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Abbruchpräventive Faktoren auf Therapeutenebene

Im Dokument Wann scheitern Hilfen? (Seite 116-121)

4.2 Abbruchpräventive Faktoren unter besonderer Berücksichtigung der

4.2.2 Abbruchpräventive Faktoren auf Therapeutenebene

Die Persönlichkeit des Therapeuten als Einfluss nehmendes Element in der Bezie-hungsgestaltung ist ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen (Lammers & Schnei-der, 2009).

In einer Studie von Rabavilas, Boulougouri und Perissaki (1979) beurteilten Klienten ihren Therapeuten nach einer Behandlung mit Reizüberflutung (ein verhaltensthera-peutisches Konzept) anhand von 16 Kategorien (zit. n. Schindler, 1991, S. 19). Post-hoc wurden erfolgreiche mit weniger erfolgreichen Klienten verglichen. Nachgiebig-keit und Neutralität als Therapeutenverhalten korrelierten negativ mit einem

Thera-heit als Momente des Therapeutenverhaltens identifiziert wurden, welche positiv mit einem Therapieerfolg korrelierten (ebd.). Das Alter und Geschlecht des Therapeuten schien keine abbruchpräventive Rolle zu spielen (ebd.).

Wendisch (2000, S. 363) referiert Ergebnisse von Strupp (1996), die eine gewisse verbale Zurückhaltung, Kontrolle und Bewusstheit der eigenen Reaktionen sowie die aktive Anteilnahme an den Äußerungen des Patienten als hilfreich im therapeuti-schen Prozess beschreiben. Selbstreflexive Fähigkeiten als professionelles Quali-tätsmerkmal scheinen einen positiven und abbruchpräventiven Einfluss zu besitzen (ebd.).

Für einen erfolgreich arbeitenden Therapeuten scheint weiterhin weniger die inter-ventive Technik ausschlaggebend zu sein als vielmehr dessen Beziehungsverhalten, was wiederum vom Klienten als große interpersonale Kompetenz wertgeschätzt wird (Stucki & Grawe, 2007). Hersoug, Høglend, Havik, von der Lippe und Monsen (2009) konnten zeigen, dass Patienten von einem positiveren Arbeitsbündnis sprachen, wenn der Therapeut einen sicheren Bindungsstil aufwies. Strauß (2006) schreibt da-zu: „Ein potentiell bedeutsamer Moderator für den Zusammenhang zwischen Bin-dungsmerkmalen auf Patientenseite, der therapeutischen Beziehung und dem Be-handlungsergebnis dürfte sicherlich die Bindungsgeschichte bzw. der Bindungsstil der Therapeuten sein, zu deren Qualität sich in der empirischen Forschung langsam auch erste Befunde finden lassen“ (Strauß, 2006, S. 11–12). Diese Ergebnisse wer-den vom Autor vorsichtig dahin gehend hinterfragt, ob unsichere Therapeuten mehr Abbrüche verbuchen und von ihren Klienten negativer bewertet werden (Strauß, 2008).

Trotz zum Teil widersprüchlicher Ergebnisse (u. a. referiert von Lambert & Barley, 2008), scheint das empathische Verständnis (vgl. Rogers, 2005) ein gesichertes Element einer hilfreichen therapeutischen Beziehung zu sein. „Die Qualität des em-pathischen Verstehens steht in positivem Zusammenhang mit dem Therapieerfolg, mit der Wahrnehmung einer positiven Therapiebeziehung durch den Patienten und mit dem Ausmaß der Selbstöffnung und konstruktiven Problembearbeitung durch den Patienten im Therapieprozess“ (Sachse, 2008, S. 29).

Empathie als Eigenschaft therapeutischer und pädagogischer Fachkräfte bedarf ei-ner terminologischen Erläuterung. Aus Sicht der interpersonellen professionellen In-teraktion im Beziehungsgeschehen wird auf eine Definition von Schmidt-Traub (2003) in Anlehnung an Rogers (1980) Bezug genommen: „Empathie ist die sensible

Fähigkeit und Bereitschaft des Psychotherapeuten, die Gedanken, Gefühle und inne-ren Kämpfe des Patienten aus dessen Sicht zu verstehen. Der Psychotherapeut nimmt mit den Augen des Patienten wahr und greift dessen Bezugsrahmen auf. Da-mit betritt er die private Wahrnehmungswelt des Patienten, wird dafür sensibilisiert und spürt in der Folge manche Absichten und Bedeutungen des Patienten auf, de-nen [sic] sich dieser kaum bewusst ist“ (Schmidt-Traub, 2003, S. 114). Das empathi-sche Verstehen des Therapeuten geht darüber hinaus, wie ein Patient handelt und empfindet, denn es ist zusätzlich notwendig zu wissen, aus welchen Voraussetzun-gen er handelt (Sachse, 2008). Es geht letztlich um einen Verstehensprozess, der den Klienten dabei unterstützen soll, sich selbst zu verstehen, um infolge dessen konstruktives Handeln zu begründen.

