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3. Niedersächsische Ackerbaustrategie

3.8 Digitalisierung

Ausgangssituation

Die Digitalisierung der Landwirtschaft hat in Niedersachsen bereits in den 1990er-Jahren begon-nen, beispielsweise mit der Präzisionslandwirtschaft und der teilflächenspezifischen Bewirt-schaftung von Ackerflächen mithilfe von digitalisierten Boden-/Ertragskarten zusammen mit präziser Applikationstechnik. Auf Erntemaschinen ist der Einsatz von sich an unterschiedliche Erntebedingungen selbsttätig anpassenden Aggregaten – z. B. Häckslern mit unterschiedlichen Häcksellängen in Abhängigkeit von den TS-Gehalten – zunehmend verbreitet. Darüber hinaus werden auch verstärkt GPS-gesteuerte automatische Lenksysteme (Parallelfahrsysteme) einge-setzt, nicht nur bei der Aussaat und Pflege, sondern auch bei der Stoppelbearbeitung. Auf vielen Ackerbaubetrieben ist die Präzisionslandwirtschaft in Teilbereichen inzwischen Standard.

Noch nicht ganz so weit verbreitet sind sensorgestützte Echtzeitsysteme zur Dünger- und Pflan-zenschutzapplikation, die unter dem Begriff „Smart Farming“ geläufig sind. Das bekannteste Beispiel sind N-Sensoren zur optimierten N-Düngung von Getreidebeständen.

Während die Digitalisierung schon seit mehreren Jahren auf Ackerbaubetrieben vorhanden ist, steht die Systemtechnik von

„Landwirtschaft 4.0“ (auch als

„Digitale Landwirtschaft“

bezeichnet) noch am Anfang und wird derzeit intensiv in F&E-Vor-haben weiterentwickelt und in Praxisversuchen getestet. Es zeichnet sich ab, dass die Land-wirtschaft 4.0 mit ihren verschie-denen Komponenten wie Auto-matisation und Robotik sowie Big-Data-Analysen und „Künst-licher Intelligenz“ auf Basis von Cloud-Computing in absehbarer Zeit Einzug in die landwirtschaft-liche Praxis halten wird.

Drohnen werden im landwirt-schaftlichen Betrieb derzeit noch selten eingesetzt. Wenn, dann wird der Einsatz von Drohnen zumeist als Dienstleistung von Drittanbietern zugekauft für spe-zielle Einsatzzwecke wie visuelle Bestandsaufnahmen mit

Farbka-Foto: Ole Walter Jacobsen N-Düngung mit N-Sensor

meras, Infrarot-Aufnahmen zum Erkennen von Wärmenestern (im Feld zur Wildtierrettung beim ersten Schnitt des Grünlandes oder auch an Siloanschnittflächen zum Erkennen von Nacherwär-mungen), zur Ausbringung von Trichogramma zur Maiszünslerbekämpfung oder auch für Ver-messungen. Im landwirtschaftlichen Versuchswesen und bei Pflanzenzüchtern werden dagegen Drohnen schon häufig eingesetzt, sie sind für die Phänotypisierung teilweise bereits etabliert.

Drohne mit hochsensibler Hyperspektralkamera

Ziele und Zielkonflikte

Durch die Digitalisierung sollen bei gleichem Ertragsniveau Betriebsmittel eingespart und Kosten gesenkt werden und gleichzeitig soll umwelt- und ressourcenschonend gearbeitet werden. Die Präzisionslandwirtschaft und „Smart Farming“ sollen zu einem optimierten Betriebs-mitteleinsatz führen, wobei sich Rentabilität auf der einen Seite und Umwelt- und Ressourcen-schutz auf der anderen Seite i. d. R. gut miteinander kombinieren lassen.

Für den niedersächsischen Ackerbau soll der Einsatz der bereits etablierten Verfahren wie der sensorgesteuerten mineralischen N-Düngung ausgeweitet werden und neue Bereiche wie z. B.

die Optimierung der organischen Düngung mit NIRS-Technik an Bord des Güllewagens zur On-line-Nährstoffanalyse und entsprechender bedarfsgerechter Verteilung sollen weiterentwickelt und in der landwirtschaftlichen Praxis angewendet werden.

Verfahren, die eine nachhaltige Durchführung von nicht chemischen und chemischen Pflanzen-schutzmaßnahmen unterstützen – z. B. kameragestützte Präzisionshacken mit innovativen Tech-niken des chemischen Pflanzenschutzes wie teilflächenspezifischen oder auch einzelpflanzen-spezifischen Behandlungsmöglichkeiten – sollen weiterentwickelt und in der landwirtschaftlichen Praxis eingesetzt werden. Hierzu gilt es, Innovationen und neue Technologien zu fördern sowie wissensbasierte Entscheidungen zu treffen.

Foto: Wolfgang Ehrecke, LWK

Ansätze zur Erfassung des aktuellen Wasserbedarfs der Pflanzenbestände per Fern-erkundung, d. h. mithilfe von Daten, die per Satellit oder Drohnen erhoben werden können und zusammen mit Pflanzenwachstumsmodellen und Wetterdaten in ein Entscheidungshilfesystem einfließen. Diese Methoden sind aber noch weitgehend in der Entwicklungs- und teilweise in der Erprobungsphase und noch nicht praxisreif.

