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Die Systentheorie der Evolution

I. Die Leitende Theorie

1.6. Die Systentheorie der Evolution

Die Grundlage der im folgenden vorgestellten

Systemtheorie der Evolution

, die von Riedl (1975) formuliert worden ist, bildet zum einen die Allgemeine Systemtheorie, darüber hinaus schließt die Systemtheorie der Evolution den evolutionstheoretischen Ansatz der

synthetischen Theorie

in sich ein

In der Vergangenheit sind von Lamarck bis Darwin eine Reihe von Erklärungsansätzen der Evolution entwickelt worden, die auf sog. ‘Ein-Faktor-Erklärungen’ basieren und in monisti- sehe Evolutionstheorien eingingen In der Folge ist in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts die

synthetische ІЪеогіе

entwickelt worden, die verschiedene Erklärungsansätze der Evolution in einer einheitlichen Theorie zu integrieren suchte (Wuketits 1978, 142) Im Ansatz der syn- thetischen Theorie werden

Mutation

und

Selektion

als zentrale Evolutionsmechanismen ange- sehen, die im Sinne einer linearen Kette von Ursache und Wirkung wirken

״ Die Selektion be- vorzugt aus der Fülle ungerichteter erblicher Varianten der Organismen

[Mutationen]

jene, die fa r die entsprechenden Lebensbedingungen besser geeignet situi und daher die bessere Anpassung zeigen

44 (Wuketits 1978, 144). Die Veränderung (Evolution) der Organismen im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild und ihre Lebensweise erfolgt also durch zufällige Mutationen des Erbmaterials und durch Selektion derjenigen daraus hervorgehenden Organismen, die sich als einer gegebenen Umwelt am besten angepaßt erweisen. In diesem Sinne wird eine Wirkung von der Veränderung des Erbmaterials (der Gene) auf eine Veränderung des Erscheinungsbil- des des Organismus (seiner Phäne) angenommen, eine Rückwirkung der Phäne auf die Gene jedoch ausgeschlossen (Wuketits 1978, 144).

Die Systemtheorie der Evolution stimmt mit der synthetischen Theorie insofern überein, als auch sie

Mutation und Selektion

als Hauptmechanismen der Evolution annimmt. Auch sie ist

des weiteren der Auffassung, daß eine Veränderung der Gene eine Veränderung der entspre- chenden Phäne zur Folge hat, darüber hinaus nimmt sie jedoch an, daß auch die Phäne auf ihre Gene zurückwirken können. Das von der synthetischen Theorie postulierte Prinzip einseitiger Kausalität, Ursachen determinieren ihre Wirkungen, wird erweitert, und zwar durch die An- nähme des Prinzips

der vernetzten funktionellen Kausalität

, welches nicht nur davon ausgeht, daß Ursachen ihre Wirkungen beeinflussen, sondern auch davon, daß Wirkungen indirekt auf ihre Ursachen zurückwirken können. Der hier implizierte Gedanke einer

Rückkopplung

inner־

halb eines Beziehungsgefuges setzt jedoch voraus, daß es sich bei diesem um ein

System

han- delt (Wuketits 1978, 146). Die evolutionäre Systemtheorie geht entsprechend von der darge- stellten allgemeinen Systemtheorie aus und nimmt an, daß es sich bei Organismen um lebende, also offene Systeme handelt, die sich in Subsysteme gliedern und in Kontakt mit ihrer Umwelt stehen, die sich des weiteren im Zustand eines stationären Geichgewichts befinden und die bestimmte Systemeigenschaften ausbilden, welche auf die Einzelelemente des Systems und deren Eigenschaften nicht zurückgefuhrt werden können, also ein Resultat der Funktionsweise des Systems darstellen. Eine solche Systemeigenschaft ist z.B. das Phänomen ‘Leben’, das le- benden Systemen als Ganzes eigen ist, das jedoch nicht auf einzelne Bestandteile des Systems zurückgefuhrt werden kann

