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Dynamik des Schwebstofftransportes

Im Dokument Nebengewässer der Elbe (Seite 65-70)

3.  Unterelbe

3.3  Hydrologie und Morphologie der Unterelbe

3.3.3  Dynamik des Schwebstofftransportes

Durch Strömungen wird im Allgemeinen ein Feststofftransport hervorgerufen, der entweder rollend, springend oder in Suspension erfolgt. Die beiden ersten Varianten werden auch als bedload bezeichnet, das suspendierte Material (suspended particulate matter, kurz SPM) als suspended load (Zanke 1982). Ein Feststofftransport führt in der Regel zu morphologischen Änderungen.

In der Unterelbe werden Sedimente mit vergleichsweise großen Korndurchmessern wie Sande und Kiese fast ausschließlich als bedload transportiert. Dabei ist die Dynamik der Sandtransportprozesse im Mündungsbereich deutlich größer als im inneren Ästuar (Kappenberg und Fanger 2007). Feinere Sedimente werden als suspended load (Schwebstoff) transportiert. Der Schwebstofftransport kohäsiver Sedimente macht in der Unterelbe den wesentlichen Teil des Feststofftransportes aus (Weilbeer 2003). Demzufolge erfolgt auch Feststoffaustausch zwischen der Unterelbe und ihren Nebenflüssen im Wesentlichen in Form von Schwebstoffen.

Entsprechend richtet sich der Fokus im Folgenden auf den Schwebstofftransport kohäsiver Sedimente. Die Schwebstoffe in der Unterelbe und der Deutschen Bucht weisen Korngrößen < 63 µm auf und bestehen überwiegend aus Flocken, in die mineralische und organische Anteile eingelagert sind (Kappenberg und Fanger 2007). Die elektro-chemischen Kräfte, die an der Oberfläche der Einzelpartikel wirken, übersteigen die Gravitationskraft um ein Vielfaches.

Dementsprechend werden die Eigenschaften der Partikel maßgeblich durch die Oberflächenkräfte beeinflusst (Hayter und Mehta 1986), woraus sich die Bezeichnung kohäsiv ergibt.

3.3.3.1 Maßgebende Prozesse

Beim Transport kohäsiver Sedimente spielen folgende Prozesse eine Rolle: Advektion, Diffusion, Dispersion, Absinken, Deposition, Konsolidierung und Erosion. Die aufgezählten Prozesse werden vor allem durch die Hydrodynamik, die chemische Zusammensetzung des Wassers (Salzgehalt, pH-Wert) und die Eigenschaften der Flocken (u.a. Sinkverhalten und Erosionswiderstand) bestimmt. Die Beschreibung von Strömungsgrößen erfolgte bereits in Abschnitt 3.3.1, wobei insbesondere die Asymmetrien in der Tidekurve beschrieben wurden.

Bevor diese Asymmetrien bei der Beschreibung des horizontalen Transports von Schwebstoffen wieder aufgegriffen werden, sollen zunächst die dominierenden Prozesse in der Vertikalen kurz beschrieben werden. Detaillierte Ausführungen hierzu sind u.a. zu finden in (Dronkers und van Leussen 1988; Dyer 1989; Winterwerp 1999).

Absinken

Das Sinkverhalten der kohäsiven Schwebstoffe in der Wassersäule wird im Wesentlichen durch die Sinkgeschwindigkeit ws bestimmt. Diese hängt maßgeblich von der Größe sowie der Oberflächenbeschaffenheit des Schwebstoffteilchens ab. Nach (Rijn, Leo C. van 1993) gewinnen bei Konzentrationen größer als 1000 mg/l zusätzliche Prozesse wie behindertes Absinken (Richardson und Zaki 1954) an Relevanz. Da die Konzentrationen in der Unterelbe in der Regel unterhalb dieses Grenzwertes liegen, wird dieser Effekt vernachlässigt. Während Teilchen in Wasser mit geringem Salzgehalt (<1 ppt) meist in Form von Einzelpartikeln vorkommen, ermöglicht ein leichter Anstieg des Salzgehaltes auf 2-3 ppt die Aggregation zu Flocken, die aus tausenden Einzelpartikeln bestehen können (Krone 1978). Die Flockenbildung wird durch

Kollisionen und anschließendes Aneinanderhaften von einzelnen Teilchen hervorgerufen.