Empathie gilt als ein wichtiges aber auch hochkomplexes und schwer zu messendes Konstrukt. Erfasst wird es über Selbst- und Fremdauskünfte, Beobachtungen und mittels der erfassten Kongruenz zwischen der Wahrnehmung des Patienten und der des professionellen Unterstützers (Schmidt-Traub, 2003). Eckert (2008) fasst, aus-gehend von dem Konzept der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, Bedin-gungen, unter denen Empathie zu einem therapeutischen Wirkfaktor wird, wie folgt zusammen:

1. Die Empathie des Therapeuten muss zu einem korrekten Verstehen der inne-ren Welt des Patienten fühinne-ren. Obwohl es per se keine falsche Empathie gibt33 (Eckert, 2008, S. 448–449), können empathisch gemeinte Äußerungen durchaus falsch sein, indem sie nicht das empathisch verstandene wiederge-ben, sondern die eigenen Projektionen zum Ausdruck bringen (Eckert, 2008, S. 444).

2. Dem Therapeuten muss es gelingen, das Wahrgenommene dem Klienten so zu vermitteln, dass dieser wiederum annehmen kann, verstanden worden zu sein (Eckert, 2008).

3. Wirksam wird empathisches Verstehen erst dann, wenn es wertschätzend und unter positiver Beachtung vermittelt wird, und

4. wenn der Therapeut in der Lage ist, eigene (unbewusste) innere Konflikte wahrzunehmen, da diese das empathische Verstehen beeinflussen können (vgl. ebd.).

33 Obwohl dies auch kontrovers diskutiert wird (Bohus, 2008).

Das Gewahrwerden unbewusster Konflikte und der bewusste Umgang in der Bezie-hungsgestaltung setzen eine angemessene Selbsterfahrung voraus (Stucki & Grawe, 2007), denn Einfühlung muss auch eine Grundlage der nötigen, immer neuen Über-prüfung der eigenen Beziehungsentwürfe seitens des Therapeuten abgeben können (Körner, 1998). Damit in Zusammenhang könnten Ergebnisse von Horvath und Bedi (2008) stehen, die darauf hinweisen, dass besonders erfahrene Therapeuten sich verschlechternde Allianzen identifizieren und reparieren können, da sie sich der ei-genen Anteile an der Beziehungsdynamik bewusst sind.

Empathie als notwendige Voraussetzung um wirksam zu intervenieren, wurde auch kritisch gesehen, da Studienergebnisse zeigten, „dass die erhofften eindeutigen line-ar kausalen Zusammenhänge zwischen der Empathie des Therapeuten und den Therapieeffekten empirisch nicht so eindeutig validiert werden konnten“ (Eckert, 2008, S. 438). Dies änderte sich erst mit Studien, die sich mit dem Konstrukt ‚Empa-thie‘ differenzierter auseinandersetzten (z. B. kognitive vs. affektive Empathie) und mit Ergebnissen, die die Bedeutung der Arbeitsbeziehung als wesentlichen Prädiktor für einen Therapieerfolg belegen konnten. Dabei spielte insbesondere die Einschät-zung der Patienten eine wesentliche Rolle. Diese schätzten nämlich vorwiegend em-pathische, wertschätzende, engagierte und glaubwürdige Therapeuten. Eine Renais-sance erfuhr das Empathie-Konzept auch durch die Bindungsforschung, die die Fein-fühligkeit als wesentliche Komponente der Bezugsperson beschreibt, damit sich ein stabiles, sicheres Bindungsmuster entwickeln kann (vgl. auch Strauß, 2008).

Als weitere hilfreiche Haltungen seitens des Professionellen, die als wahrscheinlich wirksam eingeschätzt werden, gelten die Wertschätzung des Klienten, Kongruenz und Echtheit sowie konstruktive Rückmeldungen (z. B. Schindler, 1991; Schmidt-Traub, 2003; Speierer, 2008). Farber und Lane (2002) vermuten, dass die Fähigkeit, eine wertschätzende Haltung einzunehmen, aus Sicht des Klienten eng mit dem Er-folg der Maßnahme zu verbinden ist (zit. n. Schmidt-Traub, 2003, S. 117). Dies sei zwar ein signifikanter aber, aufgrund der erheblichen Streuungsbreite der Daten (Stichprobenvarianz), dennoch kein erschöpfender Anteil, um den Erfolg einer Maß-nahme zu beschreiben. Akzeptanz und Wertschätzung bieten den Klienten die not-wendige Sicherheit, auch selbstbedrohliche Erfahrungen „im eigenen Denken, Füh-len und Verhalten sowie in persönlichen Beziehungen und in der Auseinanderset-zung mit der Lebenswirklichkeit zu explorieren, zu fokussieren, zu bearbeiten und zu reduzieren“ (Speierer, 2008, S. 425). Diese Haltung zeigt sich im Verhalten des

Therapeuten u. a. durch aktives Zuhören, unvoreingenommene verbale und nonver-bale Akzeptanz, im Ermutigen, Loben und Unterstützen, aber auch im Anteilnehmen und sich Sorgen sowie durch nicht verletzendes Konfrontieren (ebd.).

