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Hansen Typ I Bandscheibenvorfälle sind eine häufig diagnostizierte neurologische Erkrankung, von der – wie auch in dieser Studie - chondrodystrophe Rassen überdurchschnittlich häufig betroffen sind (Ferreira et al., 2002; Fluehmann et al., 2006; Bull et al., 2008). Der Betrag der kinetischen Energie, welche bei der Herniation des Bandscheibenmaterials auf das Rückenmark übertragen wird, bedingt die Schwere der Kontusionsläsion und der Grad, respektive das Volumen der Kompression des Rückenmarks bestimmt das Ausmaß der Kompressionsläsion (Anderson, 1985; Kwo et al., 1989; Carlson et al., 2003; Scheff et al., 2003; Smith and Jeffery, 2006; Jeffery et al., 2013). Diese pathophysiologischen Prozesse bestimmen die Schwere und - in Abhängigkeit von der Lokalisation der Läsion - die Art der Symptome wie Dolenz, motorisch-sensorische Defizite von propriozeptiver Ataxie und Paresen bis zu Plegien mit erhaltener oder abwesender Tiefenschmerzwahrnehmung, sowie Harn- und Kotabsatzbeschwerden (Coates, 2000; Olby et al., 2003; Cerda-Gonzalez and Olby, 2006; da Costa et al., 2006; da Costa, 2010).

Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) dient unter anderem der Evaluation deszendierender motorischer Bahnen des Gehirns und Rückenmarks und liefert als sichere Technik quantifizierbare Ergebnisse zur Evaluation der funktionellen Integrität dieser neuronalen Strukturen (Barker et al., 1987; Kandler, 1990; Strain, 1990; Loo et al., 2008;

Rossi et al., 2009). Diese Eigenschaften der TMS wurden in der vorliegenden Arbeit genutzt, um die funktionelle motorische Regenerationsfähigkeit des Rückenmarks nach einer schweren Schädigung durch eine thorakolumbale Bandscheibenextrusion zu untersuchen. Für die Diagnose von Bandscheibenvorfällen besitzt die MRT eine sehr große Bedeutung und in mehreren Studien konnten für die Therapie relevante Merkmale der Kompression, sowie prognostische Faktoren wie das Hyperintensitäts-Längenverhältnis (HLV) bestimmt werden (Ito et al., 2005; Naude et al., 2008; Levine et al., 2009; Griffin et al., 2015). Diese Erkenntnisse wurden in der vorliegenden Studie reevaluiert und die MRT-Messerergebnisse wurden mit den mittels TMS generierten TMMEPs verglichen, um diese auf einen linearen Zusammenhang zu untersuchen, wie er in Studien an Hunden mit CSM nachgewiesen werden konnte (da Costa et al., 2006; Martin-Vaquero and da Costa, 2014).

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Für die vorliegende prospektive Studie wurden 21 Hunde rekrutiert, die zum Zeitpunkt einer initial durchgeführten neurologischen Untersuchung paraplegisch bei vorhandener oder abwesender Tiefenschmerzwahrnehmung waren und deren Rückenmarksläsion bei T3-L3 lokalisiert wurde. Nachfolgend wurde eine TMS unter Sedation durchgeführt. Mittels MRT und chirurgischer Therapie (Hemilaminektomie) wurde die Diagnose einer thorakolumbalen Bandscheibenextrusion gesichert.

