• Keine Ergebnisse gefunden

Die psychologistische Interpretation der rationalen

Im Dokument SCHLUSSFOLGERN 02 (Seite 188-191)

5. Formen der Schlusserklärung

5.2 Die psychologistische Erklärung

5.2.3 Die psychologistische Interpretation der rationalen

Die Argumentation, der wir nun ein Stück weit gefolgt sind, führt also zu einer Bestimmung des Wissens als externer Norm des Schlussaktes. In der Perspektive der ersten Person ist Wissen jedoch eine interne Norm; nur da-durch, dass eine Person sich dieser Norm unterstellt, vollzieht sie einen Schlussakt. Wie ich gleich zeigen werde, ist dieser Gedanke unvereinbar mit der soeben dargestellten Argumentation. Gemeinhin wird jedoch angenom-men, dass sich die beiden Überlegungen nicht ausschließen. Denn es wird angenommen, dass es zwar richtig ist, dass eine Person einen Schlussakt nur dann vollzieht, wenn sie glaubt, dass die Prämissen wahr sind und sie eine gültige Schlussregel anwendet. Was jedoch den Vollzug erklärt, ist nicht die Tatsache, dass die Schlussfolgerung korrekt ist, sondern dass die schließende Personglaubt, dass es sich so verhält. Der mentale Zustand, in dem sich die Person befindet, wenn sie die Prämissen für wahr und den Schluss für gültig erachtet, erklärt also den Schlussakt. Die Erklärung der Schlussfolgerung, zu

der wir dadurch gelangen, ist daher in dem Sinne psychologistisch, dass sie die Schlussfolgerung ausschließlich im Rückgriff darauf, was «im Geist» der schließenden Person vor sich geht, d. h. nur mit Bezug auf ihren subjektiven Bewusstseinszustand, erklärt. Wie «die Welt» beschaffen ist, d. h., ob die Prämissen wahr sind und die Konklusion tatsächlich durch diese gerechtfer-tigt ist, spielt hingegen keine Rolle für die Erklärung des Vollzugs der Schlussfolgerung.

Man darf mich an dieser Stelle nicht missverstehen. Meine positive Er-klärung der Schlussfolgerung, die im nächsten Kapitel folgt, erklärt die Schlussfolgerung auch als geistigen Akt und mit Bezug auf das Denkvermö-gen der Person. Entscheidend ist aber, was wir unter einemgeistigenAkt ver-stehen. Der Unterschied liegt darin, wie wir den Vollzug eines solchen Aktes erklären. Laut der psychologischen Erklärung wird der Vollzug einer Schluss-folgerung auf der Grundlage davon,dass die schließende Person glaubt, dass ihre Schlussfolgerung gültig ist, erklärt. Die anti-psychologistische Erklärung, die ich anstrebe, erklärt den Vollzug hingegen dadurch,dass die Schlussfolge-rung gültig ist, was der schließenden Person bewusst ist. Laut der anti-psy-chologistischen Erklärung kann durchaus gesagt werden, dass das Bewusst-sein der schließenden Person davon, dass ihre Schlussfolgerung gültig ist, deren Vollzug erklärt. Das Bewusstsein wird dabei aber gerade nicht als bloß subjektives Bewusstsein verstanden. Wie wir sehen werden, bedeutet dies, dass die Gültigkeit – zumindest im Fall eines erfolgreichen Vollzugs ei-ner Schlussfolgerung – nicht vom Bewusstsein der Gültigkeit verschieden oder abzutrennen ist. Wir sind jedoch an dieser Stelle noch nicht in der Lage, diesen Gedanken vollständig zu verstehen.

Die Prozesstheorien sind allesamt psychologistische Erklärungsansätze.

Diese Konsequenz ist jedoch bereits tief in ihrem methodischen Vorgehen verankert. Denn wie wir gesehen haben, versuchen sie zusätzliche Bedingun-gen zu finden, die erfüllt sein müssen, damit ein mentaler Prozess als Schlussakt qualifiziert werden kann. Die Spezifikation dieser Bedingungen wird aber letztlich als Spezifikation der effizienten Ursache begriffen, die die Konklusion – verstanden als mentale Einstellung – bewirkt, und damit als Spezifikation eines mentalen Zustands. Die Form der Erklärung lautet: Sind die Bedingungen A, B, C erfüllt und ist eine Person damit in der mentalen Einstellung X, so wird im Normalfall die Einstellung Z verursacht. Zu den Bedingungen A, B, C kann durchaus gehören, dass die Person selbst glaubt,

dass die Konklusion kraft der Prämissen wahr ist. Damit werden die Per-spektive der schließenden Person und ihre Bewertung der Situation in die Erklärung des Schlussaktes mit einbezogen. Je nachdem, welche Variante ei-ner Prozesstheorie man vertritt, kann man also durchaus sagen, dass der Schlussakt ein normativer, möglicherweise gar ein irreduzibler normativer Akt ist oder dass er eine Aktivität ist, die die Perspektive der ersten Person wesentlich mit einschließt, usw. Letztlich wird aber immer der mentale Zu-stand der Person als die effiziente Ursache begriffen, die dazu führt, dass ein weiterer Zustand– das Akzeptieren der Konklusion–generiert wird.

Man könnte nun annehmen, dass sich die Synthesistheorie lediglich darin von den Prozesstheorien unterscheidet, dass sie eine andere Auffassung von der Art der Wirksamkeit dieses Bewusstseins hat. Mit Rödl habe ich die rationale Kausalität auch eine Kausalität des Denkens genannt. Denn der kausale Nexus wird durch das Bewusstsein der Person, dass ihr rationaler Akt begründet ist, konstituiert. Im Fall der Schlussfolgerung bedeutet dies, dass der kausale Nexus im Bewusstsein der logischen Gültigkeit besteht. Man könnte nun annehmen, dass es sich dabei um ein rein subjektives Bewusst-sein handelt. Die Prozess- und die Synthesistheorie würden dann noch im-mer darin übereinstimmen – so die Annahme, die ich weiter unten zurück-weisen werde –, dass die Schlussfolgerung durch den subjektiven Bewusstseinszustand der Person erklärt wird, der als solcher unabhängig da-von ist, ob die Schlussfolgerung tatsächlich gültig ist oder nicht. Ich werde in diesem Sinne von einer psychologistischen Interpretation der rationalen Kausalität sprechen. Ich möchte im Folgenden jedoch dafür argumentieren, dass eine psychologistische Interpretation der rationalen Kausalität die Idee der rationalen Kausalität missversteht. Mein Argument dafür basiert auf der Annahme, dass es der schließenden Person niemals möglich ist, ihren Schlussakt auf der Grundlage ihres subjektiven Bewusstseinszustandes zu er-klären. Auch wenn mache Prozesstheorien die Perspektive der schließenden Person in ihre Erklärung der Schlussfolgerung mit aufnehmen, so übersehen sie meines Erachtens dennoch, welche radikalen Konsequenzen daraus fol-gen. Ich beginne damit, unterschiedliche Formen erstpersonaler Schlusser-klärungen darzustellen und sie den drittpersonalen SchlusserSchlusser-klärungen ent-gegenzustellen. Letztlich muss es aber möglich sein, eine Schlusserklärung zu finden, in der die Perspektive der ersten und der dritten Person miteinander in Einklang gebracht werden können.

Im Dokument SCHLUSSFOLGERN 02 (Seite 188-191)