Lebende Systeme weisen also eine innere Organisation auf, die sich aus der Struktur und Funktionsweise des Systems als Ganzes ergibt, bzw. aus den Wechselwirkungen der System- teile resultiert Bei der Erklärung von Evolution müssen demzufolge die internen Beziehungen in lebenden Systemen ebenso berücksichtigt werden wie die externen Beziehungen des Systems zu seiner Umwelt. Im Hinblick auf das interne Beziehungsgeflecht nimmt die evolutionäre Sy- stemtheorie den Mechanismus einer ‘inneren Selektion’ an, die neben der äußeren Selektion durch die Umwelt ebenfalls wirksam ist. Nach Riedl (1975, 298) steht diese ״ ‘innere’ Selektion (...) zur ‘äußeren’ in einem Verhältnis wie die Betriebs- zur Marktselektion. Auch sie ist letzt- lieh durch die Ansprüche des Marktes, aber über die Funktionsbedingungen des Produktes und die Organisation des Betriebes entstanden, aber zu Eigengesetzen von Test und Toleranz, zu Eigengesetzlichkeit gelangt “

Der Mechanismus der ‘inneren Selektion’ ergibt sich damit aus den Notwendigkeiten der Systembedingungen. Der äußere Selektionsdruck wirkt auf das lebende System, dieses setzt die äußere Selektion in eine ‘innere’ um, die wiederum das System

a u f systemspezifische Weise

an die Umwelt anpaßt. Organismen verändern sich also nicht nur auf der Basis zufälliger Mu- tationen, sondem auch auf der Basis der Rückwirkung der Selektion auf die Organisation des

Systems Daraus ergibt sich, ״daß die Kette von Ursachen und Wirkungen sich zu einem Kreis schließt, womit (. . .) das Endglied der Kette, z, über den Kreislauf auf die es bedingende Ursa- chenkette, a, b, c , ..., y, zurückwirkt" (Wuketits 1978, 151).

Die hier im Umriß dargestellte evolutionäre Systemtheorie muß im folgenden noch etwas differenzierter betrachtet werden, da sie zusammen mit der allgemeinen Systemtheorie die Ba- sis der hier zugrunde gelegten Kulturtheorie von Fleischer ( 1989, 1994, 1996) darsellt

Z u f a l l u n d N o t w e n d i g k e i t

Alles Beobachtbare kann entweder auf das Wirken eines Zufalls oder auf das einer Notwendig- keit zurückgefuhrt werden Was uns als zufällig und was als notwendig erscheint wird dabei von den Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten bestimmt. Meinen wir in der Wiederholung von etwas eine Ordnung oder Gesetzmäßigkeit erkennen zu können, so nimmt die Vermutung, daß es sich hier nicht um Zufall, sondern um Notwendigkeit handelt zu und umgekehrt Das heißt, das Wachsen der Annahme einer Notwendigkeit hat das Kleinerwerden da־ Annahme eines Zufalls zur Folge und umgekehrt Zufall und Notwendigkeit hängen insofern /oneinander ab. Auch objektiv können Notwendigkeit und Zufall jeweils zu־ und abnehmen, indtm etwa aus Einzelereignissen, die sich zu einem Gesamtereignis zusammensetzen (z.B ein Mot)r und seine Teile), die zufälligen Möglichkeiten derselben weitgehend ein- bzw ausgeschlos.־en werden, das Gesamtsystem also entweder stark indeterminiert oder stark determiniert ist Die notwen- dige Abfolge oder Existenz von Einzelereignissen beinhaltet dann eine hohe Duermination oder Notwendigkeit des Gesamtereignisses, eine hohe Unbestimmtheit der Eiruelcreignisse entsprechend eine hohe Indeterminiertheit bzw Zufälligkeit des Gesamtereignsses (Riedl

1975, 15, 24).

E n t s c h e i d u n g и f i d E r e i g n i s

Des weiteren können wir mit Hilfe unseres Wahmehmungsapparates zwischen Entscheidungen und Ereignissen unterscheiden Dies geschieht zumeist nach dem Prinzip von trsache und Wirkung, nach dem Entscheidungen als Ursachen und Ereignisse als Wirkunger angesehen werden Es kann angenommen werden, daß alle Ereignisse sich aus Entscheidungen letztlich molekularer Art zusammensetzen. Insofern stellen Ereignisse zusammengesetzte Eitscheidun־

gen dar Trotzdem ergibt sich die Notwendigkeit einer Unterscheidung, da wir ais der Be- grenztheit unseres Beobachtungsapparates heraus die uns zugängliche Welt zürnest nicht an־

hand der ihr zugrunde liegenden Entscheidungen beschreiben können, sondern aif eine

Be-Schreibung der uns einsehbaren Komplexe ihrer Systeme (Ereignisse) angewiesen sind. ״Wir müssen aber nun zur Kenntnis nehmen, daß in der Natur ein Ereignis nichts anderes sein kann als das System der (...) Entscheidungen, die es auslösen“ (Riedl 1975, 47, insgesamt S. 16, 47).