Eine Ableitung von TMMEPs war bei keinem der untersuchten paraplegischen Hunde erfolgreich, was mit Studien von Sylvestre et al. (1993) und Amendt (2014) in Einklang steht, in welchen die Detektion von TMMEPs nach Bandscheibenextrusion bei paraplegischen Hunden nicht möglich war. Durch Kontusion und Kompression des Rückenmarks wird ein primärer Schaden ausgelöst, welcher durch das Auftreten von Hämorrhagien und Ödemen in Folge einer Schädigung der Blut-Rückenmark-Schranke bei zunächst nur geringer struktureller Schädigung des Rückenmarksparenchyms charakterisiert ist (Smith and Jeffery, 2006; Rowland et al., 2008). In unmittelbarer Folge der Kompression verursacht eine Änderung der architektonischen Anordnung juxtaparanodal gelegener Ionenkanäle für einen Konduktionsblock, der die saltatorische Weiterleitung deszendierender Aktionspotentiale verhindert (Ouyang et al., 2010; Papastefanaki and Matsas, 2015). Wenngleich die Extrusion selbst nicht direkt beobachtet werden kann, so ist doch anhand des anamnestisch berichteten zeitlichen Auftretens der klinischen Symptome näherungsweise eine Bestimmung der Dauer des pathologischen Zustandes im Rückenmark möglich. In Fällen, bei denen dieser nur wenige Stunden bis zur initialen neurologischen Untersuchung und TMS bestand (n = 7), liefern die oben geschilderten Prozesse eine mögliche Erklärung für den Verlust der Spontanbewegungen, sowie der TMMEPs. Die 14 Hunde, welche in der vorliegenden Studie bereits >24 h klinische Symptome eines Bandscheibenvorfalls zeigten, waren vermutlich zunehmend von den Folgen der sekundären Schädigung des Rückenmarks betroffen. Bereits innerhalb von Sekunden bis Minuten nach dem Insult treten diese Prozesse ein, deren Folgen histopathologisch nach wenigen Stunden bis Tagen sichtbar werden (Smith and Jeffery, 2006;

Papastefanaki and Matsas, 2015). Es kommt zur Mikrogliaaktivierung, Myelinophagie und der Freisetzung reaktiver Sauerstoffspezies, sowie dem Ca-Influx in Gliazellen und Axone;

zudem entsteht eine Exzitotoxizität durch die Freisssetzung erregender Neurotransmitter wie Glutamat (McEwen and Springer, 2005; Spitzbarth et al., 2011; Boekhoff et al., 2012; Jeffery

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et al., 2013). Die Folge sind Hämorrhagien, Ödeme, Inflammation sowie die Degradation der Axone der weißen Substanz mit Apoptose der Oligodendrozyten und konsekutiver Demyelinisierung (Smith and Jeffery, 2006; Rowland et al., 2008). In der grauen Substanz kann die Nekrose von Neuronen nachgewiesen werden und ein zunehmend zystisches Erscheinungsbild stellt sich ein (Beattie, 2004; Jeffery et al., 2013). In der Summe führen diese pathologischen Veränderungen zu einem Konduktionsblock, so dass auch in späteren Stadien der Rückenmarksläsion und fortbestehender Kompression eine Weiterleitung deszendierender Aktionspotentiale nach kaudal nicht mehr erfolgt (McDonald and Sears, 1969).

Alle Hunde zeigten innerhalb von ≤ 37 Tagen post-operativ wiederkehrende motorische Funktionen in den Hintergliedmaßen. Zum Zeitpunkt dieser Verbesserung wurden eine neurologische Reevaluation, sowie eine TMS durchgeführt. In dieser TMS konnten bei 12/21 (57,1 %) Hunden TMMEPs abgeleitet werden, was jedoch bei 6/12 Hunden nur auf eine Hintergliedmaße beschränkt war. Hingegen berichten Sylvestre et al. (1993) von lediglich 3/9 (30%) Hunden mit Bandscheibenvorfall, die nach chirurgischer Therapie bei vorhandenen Spontanbewegungen auch wiederkehrende TMMEPs zeigten. Die Vergleichbarkeit der Resultate dieser beiden Studien ist jedoch limitiert (Sylvestre et al., 1993). So zeigte in letztgenannter Studie nur einer der Hunde mit post-operativ ableitbaren TMMEPs prä-operativ so schwerwiegende neurologische Symptome einer nicht selbstständig gehfähigen Paraparese. Unter den 4/9 Hunde, die prä-operativ paraplegisch waren, war keiner, bei dem post-operativ TMMEPs abgeleitet werden konnten. Neben den Unterschieden im Schweregrad der neurologischen Symptome könnte eine weitere Ursache für die große Diskrepanz in der Beobachtungshäufigkeit wiederkehrender TMMEPs nach schweren Rückenmarkstraumata in diesen beiden Studien in Zusammenhang mit der Dauer zwischen dekompressiver chirurgischer Therapie und dem nachfolgenden Untersuchungszeitpunkt der TMS stehen. So wurde in der Studie von Sylvestre et al. (1993) die TMS-Nachuntersuchung bereits innerhalb von 2 bis 16 Tagen (Median: 2 Tage) nach der chirurgischen Dekompression durchgeführt, während dies in der vorliegenden Studie 3 bis 35 Tage (Median: 18 Tage) nach der chirurgischen Intervention erfolgte.

