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Ein umfassendes Wissen über die unterschiedlichen Pathologien von Dysfunktionen und Schmerzen bei einliegender Knieendoprothese ist von großer Bedeutung, um die genauen Ursachen des Implantatversagens bestimmen und diese in der Revisionsoperation gezielt adressieren zu können.

In diesem Zusammenhang war das Ziel dieser Arbeit, ein aktuelles Bild über die Revisionschirurgie am Kniegelenk mit differenzierter Betrachtung auf die Ursachen zu geben. Es sollte eine Terminologie entwickelt werden, die sich auf das klinische Problem konzentriert und in der täglichen Routine der Operateure verwendet werden kann. Darüber hinaus lag unser besonderes Interesse darin, diese aktuellen Entwicklungen mit Einführung neuer Diagnosen in der Revisionschirurgie über den betrachteten Zeitraum darzustellen.

In diesem Zusammenhang haben wir 1225 Eingriffe, die im Zeitraum von 2001 bis 2009 in der orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift durchgeführt wurden, in unserer Studie retrospektiv untersucht. Vergleicht man die Patientenkollektive der bisher in der Literatur vorhandenen Studien mit unserem Patientenkollektiv, so zeigt sich, dass unser Kollektiv mit über 1000 Revisionsoperationen eines der größten Kollektive in diesem Zusammenhang darstellt. Das Patientenkollektiv von Sharkey et al. zum Beispiel umfasste 212 Patienten und das von Mulhall et al. 318 [28; 42]. Lediglich das Patientenkollektiv von Bozic et al. umfasste mehr Eingriffe als unseres. Allerdings lieferte diese Studie eine geringere Aussagekraft für die spezifische Fragestellung, weil hier eine Klassifizierung anhand der ICD-Kodierung durchgeführt wurde. Diese Klassifizierung basiert auf einer sehr allgemeinen Terminologie („mechanische Lockerung“, „Infektion“ und „other mecanical complication“) [5]. Auch wenn anhand dieser Fallzahlen eine gute Bestimmung der jeweiligen Häufigkeit dieser genannten Probleme möglich war, lieferten die Daten beispielhaft nur wenig Aufschluss über die klinische Relevanz aufgrund der Tatsache, dass die Diagnosegruppen zu allgemein gefasst waren. Eine konkrete Therapieentscheidung war anhand der Klassifikation nicht möglich. Daraus folgte, dass sie im Alltag des Chirurgen nur wenig hilfreich war.

In unserer Arbeit wurde darüber hinaus erstmals die Dynamik in der Häufigkeit von Revisionsoperationen bei einliegender Knieendoprothese in einem Zentrum dargestellt (Grafik 1). Es zeigte sich ein stetiger, deutlicher Anstieg an durchgeführten Operationen pro Jahr bis zu einer Sättigungskurve ab 2007 bei rund 200 Revisionseingriffen. Eine solche Dynamik wurde bisher in noch keiner anderen Publikation deutlich. Lediglich die

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Endoprothesenregister haben bisher einen ähnlichen Trend abgebildet. Die BQS veröffentlichte zum Beispiel, dass in Deutschland die Zahl der Revisionsoperationen von 2007 auf 2008 um 8,6% anstieg. Im Jahr 2007 wurden die Datensätze von 9.598 Revisionsoperationen der BQS geliefert und im Jahr 2008 waren es 10.425 Datensätze [4].

Auch das norwegische Register für Arthroplastik aus dem Jahr 2010 zeigte, dass die Zahl der Revisionsoperationen im Zeitraum von 1994 bis 2009 stetig zunahm. Im Jahr 1994 wurden in Norwegen 74 Revisionsoperationen registriert. Im Jahr 2001 wurden 197 Revisionsoperationen registriert und im Jahr 2009 waren es 435 registrierte Revisionsoperationen [1].

Bei dem Vergleich der Anzahl der durchgeführten Revisionen pro Jahr an unserer Klinik mit den Zahlen der BQS zeigte sich, dass in unserer Klinik mit rund 200 Revisionseingriffen ab dem Jahr 2007 überdurchschnittlich viele Revisionen durchgeführt wurden. Die im Jahr 2008 der BQS gelieferten 10.425 Datensätze von Revisionsoperationen wurden aus 903 Kliniken zusammengetragen. In der Studie der BQS wurde beschrieben, dass in 149 der 903 Kliniken mehr als 20 Revisionseingriffe durchgeführt wurden. In 754 der 903 Kliniken wurden ein bis 19 Revisionseingriffe im Jahr 2008 durchgeführt [4].