Kollisionen entstehen u.a. aufgrund unterschiedlicher Sinkgeschwindigkeiten (differential settling) und aufgrund von Turbulenzen, die als Hauptverursacher der Kollisionen angesehen werden. Bis zu einem gewissen Maß an Turbulenz begünstigt diese die Flockenbildung. Zu hohe Schubspannungen als Folge höherer Turbulenz begünstigen demgegenüber den Zerfall der Flocken. Mit der Größe der Flocken nimmt in der Regel auch die Sinkgeschwindigkeit zu.

Deposition und Konsolidierung

Basierend auf der Annahme, dass kohäsive Sedimente nur in Form von Flocken deponieren, führte (Krone 1978) die sogenannte kritische Depositionsspannung c,dep ein. Wird diese Spannung unterschritten, kommt es zur Flockenbildung und zum beschleunigten Absinken. Bei Überschreitung zerfallen die Flocken und die Sinkgeschwindigkeit nimmt ab (Dronkers und van Leussen 1988). Erreichen die Flocken die Sohloberfläche, entsteht dort eine Schicht aus hochkonzentrierten Schwebstoffen, die sich im Wesentlichen in vertikaler Richtung (Konsolidierung) und nur noch geringfügig in horizontaler Richtung bewegt. (Hayter und Mehta 1986) bezeichnen diese Schicht dementsprechend als stationäre Suspension. Nach (Dronkers und van Leussen 1988) beträgt die Schichtdicke nur wenige Zentimeter. Mit voranschreitender Konsolidierung geht das Material aus der stationären Suspension in eine teilkonsolidierte Schicht und schließlich in eine konsolidierte Schicht über (Hayter und Mehta 1986).

Erosion

Die sedimentierten Schwebstoffe werden wieder in die Wassersäule zurückgeführt, wenn deren kritische Erosionsschubspannung c,ero überschritten wird. Im Unterschied zu nicht-kohäsiven Partikeln bewirken neben dem Eigengewicht auch die Kohäsionskräfte zwischen den Partikeln, dass Partikel am Boden bleiben. Dementsprechend ist auch die kritische Erosionsschubspannung eines Partikels viel höher als es aufgrund seiner Dichte und seiner Größe zu erwarten wäre. Die Rückführung von Material aus der stationären Suspension in die Wassersäule wird mit dem englischen Begriff re-entrainment bezeichnet. Bei entsprechend hoher Sohlschubspannug kann auch Material aus der (teil-) konsolidierten Schicht herausgelöst und in der Wassersäule suspendiert (engl.: suspension) werden. Die Intensität der Erosion von Material wird dabei durch einen Erodibilitätsfaktor beschrieben. Neben der Erosion einzelner Partikel kann es bei kohäsiven Böden auch zur Massenerosion durch Ablösung ganzer Elemente aus der Schicht kommen, wie von (Schröder und Zimmermann 1993) beschrieben.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Laboruntersuchungen zur Bestimmung der Erosionseigenschaften durchgeführt (Parchure und Mehta 1985; Winterwerp 1999; Schweim 2005). Ein Ergebnis dieser Untersuchungen sind Modelle, mit denen die Erosionsparameter u.a.

als Funktion der Korngröße, des Porenwassergehalts, des organischen Anteils und/oder der Zusammensetzung der Minerale beschrieben werden. Außerdem entstanden empirische Modelle, die einen Zusammenhang zwischen Erodibilitätsfaktor und kritischer Erosionsschubspannung beschreiben. Schweim beschreibt den nicht-linearen Verlauf der kritischen Erosionsschubspannung c,ero und der Porosität n über die Tiefe (Schweim 2005). Demnach weist die Schicht der stationären Suspension eine besonders hohe Porosität n und eine geringe kritische Erosionsschubspannung c,ero auf. Mit zunehmender Tiefe nimmt die Porosität n ab und die kritische Erosionsschubspannung c,ero zu. Die Komplexität dieser Prozesse führt dazu, dass der

Sedimenttransport unter realen Bedingungen bisher nicht exakt bestimmt werden konnte.

Nachfolgend werden die ästuartypischen Besonderheiten zusammengefasst, die den Sedimenttransport maßgeblich prägen.

Bi-direktionale Strömungen, Erosionsbereiche, Depositionsbereiche

In Ästuaren, wie der Unterelbe, rufen die bi-direktionalen Strömungen Schubspannungen hervor, die dazu führen, dass Partikel deponieren oder erodieren und in Richtung stromauf oder stromab transportiert werden. In strömungsberuhigten Bereichen, wie z.B. Nebenarmen, Flachwasserbereichen und Hafenbecken wird überwiegend Material deponiert. In Bereichen hoher Strömungsgeschwindigkeiten, wie z.B. der Fahrrinne, wird überwiegend Material erodiert, sofern der Erosionswiderstand des anstehenden Sohlmaterials dies zulässt. Allerdings treffen diese generellen Aussagen nicht für alle Abschnitte zu. So wird beispielsweise in einigen Abschnitten der Fahrrinne eine Tendenz zur Deposition beobachtet (Abschnitt 3.3.4). Umgekehrt wird in einigen Flachwasserbereichen und Nebenelben keine fortschreitende Auflandung festgestellt (BFG 2014).