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Somit hatten die Prozesse der Heilung und Regeneration des Rückenmarks bei Hunden in der vorliegenden Studie bereits länger stattgefunden, was zu stärkeren Verbesserung der motorischen Funktionen beigetragen haben könnte, die sich auch in der Wiederkehr der TMMEPs darstellt.

Die Ableitung von TMMEPs war in dieser Studie - trotz vorhandener Spontanbewegungen in beiden Hintergliedmaßen - zum Zeitpunkt der funktionellen motorischen Verbesserung bei 9/21 Hunden nicht möglich (42,9 %). Auch drei Monate später war bei 1/21 Hunden kein TMMEP generierbar und bei einem weiteren Hund war dies nur an einer Hintergliedmaße möglich. Die weit überwiegende Anzahl der Hunde, bei denen keine TMMEPs generiert werden konnten, wies zum Untersuchungszeitpunkt eine nicht selbstständig gehfähige Parese der Hintergliedmaßen auf. Auch hier kann ein zeitlicher Zusammenhang zwischen zwischen der Dauer des Bestehens der Bandscheibenextrusion und der Wiederkehr von TMMEPs nach chirurgischer Therapie als Begründung herangezogen werden. In einer experimentellen Studie an Ratten wurden nach einer zehn Sekunden andauernden Kompression des Rückenmarks mit 60 g durchschnittlich erst 30 min später - bei gegenüber der Norm verkleinerten Amplituden - wiederkehrende motorisch evozierte Potentiale detektiert (Patil et al., 1985). Im Falle natürlich auftretender Rückenmarkstraumata, wie aufgrund einer Bandscheibenextrusion, ist die Dauer der Kompression jedoch erheblich länger und daher zu erwarten, dass auch das Wiederkehren der TMMEPs länger in Anspruch nimmt. In einer klinischen Studie wurde zudem eine signifikante Assoziation zwischen der Dauer des Bestehens der klinischen Symptome bis zur chirurgischen Intervention mit der post-operativen Zeitspanne bis zur Wiedererlangung der Gehfähigkeit nachgewiesen (Ferreira et al., 2002). Die spontane Remyelinisierung von Axonen trägt zur Regeneration neurologischer Funktionen bei, indem die Konduktivität wiederhergestellt wird und ein Beitrag zur axonalen Integrität geleistet wird (Jeffery and Blakemore, 1997; Ouyang et al., 2010; Fancy et al., 2011). Dieser Prozess benötigt jedoch einige Wochen bis Monate (Jeffery and Blakemore, 1999).

Diese Ergebnisse des Fehlens generierbarer TMMEPs bei bereits wiedererlangter Motorik offenbaren eine Limitierung der TMS, welche bereits in anderen veterinär- und humanmedizischen Studien an Patienten mit Rückenmarksläsionen der Halswirbelsäule wie z.B. einer CSM, nachgewiesen wurde (Nollet et al., 2002; Lo et al., 2004; Lo, 2007; De