Wie bereits erwähnt, beobachteten wir an unserer Klinik ab dem Jahr 2007 eine Sättigungskurve der durchgeführten Revisionsoperationen. Diese Tatsache deckte sich zunächst nicht mit den Erkenntnissen der Daten aus der Literatur, die von einer weiteren Zunahme der durchgeführten Revisionen berichteten. Ein Erklärungsansatz für diese Sättigungskurve war die begrenzte OP-Kapazität in unserem Haus, deren Limit für Revisionsoperationen erreicht schien.

Wie aufgeführt, war als primäres Ziel der Arbeit die Erstellung einer umfassenden Darstellung an Pathologien definiert, die zu einem Revisionseingriff von Knieprothesen führten. In unserem Kollektiv konnten wir in diesem Zusammenhang 36 verschiedene Diagnosen abgrenzen und benennen, wie in Tabelle 1 aufgeführt. Diese stellen im Wesentlichen eine weitere Spezifizierung und Aufgliederung zur bestehenden Literatur dar.

Außerdem repräsentiert diese Kategorisierung den aktuellen Stand der Kenntnisse über die vielfältigen Ursachen von Revisionen an Knieendoprothesen.

Im Vergleich zu der bestehenden Literatur ergab sich eine deutlich umfassendere Betrachtung der unterschiedlichen Ätiologien des Versagens von Knieprothesen. Wie oben aufgeführt, geht eine der ersten differenzierten klinischen Betrachtungen von unterschiedlichen Versagensgründen auf eine Arbeit von Sharkey et al. aus 2004 zurück. Im Zeitraum von 1997 bis 2000 untersuchten sie 212 Revisionseingriffe und definierten dabei zehn Diagnosekategorien [42]. Die von Sharkey aufgenommenen Diagnosegruppen waren:

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Infektion, aseptische Lockerung, PE-Verschleiß, Fehlpositionierung von Komponenten, Instabilität, periprothetische Frakturen, Arthrofibrose, avaskuläre Nekrose der Patella, sekundärer Patella-Rückflächenersatz und die Insuffizienz des Streckapparates.

2006 publizierten Mulhall et al. die erste multizentrisch durchgeführte prospektive Kohortenstudie an Patienten mit Revisionen an Knieendoprothesen. Insgesamt wurden in dieser Studie 318 Revisionseingriffe untersucht [28]. Es wurden 14 verschiedene Pathologien, die zu einer Revision führten, aufgelistet. Im Vergleich zu Sharkey et al. wurden die Diagnosegruppen - wie Arthrofibrose, avaskuläre Nekrose der Patella, sekundärer Patella-Oberflächenersatz und periprothetische Fraktur - nicht differenziert, während andere, meist designspezifische Versagensmechanismen - wie die Fraktur des Implantats, Fraktur von Drähten und Schrauben, modulare Komponentendissoziation sowie die „ingrowth pad dissociation“- beschrieben wurden [28; 42]. Mullhall et al. kamen zwar in ihrer Studie auf mehr Diagnosegruppen, allerdings stellte dies keine Weiterentwicklung des Diagnosekatalogs von Sharkey et al. dar, da wieder eine zum Teil sehr eigene Kategorisierung verwendet wurde. Mulhall et al. setzten einen Schwerpunkt in die desingnspezifischen also implantatbezogenen Versagensmechanismen und führten in ihrer Studie eine weitere Differenzierung auf.

Im Vergleich zu unserer Kategorisierung fehlt bei beiden Ansätzen eine klinisch motivierte Unterscheidung von bestimmten Versagensmechanismen für eine gezielte Therapie. In unserer Studie wurden die einzelnen Diagnosen nach dem aktuellen Stand der Forschung differenziert betrachtet und insbesondere Unterschiede für die Therapie mit berücksichtigt.

Anhand dieser differenzierten Betrachtung, wie sie bis jetzt in noch keiner vorliegenden Literatur dargestellt wurde, soll eine konkrete Therapieentscheidung ermöglicht werden. So wird beispielhaft die globale Instabilität gegenüber der mittleren Flexionsinstabilität und auch der anteriorposterior Instabilität abgegrenzt, weil jeder Instabilitätstyp eine unterschiedliche operative Therapie erfordert.

