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Die Strukturentwicklung zum bundes- bundes-zentralen Träger: Staatliche und

Im Dokument Demokratie leben! (Seite 66-69)

zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteuren erprobten und etablierten neue Formate der partnerschaftlichen Zusammenarbeit.

Im Bundesprogramm hat das Bundesministerium den Anspruch, mit den geförderten Organisationen partnerschaftlich und auf Augenhöhe zusammen­

zuarbeiten. Dazu etablierte es im Programmbereich neue Formate der Zusammenarbeit: die jährlich statt­

findende Trägerkonferenz mit allen am Programm­

bereich beteiligten Akteuren und das Instrument der Jahresplanungsgespräche, die das Bundesministerium mit jedem einzelnen Träger führt. Die Jahrespla­

nungsgespräche dienten im Programm als neuer Ort,

47 Vgl. Bischoff et al. 2019.

48 Vgl. Heinze u. a. 2018, S. 71–72.

49 Vgl. Heinze u. a. 2018, S. 112–125.

50 Vgl. Heinze u. a. 2018, S. 107–112.

in dem staatliche und nichtstaatliche Akteurinnen und Akteure zusammenarbeiten. Sie sind potenziell geeignet, dem Anspruch an eine kooperative Hand­

lungskoordination von Staat und Zivilgesellschaft in den Handlungsfeldern des Bundesprogramms gerecht zu werden. Zugleich sind sie ein Instrument des Programmgebers, Aktivitäten von bundeszent­

ralen Trägern als Programmumsetzende zu steuern und zu kontrollieren.49 Da die Beziehungen einen zuwendungsrechtlichen Rahmen haben und daher hierarchisch sind, ist bisher noch weitgehend offen, wie sich in diesem Kontext der Anspruch von Part­

nerschaftlichkeit einlösen lässt. Die jährliche Träger­

konferenz stellte nach Einschätzung der Beteiligten ebenfalls ein geeignetes Format der Abstimmung, Aushandlung und Diskussion von Fach­ und Koope­

rationsfragen zwischen staatlichen und nichtstaat­

lichen Akteurinnen und Akteuren dar. Hier wurden Entwicklungsziele des Programmbereichs gemeinsam konkretisiert. Gleichzeitig war es dort Thema, wie man sich gegenseitig unterstützen kann oder mit öffentlichen Anfeindungen sowie mit demokratie­

und menschenfeindlichen gesellschaftspolitischen Diskursen umgeht.

Die überwiegende Mehrheit der geförderten Träger misst der Zusammenarbeit mit dem Bundesminis­

terium eine hohe Bedeutung bei und schätzt diese, bezogen auf ihre inhaltlich­fachlichen und organisa­

torischen Aspekte, positiv ein.50 Dahingehend leistet der Programmbereich auch einen Beitrag dazu, zu verdeutlichen, dass die Stärkung von Demokratie und die Prävention von Extremismus wirksam nur durch das partnerschaftlich abgestimmte, gemeinschaftliche Handeln von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu bewältigen ist.

Teilnehmerinnen des M

odellprojekts Romani Phen:

Archiv gegen das Vergessen.

5.1.4 Modellprojekte – Förderung von „neuen Wegen“ der Extremismusprävention und Demokratieförderung

Im folgenden Abschnitt werden exemplarisch ausgewählte Entwicklungs­ und Erprobungsergebnisse der Modellprojekte vorgestellt, die im Bundesprogramm

