• Keine Ergebnisse gefunden

Die Evolution der Tryptophan Synthasen: Eine neue Klasse von TrpB Enzymen

Der oben beschriebene Reaktionszyklus der beiden Untereinheiten der Tryptophan Synthase ist eines der am besten untersuchten Beispiele für die enge Kopplung von physikalischer Interaktion und Funktion innerhalb von Multienzymkomplexen (Huang et al., 2001; Miles et al., 1999; Raushel et al., 2003)

Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst überraschend, dass sich in den Genomen einer Reihe von Mikroorganismen zwei trpB Gene identifiziert wurden, trpB1 und trpB2 (Hettwer & Sterner, 2002; Xie et al., 2002). Die von den trpB2 Genen kodierten TrpB2 Proteine werden in der COG (Clusters of Orthologous Groups of proteins) Datenbank (Tatusov et al., 2003) als alternative Tryptophan Synthase β-Untereinheit (COG 1350) klassifiziert, die von den trpB1 Genen kodierten TrpB1 Proteine dagegen als die „klassische“

Tryptophan Synthase (COG 0133) geführt. Die phylogenetische Analyse der TrpB

Sequenzen zeigt, dass die TrpB1 und die TrpB2 Proteine zwei distinkte Gruppen bilden, wobei sich die TrpB2 Gruppe in weitere Untergruppen (TrpB2i, TrpB2o und TrpB2a) untergliedert (Abbildung 10 A).

Abbildung 10: Phylogenetischer Baum von TrpB Sequenzen (A) und Operonorganisation der trpA, trpB1 und trpB2 Gene (B).

A Unter Verwendung von arachaeellen und bakteriellen TrpB Sequenzen wurde ein multiples Sequenzalignment erstellt und daraus ein ungewurzelter phylogenetischer Baum berechnet (Abbildung modifiziert nach Merkl, 2007). Die Proteine sind nach einer von Merkl (2007) eingeführten Nomenklatur benannt, welche gemeinsam mit den Akronymen für die Spezies in Anhang 6.1 erläutert wird. Zwei distinkte Unterbäume, TrpB1 und TrpB2 sind erkennbar, wobei sich TrpB2 in drei weitere Unterbäume, TrpB2i, TrpB2o und TrpB2a differenziert. B Operonorganisation der trpA, trpB1 und trpB2 Gene. Die Differenzierung des phylogenetischen Baumes spiegelt sich in der Lokalisation der Gene innerhalb und außerhalb des trp Operons wider. TrpB1 Proteine sind nahezu ausschließlich Teil des trp Operons , TrpB2o Proteine sind alle außerhalb des Operons codiert, wobei sie fast ausschließlich gemeinsam mit einem Operon-basierten TrpB1 vorkommen

.

TrpB2i Proteine sind innerhalb des Operons codiert. Jedes dieser Gene tritt gemeinsam mit einem nicht Operon-basierten trpB2 auf . TrpB2a Sequenzen treten nur in Genomen auf, die ein einzelnes trpB2 Gen haben, oder als zweites trpB2 Gen außerhalb des Operons in Kombination mit einem trpB2i Gen.

Die Vertreter der Gruppe trpB2o (outside of the operon) sind außerhalb des trp Operons lokalisiert, die der Gruppe trpB2i (inside of the operon) liegen innerhalb des trp Operons. Die letzte Gruppe trpB2a (ancient) setzt sich aus Sequenzen zusammen, die außerhalb des trp Operons liegen und die zu Spezies gehören, die kein trpB1 besitzen (Abbildung 10 B). TrpB1 und TrpB2 Proteine aus verschiedenen Organismen weisen innerhalb der jeweiligen Gruppe eine Sequenzähnlichkeit von ca. 60 % auf, wohingegen die Sequenzähnlichkeit zwischen den beiden Gruppen nur 30 % beträgt (Xie et al., 2002). Die meisten mesophilen Prokaryoten haben ein einzelnes Operon-basiertes trpB1 Gen. Auffallend ist, das trpB2 fast ausschließlich bei thermophilen und hyperthermophilen Organismen, sowohl Archaeen als auch Bakterien, auftritt (Merkl, 2007), wenn auch bei höheren Pflanzen wie Arabidopsis thaliana oder Zea mays entsprechende trpB2 Gene gefunden wurden (Xie et al., 2002).

Vergleicht man das Auftreten von trpB Genen in allen komplett sequenzierten Archaeen, so ist mit 10 aus 26 Spezies die häufigste Kombination ein Operon-basiertes trpB1 und ein nicht Operon-basiertes trpB2 Gen. Organismen aus der Klasse der Crenarchaeota weisen ausschließlich trpB2 Gene auf (Merkl, 2007).