Gleiches ließ sich für die Diagnosegruppe der Fehlpositionierung von Komponenten, wie sie von Sharkey et al. beschrieben wurden, darstellen, die nach der aktuellen Literatur weiter differenziert werden kann. Dabei bezogen wir uns auf eine aktuelle Studie von Lakstein et al., die die Malrotation als Unterkategorisierung der Malpositionierung beschrieben [22].

Auch Perka et al. haben früher die Differenzierung der Malrotation gegenüber der Achsfehlstellung mit Hinblick auf einen diagnostischen und operativen Algorithmus für den Umgang mit Fehlpositionierungen beschrieben [33]. Diese Differenzierung wurde auch von uns aufgegriffen, beziehungsweise konnte an unserem Kollektiv dargestellt werden.

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Eine weitere wichtige differenzierte Diagnosegruppe, die in den Diagnosekatalogen der vorliegenden Literatur bisher noch nicht berücksichtigt wurde, ist die Low-Grade-Infektion.

Sowohl Sharkey et al. als auch Mulhall et al. beschrieben nur die Diagnosegruppe der Infektionen und unterteilten diese höchstens in eine Früh- oder Spätinfektion [28; 42]. Die Diagnosegruppe des Low-Grade-Infektes wurde von Ivancevic et al. 2002 in einer Publikation beschrieben, wurde aber im Hinblick auf die Ursachenanalyse bei großen Kollektiven an Revisionseingriffen noch nicht weiter berücksichtigt [18]. Trotz fehlender eindeutiger Definitionen des Low-Grade-Infektes ließ sich diese überwiegend klinisch gestellte Diagnose ebenso in unserem Kollektiv der Revisionseingriffe darstellen.

In letzter Zeit wurde ein weiterer neuer Begriff rege diskutiert. Allergische Reaktionen auf Prothesen- und Implantatmaterialien werden immer häufiger als Ursache für eine Prothesenlockerung angesehen. Diese Ätiologie des Prothesenversagens basiert im Wesentlichen auf den Arbeiten der Arbeitsgruppe um Thomas, Thomsen und Schuh. In einer Studie von Schuh et al. wurden 2005 im Rahmen einer Nachsorgeuntersuchung nach Hüft- und Knieendoprothesen-Implantationen 300 Patienten auf Allergien gegenüber Metallen und Knochenzementbestandteilen befragt [40; 50]. Auch eine Arbeit von Granchi et al.

beschäftigte sich mit diesem Thema [14].

Neben der Aufstellung dieses neuen Diagnosegruppen-Katalogs war das zweite Ziel dieser Studie die Bestimmung der Inzidenzen der einzelnen Diagnosegruppen. Hierdurch sollte deren klinische Relevanz in unserem großen Kollektiv dargestellt werden.

Insgesamt am häufigsten wurden Revisionen bei septischen Komplikationen durchgeführt.

Der gesamte Anteil an septischen Revisionen zusammengesetzt aus Frühinfekt-, Spätinfekt- und Low-Grade-Revisionen lag in unserer Studie bei 30,5%.

Im Vergleich zu der übrigen Literatur zeigten sich hier nur geringe Abweichungen. Die Auswertung der US Nationwide Inpatient Sample von über 60.000 Revisionen von Knieendoprothesen, veröffentlicht von Bozic et al., ergab eine Inzidenz von 25,2% [5].

Andere Studien berichteten von Werten, die bei 38% bis 10,4% liegen [11; 28].

In unserer sowie in anderen Studien wurde die Diagnosegruppe der Infektionen in Früh- und Spätinfektionen eingeteilt. In unserer Studie lagen der Anteil der Revisionseingriffe aufgrund einer Spätinfektion bei 14,3% und der Anteil aufgrund einer Frühinfektion bei 12,9%.

Bei Sharkey et al. lagen der Anteil an Revisionen aufgrund einer Frühinfektion bei 25,4% und der Anteil aufgrund von Spätinfektionen bei nur 7,8% [42] . Die Unterschiede hier sind nach unserer Ansicht in einem unterschiedlichen Studiendesign, wie unten näher aufgeführt, und auch in einer eventuell anderen Definition von Früh- und Spätinfekten begründet.

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Im Gegensatz zu der bestehenden Literatur differenzierten wir die infektbedingten Revisionen weiter. So verwendeten wir in unserem Diagnosekatalog die in der Literatur zunehmend auftauchende Diagnosegruppe des Low-Grade-Infektes. In einer von Ivancevic et al. durchgeführten Studie, mit insgesamt 30 Patienten mit der Diagnose des Low-Grade-Infektes wurde dieser Low-Grade-Infekt zunächst als eine sehr schwer zu diagnostizierende, aber insgesamt unterschätzte Ursache für das Versagen einer Knieendoprothese angesehen. Er vermutete sogar, dass zahlreiche als aseptisch klassifizierte Eingriffe in dieses Kollektiv einzuordnen wären. Er kam zu dem Schluss, dass es sich insgesamt um ein unterschätztes Problem handelt. Zahlen zur Inzidenz der Erkrankung in einem großen Kollektiv sind jedoch bis heute nicht bekannt.