Vielfach in der Literatur beschrieben und insbesondere in den psychodynamischen Interventionsverfahren seit langem beachtet wurde die sogenannte selektive Authen-tizität und deren Bedeutung für den Interventionsprozess. In der Psychoanalyse ver-birgt sich hinter der Abstinenzregel der allgemeine Grundsatz, dass die Haltung des Therapeuten dem Patienten die geringstmögliche Ersatzbefriedigung für seine Symp-tome bietet (Sandler, Dare & Holder, 2009). In anderen Verfahren (auch in pädagogi-schen, siehe z. B. die Denkzeit-Methode) wird angeregt, persönliche Äußerungen nur selektiert oder mit einem konkreten Interventionsziel an den Klienten zu richten. Die-se Haltung hat sich als produktiv und förderlich erwieDie-sen (Strupp, 1996). DieDie-se Die- selek-tive Öffnung kann dazu beitragen, dass sich die Qualität von Nähe und Vertrautheit ändert und es dem Klienten so erleichtert, über eigene Zustände zu reflektieren (Schäfter, 2010).

Wenn die Wirksamkeit der therapeutischen Beziehung beschrieben wird, bleibt trotz aller professionellen Bemühungen zu berücksichtigen, dass insbesondere die subjek-tive Wahrnehmung des Klienten, inwieweit er sich von seinem Gegenüber verstan-den und angenommen fühlt, als besonders gewichtig gilt (vgl. Schmidt-Traub, 2003;

Hüther, 2008).

Die Forschungsarbeit zu konkreten interaktiven Verhaltensweisen einer hilfreichen Beziehung, die eine moderierende Rolle spielen, wird insbesondere im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie intensiv vorangetrieben. Die Studien liefern z. T. un-einheitliche Ergebnisse und demzufolge auch kontroverse Diskurse (Bänninger-Huber & Widmer, 2000; Beutel et al., 2005; Stucki & Grawe, 2007). Das Fehlen wei-terer Untersuchungen, die sich mit dem Beziehungsgeschehen differenzierter ausei-nandersetzen, wird bemängelt (vgl. z. B. Kronmüller, Hartmann, Reck, Victor, Horn &

Winkelmann, 2003; Schmidt-Traub, 2003). Neuere Studien mit dem Ziel, sich diffe-renzierter mit der Wirkfaktorenanalyse auseinanderzusetzen, u. a. in der Mikropro-zessanalyse therapeutischer Beziehungen (Bänninger-Huber & Widmer 2000;

Tschitsaz-Stucki & Lutz, 2009), kommen dieser Forderung vermehrt nach.34 Trotz der

34 Die Qualität der therapeutischen Beziehung wird z. B. auch durch das nonverbale Verhalten von Patient und Therapeut beeinflusst (Merten & Krause, 2008). Die Autoren haben in ihren Studien eindrucksvoll belegen können, „dass es den psychisch Kranken unbewusst gelingt, die durchschnittsempathischen Mitmenschen in eben diesen Zirkel hineinzuziehen und dadurch ihre innere und äußere Welt zu perpetuieren“ (ebd., S. 347). Die Aufrechterhaltung der Balance zwischen sicherer

uneinheitlichen und manchmal auch unkonkret wirkenden Datenlage gilt der Einfluss der Beziehung auf den Behandlungsverlauf als belegt (Berscheid, 1994; Müller &

Baumann, 1999; Nestmann, 2005; Joraschky & Petrowski, 2008). Mehr noch: Die therapeutische Beziehung (im Sinne einer Allianz zwischen Therapeut und Patient) gilt empirisch als am besten gesicherter psychotherapeutischer Wirkfaktor (Albani et al., 2003; Schmidt-Traub, 2003; Sollberger, 2009). In ihrer Analyse von 24 Studien zum Zusammenhang der Allianz mit dem Therapieergebnis berichten Horvath und Symonds (1991) von mittelstarken Gesamteffektstärken (ES) von 0,26 (zit. n. Hor-vath & Bedi, 2008, S. 289).

Die für die Analyse der professionellen Beziehung entwickelten Erhebungsinstrumen-te geben insbesondere Auskunft über die in der Sitzung erlebErhebungsinstrumen-te (PatienErhebungsinstrumen-tenebene) und/oder wahrgenommene (Therapeutenebene) Beziehungsqualität. Dabei hat sich gezeigt, dass Therapeuten und Klienten die Qualität der Beziehung unterschiedlich einschätzen (Hermer & Röhrle, 2008b).

Auch in der vorliegenden Arbeit ist mittels eines entwickelten Prozessfragebogens überprüft worden, ob Schüler und Trainer die Sitzungsinhalte und Qualität der Ar-beitsbeziehung unterschiedlich eingeschätzt haben.

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