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Decker et al., 2011; Martin-Vaquero and da Costa, 2014). Die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt. Eine häufig zitierte Theorie ist, dass die deszendierenden Reize zu gering sind, um das postsynaptische Membranpotential der Motorneurone bis zu deren Schwellenpotential zu depolarisieren, so dass die Fortleitung der Aktionspotentiale sistiert und somit magnetisch motorisch evozierte Potentiale in appendikulären Muskeln nicht abgeleitet werden können (Nollet et al., 2002; De Decker et al., 2011). Diese Annahme begründet sich auf Studien, in welchen nach zentraler Stimulation Ableitungen in peripheren Nerven, sowie direkt am präparierten Epiduralraum entlang der Medulla spinalis erfolgten. Durch artifiziell-induzierte Ischämie wurde eine Läsion verursacht. Deren Auswirkungen führten im peripheren Nerven zum raschen Verschwinden evozierter Potentiale, welche nach Reperfusion wiederkehrten, jedoch verändert blieben, wohingegen die Ableitungen im Epiduralraum noch bis zu 30 min später messbar waren, beziehungsweise unverändert wiederkehrten (Konrad et al., 1987;

Kraus et al., 1990).

Bei 11 Hunden war es möglich, einen Vergleich der TMMEPs zu zwei Zeitpunkten – (1) mit den ersten Anzeichen einer Verbesserung der motorischen Funktionen der Hintergliedmaßen, sowie (2) drei Monate später – statistisch zu analysieren. Es wurde eine signifikante Verkürzung der Latenzen, sowie eine signifikante Zunahme der Amplituden bei gleichzeitiger Verbesserung der neurologischen Defizite nachgewiesen. Darüber hinaus war die Ableitung der TMMEPs zum Zeitpunkt der letzten Kontrolluntersuchung bei 20/21 Hunden möglich, so dass die TMS als Technik zur quantifizierbaren Evaluation des Verlaufs der Regeneration funktionellen motorischen Integrität des Rückenmarks eingesetzt werden kann. Für die Regeneration der in dieser Studie evaluierten Rückenmarksfunktion ist die spontane Remyelinisierung unvollständig geschädigter Axone ein entscheidender Faktor, da somit ein Beitrag zur Wiederherstellung der Reizweiterleitung geleistet wird (Griffiths and McCulloch, 1983; Blight, 1993; Jeffery and Blakemore, 1997; Ouyang et al., 2010; Fancy et al., 2011). Die Remyelinisierung wird durch ortsständige Glia-Progenitorzellen, welche sich zu myelinisierenden Oligodendrozyten differenzieren, sowie PNS-assoziierte Schwannzellen unterstützt (Zawadzka et al., 2010; Powers et al., 2013). Diese Prozesse beeinflussen insbesondere die Länge der Latenzen, welche die motorische Weiterleitungszeit vom Kortex bis zum Effektor-Muskel widerspiegeln. Beeinflusst wird diese von der Stärke der leitenden

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Fasern, dem Vorhandensein von Myelinscheiden, welche eine saltatorische - und damit beschleunigte - Erregungsleitung ermöglichen und der Anzahl vom Reiz zu passierender Synapsen (Sylvestre et al., 1993). Ein weiterer Mechanismus, welcher zur Wiederherstellung der Konduktivität beiträgt, ist die axonale Sprossung über eine Läsion hinweg, was in Form funktionaler Verbindungen propriospinaler Bahnen in einer experimentellen Studie an Ratten innerhalb von drei Wochen nach Hemisektion nachgewiesen werden konnte (Bareyre et al., 2004). Diese Prozesse wiederum wirken sich vermutlich auf die Zunahme der Amplituden aus, denn diese vergrößern sich mit der Anzahl rekrutierter Fasern (Sylvestre et al., 1993).

Darüber hinaus beeinflussen die Anzahl stimulierter kortikospinaler Neuronen und die Eigenschaften des Zielmuskels die Konfiguration und Größe der Amplituden (Sylvestre et al., 1993; Nollet et al., 2003). Auch ist der Grad der Muskelrelaxation bedeutsam, so führte in humanmedizinischen Studien eine geringgradige willkürliche Muskelkontraktion zur Ableitung kürzerer Latenzen und größerer Amplituden im Vergleich zu relaxierten Muskeln, was auf eine erhöhte spinale Erregbarkeit zurückgeführt wird (Kaneko et al., 1996; Di Lazzaro et al., 1998). Die Positionierung der Spule oberhalb des motorischen Kortex ist ein entscheidender Faktor, um durch zahlreiche deszendierende postsynaptische Potentiale die Alphamotorneuronen zu depolarisieren (Nollet et al., 2003). So generierten Kaneko et al.

