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1.2.1 Chromatin-Remodellierung

Die beschriebene Kompaktierung ist zwar einerseits eine Notwendigkeit z. B. bei der Seggregation der Schwesterchromatiden vor der Zellteilung, steht aber z. B. der vorher ablaufenden Replikation und vielen anderen Vorgängen in der Zelle wie DNA-Reparatur und Transkription im Wege (Legube and Trouche, 2003; Wolffe and Hayes, 1999), da die involvierten Enzymkomplexe durch die Bindung der DNA in Nukleosomen behindert werden (Chang and Luse, 1997; Hansen and Wolffe, 1992;

Hansen and Wolffe, 1994; Kornberg and Lorch, 1999). In den letzten Jahren wurden ganze Familien von Chromatin-Remodellierenden Enzymen entdeckt, welche die DNA-Histon-Interaktion ATP-abhängig modulieren und z. B. Nukleosompositionen relativ zur DNA verschieben, wobei der Weg für RNA-Polymerasen geebnet oder Erkennungssequenzen für Transkriptionsfaktoren freigelegt werden (Becker and Horz, 2002; Belotserkovskaya et al., 2003; Clapier et al., 2001; Kornberg and Lorch, 1999;

Kwon et al., 1994; Langst and Becker, 2001). Darüberhinaus werden Kernhistone unter bestimmten Umständen durch Histonvarianten ersetzt, was funktionelle Auswirkungen hat (Ahmad and Henikoff, 2002; Redon et al., 2002). So ist beispielsweise die Variante H3.3 gegen H3 in transkriptionell aktiven Bereichen ausgetauscht (Ahmad and Henikoff, 2002). Die Struktur des Chromatins ist also dynamisch und kann gleichzeitig partiell kondensiert in Form von Heterochromatin und relaxiert in Form von Euchromatin in einer Zelle vorliegen. Generell ist daher Euchromatin transkriptionell aktiv, während in Heterochromatin keine Gene abgelesen werden (Grunstein, 1997a).

1.2.2 Die Histon-Code-Hypothese

Trotz der Einsicht in die dynamischen Eigenheiten des Chromatins wurde die statische Natur der Histone als passive Transkriptionsblocker erst mit der (Wieder-)Entdeckung

der Rolle zahlreicher posttranslationaler Modifikationen der Histone relativiert (Abb. 1), welche das Gleichgewicht zwischen den beiden Chromatintypen beeinflußt. Darunter sind Phosphorylierungen von Serinen und Mono-, Di- und Trimethylierungen von Lysinen und Mono- bzw. Dimethylierungen von Argininen der aus dem Nukleosom herausragenden Aminotermini der Kernhistone zu finden; vor allem Acetylierungen an bestimmten Lysinresten sind schon lange bekannt (Allfrey et al., 1964; Bannister et al., 2002; Contreras et al., 2003; Murray, 1964; Strahl et al., 2001; Strahl et al., 1999;

Turner, 2003; Zhang et al., 2003a). Zusätzlich werden auch die C-terminalen Schwänze von H2A und H2B durch Ubiquitinierungen modifiziert (Sun and Allis, 2002). Erst kürzlich wurde auch eine Sumoylierung von H4 nachgewiesen (Shiio and Eisenman, 2003). Die Übertragung von Poly-ADP-ribosyl-Ketten unter bestimmten Bedingungen scheint hingegen eher ein Schutz vor proteolytischem Abbau der Histone zu sein (Morin et al., 1999).

Ein recht simpler Ansatz machte die Maskierung positiver Ladungen der Lysine durch Acetylierungen für die Schwächung der Histon-DNA-Bindung und damit für die Relaxierung eines Chromatinabschnittes verantwortlich (Allfrey et al., 1964; Norton et al., 1989; Norton et al., 1990; Puig et al., 1998; Wolffe and Hayes, 1999). Die Verstärkung von internukleosomalen Wechselwirkungen über die Histonschwänze nach deren Deacetylierung wurde demgegenüber als förderlich für die Kondensation des Chromatins in Betracht gezogen (Lee et al., 1993). Desweiteren wurde eine Konformationsänderung der Histonschwänze zu α-Helices nach Entfernung der Acetylgruppen beobachtet und als nicht allein ausreichend für eine Ablösung der DNA diskutiert (Wang et al., 2000). Der genaue Mechanismus, welcher letztlich zur Relaxation führt, ist nicht völlig verstanden, aber einen besonderen Anteil daran haben sicherlich verschiedenste Interaktionen von Nicht-Histonproteinen mit den beschriebenen Markierungen an den Histonen. Bei diesen Vorgängen dienen die Histonschwänze und ihre Markierungen als Plattform für die Bindung und Rekrutierung einer Vielzahl von Proteinen, die teilweise enzymatisch aktiv sind und oftmals bereits als Transkriptions(co)faktoren bekannt waren (Marmorstein, 2001a). So binden etwa Proteine mit Bromodomäne, darunter auch Komponenten der Chromatin-Remodellierungskomplexe wie SWI/SNF, spezifisch an acetylierte Lysine (Dhalluin et al., 1999; Hassan et al., 2002; Zeng and Zhou, 2002), während Chromodomänen (wie

etwa in TFIID) die Bindung von methylierten Lysinen vermitteln (Ball et al., 1997;

Lachner et al., 2001).