Vergleicht man die Sequenzen von TrpB1 und TrpB2 Proteinen über multiple Sequenzalignments im Detail (Merkl, 2007), so zeigt sich, dass die Hauptunterschiede auf größeren Indels (Deletionen oder Insertionen) beruhen (Abbildung 11). Die meisten Reste mit direktem Ligandenkontakt in den bekannten TrpB1 Strukturen und die Reste im aktiven Zentrum sind in allen TrpB1 und TrpB2 Proteinen strikt konserviert. Die Reste des aktiven Zentrums His81, Lys82 (Bindestelle des PLP Cofaktors, Zählweise nach Pyrococcus furiosus TrpB1) und Ser371 sind strikt konserviert. Dagegen ist Lys162 nur in TrpB1 Proteinen strikt konserviert und der Rest Asp 300 in TrpB1 ist in TrpB2 Sequenzen durch ein Arginin ersetzt.

Mehrere Reste in der Kontaktfläche, in Nachbarschaft zum aktiven Zentrum oder in der Nähe von Ligandenbindestellen weisen ein bimodales Auftreten auf, durch das sich TrpB1 und TrpB2 deutlich unterscheiden (Merkl, 2007).

Abbildung 11: Multiples Sequenzalignment von TrpB Sequenzen.

Alignment von Vertretern der vier TrpB Sequenzklassen TrpB1 (magenta), TrpB2o (grün), TrpB2i (rot) und TrpB2a (blau). Residuen, die in TrpB1 aus P. furiosus Kontakte zu TrpA ausbilden (PDB Eintrag 1WDW), sind in der Zeile Interface hervorgehoben. Fett gedruckte Residuen sind konserviert, schwarze strikt, graue weniger strikt. Reste im aktiven Zentrum sind kursiv dargestellt, Reste mit Ligandenkontakten sind unterstrichen. Residuen bzw. Indels, die charakteristisch für TrpB1 bzw. TrpB2 sind, sind in grauen Kästen eingefasst. Die Nummerierung der Residuen bezieht sich auf TrpB1 aus P. furiosus. Die Abbildung wurde nach Merkl (2007) modifiziert.

Um zu überprüfen, wie sich die TrpB2 Proteine gegenüber ihren entsprechenden TrpA Partnern verhalten, wurden TrpA, TrpB1, TrpB2i, TrpB2o und TrpB2a Proteine aus den hyperthermophilen Prokaryoten T. maritima (ein Operon-basiertes trpB1 und ein nicht-Operon-basiertes trpB2o Gen, Abbildung 10 B) und S. solfataricus (ein Operon-basiertes trpB2i und ein nicht-Operon-basiertes trpB2a Gen, Abbildung 10 C) in E. coli rekombinant exprimiert, gereinigt und bezüglich ihres Komplexbildungsverhaltens und ihrer allosterischen Kommunikation charakterisiert (Hettwer & Sterner, 2002; Leopoldseder et al., 2006). Darüber hinaus wurde die Röntgenkristallstruktur von TrpB2a aus S. solfataricus in Kooperation mit Prof. Olga Mayans (Universität Liverpool, unpublizierte Daten) gelöst.

Betrachtet man die Enzyme aus T. maritima, so bildet tmTrpA das erwartete α-Monomer und sowohl tmTrpB1 als auch tmTrpB2o bilden das erwartete ββ-Homodimer. Beide TrpB Enzyme katalysieren die Tryptophan Synthase B-Reaktion, wobei sich tmTrpB2 durch einen auffallend niedrigen KMIndol (<0,77 µM) auszeichnet. Jedoch assoziiert nur das Operon-basierte tmTrpB1, aber nicht tmTrpB2o, mit tmTrpA, um den kanonischen αββα Tryptophan Synthase Komplex auszubilden. In diesem Komplex aktivieren sich beide Untereinheiten gegenseitig, wobei die katalytische Effizienz kcat/KMIGP

von tmTrpA um den Faktor 270 gesteigert wird. Die Steigerung der katalytischen Effizienz von tmTrpB1 als Folge der Komplexbildung beruht hauptsächlich auf der Absenkung des KMSer

um den Faktor 65 auf einen Wert von ca. 5 mM. Die fehlende funktionale Interaktion von tmTrpB2o mit tmTrpA spiegelt sich auch darin wider, dass der KMSer

auch in Anwesenheit von tmTrpA unverändert bei ca. 50 mM liegt. Zur Identifizierung der für das unterschiedliche Komplexbildungsverhalten tmTrpB1 und tmTrpB2 verantwortlichen Strukturelemente wurden mehrere Sequenzabschnitte, die Insertionen in tmTrpB2 darstellen und einzelne Aminosäuren wechselseitig zwischen beiden Enzymen ausgetauscht. Es zeigte sich, dass die Affinität der tmTrpB1 Varianten zu tmTrpA dadurch um mehrere Größenordnungen verringert wurde, aber kein stabiler Komplex aus den tmTrpB2 Mutanten und tmTrpA hergestellt werden konnte (Bolz, 2006; Schwabe, 2007).

