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Die prozessbegleitende Befragung

Im Dokument Wann scheitern Hilfen? (Seite 165-168)

6.1 Erhebungsinstrumente und -methoden

6.1.2 Die prozessbegleitende Befragung

Die zweite Untersuchungsvariante stellt eine prozessbegleitende Befragung in einem Paper-Pencil-Verfahren dar. In Anlehnung an die Psychotherapieforschung ist die Beurteilerperspektive sowohl vom Schüler als auch vom Trainer hinsichtlich einer Ergebnisvorhersage erfasst worden.

Eine Vielzahl der Studien zur Erforschung der Arbeitsbeziehung in Psychotherapien und deren Zusammenhang mit dem Outcome konnte durch Patientenaussagen vor-hergesagt werden (vgl. z. B. Lieberz & Ciemer, 2000; Mussgay et al., 2001;

Barghaan et al., 2005; Berking, Orth & Lutz, 2006). Zwischen Klient und Therapeut wurden signifikante Unterschiede in den Beurteilungen beobachtet, wobei sich das Urteil beider Beteiligter im fortgeschrittenen Verlauf angleicht und das Therapeuten-urteil mehr an Vorhersagekraft gewinnt (Horvath & Bedi, 2008). Der Ähnlichkeitsgrad zwischen der Beurteilung der Klienten-Therapeuten-Allianz in mittleren und späten Phasen einer Therapie, so fassen Horvath und Bedi (2008) Forschungsergebnisse von Gunderson und Kollegen (1997) und Hersoug und Kollegen (2002) zusammen, korreliert mit dem Ergebnis.

Die Idee eines zusätzlichen Erhebungsinstruments, das gleichzeitig Schüler- und Traineraussagen berücksichtigt, ist dem Umstand geschuldet, dass sich ein Großteil der bisherigen Forschungsarbeiten (insbesondere aus dem psychotherapeutischen Kontext41) auf den korrelativen Zusammenhang zwischen einem prädiktionsrelevan-ten Patienprädiktionsrelevan-tenmerkmal und dem Ereignis Abbruch bezogen haben (Frohburg, 2008).

„Das Ergebnis, dass die Abbruchhäufigkeit mit keiner der untersuchten Variablen in einer nennenswerten Beziehung steht, legt – ebenso wie die theoretischen Überle-gungen – nahe, auch das Abbruchgeschehen bei künftig zu realisierenden For-schungsvorhaben konsequent(er) als interaktionelles Problem zu sehen und zu un-tersuchen“ (ebd., S. 767). Daher gehen die in diesem Instrument verwendeten Fra-gen über die Analyse persönlicher Merkmale (z. B. sozio-demografische Merkmale) des Trainers und des Schüler hinaus.

41Im pädagogischen Bereich sind bis auf wenige Studien (Sewing, 2010) keine Arbeiten bekannt, die sich explizit mit Abbrü-chen im Rahmen von Prä-Post-VergleiAbbrü-chen bzw. Prozess- oder Verlaufsbewertungen auseinandersetzen.

Die entwickelten Fragen der Prozessfragebögen sind in einer Expertengruppe, be-stehend aus Pädagogen, Sozialpädagogen und Psychologen generiert und diskutiert worden. Sie decken sich inhaltlich im Wesentlichen mit den in der Fachliteratur repli-zierten Elementen einer Arbeitsbeziehung, die von den Klienten als hilfreich einge-stuft wurden (vgl. z. B. Schindler, 1991; Hermer & Röhrle, 2008b).

Das Erleben von hilfreichen Elementen aus Klientensicht, unter der Berücksichtigung der therapeutischen Intervention, fassen Elliott und Kollegen (1982, zit. n. Schindler, 1991, S. 71) in folgenden Punkten zusammen:

1. Etwas Neues über sich entdecken, sich über etwas bewusst werden, d. h.

eine andere Perspektive einzunehmen;

2. Verständnis, d. h. sich vom Helfer verstanden fühlen;

3. Problemlösung, d. h. hilfreiche Vorschläge zur Lösung erarbeiten;

4. Bekräftigung, d. h. emotionale Unterstützung erleben;

5. der persönliche Kontakt und

6. das Engagement des Klienten, d. h. sich anregen lassen, sich mehr am Prozess zu beteiligen (zit. n. Schindler, 1991, S. 71).

Beide Fragebögen wurden vorab von Pädagogen im Denkzeit-Training mit delin-quenten Jugendlichen getestet und bewertet. Sowohl Pädagogen als auch Jugendli-che erteilten Rückmeldungen. Aufgrund der langen Trainingsdauer wurde auf einen Pretest verzichtet. Allerdings wurden Voruntersuchungen über mehrere Sitzungen hinweg durchgeführt, um die Praktikabilität des Instruments einschätzen zu können.

