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Die Chemotherapie in der Veterinärmedizin hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und ist derzeit ein zentraler Bestandteil in der Behandlung von Neoplasien beim Hund (GILSON 1998; PAOLONI u. KHANNA 2008). Dennoch sind kurative Therapieerfolge selten (ROWELL et al. 2011), weshalb die Entwicklung von neuen, wirksamen, verträglichen und kostengünstigen Alternativen für den Hund wichtig ist.

Seit der initialen Veröffentlichung von Bonnet et al. (2007) ist DCA Gegenstand aus-giebiger Forschung bei vielen verschiedenen Tumorarten des Menschen (CAO et al.

2008; MICHELAKIS et al. 2010; LIN et al. 2014). Auf Grund seiner einfachen und kostengünstigen Herstellung (STACPOOLE 1989) weckt DCA auch für die Tumor-therapie beim Hund großes Interesse. Bei wenigen pharmakokinetischen Studien (LUKAS et al. 1980; MAISENBACHER et al. 2013) sowie einem in vivo Versuch zur Behandlung einer Laktatazidose (PARK u. ARIEFF 1982) wurde bereits die Verträg-lichkeit von DCA untersucht und eine richtungsweisende Dosierung für den Hund er-stellt. Zwar lassen diese Studien eine gute Verträglichkeit beim Hund vermuten, den-noch fehlen wesentliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit von DCA bei kaninen Neopla-sien.

Für die Fragestellung der Effizienz von DCA sowie dessen Einfluss auf metabolische Stoffwechselvorgänge bei Tumoren des Hundes eignen sich für die vorliegende Stu-die etablierte Zelllinien als in vitro Modell aus kaninem Tumorgewebe. Diese sind po-tentiell unbegrenzt verfügbar und eine leicht zu handhabende Ressource. Zellkul-turen sind ein anerkanntes in vitro Modell für die Untersuchung von Grundlagen sowie für das Screening potentieller Wirkstoffe gegen verschiedene Erkrankungen (BALLS 2002). Neben einem verhältnismäßig geringen personellen und finanziellen Aufwand ist ein wesentlicher Vorteil die Vermeidung von Tierversuchen und somit auch von Schmerzen, Leiden und Schäden (DOKE u. DHAWALE 2015).

Für die eigene Untersuchung wurden verschiedene kanine Zelllinien aus Prostata-, Blasen- und Mammatumoren ausgewählt. Diese, aus epithelialen Tumoren

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nenen Linien, eignen sich auf Grund ihres stabilen sowie forcierten Wachstums sehr gut, um die Auswirkungen auf die Proliferation und Apoptose zu untersuchen. Zudem stellen gerade die jüngeren Zelllinien (DT14/06T, DT15/06, DT15/08 und DT15/09;

unter Passage 20) eine wichtige Ressource dar, die eine große Ähnlichkeit mit den molekularbiologischen Eigenschaften des ursprünglichen Tumors aufweisen und somit einen Hinweis auf die Wirkung von DCA im Gewebe geben können (BURDALL et al. 2003).

Nach ausgiebiger Literaturrecherche und Abwägung der Vor- sowie Nachteile wurde in der eigenen Studie eine Dosis von 10 mM DCA über einen Zeitraum von 48 Stun-den geprüft. Nachteil dieser Dosierung ist die fehlende klinische Relevanz, da, unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Maisenbacher et al. (2013), eine systemische Gabe einer Dosis von 10 mM in vivo nicht ohne toxische Folgen bleibt. Dennoch wurde diese Konzentration ausgewählt, da es sich zunächst um eine explorative Studie handelt und geringere Dosierungen zwischen 0 und 5 mM in anderen Studien einen zu geringen Effekt zeigten (WONG et al. 2008; KWITNIEWSKI et al. 2011) und somit eine Evaluierung der metabolischen Veränderungen als Folge der Behandlung weniger deutlich zu detektieren wäre. Außerdem wurde die hier gewählte Konzentra-tion in vielen Studien des Menschen verwendet und gewährleistet somit eine Ver-gleichbarkeit zu der eigenen Studie (WONG et al. 2008; HO u. COOMBER 2015).

