• Keine Ergebnisse gefunden

Die Entwicklung des politischen Lebens im Irak von 1932‐1941

Im Dokument Das Unternehmen „Mammut“ (Seite 42-46)

zahlreiche politische Bewegungen und Strömungen sowie eigenständige Partei-en. Die nationale irakische Partei al-Hizb al-Watani al-Iraqi wurde 1922 von Jafar Abu al-Timan gegründet. Sie vertrat von Beginn an eine antibritische Posi-tion und setzte sich nicht nur für eine formale, sondern auch für eine faktische Unabhängigkeit des Irak von Großbritannien ein. Außerdem existierte der Ver-ein „Aufstrebender Irak“ Jam’ia al-Nahdha al-Iraqia, gegründet von Amin Shar-chafchi, der aber offiziell nicht zugelassen und deshalb nur im Untergrund tätig war. Auch trat dieser für einen unabhängigen Irak als parlamentarische Monar-chie ein, vertrat seine Position aber wesentlich radikaler. Beide Bewegungen wurden daher sowohl von der irakischen Regierung als auch von den Briten ver-boten.

Auf Initiative der Engländer kam es dann 1922 zur Gründung der probriti-schen Partei unter Mahmud al-Naqib al-Hizb al-Hurr al-Iraki „Irakische Freie Partei“. Es war eine Partei der vermögenden Grundbesitzer und Stammesfürsten, die durchaus ein Interesse an der Aufrechterhaltung der bisher im Irak herr-schenden politischen Zustände hatte. 124 1925 wurde unter der Regie von Jasin al-Hashimi (1894-1937) eine neue Partei, Hizb al- Sha’b die „Volkspartei“, in der viele arabische Nationalisten versammelt waren, ins Leben gerufen. Ihre Ziele waren nationale Unabhängigkeit und Aufnahme in den Völkerbund. 125 Alle politischen Bewegungen und Parteien waren im engeren Sinne keine Mitgliederparteien für breitere Volksschichten wie vergleichsweise in Europa, sondern eher Sammelbecken der zahlenmäßig kleinen geistigen und finanziellen Herrschaftselite des Landes, weshalb sich ihre Programmatik auch nicht sehr wesentlich voneinander unterschied.

Im Jahre 1930 kam es zum Abschluss eines wichtigen irakisch-britischen Vertrages, der für die weitere Entwicklung des Landes und seiner praktischen Unabhängigkeit sehr bedeutsam werden sollte. Der mit einer Laufzeit von 25

123 Ein recht brauchbarer, wenngleich vor allem aus der eigenen subjektiven Sichtweise und deshalb seit der Zeit seines Erscheinens nicht unumstrittener Überblick zur Entwicklung im Irak seit den 20er und 30er Jahren findet sich bei: Grobba, Fritz, Männer und Mächte im Orient, a.a.O., S.116-183. Grobba, ein ausgezeichneter Orient-kenner, der gleichzeitig Verbindungen zur Abwehr und später auch zum RSHA pflegte, war vor seiner Berufung als deutscher Gesandter in Bagdad bereits von 1923-1926 Botschafter in Kabul gewesen. Zur neueren Literatur über Grobba s. u. a.: Schwanitz, Wolfgang G., Nahostpolitische Retrospektive Dr. Fritz Grobbas (1886-1973), in: DAVO-Nachrichten, (2001) 14, S.53-56 und Ders.„Der Geist aus der Lampe“: Fritz Grobba und Berlins Politik im Nahen und Mittleren Orient, in: Deutschland und der Mittlere Osten, (Hrsg). von Wolfgang G.

Schwanitz, Leipzig 2004, S.126-150 = Comparativ 14.Jg., H.1, Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung. Eine knappe, dennoch aber prägnante Zusammenfassung der irakischen Vorkriegsgeschichte bis 1941 gibt auch: Schröder, Bernd Philipp, Irak 1941. Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges (24), (Hrsg). vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Freiburg 1980, S.18-40.

124 Vgl. Khalil wa humaiydi, a.a.O., S.50.

125 Vgl, Ebd. S.57.

Jahren abgeschlossene Vertrag sollte demnach an die Stelle aller bisher mit dem Irak geschlossenen Verträge treten. Falls der Irak 1932 in den Völkerbund auf-genommen werden würde, käme es gleichzeitig zum vollständigen Erlöschen des britischen Mandates über ihn. Weiterhin wurde in den umfangreichen An-hängen zu diesem Vertrag festgelegt, dass die zukünftige Außenpolitik des Irak in Abstimmung und in Konsultationen mit Großbritannien zu erfolgen hatte. Im Verteidigungsfall sagte Großbritannien dem Irak seine volle Unterstützung zu, falls das Land alle seine wichtigsten Eisenbahnlinien, Häfen und Flugplätze dem britischen Militär vollständig zur Verfügung stellte und sich britische Truppen-einheiten im Lande völlig selbstständig bewegen könnten. Dies schloss die dau-erhafte Überlassung durch Verpachtung für britische Militärstützpunkte, insbe-sondere für die RAF im Irak ein. Die darauf stationierten britischen Truppen ge-nössen Immunität vor den irakischen Gesetzen und waren auch für die Dauer ihres Aufenthalts von sämtlichen Steuerzahlungen befreit. Im Gegenzug ver-pflichteten sich die Briten, beim Aufbau einer nationalen irakischen Armee be-hilflich zu sein, diese auszubilden, auszurüsten und durch Militärberater zu in-struieren. An die Stelle des bisher administrierenden britischen Hochkommissars für den Irak sollte nunmehr ein regulärer britischer Botschafter in Bagdad treten.