In unserem Kollektiv wurde, wie bereits erwähnt, die Diagnosegruppe des Low-Grade-Infektes im Jahr 2003 zum ersten Mal benannt. Obwohl in Betrachtung der Gesamtinzidenz diese Diagnose bisher von keiner großen klinischen Bedeutung zu sein schien, ergab die Analyse der Häufigkeit im zeitlichen Verlauf einige interessante Aspekte. Es zeigte sich, dass diese Diagnosegruppe über die letzten 10 Jahre als Beobachtungszeitraum stetig an Bedeutung gewann. Von den Diagnosegruppen, die während des von uns untersuchten Zeitraums erstmalig gestellt wurden, machte diese Diagnosegruppe eine der auffälligsten Entwicklungen durch. Es zeigte sich ein deutlicher Anstieg der diagnostizierten Low-Grade-Infektionen bis zum Jahr 2009. Im Jahr 2003 lag der prozentuale Anteil an diagnostizierten Low-Grade-Infektionen bei 3,5%. Im Jahr 2009 machte der Anteil an Low-Grade Infektionen bereits 10,2% im Vergleich zu allen Diagnosegruppen aus. Entsprechend ergab sich, dass die Low-Grade-Infektion in der heutigen Betrachtung sehr wohl eine klinisch bedeutende Stellung einnimmt. Dies ist allerdings nicht damit zu erklären, dass es sich um eine neu aufgetretene Diagnose und um ein neues Problem handelt, sondern es handelt sich um eine neue Einschätzung eines vorbestehenden Problems mit neuer Nomenklatur. Es besteht eine neue Sensibilität gegenüber dem Problem der Low-Grade-Infektion. Dies erklärt den Anstieg der Diagnosestellung. Interessanterweise wurde diese Diagnosegruppe im wesentlichen aus der Gruppe des aseptischen Implantatversagens rekrutiert, die einen prozentualen Rückgang aufwies und nicht aus den bereits als Früh- oder Spätinfekt klassifizierten Revisionen. Dies unterstreicht erneut die Aussage von Ivancevic und anderen Autoren.

Neben den verschiedenen Arten von Infektionen waren die Hauptindikationen für Revisionen an Knieendoprothesen in unserer Studie anteriore Knieschmerzen oder Komplikationen im Zusammenhang mit dem Patellofemoralen-Gelenk (20,2%). Dies unterscheidet sich von anderen Studien. Sharkey et al. beschrieben Probleme im Zusammenhang mit dem Extensor Mechanismus nur halb so oft wie wir [42]. In anderen Studien wurden 15,7% bis 1,4% der

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Fälle angegeben [15; 28]. Ein Erklärungsansatz für die bei dem Vergleich der Studien aufgetretenen unterschiedlichen Inzidenz-Werte der Diagnosegruppe Patellofemorale-Problematik könnte in den unterschiedlichen Therapiestrategien der Kliniken zu finden sein.

So ist in den USA der Einbau eines Patellarückflächenersatzes während der Index- Operation häufig Standard, während dieser in unserem Institut nur bei ausgewählten Patienten beziehungsweise von wenigen Operateuren durchgeführt wird. Dies führte zu dem Schluss, dass in unserem Institut die Revision des Patellofemoralen-Gelenkes oft die erste Maßnahme bei Dysfunktion und Schmerzen nach totaler Knieendoprothetik darstellte. Dies stellte in anderen Kliniken keine entsprechende Option dar. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang jedoch, dass in unserer retrospektiven Studie eine sichere Unterscheidung der spezifischen Versagensmechanismen in der Gruppe der Patellofemoralen-Pathologie nicht immer möglich war. Deshalb haben wir die in der Übersichtskategorisierung differenziert aufgeführten Diagnosen in der statistischen Aufarbeitung der Inzidenzen zusammengefasst. Die Mehrheit der durchgeführten Revisionen wurde als sekundäre Patellaarthrose bezeichnet, die einen sekundären Patellarückflächenersatz rechtfertigt. Eine Kombination von Soft-tissue Prozeduren, Synovektomie, Ligament-balancing oder einer Arthrolyse trat im Zusammenhang mit dem Rückflächenersatz ebenfalls häufig auf. Dies zeigte, dass in unserer Studie eventuell andere Pathologien in der Diagnose eines Patellofemoralen-Problems aufgenommen wurden, die hier als Nebenprozedur mit therapiert wurden, während sich die Hauptindikation auf die Patella konzentrierte. Insgesamt betrachteten wir die Diagnose der Patellofemoralen-Problematik als überrepräsentiert. Dies unterstreicht erneut die Notwendigkeit einer präzisen Evaluation der zugrundeliegenden Pathologie anteriorer Knieschmerzen.