In der vorliegenden Untersuchung an Tumorzellen des Hundes konnte ein antiprolife-rativer Effekt infolge der DCA Exposition in allen untersuchten kaninen Zelllinien nachgewiesen werden. Diese Beobachtung steht in Übereinstimmung mit den Ergeb-nissen an Zelllinien vom Menschen (BONNET et al. 2007; DELANEY et al. 2015).

Worauf dieser Effekt beruht, war bisher nicht abschließend zu klären. Die in der eigenen Studie nachgewiesene Reduktion des Proliferationsmarkers Ki67 deutet auf eine verminderte Zellteilung hin. Die Verzögerung der Zellteilung wäre infolge einer veränderten Expression von Differenzierungsproteinen, wie sie beispielswiese in Neuroblastomen nachgewiesen wurde, vorstellbar (VELLA et al. 2012). Der Nach-weis einer Veränderung im Zellteilungsgeschehen würde jedoch eine umfassende Proteomanalyse erfordern. Darüber hinaus verursachen Veränderungen in der

Ener-Diskussion

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giegewinnung, wie sie anhand der in den eigenen Ergebnissen gezeigten verminder-ten Laktatproduktion sowie der indirekverminder-ten Aktivierung von PDH deutlich wird, einen Drift hin zu einem vermindert malignen Phänotyp der Zelle und könnte somit die Wachstumsvorteile der kanzerösen Zelle reduzieren. Dabei ist auch zu berücksichti-gen, dass eine verminderte Expression des Proteins Survivin als Tumorpromotor und Apoptoseinhibitor (AMBROSINI et al. 1997; LI et al. 1998), dazu beiträgt, die Prolife-rationsrate zu senken. Eine deutliche Verringerung dieses Proteins konnte jedoch nur in den kaninen Zelllinien des Übergangszellkarzinoms nachgewiesen werden.

Bei den anderen untersuchten Zelllinien der Prostata sowie der Mamma (mit Aus-nahme einer Mammakarzinomlinie) kann entsprechend lediglich ein supportiver Ein-fluss auf die Proliferation vermutet werden.

MikroRNAs (miR) sind kleine nichtcodierende RNA-Sequenzen, die eine komplexe Rolle in der Regulation der Genexpression spielen. Sie sind somit von entscheiden-der Bedeutung in entscheiden-der Regulation entscheiden-der pränatalen Entwicklung von Stammzellen, dem späteren Zellwachstum, Zelldifferenzierung und der Induktion des Zelltodes (BARTEL 2004). Eine fehlerhafte Bildung dieser miRs wirkt in der Entstehung von Tumoren mit und ist somit von großem Interesse in der Tumorforschung (LU et al.

2005). Um die Auswirkungen von DCA auf die Zellteilung sowie Apoptosekaskade zu evaluieren, wurden drei, in Tumoren häufig deregulierte, in der Apoptose (miR-375) und Proliferationsregulation (miR-141, miR-145, miR-375) beteiligte miRs untersucht (ZHOU et al. 2014; HAN et al. 2015; WANG et al. 2016). In Folge der DCA Exposition zeigten die Zelllinien der Übergangszellkarzinome eine überwiegend einheitliche Steigerung der miR-141 und miR-375 Expression, die Zelllinien der Prostatakarzinome hingegen teilweise verminderte Expressionen. Die miR-145 wies keine Veränderungen auf, ebenso konnten in den Mammalinien keine Effekte bei den drei untersuchten miRs nachgewiesen werden. Die Veränderungen in der miR Expression können damit nicht abschließend beurteilt werden. Zum einen kann es sich tatsächlich um einen Einfluss der DCA Wirkung handeln, zum anderen ist allerdings auch eine Veränderung der Expression als Folge anderer metabolischer Prozesse möglich und ist dann nicht als direkte Folge von DCA zu betrachten. Es muss in dem Zusammenhang bedacht werden, dass es sich bei den Veränderungen

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zwar um rechnerisch signifikante Ergebnisse handelt, diese sich aber trotzdem im Rahmen einer biologischen Varianz befinden können. Eine direkte Beziehung zwischen der DCA Applikation der veränderten miR Expression als kausale Ursache für die verminderte Proliferation könnte nur über die eigene Untersuchung hinaus mit einer ausführlichen Transkriptomanalyse herausgearbeitet werden. Erkenntnisse über die Veränderungen an den entsprechenden miRs aus Zelllinien des Menschen sind leider nicht verfügbar.