„Demokratie leben!“ gefördert wurden. Hauptaufgabe dieser Projekte war es, neue, praxistaugliche Ansätze zu entwickeln und zu erproben – sowohl in der Arbeit gegen politischen und weltanschaulich­religiös begründeten Extremismus sowie Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) als auch in der Demokratieförde­

rung im ländlichen Raum. In diesem Sinne sollten die Modellprojekte gleichsam stellvertretend für die Alltagspraxis neue Konzepte und Strategien, Arbeitsformen und Zugänge zu Zielgruppen, Themen und Inhalten erproben sowie Erfahrungen sammeln, um diese anschließend der Fachpraxis im Sinne eines Konzept­, Wis­

sens­ und Erfahrungstransfers zur Verfügung stellen zu können. Sie sollten zudem nachvollziehbar machen, dass die entwickelten Ansätze dazu beitragen können, demokratisches Denken und Handeln zu fördern sowie politisch­weltanschau­

licher Radikalisierung vorzubeugen bzw. diese zu bearbeiten. Dadurch sollten Akteurinnen und Akteure motiviert werden, sich in ihrer Arbeit den Themen des Programms zu widmen – ob in den Angeboten der Kinder­ und Jugendhilfe, im schulischen Kontext, im Strafvollzug oder in weiteren Einrichtungen, bspw. der Berufsausbildung. Der Bund nimmt auf die Weise zugleich seine Anregungsfunk­

tion in der Kinder­ und Jugendhilfe nach § 83 I SGB VIII wahr.

Der Transfer von Ergebnissen der Modellprojekte und die Übertragung entwickel­

ter und erprobter Modelle sowie der darauf bezogenen Erfahrungen war allerdings kein Selbstläufer. Eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Transfer ist einerseits, dass Neuerungen und (Weiter­)Entwicklungen etwa pädagogischer Methoden seitens der Projektumsetzenden so angelegt sind, dass sie den Rahmen­

bedingungen und Bedarfen der (pädagogischen) Akteurinnen und Akteure in den genannten Regelangeboten entsprechen können. Andererseits müssen die in den Modellprojekten gewonnenen Ergebnisse auch vonseiten der Fachpraxis genutzt und verwendet werden. Die Erfahrung zeigt, dass dies häufig eher bruchstückhaft erfolgte, den jeweiligen Nutzungsinteressen und Rahmenbedingungen entsprach und dass es nicht selten einer systematischen Unterstützung bedurfte.

Nachfolgend werden ausgewählte Befunde der wissenschaftlichen Begleitungen der Modellprojekte in „Demokratie leben!“ vorgestellt. Sie sind für alle Programm­

bereiche der Modellprojektförderung relevant. Das betrifft insbesondere Erkennt

­

nisse zu den Rahmenbedingungen der Arbeit der geförderten Projekte und zu deren zentralen Innovationsbereichen. Was die konkreten Ergebnisse der Modell­

entwicklungen betrifft, muss sich die Darstellung aufgrund der großen Hetero­

genität der Projekte und des begrenzten Umfangs dieses Berichts darauf beschrän­

ken, für drei ausgewählte Innovationsfelder einige exemplarische Resultate zu präsentieren. Deren Auswahl stützt sich auf die Befunde der wissenschaftlichen Begleitungen der Programmbereiche. Die umfangreichen Erkenntnisse zu den Ergebnissen und Lernerfahrungen in der Modellprojektförderung werden aus­

führlich in den zahlreichen jährlichen Berichten der wissenschaftlichen Beglei­

tungen dargestellt. Diese sind u. a. auf der Homepage von „Demokratie leben!“

veröffentlicht.

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Thematische Innovationsfelder der Modellprojektarbeit Mit den thematischen Vorgaben wie „Hass im Netz – Engagement im Netz“, „Empowerment zur demo­

kratischen Teilhabe“, „Antiziganismus“ sowie „Aktu­

elle Formen von Islam­/Muslimfeindlichkeit“ und anderen hat das BMFSFJ aktuelle gesellschaftliche Problemlagen aufgegriffen und gezielt die Entwick-lung neuer HandEntwick-lungsansätze in diesen Themen-bereichen gefördert. Neu waren hierbei nicht nur die behandelten Themen, sondern auch, dass der Bund Modellprojekte fördert, die sich nicht allein der Prävention von ausgrenzenden, abwertenden und diskriminierenden Orientierungen und Handlungen widmen, sondern die zugleich auch auf das Empower­

ment der davon besonders betroffenen Personen­

gruppen zielen.

