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4 Diskussion

4.2 Diskussion der Ergebnisse

In den Hauptzielparametern Schmerzintensität und -linderung, Funktionalität und Lebensqualität zeigten sich in beiden Gruppen signifikante, in der Elektroohrakupunkturgruppe hochsignifikante Besserungen. In der Gruppe Autogenes Training (AT) war die Schmerzintensität sowohl morgens als auch abends nach der sechswöchigen Intervention signifikant geringer als vor der Therapie. In der Gruppe Elektroohrakupunktur (AK) trat diese Besserung schon nach der dritten Intervention ein und wurde in den darauf folgenden Wochen hochsignifikant. Ähnlich waren die Änderungen in der Schmerzlinderung. Hier traten in beiden Gruppen die Besserungen schon während der Therapie ein. Diese waren in der AT-Gruppe signifikant und in der AK-Gruppe hochsignifikant. Die Funktionalität besserte sich ebenfalls in beiden Gruppen. Auch hier traten die Änderungen in der AK-Gruppe schneller ein und waren im Gegensatz zur AT-Gruppe hochsignifikant. Die Lebensqualität stieg ebenfalls in beiden Gruppen. Die AT-Gruppe gab nach der Intervention in drei von neun Lebensbereichen eine signifikant höhere Lebensqualität

an, wohingegen die Lebensqualität in der AK-Gruppe in sieben von neun Bereichen signifikant stieg. Diese Gruppe gab auch eine signifikante Besserung des allgemeinen Gesundheitszustandes an.

Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Patienten mit Rheumatoider Arthritis sowohl von elektrischer Ohrakupunktur als auch von Autogenem Training profitieren können und entsprechen den Ergebnissen von vorangegangenen Studien, in denen festgestellt wurde, dass sowohl Entspannungsverfahren wie das Autogene Training, als auch Akupunktur den Krankheitsverlauf bei Patienten mit chronischen Schmerzen positiv beeinflussen können. Durch Autogenes Training ließen sich bei der Therapie von Kopfschmerzen, Migräne und arthritischen Schmerzen Besserungen nachweisen (Zsombok et al., 2005; Astin et al., 2002).

Astin et al. (2002) zeigten, dass Entspannungsverfahren das Krankheitserleben der Patienten mit Rheumatoider Arthritis verbessern können und auch bei der Therapie von Hypertonie, Asthma, Verdauungsstörungen, Glaukom, Atopischem Ekzem, Angststörungen und Schlafstörungen zeigten sich positive Effekte (Abgrall-Barbry&Consoli, 2006; Ernst, 2005; Kanji et al., 2004; Kraft, 2004; Krampen, 1998;

Stetter et al., 1998).

Ebenfalls wurde die Wirksamkeit der Akupunktur bei diversen chronischen Krankheitsbildern wie chronischer Lumbalgie (Furlan et al., 2005), Migräne (Allais et al., 2002), Spannungskopfschmerzen (Vickers et al., 2004; Melchart et al., 2001), Gonarthrose (Berman et al., 2004; Ezzo et al., 2001), chronischem Schmerzsyndrom (Goertz, 2006) und chronischer Epicondylitis (Fink et al., 2002) nachgewiesen. Einen gegenüber einem Kontrollverfahren signifikant überlegenen analgetischen Effekt konnten Alimi et al. (2003) bei Patienten mit Schmerzen, die mit einer Krebserkrankung assoziiert waren erreichen.

Der Grund für die Deutlichkeit der Schmerzreduktion in der AK-Gruppe könnte die elektrische Dauerstimulation sein. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem die Nadeln über ein mikroprozessorgesteuertes Stimulationsgerät mit niederfrequentem Strom stimuliert werden. Die therapeutische Wirkung der Ohrakupunktur wird dadurch verstärkt und zeigt sich der Ohrakupunktur ohne zusätzliche Stimulation überlegen. Dieser Sachverhalt wurde bei der Therapie von chronischen Schmerzen der Hals- und Lendenwirbelsäule (Sator-Katzenschlager et al., 2003; 2004) und beim Einsatz von Akupunktur als zusätzliche perioperative Analgesie (Sator-Katzenschlager et al., 2006) nachgewiesen.

Dass die Verwendung von Strom im Zusammenhang mit Körperakupunktur die Chancen auf ein positives Therapieergebnis erhöht, zeigt die Studie von Man et al.

