuschließen, da ein Mittelwert der Spontanremission von vier

vergleichbare Patienten ohne Therapie von den erzielten Verbesserungen der behandelten Patienten abgezogen wurde (vgl. Poeck et al., 1989).

Im Gegensatz zum Gruppenvergleich bei Denes et al. (1996), untersuchten Hinckley and Craig (1998) eine Gruppe mit 15 Patienten im A-B-A-Design (6 Wochen Intensivtherapie (23 Stunden pro Woche), 6-8 Wochen ohne Therapie und 6 Wochen Intensivtherapie) mit dem Boston Naming Test (Kaplan et al., 1983) und einer Spontansprachanalyse nach Yorkston und Beukelman (1980). Bei dieser Spontansprachanalyse wird anhand Bildbeschreibungen die Anzahl so genannter Inhaltseinheiten („content units“) ermittelt, die als „Gruppe von Information, die immer als Einheit ausgedrückt wird“ (Yorkston & Beukelman, 1980) definiert sind. Während die Patientengruppe nach beiden Phasen der Intensivtherapie jeweils signifikante Verbesserungen in beiden Tests zeigte (erhöhte Anzahl korrekt benannter Items sowie mehr produzierte Inhaltseinheiten), ließen sich keine signifikanten Verbesserungen während der sechswöchigen Therapiepause beobachten. Dennoch verbesserten sich 40% der Patienten auch während der Therapiepause im Boston Naming Test, was für Carryover-Effekte der Intensivtherapie sprechen könnte. Um solche Carryover-Effekte besser kontrollieren zu können, wäre für die Hälfte der Patienten ein ABA-Design (A=Intensiv, B=keine Therapie) und für die andere Hälfte der Patienten eine BAB-Design empfehlenswert gewesen. In einer zweiten Studie von Hinckley and Craig (1998) wurde die Phase ohne Therapie durch eine Phase mit wenig Therapie (<3 Stunden pro Woche) ersetzt. Der geringe, nicht signifikante Therapieerfolg der nichtintensiven Phase war vergleichbar mit der Phase ohne Therapie der ersten Studie. Dieses Ergebnis ist konsistent mit anderen Studien (zum Beispiel Lincoln et al., 1984), in denen ebenfalls kein Unterschied zwischen Patienten ohne Therapie und Patienten mit wenig Therapie gefunden wurde. Auch nach einer Erhöhung der nichtintensiven Therapiephase auf 3-5 Stunden pro Woche fanden Hinckley and Craig (1998) in ihrer dritten Studie keine signifikanten Verbesserungen nach 6 Wochen. Zunächst scheint dies im Widerspruch zu den Ergebnissen von Denes et al. (1996) zu stehen, deren Patienten sowohl mit 3 als auch mit 5 Stunden pro Woche signifikante Verbesserungen erzielten. Bedenkt man aber deren lange Therapiezeit von 6 Monaten, könnte die längere Behandlungsdauer für die erzielten Verbesserungen verantwortlich sein. Leider setzten Denes et al. (1996) und Hinkley and Craig (1998) bei ungefähr gleicher Anzahl der Gesamttherapiezeit (5h x 26 Wochen beziehungsweise 23h x 6 Wochen) unterschiedliche Tests zur Bestimmung des Therapie-erfolgs ein. Daher konnte kein Vergleich gezogen werden.

Pulvermüller et al. (2001) haben die vergleichbare Gesamttherapiezeit berücksichtigt. Sie verglichen zehn Patienten mit Intensivtherapie (3 Stunden täglich über 10 Tage) mit sieben

Patienten, welche im Durchschnitt die gleiche Therapiemenge über einen Zeitraum von 4 Wochen erhielten. Neben der unterschiedlichen Intensität unterschied sich jedoch auch der Therapieansatz zwischen den beiden Gruppen. Während die erste Gruppe mit der Constraint Induced Aphasia Therapie (CIAT, eine kommunikative Gruppentherapie basierend auf den Prinzipien Shaping und der Unterbindung nonverbaler Kommunikationsmittel) behandelt wurde, erhielt die zweite Gruppe klassische Sprachtherapie mit Übungen wie Benennen oder Nachsprechen. Nach der CIAT fanden sich signifikante Verbesserungen sowohl im Token Test und den Untertests Benennen und Sprachverständnis des AAT (Huber et al., 1983) als auch in Fragebogen zur Alltagskommunikation (Selbst- und Fremdeinschätzung), wohingegen sich die sieben Patienten nach logopädischer Standardtherapie weniger verbesserten und nur im Untertest Benennen des AAT signifikante Verbesserungen erzielten.

Ein Schluss auf Intensität als Wirkfaktor ist allerdings schwierig, da sich die Gruppen neben der Intensität auch in der Therapieform unterscheiden.

Die Ergebnisse der folgenden zwei Studien, die sich mit dem Thema Therapieintensität beschäftigen, legen intensive Interventionen in der Behandlung von Patienten mit chronischer Aphasie nahe. Basso und Caporali (2001) verglichen drei Aphasiker, die Intensivtherapie (2-3 Stunden pro Tag bei täglicher Therapie über einen Zeitraum von zirka einem Jahr) erhielten, mit drei hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildung, Ätiologie und Läsion vergleichbaren Patienten, die nur 5 Tage pro Woche eine Stunde Therapie erhielten, dies jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Intensivtherapie führte zu höheren Testwerten und zu einem Transfer in die Alltagskommunikation. Den Alltagstransfer erklären die Autoren vor allem damit, dass die Therapie von mehr als einem Therapeuten und an verschiedenen Orten durchgeführt wurde.

Ein aktueller Review von Bhogal et al. aus dem Jahr 2003(a) zum Zusammenhang zwischen Intensität von Sprachtherapie und erzielten Verbesserungen kommt zu dem Ergebnis, dass in Studien mit signifikanten Therapieeffekten die durchschnittliche Therapiezeit 8,8 Stunden wöchentlich über einen Zeitraum von 11,2 Wochen betrug. Im Gegensatz dazu erhielten die Patienten in Studien mit negativem Ergebnis durchschnittlich nur 2 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von 22,9 Wochen. Die wöchentliche Intensität der Therapie korrelierte mit größeren Verbesserungen im Porch Index of Communicative Ability (Porch, 1967) und im Token Test (De Renzi & Vignolo, 1962).

Zusammenfassend weisen viele Studien auf eine entscheidende Rolle der Therapieintensität in der Behandlung von Patienten mit chronischer Aphasie hin. Selbst wenn in den meisten der angeführten Studien nicht nur die Intensität der Therapie, sondern auch die Gesamtzahl der

Therapiestunden variierten, sprechen die Ergebnisse der Studien mit vergleichbarer Stundenzahl doch für eine deutliche Überlegenheit der Intensivtherapie (Pulvermüller et al., 2001; Basso & Caporali, 2001).

4. Theoretischer Hintergrund und Entwicklung der