Die zeitgleiche Bearbeitung mehrerer Phänomene des GMF-Syndroms im Bundesprogramm war eben­

falls neu. Dies erweiterte die bereits seit langem im Kontext der einschlägigen Bundesprogramme statt­

findende Arbeit gegen Antisemitismus entsprechend jüngeren sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen um weitere Phänomene von gruppenbezogener Abwer­

tung und Diskriminierung. In diesem Zusammen­

hang hat sich das wachsende Bewusstsein darüber, dass Diskriminierungsphänomene miteinander verschränkt sind (Intersektionalität), als produktiver Impulsgeber dafür erwiesen, neue pädagogische Arbeitsansätze zu entwickeln. Modellprojekte berück­

sichtigen zunehmend die Verwobenheit zweier oder mehrerer Phänomene von GMF in ihrer Arbeit. So gibt es Verbindungen zwischen Antisemitismus und Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit und zwischen Homosexuellen­ und Islamfeindlich­

keit. Zugleich zeigte sich, dass in der pädagogischen Praxis weiterhin ein hoher Entwicklungsbedarf besteht, Intersektionalität und Mehrfachdiskriminie­

rung angemessen zu berücksichtigen.

Die pädagogische, präventionsorientierte Beschäfti-gung mit Menschenfeindlichkeit und Extremismus im Netz stellte ein eher unterentwickeltes Hand­

lungsfeld insbesondere in Kontexten der Kinder­ und Jugendhilfe dar – trotz des verdienstvollen Engage­

ments von Jugendschutz.net. Vor diesem Hintergrund war auch die Förderung von den Modellprojekten ein Novum, die konkrete Strategien zum Umgang mit

Menschenfeindlichkeit und Extremismus im Internet sowie Handlungsansätze zur Stärkung einer digitalen Zivilgesellschaft entwickeln. Angesichts der Digitali­

sierung von Lebenswelten wurde es zunehmend zu einer Querschnittsaufgabe, für die pädagogische Praxis in fast allen modellhaft arbeitenden Bereichen des Bundesprogramms entsprechende Arbeitsansätze zu entwickeln.

Die Herausforderungen der Präventionsarbeit und Demokratiestärkung im Kontext der Berufsausbil-dung in Unternehmen und in der Arbeitswelt sind besondere. Darum hat der Programmgeber Modell­

projekte gefördert, die Jugendliche in einem (Alltags­) Kontext adressierten, der bisher vergleichsweise sel­

ten im Mittelpunkt der politischen Bildung und der Radikalisierungsprävention stand. Damit wurde ein Entwicklungs­ und Erprobungsraum für Bildungs­

formate geschaffen, die den Bedingungen der Unter­

nehmenswelt und von Ausbildungssettings gerecht werden sollten.

Ebenfalls auf aktuelle gesellschaftspolitische Entwick­

lungen reagierten Modellprojekte mit neuen oder weiterentwickelten Arbeitsansätzen, die sich insbe­

sondere mit den demokratiegefährdenden und ras­

sistischen Ausprägungen im Rechtspopulismus, der Reichsbürger­Szene, der Identitären Bewegung oder neueren islamistischen Phänomenen (Furkan­Be­

wegung, „Generation Islam“) auseinandersetzten. Die genannten Phänomene lieferten Anlässe insbesonde­

re für die inhaltliche Erweiterung oder Fokussierung von Projektmaßnahmen.

Im Bereich der Modellprojekte, die sich mit islamis­

tischen Orientierungen und Handlungen auseinan­

dersetzten, haben insbesondere Träger, die bisher in vornehmlich säkularisierten Kontexten gearbeitet ha­

ben, bestehende Arbeitsansätze teilweise durch neue ersetzt oder angemessen überarbeitet. So wurden sie der Bedeutung von Religion für einen Teil der mus­

limisch orientierten Zielgruppe besser gerecht. Dabei erweiterten sie ihr Themenspektrum und räumten Fragen rund um religiös geprägte Lebenswelten, aber auch religiös motivierten bzw. begründeten Konflik­

ten einen besonderen Stellenwert ein.

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