In diesem Zusammenhang hatten wir, wie in der Hypothese 2 dieser Arbeit ausgedrückt, erwartet, dass ein Rückgang der durchgeführten Revisionen an Patellofemoralen-Gelenken aufgrund des differenzierteren diagnostischen Algorithmus und der Anwendung der spezifischen Diagnosen in unserem Institut sich darstellen würde. Bisher war dies an unseren Daten jedoch nicht zu beobachten. Es gab weder eine signifikante Änderung noch einen sichtbaren Trend in der relativen Häufigkeit der Patellainterventionen im Vergleich zum Gesamtkollektiv.

Die aseptische Lockerung war die dritthäufigste Ursache für Revisionen in unserem Kollektiv mit 19,7%. In der Literatur wurden Werte von 16% bis 51% beschrieben [5; 42]. Die Unterschiede zwischen den Inzidenzen der einzelnen Autoren können auf unterschiedliche Studiendesigns zurückgeführt werden. So konzentrierten sich einige Studien nur auf die primäre Revisionsoperation nach der Index-Operation, während wir beispielsweise auch

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nachfolgende Revisionen am Kniegelenk mit berücksichtigt haben. Wiederum andere Autoren schlossen alle Pathologien, die während der Operation gefunden wurden, mit in die Studie ein [28; 42]. Andere Studien, wie auch unsere Studie, konzentrierten sich nur auf einen Versagensmechanismus [5; 11; 15].

In diesem Zusammenhang ist zu diskutieren, dass wir die Betrachtung jeder einzelnen vorliegenden Pathologie für die Bewertung der klinischen Relevanz in Bezug auf bestimmte Diagnosegruppen als kritisch erachteten. Einige der genannten Pathologien waren beispielsweise als Folge einer anderen (Haupt-)Pathologie zu sehen. Andere beschriebene Pathologien stellten in bestimmten Fällen isoliert auch keine eigenständige Indikation zu Revisionsoperation dar. Entsprechend ergab sich hier die Gefahr der Überrepräsentation einzelner Pathologien bei der Angabe der Inzidenzen. Beispielhaft sei hier auf die Bewertung des Polyethylen-Abriebs und auf die Instabilitäten hingewiesen.

Sharkey et al. beschrieben den Polyethylenabrieb als den häufigsten Versagensgrund von Knieendoprothesen (25%). In ihrer Studie wurde jedes Inlay, das in der Revision eine leichte Höhenminderung aufwies, als PE-Verschleiß beschrieben. Diese Tatsache alleine hätte jedoch nicht unbedingt zu einer Revision geführt [42]. Es ist fraglich, ob bei frühem Implantatversagen der beschriebene Abrieb ohne das Vorhandensein von anderen Pathologien zu der Revision geführt hätte. Außerdem konnten wir in unserer Studie zeigen, dass sich die Inzidenz des Polyethylenabriebs in den letzten Jahren zurückentwickelt hat (Grafik 4). Im Jahr 2002 lag der Anteil der Diagnosegruppe des Polyethylenabriebs an unserer Klinik bei 11,7%. In den folgenden Jahren war eine rückläufige Tendenz zu erkennen. Im Jahr 2009 lag der Anteil der Diagnosegruppe des Polyethylenabriebs bei 2,6%.

Hier wurden nur die Revisionen aufgeführt, bei denen ein isolierter PE-Verschleiß ohne Komponentenlockerung vorlag. Es wurde somit die klinische Relevanz des Problems Polyethylenabrieb dargestellt, die mit einem isolierten Inlaywechsel gelöst werden kann.

Desweiteren verdeutlicht die Grafik indirekt den Benefit durch den Einsatz neuer Werkstoffe in der Knieendoprothetik durch die Verwendung der hochvernetzen Inlays, die den Abrieb deutlich einschränken. Bei Sharkey et al. halten wir die Diagnosegruppe des Polyethylen-Abriebs für überrepräsentiert im Hinblick auf die klinische Relevanz.

