• Keine Ergebnisse gefunden

Die Lage der Bibliothek in der Hofburg

Im Dokument Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (Seite 179-182)

Über die Lage und das Aussehen der Privatbibliothek, also über ihren physi-schen und architektoniphysi-schen Ort, war bis vor wenigen Jahren nicht allzu viel bekannt. Das Wesentliche dazu entstammt der von Wilhelm Beetz 1935 ver-öffentlichten Schrift über die Porträtsammlung.770 Demnach wäre die Biblio-thek zunächst im Appartement des Kaisers im zweiten Obergeschoss des Schweizerhofes aufbewahrt worden, bis sie „im Jahre 1806 in die über den Appartements des Monarchen gelegenen, durch eine Wendeltreppe mit die-sen verbundenen Räume im zweiten und dritten Stockwerk im Schweizer-hof, dem sogenannten Kapellenhof der Hofburg – vier große Zimmer, ein ge-wölbter Saal und vier kleinere Zimmer – übertragen“ worden sei. Beetz hat in dieser Aussage anscheinend die Hinweise aus verschiedenen, nicht expli-zit genannten Quellen summarisch und ohne genaue Kenntnis der baulichen Situation verarbeitet.771 Denn seine Angaben zur Verortung der Räumlich-keiten der Bibliothek sind ziemlich verwirrend und Großteils inkorrekt. Au-ßerdem hat er den Zeitpunkt der Übersiedelung der Bibliothek, wie sich auf-grund neuerer Quellenfunde herausstellte, falsch angesetzt. Beetz geht von der irrtümlichen Gleichsetzung des Schweizerhofes mit dem Kapellenhof aus

770 Beetz, Porträtsammlung (1935), 6.

771 Vgl. auch Anm. 804.

11. Carl Lachmayer nach Johann Aman: Gesamtgrundriss des zweiten Hauptgeschosses der Hofburg, 1812. 1. Appartement des Kaisers. 2. Appartement der Kaiserin.

3. Leopoldinischer Trakt. 4. Hofbibliothek. 5. Josephsplatz. 6. Augustinergangtrakt.

7. Augustinerkirche. 8. Privatbibliothek des Kaisers

und gelangt dadurch zu der ebenso falschen Ansicht, das Lokal der Biblio-thek wäre über dem Appartement des Kaisers gelegen. Einige Erläuterun-gen zur Topografie der Hofburg – der Residenz des Kaisers in Wien – sollen daher zunächst den Angaben zur Lokalisierung eine konkrete, räumlich nachvollziehbare Bedeutung verleihen und dabei zugleich die Lage der in unserem Zusammenhang wichtigsten räumlichen Einheiten feststellen.

Die Hofburg ist ein über die Jahrhunderte organisch gewachsener und infolgedessen höchst uneinheitlicher Gebäudekomplex, dessen Trakte noch heute die einzelnen Bauphasen von der Renaissance bis zum Späthistoris-mus spiegeln.772 Anschauungsmaterial liefert hier ein Gesamtplan des Are-als aus dem Jahr 1812, in dem die verschiedenen, Franz II./I. Are-als Wohnung und für private Nutzung dienenden Raumfolgen und Zubauten bereits meh-rere Jahre Bestand hatten (Abb. 11). Alle Räumlichkeiten, die in unserem Zusammenhang von Interesse sind, befanden sich im zweiten Obergeschoss,

772 Die Bau- und Funktionsgeschichte der Hofburg von den Anfängen bis zur Gegenwart ist seit 2004 Gegenstand eines großangelegten, vom „Fonds zur Förderung der wissenschaft-lichen Forschung“ (FWF) finanzierten und an der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften angesiedelten Projektes (http://www.oeaw.ac.at/kunst/projekte/hofburg/hofburg.

html. Abger. am 16.02.2015 ). Bisher erschienen dazu die Bände: Telesko, Hofburg und Karner, Hofburg.