(1997) in einer Studie an Menschen Amplituden, deren Größe signifikant in Abhängigkeit der gewählten Spulenposition variierte. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Studie die Positionierung der Magnetspule innerhalb einer Stimulationsreihe so exakt wie möglich in gleichbleibender Ausrichtung unter Berücksichtigung der anatomischen Eigenschaften eines jeden Patienten gewählt.

Die regenerativen Prozesse im Heilungsverlauf des Rückenmarks setzen direkt nach der Schädigung des Gewebes ein und werden von einer plastischen Reorganisation des neuronalen Netzwerkes im Bereich der weißen und grauen Substanz begleitet; eine funktionelle Regeneration bleibt jedoch häufig unvollständig und nimmt mehrere Wochen bis Monate ein (Jeffery and Blakemore, 1999; Bareyre et al., 2004). Eine Unvollständigkeit der Regeneration zeigte sich in der vorliegenden Studie sowohl klinisch, als auch anhand der TMMEPs. Zum einen entwickelten nur 5/21 Hunden bis zur letzten Kontrolluntersuchung ein normales Gangbild, zum anderen waren die TMMEPs sowohl bei Hunden mit bestehender

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Parese und Ataxie, als auch im Speziellen bei Hunden mit normalem Gangbild durch signifikant verlängerte Latenzen und verkleinerte Amplituden im Vergleich zu einer von Amendt et al. (2016) untersuchten, gesunden Kontrollgruppe charakterisiert.

Es wurde überprüft, inwieweit die Latenzen und Amplituden der TMMEPs mit dem Schweregrad der motorischen Ausfallserscheinungen im Studienverlauf korrelieren. Während keine Assoziation der Amplituden mit den motorischen Defiziten nachweisbar war, wiesen bei der letzten Kontrolluntersuchung die Latenzen eine signifikante Assoziation, sowie eine positive Korrelation mit dem Schweregrad der motorischen Beeinträchtigung auf. Eine Limitierung der Aussagekraft besteht jedoch in der niedrigen Anzahl (n = 3) an Hunden mit nicht-selbstständig gehfähiger Paraparese. Studien an großen Hunderassen wie Deutsche Dogge und Dobermann konnten ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen von CSM betroffenen und gesunden Kontrolltieren, sowie eine positive Korrelation der Schwere klinischer Symptome mit der Länge der Latenzen darstellen (Poma et al., 2002; da Costa et al., 2006; De Decker et al., 2011; Martin-Vaquero and da Costa, 2014). Lediglich in einer Studie konnte dieser Zusammenhang an den Vordergliedmaßen nicht nachgewiesen werden (da Costa et al., 2006). In der vorliegenden Studie wurde ein signifikanter Unterschied der Latenzen zum Zeitpunkt der funktionellen motorischen Verbesserung zwischen Hunden, die am Ende der Kontrolluntersuchungen Grad I und Grad II hatten, nachgewiesen. Allerdings muss einschränkend auf die sehr niedrige Fallzahl hingewiesen werden, da nur drei Hunde die zur abschließenden Kontrolle mit Grad I bewertet wurden, zum Zeitpunkt der Regeneration motorischer Funktionen ableitbare TMMEPs hatten. Dennoch deutet dies auf einen prognostischen Wert der Latenzen der TMMEPs im Verlauf der Rekonvaleszenz nach schweren Rückenmarksschädigungen hin.