Im Gegensatz zu einigen Zelllinien humanen Ursprungs (BONNET et al. 2007;

WONG et al. 2008; MADHOK et al. 2010; LIN et al. 2014) konnte mit der vorliegen-den Studie in keiner kaninen Zelllinie eine gesteigerte Apoptoseinduktion nach DCA Behandlung nachgewiesen werden. Auf Grund eines möglicherweise negativen Ein-flusses der Trypsinierung sowie der Färbung im Rahmen der Durchflusszytometrie und damit einhergehenden schlechteren Vitalität der Negativkontrolle wurde daher zusätzlich eine TUNEL Färbung an fixierten, adhärenten Zellen mit Hilfe der Fluores-zenzmikroskopie durchgeführt. Entgegen der Vermutung, dass DCA einen pro-apop-totischen Effekt hat, trat auch hier keine vermehrte Apoptose auf und bestätigt somit die Daten aus der Durchflusszytometrie. Ebenso die fehlende Aktivierung von in der Apoptosekaskade involvierten Proteinen (BAD, JNK) legt nahe, dass eine Apoptose innerhalb der untersuchten Zeitspanne von 48 Stunden bei Tumorzelllinien des Hundes nicht ausgelöst wird. In einigen Zelllinien konnte nach DCA Exposition sogar eine verminderte Apoptoserate (MTH52C, DT15/08, DT15/09) und eine damit einher-gehende gesteigerte Vitalität beobachtet werden. Diese Resultate können durch nie-drige Konzentrationen einer normalerweise zytostatisch agierenden Substanz hervor-gerufen werden, welches auch durch Feuerecker et al. (2015) bei von Menschen stammenden Mammalinien sowie bei Neuroblastomzellen beschrieben wurde. Dies steht zudem in Übereinstimmung mit Berichten aus verschiedenen Zelllinien des Menschen (SUN et al. 2010; BABU et al. 2011) sowie der Studie von Stockwin et al.

(2010), in der eine Apoptose erst mit sehr hohen Dosierungen von über 25 mM indu-ziert werden konnte.

Diskussion

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Beim Vergleich der verschiedenen Zelllinien unterschiedlicher Tumorentitäten fällt auf, dass die drei Zelllinien aus kaninen Übergangszellkarzinomen insgesamt ein sehr einheitliches Bild nach DCA Behandlung abgeben. Im Gegensatz dazu, ver-halten sich die Zelllinien der Prostatakarzinome sowie der neoplastischen Mamma-linien doch unterschiedlich. Bei den ZellMamma-linien der Prostata lässt sich dies mit einer sehr heterogenen Malignität der Prostatakarzinome begründen. Häufig ist diese Tumorart im ihrem Ursprung pathohistologisch nicht eindeutig zu klassifizieren (CORNELL et al. 2000). Diese Heterogenität könnte die unterschiedliche Ansprech-barkeit gegenüber DCA erklären. Ein direkter Vergleich zwischen kaninen und humanen Zelllinien gleichen Ursprungs ist auf Grund unterschiedlicher Studien-designs und gering verfügbaren Daten der entsprechenden Tumorentitäten nur ein-geschränkt möglich. Bei einer Dosis von 10 mM DCA über 48 Stunden konnte Cao et al. (2008) in der Prostatakarzinomzelllinie PC-3 des Menschen eine Reduktion der Zellzahl um ca. 35 % gegenüber der Negativkontrolle feststellen, welches im Mittel den Daten der kaninen Prostatazelllinien entspricht (Reduktion um ca. 30 %). Lin et al. (2014) berichtet über eine um 50 % reduzierte Zellzahl nach 24 Stunden, jedoch ist auf Grund einer deutlich höheren Dosierung von 75 mM kein direkter Vergleich zu der vorliegenden Studie möglich. Auf der anderen Seite fanden Lin et al. (2014) eine Verminderung der Laktatproduktion um ca. 25 %. Dies ist auf Grund der unter-schiedlichen Dosierung zwar nicht mit den eigenen Ergebnissen vergleichbar, aber mit einer Reduktion der Laktatproduktion um ca. 30 % in kaninen Zelllinien dennoch konform. Damit scheint eine gewisse Übereinstimmung zwischen humanen und kaninen Prostatakarzinomzelllinien vorzuliegen. Es ist jedoch zu beachten, dass ein Vergleich auf Grund der geringen Anzahl der vorliegenden Daten aus humanen Prostatazelllinien nicht aussagekräftig ist.

