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Durchgeführte Versuche

Im Dokument Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Seite 137-145)

Ereignisdetektion zur Qualitätssicherung

4.15 Durchgeführte Versuche

Für die im folgenden beschriebene Umsetzung eines Überwachungssystems wurden zuerst Grundsatz-studien zur Identifikation leistungsstarker Systemkomponenten und Probeaufnahmen von Bilddaten mit künstlich provozierten Spritzern im Labor (Abbildung4.7und4.23) angefertigt.

Eine Machbarkeitsstudie in der Produktion belegte, daß das vorgeschlagene System und Verfahren auch unter Produktionsbedingungen einsatzfähig ist (Tabelle4.2und Abbildung4.22). Als

problema-Abbildung 4.23: Links: Schmelzbad, Erstarrungszone und Laserfokus sind gut zu erkennen. Ein Spritzer löst sich und fliegt nach rechts aus der Schmelze fort. Ein weiterer, sehr kleiner Spritzer (Pfeil) ist unmittelbar rechts neben der Schmelze zu erkennen. Rechts: Die Änderungsdetektion erfaßt den großen Spritzer problemlos und unterdrückt die Schmelze korrekt. Der kleine Spritzer rechts neben dem Schmelzbad tritt in der Änderungsde-tektion deutlich hervor. Darüber hinaus läßt sich im Schmelzbad und dessen Übergang in die Erstarrungszone ein Schlacketeilchen (Pfeil) ausmachen, dessen Bewegungen im Schmelzbad einen Eindruck von der Dynamik dort geben. Beide Bilder stammen aus der in Abbildung4.7erwähnten Grundlagenuntersuchung.

tisch erwies sich die Tatsache, daß die gesuchten Ereignisse pro Produktionslinie nur rund einmal in 24 hununterbrochener Produktion und damit ziemlich selten auftreten. Auch war es im Rahmen dieser Studie nicht möglich, als fehlerhaft beanstandete Teile aus der Weiterverarbeitung sofort auszuschleu-sen und genauer zu untersuchen. Nach der Sichtprüfung, im Produktionsablauf rund20−60 minnach der Laserschweißung, ließen sich gefundene Fehler nur schwer den Bilddaten zuordnen. Ergebnis war, daß unter Inkaufnahme einer hohen Anzahl Pseudofehler bereits ein einfacher Ansatz wahrschein-lich alle gesuchten Ereignisse finden kann. Mit den gewonnenen Bilddaten zahlreicher einwandfreier Prozesse und zwei Prozessen mit Spritzern konnte dann eine geeignete Merkmalsauswahl und Klas-sifikation gefunden werden; gleichzeitig wurde Hardware-seitig die Bildrate erhöht und ein robustes Startsignal für die Bildaufnahme gewählt.

Ein Dauertest (Tabelle4.4 und Abschnitt 4.16) über 243Tage (davon 162ausgewertet) konnte dann die Fertigungstauglichkeit des Verfahrens und des Systems zeigen und belegen, daß das hier vorgeschlagene System die gestellte Ausgabe zuverlässig löst, so daß ein dauerhafter Einsatz an allen Produktionslinien begonnen wurde.

Aus diesem Dauertest wurden beispielhaft die Ergebnisse von sechs aufeinanderfolgenden Tagen in Tabelle4.3vorgestellt. Die Überwachung war bei rund 98% der produzierten Teile aktiv. Bereits in diesem Ausschnitt wird die Strategie klar, eher hohe Anzahlen an Pseudofehlern in Kauf zu nehmen, als Schlupf zu riskieren. Dies bildet sich auch in den Kostenfunktionen der Klassifikation ab. Von den 51 Prozessen, die als “fehlerhaft” detektiert wurden (2,10/00) zeigen bei der genaueren Betrachtung der Bildfolgen und mit einiger Erfahrung nur rund die Hälfte tatsächlich Spritzer: die übrigen Ereignis-se sind eruptives Aufleuchten des Metalldampfes, der sich teilweiEreignis-se so ungünstig in der metallischen Innenseite des Ventils spiegelt, daß weite Bereiche des Bildfeldes schlagartig aufgehellt werden. Von den in den Bilddaten eindeutig belegten Spritzern finden wir bei der Betrachtung der dazugehörenden ausgeschleusten Bauteile bei der Hälfte (13 von 26) ein tatsächlich in der Naht sichtbares Loch oder

Ablagerungen; die andere Hälfte der Bauteile zeigt bei äußerlicher Betrachtung keinerlei Auffällig-keiten (solche Bauteile wurden in die Weitermontage zurückgestellt). Da hierzu Bilddaten vorliegen und daraus sehr genau die betreffende Stelle der Naht zu berechnen ist (Abbildungen4.26) bietet sich an, für solche Teile einen Abschliff der Naht vorzunehmen, um gegebenenfalls verborgene Hohlräume (Abbildung4.24) im Inneren der Naht, auf die der Spritzer ein Hinweis sein kann, nachzuweisen.