Durch die Untersuchungen in der MRT zum Zeitpunkt der Erstvorstellung mit kompressiver Läsion des Rückenmarks, sowie bei der letzten Kontrolluntersuchung konnte jeweils ein hochauflösendes Schnittbild-Korrelat der, der klinischen Symptomatik zugrundeliegenden, parenchymalen Schäden gewonnen werden. Die in dieser prospektiven Studie nachgewiesenen signifikanten Unterschiede des HLV zwischen Hunden mit Grad IV und V bestätigen bereits bestehende Erkenntnisse vorheriger Studien (Levine et al., 2009; Boekhoff et al., 2012). Allerdings wurde in der Studie von Boekhoff et al. (2012) lediglich eine

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Korrelation des HLV mit dem Vorhandensein der Tiefenschmerzwahrnehmung detektiert, jedoch keine signifikante Assoziation. In der Studie von Levine et al. (2009) wurde ein Patientengut mit geringgradigen (spinale Hyperästhesie) bis hochgradigen (Paraplegie bei abwesender Tiefenschmerzwahrnehmung) neurologischen Beeinträchtigungen untersucht und es wurde eine Assoziation zwischen dem modified Frankel Score (MFS) und HLV-Werten ober- und unterhalb des Medians der Studienpopulation nachgewiesen. In der hier vorliegenden Studie war die Fallzahl der Hunde mit Grad V niedrig (n = 5), was eine vorsichtig abwägende Interpretation dieser Daten erfordert. Dennoch unterstreichen diese Ergebnisse eine sehr gute Übereinstimmung des HLV mit dem Ausmaß klinischer Symptome.

Intramedulläre Hyperintensitäten in T2-gewichteten Sequenzen werden als Folge von Inflammation, Ödemen, Blutungen, Nekrosen und Myelomalazien beobachtet und lassen somit Faktoren erkennbar werden, die mit der Schwere der neurologischen Defizite in Verbindung gebracht werden können (Falconer et al., 1994; Flanders et al., 1996; Narayana et al., 2004).

Während in dieser Studie, wie auch in Studien von Penning et al. (2006) und Boekhoff et al.

(2012), kein Zusammenhang zwischen dem Grad der initialen neurologischen Defizite und dem KLV detektiert werden konnte, wurden von Levine et al. (2009) dazu im Widerspruch stehende Zusammenhänge berichtet. So lag in letztgenannter Studie eine signifikante Assoziation zwischen dem KLV und dem Schweregrad der neurologischen Defizite, ausgedrückt als MFS vor.Levine et al. (2009) wiesen nach, dass ein signifikant höherer prä-operativer Schweregrad neurologischer Defizite bei Hunden mit einem KLV oberhalb des Medians verglichen mit solchen Hunden, deren KLV oberhalb des Medians der Studienpopulation vorlag. Eine mögliche Erklärung ist hierbei der Unterschied in den Schweregraden der neurologischen Defizite in dem rekrutierten Patientengut. Während in der hier vorliegenden Studie lediglich paraplegische Patienten mit vorhandener und abwesender Tiefenschmerzwahrnehmung eingeschlossen wurden, wurden in der Studie von Levine et al.

(2009) Hunde mit Defiziten von spinaler Hyperästhesie (MFS Grad 5) bis Paraplegie bei abwesender Tiefenschmerzwahrnehmung (MFS Grad 0) untersucht. So erscheint es naheliegend, dass im Vergleich von Hunden mit sehr verschieden stark ausgeprägten neurologischen Defiziten Einflüsse der Rückenmarkskompression deutlicher zutage treten, als

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beim Vergleich von nur zwei Gruppen mit schwerwiegender Symptomatik, wie in dieser Studie.

Die signifikante Reduktion des KLV im Studienverlauf ist auf die chirurgische Dekompression zurückzuführen. Im gleichen Zeitraum zeigten die in der T2-gewichteten Sequenz sichtbaren intramedullären Hyperintensitäten keine signifikante Änderung, was deren prognostische Relevanz nur bei Detektion in akuten bis subakuten Stadien unterstreicht.

Das Fortbestehen, beziehungsweise die Zunahme der intramedullären Hyperintensitäten in T2-gewichteten Sequenzen kann als Folge der Chronizität der pathophysiologischen Prozesse mit fortbestehender Ödematisierung und Demyelinisierung, sowie später einsetzender Bildung von flüssigkeitsgefüllten Kavitäten angesehen werden (Narayana et al., 2004; Ryu et al., 2009; Hu et al., 2010). Der signifikante Zusammenhang des prä-operativ detektierten HLV mit der Regeneration beziehungsweise dem Ausbleiben der selbstständigen Gehfähigkeit bis zum Ende dieser Studie steht in Einklang mit zwei weiteren Studien, welche diese Parameter an paraplegischen Hunden mit thorakolumbalen Bandscheibenvorfällen, respektive lediglich schmerzhaften, bis paraplegischen Hunden mit Bandscheibenvorfällen zwischen T3-L7 untersuchten. (Levine et al., 2009; Boekhoff et al., 2012).