4. DIE BIBLIOTHEK ALS ARCHITEKTONISCHER ORT Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I.

(Rainer Valenta)

Das ursprüngliche Aussehen der Privatbibliothek als architektonischer Ort, ihre Lokalisierung und Genese bilden in der bisherigen Literatur ge-wissermaßen blinde Flecken. Dabei stehen die Lage und architektonische Gestaltung einer Bibliothek in engster Beziehung zu ihrer Funktion und Zusammensetzung und sind deshalb für deren Charakterisierung von heu-ristischem Wert. Darüber hinaus ist aber auch zu bedenken, dass der Biblio-theksbau seit der Renaissance eine bedeutende und in ihren Lösungen für die jeweilige Epoche charakteristische Bauaufgabe darstellt. War also die Privatbibliothek des Kaisers von Österreich ihrem Wert als Sammlung ent-sprechend auch ein ansehnliches und für die Zeit typisches Bauwerk?

4.1 Die Lage der Bibliothek in der Hofburg

Über die Lage und das Aussehen der Privatbibliothek, also über ihren physi-schen und architektoniphysi-schen Ort, war bis vor wenigen Jahren nicht allzu viel bekannt. Das Wesentliche dazu entstammt der von Wilhelm Beetz 1935 ver-öffentlichten Schrift über die Porträtsammlung.770 Demnach wäre die Biblio-thek zunächst im Appartement des Kaisers im zweiten Obergeschoss des Schweizerhofes aufbewahrt worden, bis sie „im Jahre 1806 in die über den Appartements des Monarchen gelegenen, durch eine Wendeltreppe mit die-sen verbundenen Räume im zweiten und dritten Stockwerk im Schweizer-hof, dem sogenannten Kapellenhof der Hofburg – vier große Zimmer, ein ge-wölbter Saal und vier kleinere Zimmer – übertragen“ worden sei. Beetz hat in dieser Aussage anscheinend die Hinweise aus verschiedenen, nicht expli-zit genannten Quellen summarisch und ohne genaue Kenntnis der baulichen Situation verarbeitet.771 Denn seine Angaben zur Verortung der Räumlich-keiten der Bibliothek sind ziemlich verwirrend und Großteils inkorrekt. Au-ßerdem hat er den Zeitpunkt der Übersiedelung der Bibliothek, wie sich auf-grund neuerer Quellenfunde herausstellte, falsch angesetzt. Beetz geht von der irrtümlichen Gleichsetzung des Schweizerhofes mit dem Kapellenhof aus

770 Beetz, Porträtsammlung (1935), 6.

771 Vgl. auch Anm. 804.

11. Carl Lachmayer nach Johann Aman: Gesamtgrundriss des zweiten Hauptgeschosses der Hofburg, 1812. 1. Appartement des Kaisers. 2. Appartement der Kaiserin.

3. Leopoldinischer Trakt. 4. Hofbibliothek. 5. Josephsplatz. 6. Augustinergangtrakt.

7. Augustinerkirche. 8. Privatbibliothek des Kaisers

dessen Grundriss der Plan wiedergibt. Ungefähr im Zentrum des Komple-xes liegt der mittelalterliche Kernbau der Hofburg, der sogenannte Schwei-zerhof – eine im frühen 13. Jahrhundert erbaute Vierflügelanlage, deren äußeres Erscheinungsbild jedoch wesentlich durch den im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts unter Ferdinand I. erfolgten Umbau geprägt ist. Hier wurde im zweiten Hauptgeschoss des Nordwesttraktes unter Kaiser Jo-seph II. vom April 1786 bis zum Ende des Jahres 1787 ein Appartement für den Thronfolger Erzherzog Franz eingerichtet, während für seine erste Ge-mahlin Elisabeth Wilhelmina von Württemberg die Räumlichkeiten im an-schließenden Südwestflügel vorgesehen waren. Der spätere Kaiser von Ös-terreich hat diese Wohnstätte, die zunächst gewiss nur als erzherzogliches Quartier geplant war, schließlich bis an sein Lebensende beibehalten und damit mit der Tradition der habsburgischen Herrscher, im ersten Haupt-geschoss des sogenannten Leopoldinischen Traktes zu residieren773, gebro-chen. Hier kann nicht auf die Raumfolge, die Ausstattung, die Umgestal-tungen und Erweiterungen des Appartements näher eingegangen werden;774 erwähnt sei lediglich, dass sich das Arbeitskabinett des Kaisers – bekannt vor allem durch den populären Stich von Stephan Decker – im zweitletz-ten Raum gegen Südweszweitletz-ten befand, also direkt über dem Schweizertor, dem Hauptzugang in die alte Burg.