Innerhalb der im Irak herrschenden politischen Elite rief der Abschluss dieses Vertrages sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Während die probritische Fraktion unter Nuri Said (1888-1958) und seine politischen Mitstreiter diese Entwicklung begrüßten, sprachen sich die Vertreter der arabischen Nationalisten um Raschid Ali al-Gailani (1892-1965) und Jasin al-Hashimi entschieden dage-gen aus, womit die zukünftig rivalisierenden politischen Lager im Irak sich zu-nehmend verfestigten. Erst nach den im Jahre 1931 eingeleiteten, langwierigen diplomatischen Verhandlungen wurde der Irak im folgenden Jahr Mitglied des Völkerbundes.

Im Jahre 1933 starb dann der erste irakische Monarch, König Faisal I. Sein Nachfolger wurde im gleichen Jahr sein Sohn, Prinz Ghāzī (1912-1939). Zu Be-ginn der 30er Jahre intensivierte sich das politische Leben im Irak spürbar, weil durch den Tod des Monarchen das bisher von ihm kontrollierte Gleichgewicht innerhalb der gegensätzlichen politischen Strömungen plötzlich nicht mehr ge-geben war. Die unterschiedlichsten Interessengegensätze prallten nunmehr mit zunehmender Wucht aufeinander. 126

Zu Beginn der 30er Jahre wurde im Irak eine politische Bewegung aktiv, die sich vor allem aus Mitgliedern zusammensetzte, die im Ausland studiert hatten.

Sie nannte sich die „Bürgergruppe“ (Jama’t al-Ahali) mit ihrem Zeitungsorgan, der al-Ahali, der „Bürgerzeitung“. Bald danach spaltete sich diese Bewegung in einen linken und einen rechten Flügel. Während der rechte Flügel den Militär-putsch des kurdischen Generalleutnants Baker Sidqi (1890-1937) im Jahre 1936

126 Vgl. Khalil wa humaiydi a.a.O., S70-76.

aktiv unterstützen sollte, orientierte sich der andere Flügel an sozialdemokrati-schen Vorbildern. 1934 kam es dann auch zur Gründung der irakisozialdemokrati-schen kommu-nistischen Partei.127

Innerhalb der arabischen nationalistischen Bewegung jener Tage gab es eine militärische und eine zivile Fraktion. Hauptvertreter der letzteren waren: Naji und Sami Shaukat, Muhamad Yunus Sab’wi, Muhamad Kubba, Faiq Samaraii, Sadiq Shanshal und andere. Die militärische Fraktion bildete vor al-lem die „Golden square“128 durch ihren Wortführer Salah al-Din al-Sabbagh (1889-1945) unter der Bezeichnung „Verein der nationalgesinnten Offiziere“.

Ziel beider Fraktionen war ein kommender staatlicher Zusammenschluss aller arabischen Länder. Beide national-arabischen Flügel arbeiteten aber trotz ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellung eng miteinander zusammen.

Als Jasin al-Hashimi 1935 zum zweiten Mal irakischer Ministerpräsident ge-worden war, vollzog sich ein mächtiges Erstarken der arabischen Nationalbewe-gung im Irak. Auch kam es zur Gründung erster profaschistischer Organisatio-nen, wie z.B. der Futuuwa und des Vereins „Jam’iyat Al-Jawal al-Arabi“ sowie des Klubs „Muthana bin Haritha al-Shaybani“. In dem Gebäude dieses Klubs befand sich auch der Sitz des Vereins „Zur Verteidigung Palästinas“. Ziel dieser Organisationen war die Verbreitung von nationalistischer arabischer Gesinnung unter der irakischen Jugend. Vorbilder hierfür waren die Hitler-Jugend im natio-nalsozialistischen Deutschland sowie die Balilla im faschistischen Italien. Zu dieser Zeit erfolgte eine breite Immigration libanesischer, syrischer und palästi-nensischer nationaler Aktivisten, die vor allem im Bildungssystem der Gymna-sien und höheren Schulen führende Positionen besetzten und einen großen Teil der irakischen Jugend sowohl für den arabischen Nationalismus als auch beson-ders für Hitlerdeutschland begeisterten.129

Von 1937 bis 1940 arbeitete die irakische Nationalbewegung weitgehend mit der Regierung unter Ministerpräsident Nuri Said, aber auch mit Jassin

al-Hashimi zusammen. Aber besonders nach dem Ausbruch des Zweiten Welt-kriegs in Europa konzentrierten sich die Nationalisten fast ausschließlich nur noch auf solche Führungspersonen wie Raschid Ali al-Gailani und den Groß-mufti Mohammed Amin al-Husseini (1897-1974), der 1939 als politischer Asy-lant in den Irak gekommen war.