Asymmetrien

Eine besondere Charakteristik von Ästuaren, die den Sedimenttransport stark beeinflusst, sind die in Abschnitt 3.3.1 beschriebenen Asymmetrien im Tideverlauf von Wasserstand und Strömungsgeschwindigkeit. Diese führen dazu, dass ein Partikel nach einer Tideperiode seinen Ausgangsort in der Regel nicht wieder erreicht, woraus ein Netto-Transport in Richtung stromauf bzw. in Richtung stromab resultiert. Nach Dronkers entscheidet das Verhältnis der maximalen Flutströmung zur maximalen Ebbströmung über den resultierenden Netto-Transport grober Sedimente10 in Suspension (Dronkers 1986). Das Verhältnis des Strömungsgradienten bei Flutstromkenterung gegenüber dem Strömungsgradienten bei Ebbstromkenterung prägt den Transport feiner Sedimente in Suspension (Dronkers 1986; Eisma 1998). Ein Netto-Transport in Richtung stromauf wird als tidal pumping bezeichnet. Eine ausführliche Beschreibung ist in (Scully und Friedrichs 2007) zu finden.

Eine weitere Asymmetrie, die selbst bei symmetrischen Verläufen der Strömungsgeschwindigkeit einen Stromauftransport von Schwebstoffen zur Folge hat, ist die Asymmetrie von Deposition und Erosion (settling lag, scour lag) (Kappenberg und Fanger 2007). Der Grund liegt in der Abnahme der Amplitude der Strömungsgeschwindigkeit zum Kopf des Ästuars hin. Da dieser Mechanismus wenig bekannt ist, wird er nachfolgend kurz erläutert.

Bei einsetzender Flut erreicht ein Wasserkörper nach kurzer Zeit eine Geschwindigkeit, die eine Schubspannung verursacht, die oberhalb der kritischen Erosionsschubspannung eines Partikels liegt. In der Folge wird dieser erodiert, mit dem Flutstrom transportiert und vor Ende des Flutstromes beim Erreichen der kritischen Depositionsschubspannung, die unterhalb der kritischen Erosionsschubspannung liegt (IKSE 2005), sedimentiert. Der Wasserkörper bewegt sich hingegen noch etwas weiter stromauf (settling lag). Bei einsetzendem Ebbstrom kann der gleiche Wasserkörper, der den Partikel stromauf transportiert hat, diesen Partikel nicht wieder

10 Dronkers stuft Partikel mit einer Sinkgeschwindigkeit > 0,01 m/s als grob und Partikel mit einer Sinkgeschindigkeit < 0,01 m/s als fein ein (Dronkers 1986).

resuspendieren, da seine Fließgeschwindigkeit aufgrund der langsameren Beschleunigung nach Einsetzen der Ebbe noch nicht hoch genug ist. Stattdessen wird der Partikel von einem Wasserkörper, der weiter stromauf gestartet ist, erodiert und stromab transportiert. Bei Erreichen der kritischen Depositionsschubspannung sinkt der Partikel abermals ab (scour lag). Durch die kürzere Dauer der Überschreitung der kritischen Geschwindigkeit während der Ebbe wird der Partikel nicht wieder bis zum Ausgangsort transportiert, sondern stromauf davon abgelagert (van Straaten, L. M. J. U. und Kuenen, Ph. H. 1958; Dyer 1989).

3.3.3.1 Trübungszone

Das Vorhandensein einer Trübungszone ist charakteristisch für Ästuare. An der Entstehung der Trübungszone sind die bodennahe Dichteströmung und die Gezeiten-Geschwindigkeitsasymmetrie maßgeblich beteiligt (Burchard und Baumert 1998). Nach (Bergemann 2004) sind die Schwebstoffgehalte in der Unterelbe zwischen dem Hamburger Hafenausgang (km 628) und der Insel Scharhörn (km 745) deutlich höher als im stromauf gelegenen limnischen Bereich und im stromab gelegenen marinen Nordseebereich. Kappenberg und Fanger geben den Abschnitt zwischen Hamburg (km 620) und Brunsbüttel (km 695) als Bereich mit erhöhten Schwebstoffgehalten an (Kappenberg und Fanger 2007). Außerdem geben sie an, dass die Trübungszone typischerweise zwei Hauptmaxima aufweist, die überwiegend zwischen km 670 und km 690 auftreten (Kappenberg und Fanger 2007).