Um zu überprüfen, ob die fehlende Komplexbildung mit TrpA eine generelle Eigenschaft der TrpB2 Proteine ist, wurden sTrpA, sTrpB2i und sTrpB2a aus S. solfataricus untersucht (Leopoldseder et al., 2006). Es zeigte sich, dass auch hier sTrpA als α-Monomer bzw.

sTrpB2i und sTrpB2a als ββ-Homodimere vorliegen. Die beiden sTrpB2-Enzyme zeichneten sich, ähnlich wie tmTrpB2o, durch niedrige KMIndol-Werte im unteren µM-Bereich und hohe KMSer

Werte im mM-Bereich aus. Durch analytische Gelfiltrationsexperimente und Gleichgewichtssedimentationsläufe konnte weder für sTrpB2i noch für sTrpB2a eine Komplexbildung mit sTrpA nachgewiesen werden. Trotzdem erhöht sTrpB2i die Aktivität von sTrpA in steady-state enzymkinetischen Messungen bis zu 300-fach. Jedoch verläuft die Aktivierung, im Gegensatz zu den kanonischen Tryptophan Synthasen, unidirektional, d.h.

sTrpB2i wird durch sTrpA nicht stimuliert. Analoge Messungen mit sTrpB2a zeigten in keiner Richtung messbare Aktivierung. Somit zeigt auch das außerhalb des trp Operons codierte sTrpB2a, wie tmTrpB2o, keine physikalische oder funktionelle Interaktion mit TrpA.

Die über Aktivitätstitration bei 65 °C ermittelte apparente Dissoziationskonstante von 280 nM für den Komplex aus sTrpA und sTrpB2i in Anwesenheit von IGP und Serin ist deutlich höher als in vergleichbaren Messungen mit den kanonischen Tryptophan Synthasen aus T.

maritima (4 nM bei 65 ° C) und E. coli (1,85 nM bei 37 °C) (Creighton & Yanofsky, 1966;

Leopoldseder et al., 2006). Aus diesen Ergebnissen wurde geschlossen, dass sTrpB2i einen nur während der Katalyse ausgebildeten, d. h. transienten Komplex mit sTrpA formt, der sich durch eine relativ schwache Affinität der beiden Proteine zueinander auszeichnet.

Daraus wurde ein Modell für die Evolution der Tryptophan Synthase abgeleitet. Dieses schlägt vor, dass das Komplexbildungsverhalten von TrpB2o (bzw. TrpB2a), TrpB2i und TrpB1 die schrittweise Zunahme der TrpB Affinität zu TrpA und die Verfeinerung der funktionellen Interaktion widerspiegeln, welche mit der Co-Lokalisation der codierenden Gene im trp Operon einhergeht (Leopoldseder et al., 2006; Merkl, 2007). Wegen der fehlenden funktionellen Interaktion mit TrpA und dem gleichzeitigem Auftreten von TrpB1 und TrpB2o in vielen Organismen, wird angenommen, dass TrpB2o/TrpB2a eine andere physiologische Funktion als Synthese die von Tryptophan hat.

Der strukturelle Vergleich von sTrpB2a und TrpB1 aus P. furiosus (pfTrpB1) zeigt, dass die Hauptunterschiede zwischen den beiden Enzymfamilien in den Regionen liegen, die in TrpB1 dem assoziierten TrpA zugewandt sind (Abbildung 12).

Abbildung 12: Struktureller Vergleich von sTrpB2a und pfTrpB1.

Gezeigt sind die β2 Dimere von pfTrpB1 (grün, pdb Eintrag 1V8Z) und sTrpB2a (cyan, unveröffentlichte Daten, Prof. Dr. Olga Mayans, Universität Liverpool). Farbig markierte Bereiche stellen Insertionen in sTrpB2a dar, die im Sequenzalignment entsprechend markiert sind (unten, Teilalignment aus Abbildung 11). Die Kontaktflächen zu TrpA in pfTrpB1 befinden sich jeweils am oberen und unteren Ende der Struktur. Die aktiven Zentren sind jeweils durch den Cofaktor PLP hervorgehoben (rote Moleküldarstellung).

Die Insertionen in der sTrpB2a Sequenz, die im multiplen Sequenzalignment farbig markiert sind, liegen alle nahe der Region, die die Kontaktfläche zwischen pfTrpB1 und pfTrpA bildet.

Lediglich die N-terminale Extension von sTrpB2a (gelb) befindet sich an der Kontaktfläche der beiden β-Untereinheiten. Es wurde angenommen, das diese Insertionen die Ursache für die fehlende Komplexbildung mit sTrpA darstellen (Leopoldseder et al., 2006). Die Gesamtstruktur, Domänenorganisation und Zusammensetzung des aktiven Zentrums ist bei pfTrpB1 und sTrpB2a dagegen sehr ähnlich, was für identische Katalysemechanismen in beiden Familien spricht. Durch das Fehlen offensichtlicher struktureller Unterschiede im aktiven Zentrum kann nicht direkt auf die physiologisch katalysierte Reaktion von TrpB2o/TrpB2a geschlossen werden.

1.5 Die hyperthermophilen Prokaryoten Thermotoga maritima,