Ähnlich verhält es sich mit den aufgeführten Instabilitäten. Bei der Betrachtung der Definitionen der Instabilitäten der unterschiedlichen Autoren zeigte sich erneut, dass die Kriterien, mit der die Autoren die Revisionen in eine Diagnosegruppe einteilten, sich teilweise deutlich unterschieden. Sharkey und Mulhall fassten in ihrer Auflistung alle Formen der Instabilitäten zusammen. Auch diese Diagnosegruppe hatte eine entsprechend hohe Inzidenz. In der Betrachtung von Sharkey et al. flossen allerdings primäre und sekundäre Instabilitäten wie beispielsweise durch Lockerung des Implantats oder durch PE-Verschleiß

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mit in die Diagnosegruppe ein. Unserer Ansicht nach besitzt dies aber nicht unbedingt eine therapeutische Relevanz in Bezug auf die operative Strategie. Die Problematik muss wesentlich differenzierter betrachtet werden [42]. Erneut ergab sich, dass diese Diagnosegruppe der Instabilität bei Sharkey et al. tendenziell überbewertet wurde. In unserer Studie wurde im Vergleich dazu eine weitere Unterkategorisierung der Instabilitäten durchgeführt. Unsere Untersuchungen ergaben, dass innerhalb unseres Patientenkollektivs Revisionen aufgrund einer globalen Instabilität in 4,5% der Fälle durchgeführt wurden, aufgrund einer Mid-Flexion-Instabilität in 1,5% der Fälle und aufgrund einer anterior-posterioren Instabilität in 0,4% der Fälle. Dabei ist anzumerken, dass diese differenzierte Betrachtung zum Teil erst durch neue diagnostische Methoden möglich wurde. Eine neue Technik zur Darstellung spezifischer Flexionsinstabilitäten durch Varus-/Valgus-Stressaufnahmen in Flexion wurde beispielhaft von Stahelin et al. in ihrer Publikation von 2002 beschrieben [46]. Allerdings ist anzumerken, dass eine Limitation dieser differenzierten Betrachtung der Instabilitäten derzeit noch darin besteht, dass bisher keine klaren Definitionen oder Referenzwerte für die Diagnosesicherung der Instabilität bei Knie-TEP existieren. Es ist noch nicht eindeutig geklärt, wann eine relevante Instabilität vorliegt und wann nicht. In unserer Studie wurden nur die Operationen als Revisionsoperation der Instabilitäts-Diagnosegruppe zugeordnet, die aufgrund einer klinisch relevanten Instabilität durchgeführt wurden. Das heißt, es musste sowohl radiologisch eine Instabilität nachgewiesen werden, als auch klinisch ein Instabilitätsgefühl mit Schmerzen vom Patienten berichtet werden. Diese Schmerzen werden üblicherweise in Belastungssituationen in Flexion beschrieben, also beim Aufstehen von einem Stuhl oder beim Treppabwärtsgehen.

Wie im Vorangegangen schon mehrfach angeführt, wurden in unserer Studie bei der Betrachtung der einzelnen Diagnosegruppen auch deren Inzidenzentwicklung im zeitlichen Verlauf analysiert. Diese historische Betrachtung wurde nach unserem Kenntnisstand in noch keiner Studie zuvor durchgeführt. Besonders interessant erschien dies für die Darstellung von „neuen“ Diagnosegruppen und dem Zeitpunkt ihrer ersten Spezifizierung im klinischen Alltag. Außerdem war die Darstellung von aktuellen Trends und Veränderungen in der Revisionschirurgie ein weiteres wesentliches Ziel unserer Studie.

Im Ergebnis konnten wir mit unseren Daten darstellen, dass neue Begriffe und Diagnosen, wie sie bereits von anderen Autoren beschrieben wurden, in unserem Kollektiv während des von uns untersuchten Zeitraums neu auftauchten. Dies waren zum Beispiel die Low-Grade Infektion. Diese tauchte in unserer Statistik im Jahr 2003 das erste Mal als definierte Diagnose auf, nachdem sie ab 2002 als etablierter Begriff in der Literatur auftauchte. Die

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allergisch bedingten Komplikationen, die 2006 das erste Mal in unserer Klinik diagnostiziert

allergisch bedingten Komplikationen, die 2006 das erste Mal in unserer Klinik diagnostiziert