Die Lage der Trübungszone und der Hauptmaxima wird vom Oberwasserzufluss beeinflusst (Bergemann 2004; Kappenberg und Fanger 2007; BFG 2014). In Phasen mit geringem Oberwasserzufluss wächst das Schwebstoffinventar deutlich an. Bergemann schätzt die mittlere Schwebstoffmenge in der Trübungszone bei niedrigem Oberwasserzufluss (Q < 500 m³/s) auf rd.

550.000 t und bei mittlerem Oberwasserzufluss (500 m³/s < Q < 900 m³/s) auf rd. 360.000 t bis 470.000 t (Bergemann 2004). Bei hohem Oberwasserzufluss sinkt die Konzentration innerhalb weniger Tiden deutlich ab, was als seewärtige Verlagerung der Trübungs- und Brackwasserzone bezeichnet wird (Bergemann 2004; Kappenberg und Fanger 2007). Bergemann schätzt die Schwebstoffmenge, die von einem Frühjahrshochwasser in die Nordsee ausgetragen wird, auf rd.

200.000 t (Bergemann 2004). Schätzungen der ein- und ausgetragenen Mengen an Feinmaterial in die Unterelbe bei mittleren und niedrigen Oberwasserzuflüssen existieren bislang nicht (BFG 2014).

In Abbildung 29 wird die seewärtige Verlagerung des seeseitigen Maximums der Trübungszone bei steigendem Oberwassserzufluss deutlich. Das zweite Maximum bei km 670 bleibt allerdings lagestabil und nimmt lediglich in seiner Stärke ab. Aus dieser Beobachtung schließen Kappenberg und Fanger, dass die Existenz der beiden Maxima auf unterschiedliche Prozesse zurückzuführen ist (Kappenberg und Fanger 2007).

Abbildung 29: Verteilung von Schwebstoff- und Salzgehalt in Abhängigkeit vom Oberwasser (Daten:

Hubschrauberlängsprofile ARGE ELBE) (aus (Kappenberg und Fanger 2007), verändert) Abbildung 30 zeigt die Mittelwerte und die Standardabweichungen des Schwebstoff- und Salzgehaltes in der Elbe. Diese wurden auf der Grundlage von Längsprofilmessungen aus dem Zeitraum 1979 - 2005 ermittelt. Auch in den Mittelwerten des Schwebstoffgehalts sind die beiden identifizieren Maxima bei km 670 und km 690 deutlich zu erkennen. Gleichzeitig ist im Bereich um die Maxima (km 655 - km 695) die Variation des Schwebstoffgehalts am größten. In diesen Abschnitt münden die Stör, die Krückau und die Pinnau. In dem stromauf gelegenen Abschnitt, in den die Schwinge, Lühe und Este münden, ist die absolute Standardabweichung hingegen deutlich geringer.

Abbildung 30: Statistik von Schwebstoff- und Salzgehalt im Längsschnitt der Tide-Elbe: Mittelwerte von 1979 bis 2005 (durchgezogene schwarze Linien), Variationsbereich von einer

Standardabweichung (farbige Flächen) und prozentuale Variation (punktierte Linien, rechte Achse).

(Daten: Hubschrauberlängsprofile ARGE ELBE) (aus Kappenberg und Fanger 2007, verändert) Durch die BAW wurden an einzelnen Profilen der Unterelbe ADCP-Messungen über den Zeitraum von einer Tide durchgeführt (BAW 2011a). Außerdem wurden regelmäßig Schwebstoffproben genommen, um über das reflektierte ADCP-Signal auf die Schwebstoffkonzentration schließen zu können. Die Messungen wurden in mehreren Jahren an den gleichen Positionen wiederholt. Die Auswertungen ergaben für ein Profil im Bereich des Trübungsmaximums bei km 680 Schwebstofffrachten zwischen 45.000 t und 72.000 t je Halbtide.

Weiter stromauf bei km 630 wurde eine Schwebstofffracht zwischen 10.000 t und 20.000 t je Halbtide ermittelt. Aufgrund der Anzahl der zugrunde liegenden Daten und der Unsicherheiten, mit denen die Messwerte behaftet sind, dienen die angegebenen Werte lediglich als Hinweis auf die Größenordnung der Schwebstofffrachten.

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