• Keine Ergebnisse gefunden

Die Eingriffsregelung als Beispiel

3.2. Die Instrumente umweltbezogener Bewertungsverfahren

Generell kann zwischen drei Instrumenten der zur Abschätzung der Folgen eines Eingriffes in Natur und Landschaft unterschieden werden: Eingriffsregelung,

Umweltverträglichkeits-prüfung und VerträglichkeitsUmweltverträglichkeits-prüfung gemäß der EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH- Verträglichkeitsprüfung).

Die so genannte Eingriffsregelung (§§ 18 – 21 Bundesnaturschutzgesetz) sichert die flä-chendeckende Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei Vorhaben, Plänen und Projekten. Die Eingriffsregelung wird als Huckepack-Verfahren auf existierende Verfahren wie Aufstellung oder Änderung von Flächennutzungsplänen, Bauplänen, Erteilung von Baugenehmigungen oder im Rahmen von Planfeststellungen aufgesattelt (Gassner 1995).

Zusätzlich wurden zur Prüfung von Plänen und Projekten auf Verträglichkeit mit den Zielen des Europäischen Natura 2000 Schutzgebietsnetzes die FFH-Verträglichkeitsprüfung (§§

34, 35 Bundesnaturschutzgesetz) und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Vorfeld eines Zulassungsverfahrens eingeführt. Die UVP ist eine breit angelegte Prüfung der Auswirkungen auf die Umwelt nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz.

Wie in Abbildung 3.1 dargestellt, berücksichtigen die verschiedenen Instrumente unterschied-liche Schutzgüter und erreichen verschiedene Prüftiefen. Am weitest reichenden sind die Prüfanforderungen in der UVP. Hier werden neben den abiotischen Schutzgütern Boden, Klima, Luft, Wasser, die biotischen Schutzgüter, Biotope, Tier- und Pflanzenarten sowie Auswirkungen auf den Menschen, auf Kultur- und Sachgüter betrachtet.

Abbildung 3.1.: Anwendung verschiedener Umweltbewertungsverfahren auf die verschiedenen Schutzgü-ter. Quelle: nach Breuer 2000, verändert.

Der folgende Abschnitt konzentriert sich auf die Einsatzmöglichkeiten von Zahlungsbereit-schaftsanalysen im Rahmen der Eingriffsregelung. Zum einen sind die Einsatzmöglichkeiten

von Zahlungsbereitschaftsanalysen im Rahmen der UVP bereits an anderer Stelle ausführlich erläutert werden. Zum anderen kommt die FFH-Richtlinie für eine Betrachtung nicht in Frage, da sie sehr scharf ausschließlich auf den Schutz von sog. prioritären Tier- und Pflanzenarten sowie Biotopen von gemeinschaftlich europäischem Interesse abzielt und die Bewertung der Auswirkungen nur für diese Arten und Biotope und nicht für den Menschen und seine Interessen an der Natur vorgenommen wird.

3.3. Die Eingriffsregelung als Beispiel

Bevor auf Einsatzmöglichkeiten von Zahlungsbereitschaftsanalysen im Rahmen von Bewer-tungsverfahren eingegangen wird, soll nachfolgend am Beispiel der Eingriffsregelung das Prinzip derartiger Verfahren aufgezeigt und eine kurze Schematisierung der Umweltbe-wertungsverfahren vorgestellt werden.

3.3.1. Prinzip der Eingriffsregelung: Vermeidung, Ausgleich, Ersatz Für jeden Eingriffsverursacher gilt das Gebot, die Eingriffsfolgen soweit wie möglich zu vermeiden oder in ihrer Wirkintensität auf die Natur zu minimieren. Für unvermeidbare Eingriffe ist eine angemessene Kompensation46 zu leisten. Die Bewertung der Eingriffsfolgen und der Vorschlag von Vermeidungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgt für jeden Eingriff in einem entsprechenden landschaftspflegerischen Fachbeitrag. Diesen hat der Eingriffsverursacher zu erstellen oder erstellen zu lassen. Die Genehmigungsbehörde geneh-migt den Fachbeitrag, setzt die Vermeidungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen z. B. in der Baugenehmigung fest und überwacht die Ausführung. Dies geschieht je nach landesrechtli-cher Ausgestaltung im Benehmen oder im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehör-de.