Südöstlich vom Schweizerhof liegt der unter Karl VI. errichtete Monu-mentalbau der Hofbibliothek, der zusammen mit den seitlich angrenzenden Flügeln (Redoutensaal- und Augustinertrakt) den Josefsplatz einfasst. Ge-genüber der rückseitigen Fassade der Hofbibliothek erkennt man hingegen einen langgezogenen Gebäudeflügel mit achsengleicher, jedoch nicht gänz-lich paralleler Ausrichtung zu dieser, den sogenannten zweiten Augustiner-gang. Dieser wurde 1753–1759 als Verbindungstrakt von den kaiserlichen Appartements zu dem als Hofkirche dienenden Bethaus des in unmittelba-rer Nachbarschaft gelegenen Barfüßer-Augustiner-Klosters errichtet und ersetzte in dieser Funktion ein noch aus dem 16. Jahrhundert stammendes und im Zuge der Josefsplatz-Gestaltung abgetragenes Gangsystem. Außer-dem enthielt der neue Augustinergang Raumfolgen zur Aufnahme der von Kaiser Franz I. Stephan angelegten naturwissenschaftlichen Sammlungen.

Kurz nach seinem Herrschaftsantritt ließ dessen gleichnamiger Enkel eine Terrasse mit Glashaus, Blumenbeeten, Springbrunnen und einem

Affen-773 Dieser langgezogene Flügel fügt sich in nordwestlicher Richtung an den Schweizerhof an und schließt den großen Burgplatz gegen die Basteien ab. Erbaut unter Leopold I. enthält er in der Belletage das Parade-Appartement für den regierenden Kaiser, heute die Präsi-dentschaftskanzlei der Republik Österreich. Vgl. Karner, Hofburg, 377–421.

774 Vgl. dazu Ottillinger/Hanzl, Interieurs, 103–121.

käfig über dem Dach anlegen. Sie war über das Appartement der Kaiserin zugänglich und bot zugleich Gelegenheit, um in das Gebäude der Privatbi-bliothek zu gelangen, dem Ausgangspunkt und eigentlichen Gegenstand unseres Interesses. Dieser Bau befand sich nämlich direkt über jenem klei-nen Flügel, der, im rechten Winkel an den Augustinergang anschließend, zwischen Kapellen- und Bibliothekshof liegt und eigentlich nur die Erwei-terung des Redoutensaaltraktes bildet, jedoch wegen seiner eigenständigen Baugeschichte als Schlossergangtrakt bekannt ist. Um schließlich all diese Angaben auch durch ein anschauliches Bild zu vermitteln, sei auf eine zu-erst 1797 erschienene Ansicht der Hofburg von der Vorstadtseite verwiesen, auf der die wichtigsten der zuvor beschriebenen Baulichkeiten erkennbar sind (Tafel II).

Diese Hinweise dienen im Folgenden als Hintergrundinformation für die Baugeschichte des Lokals der Privatbibliothek von Kaiser Franz II./I. Zuvor soll kurz auf den ersten Aufstellungsort der Sammlung eingegangen wer-den, der nach der oben zitierten Äußerung von Beetz im Appartement des Kaisers lag. Das lässt sich aus keiner Quelle völlig eindeutig verifizieren, ist aber aufgrund von Indizien immerhin sehr wahrscheinlich und eigentlich auch ziemlich naheliegend. So wird etwa der Hoftischler Augustin Haunold (Hainold), der später auch für die Möblierung des eigenständigen Lokals der Privatbibliothek verantwortlich zeichnet, Ende des Jahres 1787 für vier Käs-ten und im April 1789 für den Einbau mehrerer Stellen im Appartement bezahlt.775 Der Buchbinder Georg Kapler hat hingegen 1792 „in Seiner Kai-serlichen Majestät Kammer“ gearbeitet.776

Im Dokument Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (Seite 179-182)