(1974), die bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis und Knieschmerzen Elektroakupunktur an drei Akupunkturpunkten im Bereich des Kniegelenkes durchführten. Im Gegensatz hierzu konnten David et al. (1999) keinen positiven Effekt von Akupunktur (ohne Strom) auf Symptome der Rheumatoiden Arthritis feststellen, wobei nur ein Akupunkturpunkt zum Einsatz kam (Leber 3), was vielfach als dem traditionellen Vorgehen bei Akupunktur widersprechend kritisiert wurde (Tukmachi, 2000). Diese beiden genannten Studien fanden auch Eingang in ein Cochrane-Review (Casimiro et al., 2005), in dem zu dem Ergebnis gelangt wurde, dass Akupunktur nicht zur Behandlung von Symptomen der Rheumatoiden Arthritis empfohlen werden kann. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass diese Empfehlung nur eingeschränkte Gültigkeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher Akupunkturverfahren (Akupunktur versus Elektroakupunktur) und fehlender klinischer Studiendaten hat. So führt die Liste der ausgeschlossenen Studien elf weitere Untersuchungen auf, die entweder keine klinischen Studien waren, nicht ausschließlich Patienten mit Rheumatoider Arthritis einschlossen, keine ausreichende Kontroll- oder Vergleichsgruppe aufwiesen oder keine auswertbaren Daten lieferten (Casimiro et al., 2005).

In den Nebenzielparametern Schlafqualität, Krankheitsverarbeitung, Kontrollüberzeugungen und Blutparameter gab es nur wenige Änderungen in der AT-Gruppe, wohingegen in der AK-Gruppe zahlreiche Verbesserungen nachgewiesen werden konnten. Die Schlafqualität stieg in dieser Gruppe bereits nach der ersten Intervention signifikant an.

Ursache dieses Gruppenunterschiedes könnte sein, dass die Patienten der AK-Gruppe vor Interventionsbeginn eine deutlich schlechtere Schlafqualität angaben.

Auch im Bereich Krankheitsverarbeitung gab es lediglich in der AK-Gruppe Änderungen. Diese gab drei Monate nach Interventionsende eine geringere Tendenz zu depressiven Verarbeitungsmechanismen und zum Bagatellisieren und Wunschdenken an.

Anhand der Blutparameter (BSG, IL-6, IL-10, TNF-α, CGRP, Substanz P, RB) sollte untersucht werden, ob und wenn ja, in wie weit Akupunktur und Autogenes Training einen Einfluss auf das Immunsystem ausüben können.

Bei der Rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine chronische Systemerkrankung, bei der autoreaktive Zellen des Immunsystems eine Entzündungsreaktion hervorrufen. Das Immunsystem spielt dementsprechend eine entscheidende Rolle im Krankheitsverlauf. In diesem Zusammenhang ist auch Stress von besonderer Bedeutung, da dieser das Immunsystem negativ beeinflussen kann (Segerstrom & Miller, 2004). Jacobs et al. (2001) zeigten, dass sich Patienten mit Rheumatoider Arthritis nach einer Stressexposition in ihrer Immunantwort von gesunden Probanden unterscheiden. Diese Reaktion könnte die stressinduzierte Verschlechterung des Krankheitsverlaufes erklären. Die National Acupuncture Detoxification Association (NADA) empfiehlt seit Jahren den Einsatz von Ohrakupunktur zur Reduktion von Stress und zur Therapie von Drogen-, Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit (Smith, 1988). In einer Placebo kontrollierten Untersuchung bei Alkoholabhängigen, die sich in einer stationären Entzugsbehandlung befanden, zeigte Ohrakupunktur einen signifikanten Effekt auf die Reduktion von Entzugsparametern (Karst et al., 2002). Auch das Autogene Training hat eine stressreduzierende Wirkung (Hidderley et al., 2004).

Vorausgehende Studien ließen vermuten, dass beide Therapieverfahren die Immunantwort beeinflussen können. Für die Akupunktur wurde ein antiinflammatorischer Effekt bei verschiedenen Krankheitsbildern nachgewiesen (Zijlstra et al., 2003). Joos et al. (2000) zeigten, dass Akupunktur einen Einfluss auf die Anzahl von eosinophilen Granulozyten und Lymphozyten sowie auf das Zytokinmuster bei Patienten mit allergischem Asthma hat. In einer Studie von Karst et al. (2002) wurde nachgewiesen, dass nach Stechen des Akupunkturpunktes Dickdarm 11 die Aktivität des Respiratory Bursts von neutrophilen Granulozyten zunimmt. Hidderley et al. (2004) zeigten, dass Autogenes Training das Immunsystem bei Krebspatientinnen positiv beeinflusst.