Eine prozessbegleitende Befragung zur Arbeitsbeziehung erscheint auch deswegen sinnvoll, da anzunehmen ist, dass sich das Beziehungsverhalten zwischen Trainer und Schüler in einem Änderungs-, Anpassungs- oder Abweichungsprozess befindet (vgl. z. B. für den psychotherapeutischen Kontext Safran & Muran, 1996; Safran et al., 2008), und die Zufriedenheit der Klienten als Indikator für die Interventionsqualität und Wirksamkeit gewertet wird (Keller et al., 2006). Die Fragebögen für die prozess-begleitende Erhebung werden im nachfolgenden Kapitel vorgestellt.

6.1.2.1 Beschreibung der Prozessfragebögen

Zur Erfassung der wahrgenommenen Sitzungsqualität ist ein Kurzfragebogen für bei-de Interaktanten entwickelt worbei-den (16 Items für bei-den Trainer; 8 Items für bei-den

Schü-ler).42 Das Instrument wurde so gestaltet, dass es für Trainer und Schüler weitge-hend die gleichen Aspekte beinhaltet. Die Beurteilung beruht auf zwei unterschiedli-chen Komponenten (einer kognitiven und einer emotionalen).

Aus Sicht der Schüler waren die Aspekte „Verstehen der Inhalte“, „Transfer in die eigene Lebenswelt“, „angenehme Arbeitsatmosphäre“ und „Verständnis Seitens des Trainers“ von Interesse. Der Fragebogen der Schüler soll die Selbsteinschätzung zu den Inhalten43 (Item 4, 5, 6) und der Arbeitsbeziehung44 (Item 1, 2, 3, 7) der absol-vierten Trainingsstunde auf einer Skala („trifft sehr zu“, „trifft zu“, „trifft weniger zu“,

„trifft überhaupt nicht zu“) erfassen. Ebenso schätzt der Schüler die Qualität der ak-tuellen Sitzung im Vergleich zur letzten Sitzung ein (Item 8, „besser“, „schlechter“,

„gleich“).

Aus Sicht des Trainers waren die Aspekte „Vermittlung der Inhalte“, „Struktur“ und

„empathisches Verständnis“ von Interesse. Der Fragebogen der Trainer umfasst eine Einschätzung des Schülers zu den Sitzungsinhalten45 (Item 1, 2, 3, 5, 9) und der Ar-beitsbeziehung46 (Item 4, 6, 7, 8, 10) der absolvierten Trainingsstunde auf einer Ska-la („trifft sehr zu“, „trifft zu“, „trifft weniger zu“, „trifft überhaupt nicht zu“). Der Frage-bogen ist darüber hinaus erweitert worden, um bedeutsame Ereignisse im aktuellen Lebensverlauf des Schülers zu erfassen47 (Item 11–15). Hierfür notieren die Trainer nach jeder Sitzung genannte wichtige Ereignisse aus der zurückliegenden Woche.

Bei besagten Ereignissen handelt es sich um subjektiv wahrgenommene, als positiv oder negativ erlebte Begebenheiten im Alltag des Jugendlichen, die als Kontext-Variablen den Trainingsverlauf beeinflussen können. Ebenso werden die subjektiven Einschätzungen der Trainer bezüglich des emotionalen Zustandes des Klienten er-fasst (Fremdeinschätzung).

Für die Erhebung erhält jeder Trainer eine Fragebogenmappe. Der Inhalt besteht aus jeweils 28 Fragebögen für Schüler und Trainer sowie den Briefumschlägen. Zu jeder Sitzung kann der Trainer ein vollständiges Paket der nötigen Unterlagen mit sich füh-ren. Die Trainer werden gebeten, dem Klienten nach jeder Sitzung (T1–T28) den Kurzfragebogen auszuhändigen. Ähnlich wie bei einer Briefwahl wird der

Kurzfrage-42 Die Fragebögen sind im Anhang beigefügt.

43 Z. B. „Die Aufgaben der heutigen Sitzung habe ich verstanden“.

44 Z. B. „Heute habe ich mich von meinem Trainer verstanden gefühlt“.

45 Z. B. „Der Jugendliche hat den Inhalt der heutigen Sitzung verstanden“.

46 Z. B. „Der Jugendliche hat sich heute von mir verstanden gefühlt“.

47 Z. B. „Der Jugendliche wirkte heute aufgrund äußerer Ereignisse belastet“.

bogen von dem Probanden persönlich versiegelt (Briefumschlag). Unabhängig vom Trainingsverlauf erfolgt eine schriftliche Erfassung möglicher kritischer Lebensereig-nisse durch den Trainer. Dieser füllt parallel selbst einen Kurzfragebogen (ca. zwei Minuten) aus. Zusammen mit dem versiegelten Umschlag des Klienten werden beide Fragebögen für die jeweilige Sitzung beim Trainer verwahrt.

Die erfassten Daten von maximal 28 Sitzungen wurden in SPSS 16.0 eingegeben und ausgewertet. Je größer der Summenwert bei einem Faktor, desto besser fiel die Beurteilung aus.

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