Infokasten 3.1.: Wortlaut der Eingriffsregelung als Auszug aus dem Bundesnaturschutzgesetz

§ 18 Bundesnaturschutzgesetz

1. Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Boden-schicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktions-fähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.

§ 19 Bundesnaturschutzgesetz

1. Der Verursacher eines Eingriffs ist zu verpflichten, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen.

46Da die Unterscheidung zwischen Ausgleich und Ersatz zwar juristisch und naturschutzfachlich gut begründet, aber in der Praxis oft nicht einwandfrei nachvollziehbar ist, bezeichnet Kompensation sowohl Ausgleichs- als auch Ersatzmaßnahmen. Siehe z. B. Hoppe et al. (2000) §18 Rn 62.

Der Verursacher ist zu verpflichten, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnah-men des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorrangig auszugleichen (Ausgleichs-maßnahmen) oder in sonstiger Weise zu kompensieren (Ersatz(Ausgleichs-maßnahmen). Ausgegli-chen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts wieder hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wie-derhergestellt oder neu gestaltet ist. In sonstiger Weise kompensiert ist eine Beeinträchti-gung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichwer-tiger Weise ersetzt sind oder das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist (…) 3.3.2. Bewertungsmethoden

Die im Rahmen der Eingriffsregelung notwendige Bewertung der Leistungs-, Funktions- und Nutzungsfähigkeit des Naturhaushalts und der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur erfordert die durch das Vorhaben hervorgerufenen Verände-rungen aufzunehmen und entscheidungs- und handlungsbezogen zu interpretieren und zu bewerten.

Die Bewertung von Natur und Landschaft ist ein komplexer Vorgang. Daher zerlegen Bewertungsverfahren das Problem analytisch in Teilschritte (siehe Infokasten 3.3) und wenden diese auf Teilbereiche, die Schutzgüter Boden, Klima, Wasser, Flora, Fauna, Biotope, Landschaftsbild, Erholungsfunktion, etc. an. Der Naturbestand muss zunächst aufgenommen, eine Prognose der zu erwartenden Folgen des Eingriffes aufgestellt und dann eine Bewertung der Eingriffsfolgen durchgeführt werden. Das Bewertungsverfahren muss dabei konsistent, nach rationalen Kriterien und nachvollziehbar aufgebaut und angewendet werden.

Im Bereich der Analyse müssen zwei sehr unterschiedliche Arten von Daten verarbeitet werden (siehe Infokasten 3.2). Bei Flächenverbrauch, Biotoptypen, Waldinanspruchnahme, Anzahl der zu fällenden Bäume mit Art, Durchmesser und Zustand handelt es sich um natur-wissenschaftliche Daten die aufgenommen und dargestellt werden. Diesen Sachverhalten sind zusätzlich Prozesse, Nutzungen, Funktionen sowie Potential, Belastbarkeit und Tragfähigkeit der Naturgüter zuzuordnen, die nicht direkt aus den Daten abgelesen werden können, sondern aus Forschungsergebnissen abzuleiten sind. Bereits im Rahmen der Analyse dieser Sachver-halte kommt es so zu Wertungen, wenn der Gutachter z. B. festlegen muss, welche Prozesse und Funktionen bedeutend und damit betrachtenswert und welche unbedeutend sind. Die Abschätzung der Folgen der Belastung des Naturhaushaltes erfolgt mit Hilfe der Orientierung an Grenzwerten (minimum-viable-standard-Methode). Dabei wird davon ausgegangen, dass die Verschlechterung von Umweltbedingungen nicht beliebig lange zu einer gleichartigen Verringerung der Leistungs-, Funktions- und Nutzungsfähigkeit des Naturhaushalts führt, sondern dass im Naturhaushalt bei Unterschreiten eines bestimmten Schwellenwertes irrever-sible Schäden auftreten und infolgedessen Funktionen des Naturhaushaltes

zusammenbre-chen. Eine direkte Feststellung dieser Grenzwerte ist in aller Regel aber nicht möglich.