Bei den kanzerösen Mammazelllinien verhält es sich ähnlich. So konnte Sun et al.

(2010) sowohl in neoplastischen Mammazelllinien der Ratte als auch des Menschen eine Reduktion der Zellzahl um 60-80 % mit 5 mM DCA gegenüber der unbehandel-ten Kontrolle nach vier Tagen erreichen, jedoch ohne eine Steigerung der Apoptose nachzuweisen. Dieser Effekt bei den kaninen Zelllinien beläuft sich auf eine Reduk-tion um ca. 40 % nach zwei Tagen bei einer Dosis von 10 mM DCA ebenfalls in

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wesenheit einer erkennbaren Apoptoseinduktion. Im Gegensatz zu Untersuchungen von Zelllinien des Menschen konnte in der eigenen Studie kein signifikanter Unter-schied zu der nicht-neoplastischen Mammalinie festgestellt werden (BONNET et al.

2007; SUN et al. 2010; BABU et al. 2011).

Während Daten für die Prostatakarzinomzelllinie PC-3 des Menschen sowie ver-schiedene Mammalinien verfügbar sind, gibt es für Übergangszellkarzinome derzeit keine zugängliche Literatur.

Ob DCA in der Tumortherapie beim Hund sinnvoll verwendet werden kann, ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen. Zwar zeigen sich vielversprechende anti-proli-ferative Effekte, die jedoch alleine nicht ausreichend scheinen, um eine Tumorpro-gression zu verhindern oder gar eine Remission des Tumors zu erzwingen. Auf Grund der systemisch nicht applizierbaren Konzentration von 10 mM lässt sich ver-muten, dass die Wirkung bei niedrigeren, analog zu den Ergebnissen an humanen Zelllinien angewendeten Dosierung noch schwächer ausfällt (SUN et al. 2010;

KWITNIEWSKI et al. 2011). Diese geringen Einflüsse können ggf. jedoch dazu ge-nutzt werden, die Tumorzellen gegenüber anderen Chemotherapeutika oder Bestrah-lung zu sensitivieren, wie es in verschiedenen Studien bereits gezeigt wurde (CAO et al. 2008; XUE et al. 2012; ZHANG et al. 2016). Hier wäre zum Beispiel die Proteinex-pression von SLC5A8 von Interesse. Bei SLC5A8 handelt es sich um ein Gen, welches für das Transportprotein SMCT in der Plasmamembran codiert, jedoch in Tumorzellen infolge einer Methylierung des Gens inaktiv vorliegt (LI et al. 2003;

COADY et al. 2004). Das SMCT Protein ist offenbar essentiell für die Akkumulation von DCA in der Zelle (BABU et al. 2011). Ein Ansatz wäre es daher, die Expression von SLC5A8 mittels demethylierenden Agenzien wie z. B. 5-Azacytidin (LI et al.

2003), wie es bereits beim myelodysplastischen Syndrom des Menschen angewen-det wird (FENAUX et al. 2010), wieder zu aktivieren. Damit ließe sich eine Akkumula-tion von DCA in den Zellen erreichen und die Apoptose induzieren bzw. steigern (BABU et al. 2011), die in Kombination mit einem weiteren Chemotherapeutikum for-ciert werden könnte. Eine Option wäre, mit einer Kombinierung dieser Substanzen und einer geringeren DCA Dosis, einen synergistischen Effekt und dementsprechend eine bessere Verträglichkeit zu erreichen.

Diskussion

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Eine Alternative zur systemischen Anwendung wäre insbesondere im Falle des Über-gangszellkarzinoms mit vesicaler Lokalisation sowie beim Mammatumor, eine intra-läsionale Therapie (ABBO et al. 2010; ZHANG et al. 2016). Dies hätte den Vorteil, eine deutlich höhere Konzentration im Tumor bzw. in dessen Umgebung zu errei-chen und den Effekt von DCA lokal am Tumor zu erhöhen.

Bevor DCA in vivo beim Hund Anwendung findet, ist es unumgänglich, geeignete Dosierungen in vitro zu etablieren. Auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse lässt sich jedoch schlussfolgern, dass eine alleinige Therapie mit DCA für den Hund als verträgliche und kostengünstige Alternative ausgeschlossen werden kann

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