D a s S y s t e m d e r P h ä n o m e n e

Entscheidungen lösen auf allen Ebenen des lebenden Organismus Ereignisse aus. Dabei können auf den verschiedenen Ebenen der sich aufbauenden Komplexität von Ereignissen (bis zu Or־

gangruppen und Körperteilen) genetische Einzelentscheidungen durch Sub- oder Super־

Entscheidungen dirigiert werden (Riedl 1975, 17). Einzelentscheidungen können also zu Grup- pen zusammengefaßt und durch eine Super-Entscheidung ersetzt oder ausgelöst werden oder aber sie können selbst andere Entscheidungen dirigieren. Entscheidungen sind insofern vonein- ander abhängig. Dies äußert sich strukturell in der Bildung von sog. Entscheidungsmustem (epigenetischen Systemen), nach denen der Organismus Ereignismuster, also die Ordnungsmu- ster seiner äußeren Erscheinung ausbildet. Im Molekularbereich des Organischen lassen sich vier allgemeine Schalt- oder Verdrahtungsmuster unterscheiden, die für die Bildung der Ent- scheidungsmuster verantwortlich sind: die Replizierschaltung, die Vorschaltung, die Gleich- schahung und die Folgeschaltung (Riedl 1975, 289). Entsprechend finden sich im Bereich der äußeren Erscheinung der Organismen vier Hauptordnungsmuster der Gestalt, die sich vonein- ander durch die Art der durch sie realisierten geometrischen Symmetrien unterscheiden. Es sind dies das Muster der Norm, der Hierarchie, der Interpendenz und der Tradierung, die sich gegenseitig bedingen und voneinander abhängen, etwa so, ״wie Buchstabe - Grammatik, Sym- bol - Algebra oder Wort - Syntax darstellen“ (Riedl 1975, 74-87). Diese vier Ordnungsmuster bilden zusammen eine Einheit,

die Einheit der Ordnung des Lebendigen.

Sorgen die Entschei- dungsmuster einerseits für die Realisierung der entsprechenden Ereignismuster, so wirken an־

dererseits die Ereignismuster auf die Beschaffenheit der Entscheidungsmuster zurück, und zwar über den Umweg der Selektion derjenigen Ereignisse, die sich als am besten angepaßt erwiesen haben ״Im Gesamtzusammenhang handelt es sich um die Durchsetzung einer Wech־

sdabhängigkeit der Entscheidungen über den Umweg der Selektion der von ihnen hervorge- rufenen wechselabhängigen Ereignisse, um eine Bevorzugung von Entscheidungen durch be- vorzugte Ereignisse: um eine ‘Strategie des Zufalls’“ (Riedl 1975, 17).

U r s a c h e u n d W i r k u n g

Der Mechanismus der Evolution ist damit nicht der einer einseitig gerichteten Kausalität von den Ursachen zu den Wirkungen, sondern der einer vernetzten funktionellen Kausalität, die Wirkungen beeinflussen ihre Ursachen und umgekehrt ״Treten also Entscheidungen zu Syste- men zusammen, so werden unter Selektionsbedingungen die Muster der Entscheidungen die von ihnen geforderten Muster der Ereignisse kopiert haben. Ganz besonders dann, wenn die funktionellen Abhängigkeiten (...) der Ereignisse (der Merkmale) getrennte Veränderungen gar nicht mehr zulassen“ (Riedl 1975, 18). Im Bereich der Organismen wird die Bündelung von Entscheidungen, von Genen, in Systemen mit dem Begriff des

epigenetischen Systems

bezeich- net. Entsprechend kann man sagen, daß epigenetische Systeme unter dem Druck der Selektion die Muster der von ihnen selbst hervorgebrachten Merkmale eines Organismus (Ereignisse) wiederum kopieren. Das heißt, die Selektion fördert indirekt, durch den erwähnten Mechanis- mus der *inneren Selektion*, die Bildung solcher Entscheidungsmuster, deren Ereignisse (Merkmale) der Umwelt gut angepaßt sind. Das epigenetische System kopiert die Funktionszu- sammenhänge der Merkmale des Organismus, diejenigen Gene werden zu einem epigeneti- sehen System zusammen geschaltet, deren Phäne durch den Druck der Umwelt in eine funktio- nelle Kopplung eingetreten sind. ״Dem Zufall der Entscheidungen wird die geforderte Harmo- nie der Wirkungen aufgezwungen“ (Riedl 1975, 18).

Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Entwicklung der Entscheidungsmuster schwerlich wieder rückgängig gemacht werden kann Ändern sich die äußeren Bedingungen, so kann das lebende System nur auf der Grundlage seiner aktuellen Baupläne und Erscheinungsweise dar- auf reagieren, d h das System kann sich von seinem gegebenen Zustand aus nur weiter nicht aber wieder zurück entwickeln Einmal getroffene Entscheidungen, wie etwa die Zusam- menschließung von Genen in einem epigenetischen System, sind irreversibel. Man denke hier etwa an die Lunge des Wals, die sich nicht in Kiemen zurück entwickeln konnte, als dessen Lebensraum wieder das Wasser wurde. Folglich ״muß jeder erreichte Vorteil mit einer Einen- gung der Möglichkeiten bezahlt werden Die Phänomene, die Muster der Entscheidungen wie die der Ereignisse, die möglichen Ursache-Wirkungs-Muster werden kanalisiert Und die Folge ist eine Ordnung von etemaler Stetigkeit. Die Ordnung des Lebendigen“ (Riedl 1975, 18).

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D a s P h ä n o m e n d e r O r d n u n g

Wie erwähnt, geht die evolutionäre Systemtheorie davon aus, daß es in der Welt das Phäno- men der Ordnung gibt, daß in der Welt eine gesetzmäßige Organisation der Elemente beob- achtbar ist. In der Unterscheidung von Zufall und Notwendigkeit ist bereits angedeutet wor- den, daß etwas dann als notwendig angesehen wird, wenn sich in der Wiederholung eine Ge- setzmäßigkeit zu zeigen scheint, wenn etwas sich auf bestimmte Weise und also nicht zufällig wiederholt. Riedl (1975, 34, 25ff) definiert Ordnung entsprechend als ״Gesetz mal Anwen- düng“.

D = G • r

Determination = Gesetz mal Anwendung

Dabei leitet er den Begriff der Determination aus dem der Indetermination (des Zufalls) ab (Riedl 1975, 25ff). Das Maß für Indétermination ist dessen Informationsgehalt. Der Informati־

onsgehalt (I) eines Zufallsereignisses entspricht dem Kehrwert seiner Wahrscheinlichkeit. Je unwahrscheinlicher also ein Ereignis ist, desto größer ist sein Informationsgehalt. Je größer dabei die Anzahl der unvorhersehbaren Möglichkeiten des Zufalls ist (z.B. die Anzahl der Ku־

geln beim Lotto), je größer also der Grad der Ungewißheit ist, desto größer ist auch der In־

formationsgehalt des eingetretenen Zufallsereignisses. Der Kehrwert der Wahrscheinlichkeit eines Zufallsereignisses, also sein Informationsgehalt, ist demnach ein direktes Maß für den Grad seiner Indétermination

Kann ein Ereignis insgesamt nicht durch das Walten von Zufall zustande gekommen sein, muß es notwendig, bzw gesetzmäßig entstanden sein, etwas anderes gibt es nicht. Ein Ereignis kann also unter entgegengesetzten Gesichtspunkten betrachtet werden: a) als Ereignis, das durch das Walten von Zufall eingetreten ist und b) als Ereignis, das durch das Herrschen einer Gesetzmäßigkeit eingetreten ist. Daraus ergeben sich entsprechend zwei Wahrscheinlichkeiten:

a) die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um ein Zufalls- bzw. Indeterminationsereignis handelt und b) die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um ein Notwendigkeits- bzw. Determinationsereig- nis handelt (Riedl 1975, 28). Ergibt sich die Wahrscheinlichkeit eines Indéterminations- Ereignisses (P!), wie gesagt, aus seinem Informationsgehalt, so ergibt sich die Wahrscheinlich- keit eines Determinations-Ereignisses (Pd) ebenfalls aus seinem Informationsgehalt, und zwar in diesem Fall aus dem Grad seiner Determiniertheit, also aus der Anzahl von Determinations- entscheidungen, die bereits bekannt und etabliert sind. Im Hinblick auf ein Ereignis hängt die

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Wahrscheinlichkeit, daß es sich um ein Determinationsereignis oder um ein Indeterminationser- eignis handelt, vom Verhältnis der beiden Einzelwahrscheinlichkeiten Pd und P! ab. Sie verhal- ten sich in bezug auf dasselbe Ereignis reziprok. Ihr Verhältniswert wird als

Gesetzeswahr- scheinlichkeit (PJ

bezeichnet und folgendermaßen dargestellt (Riedl 1975, 28):

P8 = Pd / (Pd + P!)