Ein weiteres Ziel ist die Arbeitserleichte-rung und ReduzieArbeitserleichte-rung von Arbeitskosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Arbeits-qualität; dies kann mit der Landwirtschaft 4.0 durch Automatisation und Robotik erreicht werden, beispielsweise durch automatische Beweidungssysteme mit Weiderobotern bei Portionsweiden für Milchkühe.

Darüber hinaus soll die Digitalisierung als Arbeitserleichterung für die Dokumentation der eigenen Produktion genutzt werden.

Der Wissenstransfer in die Praxis ist we-sentlich, damit digitale Technologien genutzt werden. Niedersachsen unterstützt sowohl die Entwicklung digitaler Technologien als auch den Wissenstransfer in die Praxis (siehe Kasten „Digitalisierungspreis Agrar und Er-nährung Niedersachsen“). Aus- und Fort-bildung auf allen Erfahrungsstufen soll über gezielte Ausbildungsmodule gestärkt und gefördert werden.

Foto: Wolfgang Ehrecke, LWK

Foto: Wolfgang Ehrecke, LWK Kameragesteuerte Hacke

Autonomer Feldroboter bei der Erfassung der phänologischen Entwicklung eines Zuckerrübenbestands

Die Digitalisierung bietet in vielfacher Hinsicht große Chancen, um die pflanzliche Produktion ressourcen- und umweltschonend weiterzuentwickeln. Sie wird die zukünftige landwirtschaft-liche Produktion – sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung – maßgeblich mitgestalten und sollte an die Anforderungen des Betriebes angepasst auch genutzt werden. Um die Mög-lichkeiten der Digitalisierung nutzen zu können, ist ein flächendeckender Zugang zu leistungs-fähigem Internet (5G) notwendig.

Digitale Technologien und Sensoren liefern schon heute eine Vielzahl an Daten und Informa-tionen zu Anbausystemen und Beständen. Oft können diese Daten aber noch nicht effizient genutzt werden, da Schnittstellen fehlen (bspw. Bodenkarten mit Vegetationskarten und Witterungsdaten, um zeitliche und räumliche Informationen über ein potenzielles Aufkommen von Schaderregern zu erhalten).

Zielkonflikte bestehen insbesondere in Zusammenhang mit der Landwirtschaft 4.0 und dem erforderlichen Zugriff auf Betriebsdaten, wobei Fragen der Datensicherheit und Datenhoheit zu klären sind. Umgekehrt sind öffentliche Geodaten i. d. R. als Basisdaten erforderlich, um die Möglichkeiten der digitalen Landwirtschaft in vollem Umfang nutzen zu können. Ein intensiver Datenaustausch ist bei der Digitalisierung unabdingbar.

Digitale Technik, nicht nur für Automatisation und Robotik, ist kapitalintensiv und erfordert In-vestitionen, die sich auch amortisieren müssen. Fördertöpfe auf EU-, Bundes- und Landesebene können für investitionsbereite Betriebe Anreize schaffen und helfen, die niedersächsische Land-wirtschaft zukunftsfähig umzugestalten.

Maßnahmen

• flächendeckenden Zugang zu leistungsfähigem Internet (5G) bereitstellen

• Einsatz der NIRS-Technik fördern, z. B. bei der Applikation von organischer Düngung zur Er-höhung der N-Effizienz

• teilflächenspezifische Beregnung und Einsatz von „Smart Farming“-Technologien zur Effi-zienzsteigerung der Beregnung

• finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung von digitalen Technologien mit dem Agrar-investitionsförderungsprogramm (AFP)

• PraxisLabor digitaler Ackerbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen als Kommunika-tions-, Demonstrations- und Ausbildungsplattform nutzen

• Förderung von anwendungsbezogenen Forschungsprojekten zu Landwirtschaft 4.0 im Bereich Pflanzenschutz, Düngung und Beregnung

• Zuverlässigkeit des Empfangs des RTK-Korrektursignals verbessern

• Drohneneinsatz im Pflanzenschutz zur Fernerkundung und in der jagdlichen Hege zur Wild-tierrettung sowie Feldrobotik etablieren

Digitalisierungspreis Agrar und Ernährung Niedersachsen

Um dem Ziel einer möglichst schnellen und zugleich risikobewussten Erschließung der Chancen der Digitalisierung im landwirtschaftlichen Bereich näher zu kommen, hat das ML im Jahr 2020 erstmals den Niedersächsischen Digitalisierungspreis Agrar und Ernäh-rung ausgelobt. Um den DigitalisieErnäh-rungspreis bewerben konnten sich landwirtschaft-liche Betriebe und Unternehmen der ihnen vor- und nachgelagerten Wertschöpfungs-stufen, Existenzgründer (Start-ups) sowie nicht erwerbswirtschaftliche Organisationen mit Bezug zur Agrar- und Ernährungswirtschaft aus Niedersachsen. Ihre Entwicklungen sollen digitale Lösungen einsetzen, um Fortschritte im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Tier-wohl, Verbraucherschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Transparenz der Wertschöpfungsket-ten oder DaWertschöpfungsket-tenschutz zu realisieren.

Der Digitalisierungspreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Der Zweit- und der Drittplatzierte erhalten 3.500 Euro bzw. 1.500 Euro.

Mehr Informationen zum Digitalisierungspreis finden Sie unter www.ml.niedersachsen.de/digitalisierungspreis

N-Sensor und Drohne im Versuchseinsatz des Projekts „Farmer-Space“

Foto: Agrartechnik der Universität Göttingen