Für die Arbeitsabläufe in der Produktion muß man sich vor Augen halten, daß der scheinbar ho-he Anteil von Fehlalarmen angesichts der an sich sehr seltenen Ereignisse nur dazu führt, daß pro Produktionslinie und Tag rund ein Teil fälschlicherweise ausgeschleust wird. Es kann ohne weiteres nach kurzer Draufsicht wieder in die Montage eingestellt werden, wenn es sich um eine Fehldetektion handelt. Selbst wenn die Einstellungen des Systems verlangen, daß solche Ausschleusungen vom be-treuenden Personal sofort und Teile-individuell an der Steuereinheit der betreffenden Montagestation zum Beispiel durch Knopfdruck quittiert werden müssen, so ist der Arbeitsaufwand verglichen mit der im Gegenzug eingesparten 100%-Sichtprüfung aller Teile vernachlässigbar.

Die Besonderheit dieses gewählten Ausschnittes der Dauertest liegt darin, daß in diesem Zeitraum der einzige vom hier getesteten System zu detektierende Fehler (Loch in der Naht mit unmittelbar da-neben angelagertem Spritzer) nicht erkannt wurde und als IO-Teil weitergeführt wurde. Bilddaten des Prozesses liegen daher leider nicht vor. Die Geometrie des Defektes deutet jedoch darauf hin, daß der Spritzer nicht erkannt wurde, weil er nur eine sehr kurze Flugstrecke zurückgelegt (eher ein Auswurf als ein tatsächlich frei fliegender Metallkörper) und sich in einem Bildbereich niedergelassen hat, in dem eine noch eine sehr hohe Varianz der Grauwerte bedingt durch den Rand der Schmelze vorliegt.

Dies gab den Anstoß dazu, das masking/swamping-Verhalten (Erläuterungen dazu im Theorieteil Ka-pitel2.2.2Seite10und Abbildung2.1) der eingesetzten Algorithmik nochmal zu untersuchen und die in Kapitel3.3.6(Seite55) entworfene Iteration einzusetzen.

4.16 Ergebnisse

Hier sollen wichtige Ergebnissen, für die zahlreiche Datensätze und Bauteile vorliegen, an einzelnen Beispielen vorgestellt werden. Sie zeigen, wie hilfreich eine systemetische Detektion von Spritzern und Unregelmäßigkeiten im Schweißprozeß ist, wenn anschließend sowohl das Bauteil, als auch die Bildfolge zu detaillierten Untersuchungen bereit stehen. Die gezeigten Beispiele wurden allesamt während der Langzeitstudie ausgeschleust und anschließend vergleichend mit den Bildfolgen und den Zwischenergebnissen der Algorithmik eingehend untersucht.

Es konnte gezeigt werden, daß sowohl Löcher als auch Spritzer (Abbildung4.8) Erscheinungsfor-men haben, die mit dem grundsätzlichen Ablauf des Schweißprozesses (Abbildung4.2) in Einklang sind. Durch die parallele Qualitätskontrolle während der Langzeitstudie (Tabelle4.4) konnte unter rea-len Produktionsbedingungen (konventionelle Sichtprüfung und Prozeßkontrolle mit Bildfolgenanaly-se beide im Einsatz) eindeutig nachgewieBildfolgenanaly-sen werden, daß zu Spritzern stets Löcher oder Fehlstellen gehören und diese in den meisten Fällen mit dem Bauteil und den Bilddaten vom Prozeß eindeutig zuzuordnen sind (Abbildung4.25). Dies rechtfertigt den Ansatz, zur Qualitätskontrolle der Schweiß-nähte auf Fehlstellen und Löcher eine Bildfolgenanalyse zur Detektion von Spritzern und Eruptionen anzubieten. Nach Anpassungen und Verbesserungen der Algorithmik kam es nur noch zu

Detektions-Machbarkeitsstudie Produktionslinie 1 Produktionslinie 2

Bildfenster 5,4 mm×3,7 mm

Auflösung 128 Pixel×88 Pixel

Bildrate 280 fps

Gesamtdauer 67 h

Überwachungszeitraum 34 h ˆ=50% 16 h ˆ=23%

produzierte Teile ≈17175 ≈17175

Fehler lt. Sichtprüfung 4 ˆ=100 ppm

überwachte Schweißungen 8740 (3980)

gefundene Ereignisse 14 (wegen schlechter

Bild-davon tatsächlich Spritzer 2 qualität nicht auswertbar)

davon Triggerprobleme der Kamera 3

davon Lichtreflexe unklarer Herkunft 5 davon eruptive Aufhellungen ohne Spritzer 4