In einigen Fällen sind die Auswirkungen dieser Signale näher untersucht (siehe unten) und mit einer Reihe von vitalen Zellabläufen in Verbindung gebracht worden wie Zellzykluskontrolle, DNA-Reparatur, Zelldifferenzierung und -alterung, Replikation und besonders der Transkriptionskontrolle (Bird et al., 2002; Grunstein, 1997a;

Jenuwein and Allis, 2001; Legube and Trouche, 2003; Nielsen et al., 2001; Taverna et al., 2002; Tissenbaum and Guarente, 2001; Wade, 2001).

Bereits vor fast 40 Jahren wurden Acetylierungen (und Methylierungen) der Histonschwänze mit der Regulation der Transkription in Verbindung gebracht (Allfrey et al., 1964; Pogo et al., 1966). Aber erst wesentlich später wurde der direkte Kausalzusammenhang zwischen Acetylierung und transkriptioneller Aktivierung aufgezeigt (Hebbes et al., 1988). Generell konnte in den letzten Jahren eine Korrelation aktiver Gene mit einer Hyperacetylierung der Histone ihrer Nukleosomen und eine Stillegung der Transkription (silencing) infolge Hypoacetylierung festgestellt werden (Grunstein, 1997a; Jeppesen and Turner, 1993; Pogo et al., 1966; Wade et al., 1997).

Eine sequenzielle Acetylierung von Lys8 am Histon H4 und Acetylierung von Lys9 und Lys14 am H3 führte zuerst zur Rekrutierung von SWI/SNF und schließlich des basalen Transkriptionsfaktors TFIID der RNA-Polymerase II und somit letztlich zur Aktivierung des IFNβ-Gens in vitro (Agalioti et al., 2002). Es gibt allerdings Ausnahmen von diesem wahrscheinlich zu einfach vorgestellten Regelwerk. Eine Acetylierung von Lys12 an H4 ist nämlich entgegen der allgemeinen Regel in Heterochromatin von Hefe und Fruchtfliege zu finden und somit wohl ein Repressionssignal (De Rubertis et al., 1996; Grunstein, 1997a; Rundlett et al., 1996;

Turner et al., 1992).

Abb. 1: Modifikationen der Kernhistone.

Einige der bislang bekannten Modifikationen an 6 der 8 Histonschwänzen eines Nukleosoms sind schematisch als Farbmarkierungen dargestellt. Die in einer linksgängigen Spirale um die Kernhistone geschlungene DNA ist angedeutet. Die Legende der Farbmarkierungen befindet sich links unten im Bild.

Abkürzungen. acK, Acetyllysin, meK, Methyllysin, meR, Methylarginin, PS, Phosphoserin, uK, ubiquitiniertes Lysin (entnommen aus Turner, 2002).

Die Vielzahl an möglichen Markierungen an den Histonen (Abb. 1) und deren Kombinationen sowie die Belege, daß eine bestimmte Markierung die Anbringung weiterer Signale an diesem Histon (Clements et al., 2003; Makowski et al., 2001) oder gar an benachbarten Histonen (Briggs et al., 2002) bedingen bzw. behindern kann, ließen die Hypothese eines 'Histon-Codes' entstehen (Strahl and Allis, 2000). Dieser wird von einer Reihe modifizierender Enzym(komplex)e angebracht und von Nicht-Histonproteinen ausgelesen, um ein bestimmtes Ereignis anzustoßen. So ist etwa eine Phosphorylierung am Ser10 des Histons H3 eine Vorbedingung für die Acetylierung des benachbarten Lys14 durch GCN5 (Cheung et al., 2000; Lo et al., 2000), was dann transkriptionsaktivierend wirkt. Merkwürdigerweise ist die globale Phosphorylierung am Ser10 mit Chromatinkondensation und somit Genstillegung während der Mitose korreliert (De Souza et al., 2000). Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man den jeweiligen Kontext an anderen Markierungen um das Phospho-Ser10 berücksichtigt (Fischle et al., 2003; Turner, 2000).

Ein Beispiel mit dem wohl derzeit vollständigsten Bild einer derartigen (De-)Codierung ist die Stillegung von Genen in menschlichen Zellen durch die lysinspezifische Histonmethyltransfrease (HMT) SUV39H1, die das Lys9 des H3 methyliert, welches dann von der Chromodomäne des (Heterochromatin Proteins) HP1 gebunden werden kann und so zur Chromatinkondensation beiträgt (Jacobs and Khorasanizadeh, 2002;

Lachner et al., 2001; Nielsen et al., 2001; Rea et al., 2000). Die Interaktion der HMT mit Lys9 wird dabei durch eine Methylierung durch eine weitere HMT Set9 an Lys4 des H3 stark gehemmt, welche ihrerseits ein Signal für eine Transkriptionsaktivierung darstellt (Nishioka et al., 2002). Dasselbe Signal hemmt auch die Rekrutierung des NuRD-Komplexes an H3 in logischer Konsistenz mit der durch seine Histondeacetylase-Untereinheiten (siehe unten) vermittelten Repressionsaktivität dieses Komplexes (Zegerman et al., 2002). Auch andere Markierungstypen beeinflussen das Setzen des Silencing-Signals Methyl-Lys9 am H3. So verhindert eine bereits vorhandene Markierung in Form von Acetyl-Lys9 die direkte Methylierung dieser Position, während eine Acetylierung von Lys14 in vitro kaum Einfluß hat (Rea et al., 2000; Zhang and Reinberg, 2001). Ein hemmender Einfluß auf die Aktion von SUV39H1 durch eine an H3 bestehende Phosphorylierung von Ser10 wurde ebenfalls berichtet (Rea et al., 2000; Zhang and Reinberg, 2001).