Die Determinationswahrscheinlichkeit (Pd) eines Ereignisses ergibt sich aus der Gesetzeswahr- scheinlichkeit (Pg). Quantitativ läßt sich der Determinsationsgehalt (D) also in Form seines Wahrscheinlichkeitsgrades angeben

Betrachtet man die Ausgangsformel D = G • r in qualitativer Hinsicht, so wird der Determi- nationsgehait D mit G • r gleichgesetzt, wobei, G den Gesetzesgehalt und r den relativen Re- dundanzgehalt bezeichnet

״Mit

Redundanzgehalt R

hingegen haben wir (. ..) die Anzahl der redundanten Entscheidungen in einem (...) Determinationsgeschehen bezeichnet; (...) (G) entspricht dem Gehalt der Origi- nalmitteilung, des Originalsatzes oder dem Gesetzesgehalt eines Determinationsgeschehens“

(Riedl 1975, 34)

Redundanz hat also nur in Determinationsereignissen einen Sinn. Etwas kann nur auf der Grundlage einer Gesetzmäßigkeit als Wiederholung derselben auftreten, ist ein Ereignis nicht determiniert, läßt sich auch keine Redundanz beobachten Entsprechend ist die Wiederholung bzw die relative Redundanz (r) von etwas die notwendige Voraussetzung fur das Erkennen einer Gesetzmäßigkeit (Riedl 1975, 32-35)

Das Qualitative der Ordnung liegt im Bereich der Gesetzmäßigkeit (G). Es ist der Gehalt der in einer Entscheidung angewandten Gesetze, der Gesetzesgehalt (Riedl 1975, 55). Es han- delt sich dabei um den nicht reduzierbaren Kern des Gesetzes, das allgemeine Muster ״ Das Gemeinsame aller Muster ist die ‘Identität ihrer Individualitäten’“ (Riedl 1975, 55). Im Hin- blick auf die Erklärung von Evolution als

Ordtmng des Lebendigen

bedeutet das, daß

der Ord

־

tmngs- oder Determinationsgehait (D) eines Ereignisses sich aus der wiederholten Anwen

-

dung fr) einer Gesetzmäßigkeit (G) in Entscheidungen ergibt

(Riedl 1975, 34).

Im Hinblick auf lebende Systeme wird Ordnung als wiederholte Anwendung (gesetzmäßi- ger) Entscheidungen (im Bereich der Gene) und als wiederholte Anwendung (gesetzmäßiger)

Ereignisse (im Bereich der Phäne oder Merkmale) unterschieden. Wird Ordnung im Bereich der Gen-Entscheidungen systematisch durch Rangung und Wiederverwendung (z.B. im Be- reich epigenetischer Systeme) angebaut, so entsteht ein zunehmend determiniertes System, welches durch die Reduktion der Entscheidungen die identische Wiederholbarkeit der Ereignis- se verbessert, indem Reproduktionskosten, Kopierfehler, etc. vermieden werden (Riedl 1975, 48). Eine solche steigende

Systemisierung

stellt eine generelle Entwicklungseigenschaft organi- scher Systeme dar, Evolution verläuft in Richtung zunehmender Organisation, Differenzierung, Komplexität und wechselseitiger Abstimmung der Teile.

Betrachtet man die

Enxvncklungsmöglichßceiten

solcher Systeme, so hat die Zunahme an Komplexität im Bereich der Entscheidungen einen steigenden Ordnungsanbau im Bereich der Ereignisse zur Folge. Des weiteren sind die Erfolgschancen von Zufallsänderungen im Bereich der Entscheidungen (Mutationen) jedoch umgekehrt von den Notwendigkeiten im Bereich der Ereignisse (Selektion) abhängig.

״Dabei zieht das Wachsen bestimmter Notwendigkeiten einen Abbau der Möglichkeiten des Zufalls nach sich, während dieses verringerte Repertoire der Entscheidungen eine Kanalisation der möglichen Ereignisse (...) zur Folge hat“ (Riedl 1975, 291).

Damit wird deutlich, warum das Prinzip der einseitigen Kausalität im Bereich der Evolution durch das Prinzip der vernetzten, funktionellen Kausalität ersetzt werden muß. Ordnungsanbau ist weder im Bereich der Entscheidungen noch im Bereich der Ereignisse auf der Basis von Mutation und Selektion ohne das Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit denkbar. Steigende Systemisierung im Bereich der Entscheidungen kanalisiert die Veränderungsmöglichkeiten der Merkmale, die Funktionszusammenhänge der Merkmale reduzieren die Zahl möglicher erfolg- reicher Mutationen im Bereich der Gen-Entscheidungen.