Tabelle 4.2: Machbarkeitsstudie unter realen Produktionsbedingungen zur Detektion von Spritzern. Vier der 34350produzierten Teile zeigten laut Sichtprüfung die gesuchten Ereignisse. Unter den8740(rund 25% aller) überwachten Schweißprozessen wurden2davon eindeutig gefunden (Abbildung4.22) und konnten fehlerhaften Teilen zugeordnet werden. Zwölf weitere Prozesse (darunter zum Beispiel auch drei Schweißungen, bei denen der Start der Laserschweißung von der Kamera verpaßt wurde) wurden von der Schweißüberwachung als fehlerhaft identifiziert, von der Sichtprüfung aber nicht beanstandet . Die entsprechenden Teile dazu lagen nicht vor. Der Pseudofehleranteil von 85%gilt als vertretbar, da die Ereignisse insgesamt nur sehr selten vorkommen (alle2,5 h)

fehlern zweiter Art (Teile wurden als NIO deklariert, obwohl sie die Sichtprüfung für IO einordnen würde). Fehler erster Art (tatsächliche defektes Teil wird als IO deklariert) kamen nicht mehr vor – soweit sich dies nach der mehrmonatigen Prüfung von 3·106 Teilen und darin zu erwartenden Fehleranzahlen der Größenordnung103feststellen läßt.

Dauertest (Ausschnitt) Produktionslinie 1 Produktionslinie 2

Bildfenster 2,8 mm×2,8 mm

Auflösung 64 Pixel×64 Pixel

Bildrate 648 fps

entspricht1,543 mspro Bild

Gesamtdauer ≈42 h

reale Taktzeit 6,18 s

überwachte Schweißungen 12145 12162

nicht gefundene Ereignisse 0 1

gefundene Ereignisse 21 30

davon:

- eruptive Aufhellungen ohne Spritzer 13 12

- Spritzer in Bilddaten erkennbar 8 18

davon:

- Defekte an der Naht (lt. Sichtprüfung) 3 10

- keine Nahtfehler (lt. Sichtprüfung) 5 8

Tabelle 4.3: Auswertung eines Ausschnittes von42 hProduktionszeit eines bestimmten Teiletypen des Dauer-tests zur Fertigungstauglichkeit.

Nachweis Fertigungstauglichkeit Produktionslinie 1 Produktionslinie 2

Gesamtdauer 162Tage ausgewertet (Laufzeit243Tage)

produzierte Teile ≈899793 ≈934760

reale Taktzeit 6,4 s

überwachte Schweißungen 885644 918641

nicht gefundene Ereignisse 31 56

gefundene Ereignisse 2187 2176

davon:

- eruptive Aufhellungen ohne Spritzer 1771 1404

- Spritzer in Bilddaten erkennbar 416 772

davon:

- Defekte an der Naht (lt. Sichtprüfung) 168 237

- keine Nahtfehler (lt. Sichtprüfung) 248 535

Tabelle 4.4: Auswertung des Nachweises für die Fertigungstauglichkeit für die ersten zwei Drittel der gesamten Erprobung. Ein weiterer Ausschnitt der Erprobung ist in Tabelle4.3bereits im Detail besprochen worden.

Abbildung 4.24: Links oben: In der hier benutzten Aufnahmetechnik erscheinen die inneren Hohlräume von Löchern in der Schweißnaht, die wie konvexe Hohlspiegel das Licht zurückwerfen, in einem bläulichen Glanz-licht Mitte oben: In unmittelbarer Nachbarschaft zu einem großen Spritzer befindet sich ein äußerlich sehr klein erscheinendes Loch in der Naht Rechts oben: Gleiche Aufnahme wie in der Mitte, jedoch mit einer an-deren Fokusebene: wieder sind Loch und Spritzer zu erkennen. Angesicht der ausgeworfenen Masse muß davon ausgegangen werden, daß unter der Nahtoberfläche ein großer Hohlraum steckt, der sich beim Erstarren der Schmelze fast vollständig verschlossen hat und nur eine kleine Öffnung zurückließ. Dieses Loch stammt nicht aus dem Überschweißbereich der Naht. Links unten: Schematische Ansicht der Schweißung mit Bildbereich, der auf dem Kopf steht, so daß sich im Bild das Metall nach links zu bewegen scheint Mitte und rechts unten:

Sechs aufeinanderfolgende Bilder, bei denen die Entstehung des gezeigten Auswurfes (Abbildungen oben Mitte und links) deutlich zu erkennen ist

Abbildung 4.25: Links: Gesamtansicht der verschweißten Spritzlochscheibe. Gelb markiert das Ende der kontinuierlichen Schweißung, rot ein Loch in der Schweißnaht, blau einen Spritzer. Rechts: In den beiden Detailaufnahmen von Spritzer (oben) und Loch (unten) ist deutlich zu erkennen, daß das Loch zum Spritzer hin geöffnet ist und dieser offenbar auch aus der Richtung des Loches flog, bevor er an der Hülse auftraf und erstarrte. Unten: Vier aufeinanderfolgende Bilder zeigen, wie sich der Spritzer herauslöst und in die entsprechende Richtung fliegt.