Stattdessen werden sie von Experten auf Basis von naturwissenschaftlichen, technischen und politischen Vorgaben abgeschätzt.

Nach dieser Einordnung der Sachverhalte ist die Transformation in die Wertebene nötig. Erst die Einstufung als wertvolles oder geringwertiges Biotop, als durch das Projekt akut gefährde-te Art oder als nicht ausgleichbare Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wird die wissen-schaftliche Aussage des Gutachters im Planungsprozess verwertbar. Festzustellen bleibt, dass derartige Wertskalen in einem Prozess lediglich durch Expertengremien, seltener durch Beteiligung von Politik und weiteren gesellschaftlichen Gruppen festgelegt werden (Köppel et al. 1998: 19f).

Zusätzlich zu diesen naturwissenschaftlichen Sachverhalten, sind die menschbezogenen Schutzgüter wie Schönheit des Landschaftsbildes, die Bedeutung von Sach- und Kulturwer-ten, Auswirkungen von Lärm und Verlust von Naherholungsgebieten zu bewerten. Letztere werden im Folgenden zur besseren Unterscheidung als gesellschaftswissenschaftliche Daten bezeichnet (siehe Infokasten 3.2). Die Unterscheidung ist sinnvoll, da die Daten jeweils verschiedener Erhebungsmethoden bedürfen.

Infokasten 3..2: Definition naturwissenschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Daten Zur Vereinfachung werden in diesem Beitrag die Daten und Bewertungen der abiotischen und biotischen Schutzgüter (z. B. Boden, Klima, Wasserhaushalt, Arten, Biotope, Artenlis-ten und Gefährdungskategorien wie Rote LisArtenlis-ten) als naturwissenschaftliche DaArtenlis-ten und die der menschbezogenen Schutzgüter (Landschaftsbild, Erholungsfunktion, Identifikations- und Symbolfunktion bestimmter Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten) als gesellschafts-wissenschaftliche Daten bezeichnet.

Zurzeit wird vielfach versucht, naturwissenschaftliche Verfahren auf den Bereich gesell-schaftswissenschaftlicher Daten wie der Frage nach der Schönheit einer Landschaft und ihrem Erholungswert für die Bevölkerung anzuwenden. Dazu wird eine Verschneidung einer tech-nischen Beschreibung des Landschaftsbildes mit der Wahrnehmung eines durchschnittlichen Betrachters durchgeführt. Hier stellt sich die Frage, warum man nicht die Bevölkerung um ihre Einschätzung der Schönheit und die Bedeutung für die eigene Freizeitgestaltung direkt fragt, anstatt den indirekten Weg über durchschnittliche Betrachter und wahrnehmungs-psychologische Annahmen zu gehen. Eine direkte Befragung leisten Zahlungsbereitschafts-analysen, deren Einsatz bei Bewertungsproblemen im Folgenden ausführlicher diskutiert wird.

Infokasten 3.3.: Schematischer Ablauf der Eingriffsregelung

Diese unten dargestellte schematisierte Abfolge von Schritten, findet sich in allen Verfah-ren der Umweltbewertung wieder. Eingegangen wird im weiteVerfah-ren Verlauf dieses Kapitels nur auf die Analyse (Punkt 2) und die Bewertung (Punkt 3).

Bewertungen sind immer in Verfahren eingebettet. Alleine für die Bearbeitung der Ein-griffsregelung existiert eine enorme Vielfalt von Bewertungsverfahren47. Über die optimale Durchführung der verschiedenen Verfahrensteile und aller Bewertungsschritte im Verlauf der Eingriffsregelung wird immer noch eine umfangreiche Fachdebatte geführt und es gibt viele Änderungs- und Weiterentwicklungsvorschläge (Ott 1997). Folgende Übersicht stellt schematisch die im Rahmen der Eingriffsregelung abzuarbeitenden Teilschritte zusammen.

1. Eingriffsbestimmung und Festlegung des Untersuchungsraumes und -umfanges