In der vorliegenden Studie konnte der Einfluss der Akupunktur auf immunologische Parameter bestätigt werden. In der AK-Gruppe stieg die Konzentration von TNF-α signifikant an. Auch die Aktivität der neutrophilen Granulozyten nahm zu, der Respiratory Burst stieg in drei von sechs Messansätzen mit unterschiedlicher

Stimulation signifikant an. In der AT-Gruppe zeigten sich nur in einer von sechs Messungen des Respiratory Bursts signifikante Änderungen.

Interessant ist, dass hier insbesondere proinflammatorische immunologische Veränderungen auftraten, klinisch aber signifikante Besserungen der Symptomatik festzustellen waren. Dieses scheinbare Paradoxon könnte in der Weise erklärt werden, dass geringe Mengen proinflammatorischer Zytokine in einer Art

„hormonellen Signals“ eine Umstimmung von Regulationsmechanismen (z.B.

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse) hervorrufen können, die letztlich eine klinische Symptomveränderung bewirkt (Slominski et al., 2000).

Zwischen den Gruppen zeigten sich einige signifikante Unterschiede. So war sowohl die morgendliche als auch die abendliche Reduktion der Schmerzintensität der Patienten der AK-Gruppe in der vierten Woche signifikant höher als in der AT-Gruppe. Ebenso gaben die Patienten der AK-Gruppe eine signifikant höhere Zufriedenheit mit der Therapie (Clinical Global Impression) an.

Die Tatsache, dass es in der AK-Gruppe zahlreichere und deutlichere Besserungen gab und die elektrische Ohrakupunktur in dem Hauptzielparameter der Schmerzintensität dem Autogenen Training signifikant überlegen ist, weist auf eine Überlegenheit der elektrischen Dauerohrakupunktur in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis hin. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Akupunktur besonders zu Beginn der Therapie dem Autogenen Training überlegen war. An dem Erhebungszeitpunkt drei Monate nach dem Ende der Behandlung glichen sich beide Therapieverfahren an. In der AK-Gruppe wäre nach drei Monaten an eine erneute Behandlungsserie zu denken, um die Therapieerfolge zu erhalten.

Dies ist mit Kosten verbunden, die zur Zeit vom Patienten selbst getragen werden müssen, und wird daher von vielen Patienten nicht in Anspruch genommen. Das Autogene Training ist in der Wirtschaftlichkeit der Akupunktur eindeutig überlegen.

Die Patienten sind unabhängig vom Therapeuten in der Lage durch die regelmäßige Übung an ihrem Gesundheitszustand zu arbeiten. Das Üben ist die Voraussetzung für einen langsam eintretenden Therapieerfolg und erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung, zu der viele Patienten in diesem Umfang jedoch nicht bereit sind.

Besondere Beachtung sollte die Tatsache finden, dass es sich bei den Interventionen im Rahmen dieser Studie um adjuvante Therapien handelte. Das heißt die Patienten

waren in ständiger rheumatologischer Betreuung und nahmen regelmäßig Medikamente. Trotz dieser Medikamente litten sie unter Schmerzen, die sich durch beide Therapieformen deutlich reduzierten. Im Vergleich zu der pharmakologischen Analgesie ist sowohl die Akupunktur als auch das Autogene Training preiswerter und durch die wenigen möglichen Nebenwirkungen wesentlich besser verträglich (White, 2004; Melchart et al., 2004). In Anbetracht der steigenden Kosten im Gesundheitssystem sollte diesen Methoden mehr Bedeutung zukommen.

Weitere Studien zur Therapie der Rheumatoiden Arthritis mit Elektroohrakupunktur und Autogenem Training mit größeren Patientenkollektiven wären wünschenswert.

Beachtet man jedoch die vorausgegangenen Studien und die eindeutigen Ergebnisse dieser klinischen Untersuchung kann eine elektrische Dauerohrakupunktur zur adjuvanten Therapie von Rheumatoider Arthritis empfohlen werden.