Abbildung 4.26: Links: Bei diesem Prozeß hat sich bei ca. 605 ein Spritzer aus der Schweißnaht heraus-gelöst und in insgesamt drei Fragmenten (siehe Abbildung4.27) auf der Scheibe niedergelassen. Zwei kleine Metallreste befinden sich unmittelbar neben dem entstandenem Loch, der Hauptteil des Spritzers flog zur gegen-überliegenden Seite der Hülse und erstarrte dort als längliche Metalleruption. Das Ende der kontinuierlichen Schweißung ist gelb markiert, Löcher und Spritzer sind blau und rot markiert. Rechts: In der schematischen Ablaufzeichnung (Bauteil dreht sich im Uhrzeigersinn bzw. Laser dreht sich gegen Uhrzeigersinn) ist zu erken-nen, daß sich der Spritzer rund245nach Beginn der kontinuierlichen Schweißung gelöst hat. Der Versatz in der Ausrichtung des Spritzers und der Position des Loches in der Schweißnaht beträgt20, dies entspricht einer Flugzeit in der sich weiter drehenden Hülse (1,125/ms) von18 ms. Unten: In vier Bildern, die rund6,2 ms abdecken und den Bildpositionen von604 bis609 entsprechen, sieht man, wie sich ein länglicher Spritzer aus der Schmelze herauslöst.

Abbildung 4.27: Die Abbildung zeigt die zu Abbildung4.26gehörenden Details. Weder Loch noch Spritzer wurden überschweißt. Links: Das Loch in der unteren Bildmitte erscheint verglichen zur ausgeworfenen Me-tallmenge äußerst klein. Es steht zu vermuten, daß unter der Nahtoberfläche im Bereich der Einschnürung (am oberen Nahtrand zu erkennen) Hohlräume verborgen sind. Am rechten Bildrand ist ein kleiner Metallauswurf am oberen Rand der Naht zu erkennen. Rechts: Der länglich ausgedehnte Spritzer erscheint gleichmäßig

er-Abbildung 4.28: Vergleich räumlich integrierender Verfahren oder Differenzbildverfahren: weder mit räumlich integrierender Sensorik (simuliert mit dem räumlichen Mittelwerthgi∆X,∆Y) noch mit Differenzbildverfahren (simuliert anhand der Daten durch die Funktion h|g(x, y, t)g(x, y, t1)|i∆X,∆Y) können die in diesem Kapitel detektierten Spritzer (durchHmarkiert) sicher gegen andere Aufhellungen unterschieden werden.

Einen Teil der relativ hohen Zahl von Pseudofehlern machen wahrscheinlich Ereignisse aus, in denen es tatsächlich zu Eruptionen oder heftigen Schwankungen des Prozeßleuchtens kommt (im Bildmaterial nachgewiesen), aber keine von außen für die Sichtprüfung zu identifizierende Fehlstelle in der Schweißnaht auftritt. Es gibt zahlreiche Hinweise (Beispiele in den Abbildungen4.24) auf die Möglichkeit, daß der Prozeß vorhandene Löcher selbst wieder als Hohlraum unter einer dünnen Me-tallschicht versteckt oder solche Stellen, wenn sie im Überschweißbereich liegen, schlichtweg durch erneutes Verschweißen verdeckt werden (Abbildung4.8rechts unten). Für eine systematische Suche, die Bestätigung zum Beispiel durch ein Abschleifen der Nähte und eine Aussage zur Häufigkeit dieses Phänomens, werden momentan ausgeschleuste Teile gesammelt und zurückbehalten.

Die Ergebnisse zeigen auch, daß mit dem Verfahren tatsächlich ein Einblick und Ursachenver-ständnis des Schweißprozesses an sich möglich ist: Flugzeitberechnungen wie in den Abbildungen 4.26und4.27werden von [Schmidt,2003] noch ausgebaut: anhand der in den Bilddaten und aus den Spritzergeometrien ermittelten Fluggeschwindigkeiten und Massen der kugelförmig angenommenen Spritzer lassen sich kinetische Energien und Wärmemengen ermitteln, die als Spritzer ausgeworfen der Schweißnaht und damit ihrer Qualität fehlen.

Im Dokument Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Seite 137-145)