Es lassen sich sowohl auf der Ebene der Entscheidungen als auch auf der Ebene der Ereig- nisse je vier verschiedene qualitative Ordnungsmuster unterscheiden. Im Bereich der Entschei- dungen (des Genotyps) handelt es sich um die Anwendung verschiedener Schaltmuster in epi- genetischen Systemen, die die Funktion des Redundanzabbaus, bzw der Systemisierung des Systems zur Steigerung seiner Erhaltungschancen wahmehmen. Es sind dies die Replizier- Schaltung, die Vorschaltung, die Geichschaltung und die Folgeschaltung. Mit der zunehmen־

den Verflechtung der Einzelentscheidungen ist eine stärkere Belastung derselben verbunden, eine Entscheidung ist nicht mehr nur fur ein Ereignis, sondern unter Umständen für eine ganze

Entscheidungs- und im Resultat Ereignisfolge verantwortlich. Das heißt, daß eine Entschei- dung eine Belastung oder

Bürde

trägt, deren Grad von der Zahl der Folgeentscheidungen be*

stimmt wird, die von ihr abhängen (Riedl 1975, 138). Die Bürde ist eine wesentliche Ursache dafür, daß Entscheidungen in Entscheidungsbahnen kanalisiert werden. Einmal entstandene Entscheidungsmuster werden sozusagen konserviert, da ״ Entscheidungsmuster von einiger Bürde keine realen Chancen besitzen, völlig abgebaut [zu werden]“, sie können nur im Rahmen der einmal eingeschlagenen Entwicklungsbahn neu überbaut werden (Riedl 1975, 126). Der Begriff der Bürde wird des weiteren auch im Bereich der Ereignisse angewandt, hier bezeich- net er die ״Zahl der Einzelereignisse (oder Merkmale), die (...) von einem fundamentalen Er- eignis (oder Merkmal) funktionell abhängig sind“ (Riedl 1975, 139). Die Chance, daß ein Merkmal sich durch Mutation erfolgreich verändert, wird um so kleiner, je höher seine funk- tionelle Bürde ist, d.h. je mehr andere Merkmale funktionell von ihm abhängig sind (Riedl

1975, 290).

Die vier Systemisierungsmuster des Genotypus bestimmen die vier Ordnungsmuster des Phänotypus: die Ordnung der Norm, der Hierarchie, der Interpendenz und der Tradierung.

Umgekehrt beeinflussen diese wiederum die Ordnung des Genotypus ״ Werden aber unter allen zufällig eingerichteten (...) Schaltungen die funktionsgemäßen durch die Selektion systematisch und massiv gefördert, die ungemäßen ebenso unterdrückt, dann muß man erwarten, daß die Muster der (...) Schaltungen die jeweiligen Funktionsmuster mehr und mehr kopieren werden.

(...) Das epigenetische System kopiert das System der Funktionen“ (Riedl 1975, 125) Je höher dabei eine Entscheidung durch ihre Position im epigenetischen System bebürdet ist, desto ge- ringer ist die Möglichkeit, sie zu verändern, sie kann von der Selektion kaum beeinflußt wer- den, sondern ist fur die Richtung der evolutionären Veränderung mit verantwortlich. Bebürdete Entscheidungen und Entscheidungsmuster kanalisieren die weitere Entwicklung des Systems Je höher des weiteren ein Ereignis oder Merkmal durch seine Funktion im System der Phäne bebürdet ist, desto geringer ist wiederum die Möglichkeit, es durch Mutation zu verändern. Die Funktionsabhängigkeit der Phäne untereinander übt einen ‘inneren Selektionsdruck’ auf die Beschaffenheit der entsprechenden epigenetischen Systeme aus, nur das kann erfolgreich mu- tieren, was diesen Funktionsabhängigkeiten nicht zuwiderläuft. Entsprechend haben diejenigen Mutationen die größten Erfolgschancen, die möglichst klein sind und die dem äußeren und inneren Selektionsdruck entsprechen (Riedl 1975, 290-293). Das Resultat sind dann Funkti- onsmuster von grundsätzlicher Art, das Muster der Norm, der Hierarchie, der Interpendenz und der Tradierung: