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Sensitivitätsanalyse

4.4 Diskussion der Ergebnisse

In den vorangegangen Abschnitten dieses Kapitels wurden die gewählten Trajektorien mithilfe des entwickelten Software-Werkzeugs variiert. Im Sinne einer Sensitivitätsanalyse wurden von einer Standardvariante ausgehend einzelne Parameter verändert. Die Bewertung der Variationen erfolgte dabei über verschieden Kriterien. Es wurden Nutzungswerte der Gelenke verwendet so-wie die sogenannte pseudokinetische Energie. Zusätzlich wurden der kleinste Kniewinkel des Schwungbeines und an gegebenen Stellen andere Extremwerte der Gelenke betrachtet. So konn-ten Einflusskonn-tendenzen festgestellt werden. Im Folgenden werden die in diesem Kapitel erlangkonn-ten Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert. Angemerkt sei noch, dass es sich bei der hier vorge-nommenen Analyse um eine rein kinematische Betrachtung handelt. Alle hier getroffenen Aussa-gen beziehen sich lediglich auf kinematische EiAussa-genschaften. Durch die fehlende Validierung der betrachteten Trajektorien im Rahmen einer Mehrkörpersimulation kann keine Aussage darüber getroffen werden, welche dieser Trajektorien zu Stabilitätsproblemen führen und daher ausge-schlossen werden müssten. Alle Variationen werden für das Szenario des Treppabsteigens be-trachtet. In der Ausgangslage befinden sich beide Füße auf einer Treppenstufe. Anschließend wird der Schwungfuß auf eine festgelegte Zielposition auf der darunter gelegenen Stufe bewegt. Als Vorbild wird das menschliche Gangbild beim Treppensteigen verwendet (siehe Abschnitt2.2).

Der Mensch tritt zunächst nur mit dem vorderen Teil des Fußes auf die nächste Stufe.

Eine Variation der Spitzenwerte der Zehengelenkwinkel zeigt, dass diese einen relevanten Ein-fluss haben. Der Winkel des Zehengelenkes im Standbein sorgt dafür, dass das Sprunggelenk des Standbeines entlastet wird. Ist der vorgegebene Spitzenwert zu gering, gelangt dieses Sprungge-lenk an seine Grenzen. Bei Variation des Spitzenwertes im Schwungbein wird deutlich, dass dieser essentiell ist, um dem Erreichen der Singularität im Knie des Schwungbeines entgegen-zuwirken. Je geringer der Wert, desto näher kommt das Knie der Strecklage. Eine Rotation des Schwungfußes hat sich dagegen als nicht positiv beeinflussend gezeigt. Daher wurde diese auch anschließend vernachlässigt.

Durch eine Variation der Schrittdauer können die Gelenkgeschwindigkeiten und somit die als Maß für diese verwendete pseudokinetische Energie reduziert werden. Wie erwartet spielt die Anzahl der Phasen eine Rolle, da durch sie eine flexiblere Gestaltung der Bewegungsabläufe möglich wird. Aus diesem Grund wird zur Modellierung der𝑧-Trajektorie des Fußes eine zusätz-liche Phase im Vergleich zu den bisherigen Trajektorien verwendet. Eben dieser Ablauf zeigt sich als wesentlicher Einflussfaktor. Durch ihn kann beeinflusst werden, ob die zurückgelegte Bahn eher der Form eines Rechtecks entspricht oder ob der direktere Weg entlang einer gekrümmten Bahn gewählt wird. Hierbei wird deutlich, dass eine gekrümmte Bahn die Gefahr einer Kollision birgt. Auch die Ausnutzung der einzelnen Gelenke verändert sich durch diese Variationen.

Eine Variation der Torsotrajektorien zeigt, dass die Bewegungen des Torsos einen relevanten Einfluss haben. Wird der Torso früh nach unten bewegt, wird das Knie des Standbeines mehr gebeugt, dafür gerät das Knie des Schwungbeines nicht so nah an die Singularität heran. Ei-ne früher beginEi-nende Vorwärtsbewegung bringt ebenfalls Vorteile hinsichtlich der Entfernung zur Singularität und der pseudokinetischen Energie. Negativ beeinflusst wird die Nutzung des Sprunggelenkes im Standbein, welches näher an die Grenzen seines Arbeitsbereiches kommt.

Unter Ausnutzung dieser Erkenntnisse wird eine Variation erstellt, die viele der ermittelten Vor-teile kombiniert. Anhand dieser Variation wird gezeigt, dass eine größere Treppensteigung über-windbar ist, als dies mit flachem Fuß der Fall ist. Im Vergleich zur Standardvariante, von der ausgegangen wurde, kann eine deutlich höhere Steigung erreicht werden.

Ein mögliches Potential dieser veränderten Trajektorien ist die Realisierung eines Treppenstei-gens mit reinem Zehengehen, also keinem Abrollen des ganzen Fußes auf dem Stufenauftritt. So wäre es möglich, auch Stufen mit einem Auftritt, der kürzer ist als die Fußlänge des Roboters, zu überwinden.

Des Weiteren wird bei Betrachtung verschiedener Zustände deutlich, dass auch diese einen Ein-fluss auf die herangezogenen Kriterien haben. Je nach betrachteter Situation sind andere Nut-zungswerte kritisch. Dementsprechend müssen die Trajektorien angepasst werden, je nachdem, ob aus dem Stand oder aus einer Position, in der sich die Beine bereits auf verschiedenen Stufen und damit Höhen befinden, eine Stufe hinuntergestiegen wird, oder ob der geschlossene Stand das Ziel ist. Beim Schließen des Standes ist die Singularität im Knie z. B. kein kritischer Faktor.

Die hier gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich vor allem auf das Bewegungsmuster des Hinun-tersteigens einer Stufe, hier bezeichnet alsStart, und können nicht ohne Weiteres auf veränderte Situationen übertragen werden.

Die Untersuchungen der Trajektorien haben gezeigt, dass das Zehengehen für das Szenario des Treppabsteigens einige kinematische Vorteile bieten kann. Aufgetretene Probleme wie eine Kol-lision mit den Stufen können bei Trajektorien ohne Zehengehen ebenso auftreten. Es wird er-möglicht, größere Steigungen zu überwinden und dabei die Singularität zu umgehen, bzw. deren Erreichung hinauszuzögern. Die zur Verfügung stehende Beinlänge wird sozusagen vergrößert.

Beim Treppabsteigen mit flachen Füßen wird die Singularität bei wesentlich geringeren Steigun-gen erreicht. Die Verwendung solcher Trajektorien könnte nützlich sein, um die Fähigkeiten des Treppensteigens bei humanoiden Laufrobotern wieLolazu verbessern.

Treppensteigen stellt vor allem deswegen eine Herausforderung dar, weil der Schwungfuß hierbei eine Höhendifferenz überwinden muss. Da durch die kinematische Struktur des Roboters aber eine gewisse Begrenzung gegeben ist, gelangt der Roboter hierbei schneller an seine Grenzen, vor allem die Singularität im Knie stellt häufig den limitierenden Faktor dar.

Bei der Untersuchung der Trajektorien für das Treppabsteigen zeigt sich, dass eine Rotation des Schwungfußes für dieses Bewegungsmuster keine kinematischen Vorteile mit sich bringt. Um einen initialen Kontakt mit der Ferse zu gewährleisten, ist diese jedoch nötig, damit der Fuß in die dafür erforderliche Stellung gebracht wird. Auch der Mensch rotiert während dieser Phase des Ganges den Fuß.

Beim Vergleich mit dem Menschen zeigt sich ein Unterschied bezüglich des Energieaufwandes.

Die Muskeln des Menschen müssen Energie aufbringen, um den Vorderfuß in der zum Zeitpunkt des Abhebens befindlichen Position zu halten. Daher wird der Fuß während der Schwungphase gestreckt, was der Ruhelage des menschlichen Fußes entspricht. Hier findet also eine Schwung-fußrotation statt. Beim Roboter hingegen wird Energie benötigt, um eine Positionsänderung zu erzielen. Da der Fuß in der selben Lage abhebt und landet, liegt es nahe, ihn auch während der Schwungphase unverändert zu lassen. Damit der initiale Kontakt mit der Ferse stattfindet, ist

ei-ne Rotation des Schwungfußes in der Sagittalebeei-ne nötig, bei der die Drehrichtung während der Schwungphase gewechselt wird. So ist sichergestellt, dass die Ferse zuerst den Boden berührt.

Abschließend werden die Ergebnisse der Trajektorien zusammengefasst, welche sich nach den betrachteten Kriterien als am besten geeignet herausgestellt haben. Diese Variationen sind mit ihren relevanten Parametern in Tabelle4.21genannt. Dargestellt sind für jede dieser Variatio-nen in Tabelle4.22das Maß𝑄, die pseudokinetische Energie sowie der kleinste aufgetretene Winkel im Knie des Schwungbeines. Für diese drei Variationen konnte der beste Kompromiss hinsichtlich dieser Kriterien erzielt werden.

Tabelle 4.21: Parameter der besten Variationen

Variation 𝑡𝑖𝑇 𝑜𝑟𝑠𝑜,𝑥 𝑡𝑖𝑥,𝑠𝑤 𝑞𝑍,𝑠𝑤,𝑝𝑒𝑎𝑘

Torso 1 [0 0,375 1] s [0 0,225 0,4375 1] s −20°

Torso 3 [0 0,375 1] s [0 0,225 0,4375 1] s −20°

Steigung 2 [0 0,375 1] s [0 0,225 0,625 1] s −30°

Variation 𝑡𝑖𝑇 𝑜𝑟𝑠𝑜,𝑧 𝑡𝑖𝑧,𝑠𝑤

Torso 1 [0 0,250 1] s [0 0,125 0,25 0,4375 0,625 1] s Torso 3 [0 0,125 1] s [0 0,125 0,25 0,4375 0,625 1] s Steigung 2 [0 0,125 1] s [0 0,125 0,25 0,4375 0,625 1] s Tabelle 4.22: Kriterien für die Variationen aus Tabelle 4.21

Variation 𝑞𝑍,𝑠𝑤,𝑚𝑖𝑛 𝑄 𝐸𝑃 𝐾,𝑅𝑀 𝑆 Torso 1 34,5502 0,3695 17,7953 Torso 3 40,1405 0,3688 15,8242 Steigung 2 37,4114 0,3730 16,2257