Es wurden die MRT-Messerergebnisse des HLV und KLV mit den Latenzen und Amplituden der TMMEPs verglichen, um diese auf einen linearen Zusammenhang zu untersuchen. Eine Korrelation des Grades der Rückenmarkskompression mit den TMMEPs konnte in mehreren Studien in der Veterinär- und Humanmedizin in Fällen von zervikalen Rückenmarksläsionen nachgewiesen werden (Lo et al., 2004; da Costa et al., 2006; Martin-Vaquero and da Costa, 2014). Im Gegensatz dazu lag in dieser Studie keine Korrelation der TMMEPs mit dem HLV und KLV vor. Dies kann zum Teil dadurch erklärt werden, dass initial nur Patienten mit sehr schweren Rückenmarksläsionen eingeschlossen wurden.

Während bei zeitgleicher Erhebung von TMMEPs und MRT-Verhältniszahlen wie KLV und HLV bei Hunden mit Paraparesen, Ataxien oder lediglich paraspinaler Hyperästhesie auf der Basis veröffentlichter Studien von da Costa et al. (2006), De Decker et al. (2011) und Martin-Vaquero and da Costa (2014) eine Korrelation dieser Parameter zu erwarten wäre, wird dies bei Vorliegen einer Paraplegie zunächst aufgrund ausbleibender TMMEPs unmöglich. Es

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kann vermutet werden, dass eine Schädigung, die zur Paraplegie führt - unabhängig vom Vorhandensein der Tiefenschmerzwahrnehmung - so hochgradig ist, dass Unterschiede der wiederkehrenden TMMEPs zu gering ausfallen, als dass eine signifikante Korrelation mit initial erhobenen Parametern der MRT detektiert werden konnte. Darüber hinaus wurde in dieser Studie, wie auch in anderen Studien eine hohe Variabilität der TMMEPs nachgewiesen, die entsprechend keine signifikante Assoziation mit dem Grad der neurologischen Defizite hatten und somit eine hohe Standardabweichung mögliche Zusammenhänge mit den MRT-Daten statistisch nicht signifikant werden lassen könnten (Sylvestre et al., 1993; Nollet et al., 2002; da Costa et al., 2006; De Decker et al., 2011).

Zum anderen ist unter Berücksichtigung bisheriger Erkenntnisse anzunehmen, dass die Wiederkehr und Verbesserung der TMMEPs die Prozesse der strukturellen Regeneration des Rückenmarks in Form von Remyelinisierung, axonaler Sprossung und plastischer Reorganisation widerspiegelt, welche zur Wiederherstellung der motorischen Funktionen beitragen und in den angewendeten MRT-Sequenzen der Kontrolluntersuchung am Studienende nicht erfasst werden konnten (Griffiths and McCulloch, 1983; Blight, 1993;

Jeffery and Blakemore, 1997, 1999; Bareyre et al., 2004; Ouyang et al., 2010; Fancy et al., 2011). So verblieben die Werte des zur letzten Kontrolluntersuchung bestimmten HLV auf einem ähnlichen Niveau wie zu Studienbeginn und der Anteil an Patienten mit intramedullären Hyperintensitäten in T2-gewichteten Sequenzen nahm zu, wohingegen die

Jeffery and Blakemore, 1997, 1999; Bareyre et al., 2004; Ouyang et al., 2010; Fancy et al., 2011). So verblieben die Werte des zur letzten Kontrolluntersuchung bestimmten HLV auf einem ähnlichen Niveau wie zu Studienbeginn und der Anteil an Patienten mit intramedullären Hyperintensitäten in T2-gewichteten Sequenzen nahm zu, wohingegen die