127 Vgl. al-Adul ,djasim ,wa akharun, a.a.O., S.75.

128 Es handelte sich hierbei um Generalleutnant Salah ad-Din as Sabbagh, Befehlshaber des Oberkommandos

„Mitte“ und der 3. Division; Generalmajor Kamil Shabib, Kommandeur der 1. Division; Oberstleutnant Fahmi Said, Kommandeur der motorisierten Brigade der 3. Division und Oberst Mahmut Salman, Kommandeur der Royal Iraqian Air Forces (R.I.A.F). Die Bezeichnung „Golden Square“ stammte ursprünglich von den Briten, die damit den so bezeichneten irakischen Militärs unterstellten, sie handelten im Auftrag und unter der Bezahlung mit deutschem „Gold“.

129 Vgl,al-Adul, Djasim, a.a.O., S.76ff.

Der 1932 formal völlig unabhängig geworden Staat Irak stand von Beginn seiner Existenz an vor großen innenpolitischen Herausforderungen. 1933/34 war unter Jamil al-Madfa’i, dann mit Unterstützung des neuen Monarchen Ghāzī ei-ne konservative Regierung zweimal an die Macht gelangt und ein weiteres Ka-binett unter Ali Jaudat al-Ayubi gebildet worden. Das Parlament wurde aufge-löst und Neuwahlen angesetzt, in deren Folge die politische Bewegung unter Raschid Ali al-Gailani viele Stimmen einbüßte und nur noch wenige Abgeord-nete stellte. Dadurch fühlten sich die vermögenden Grundbesitzer des irakischen Südens politisch benachteiligt und zettelten daraufhin einen Aufstand an. Nach längeren Auseinandersetzungen zwischen der Zentralmacht und den Aufständi-schen wurde 1935 Jasin al-Hashimi erneut Ministerpräsident und Gailani In-nenminister. Erst durch die Entsendung von Baker Sidqi wurden die Aufstände im Südirak dann endgültig unterdrückt. Dadurch kam es erstmals zu einer direk-ten Einbindung breiter Kreise des irakischen Militärs in die zivile Politik des Landes.130

Jasin al-Hashimi hatte sich als Politiker das Ziel gesetzt, die Macht der Mo-narchie im Irak zu begrenzen und die des Parlaments zu stärken. In diesem Be-mühen kam ihm ein Skandal innerhalb der Königsfamilie zugute. Der junge Kö-nig Ghāzī setzte diesem Vorhaben aber entschiedenen Widerstand entgegen und vertraute vor allem auf den kurdischen General Baker Sidqi, der sich vor allem bei der rigorosen Niederschlagung der Assyreraufstände 1933 im Nordirak einen Namen gemacht hatte.131 Baker Sidqi, der mit einer Österreicherin verheiratet war, galt als ausgesprochener Gegner Englands und pflegte seinerseits enge Kontakte zum deutschen Gesandten in Bagdad, Dr. Fritz Grobba.

Mit Wissen und tatkräftiger Unterstützung Grobbas, kam es am 29. Oktober 1936 zum Sturz der Regierung bei Abwesenheit des Ministerpräsidenten Has-himi durch einen Militärputsch Baker Sidqis132. Unterstützer des Putsches war die al-Ahali Gruppe. Als neues Regierungsprogramm wurde eine umfassende Modernisierung der irakischen Gesellschaft unter Einhaltung der mit England geschlossenen Verträge verabschiedet. Verbunden mit diesem Vorhaben wollte Baker Sidqi die irakischen Streitkräfte stark ausbauen und vor allen Dingen neue Waffen in Deutschland, Italien und der Tschechoslowakei kaufen.133 Dennoch

130 Vgl. Ebd., S.77-79 und Politisches Archiv A.A., R 18, Akten des deutschen Konsulats in Bagdad, S.3, Bericht Grobbas „Anlage zum Bericht der deutschen Gesandtschaft“ Nr.380 vom 12.11.1936.

131 Vgl. Grobba, Fritz, Männer und Mächte, a. a. O., S.75ff und ausführlich in kurdischer Sprache, Muhamad Ismaiel Muhamad, Inqilabi Baker Sidqi La 29-10-1936, chapi jakam Hawler, 2007.

132 Vgl. Politisches Archiv A.A., R 102.385, Bericht Grobbas über den erfolgreichen Militätputsch Bakr Sidqis vom 29. Oktober 1936.

133 Dies waren durchaus keine ganz neuen Forderungen. Bereits Anfang 1937 hatte Generalstabschef Bekr Sidqi mit dem Gesandten Grobba um Waffenlieferungen im Werte von etwa fünf Millionen RM verhandelt, von denen als erste Rate bei der Firma Rheinmetall-Borsig 18 Flakgeschütze C/30 Kaliber 2cm mit 18.000 Schuss Munition im Werte von einer Million RM in den Irak geliefert werden sollten. Sidqis Tod verhinderte zunächst die Reali-sierung dieses Geschäfts, vgl. Grobba, a. a. O., S.158. Schließlich kam ab Mitte Oktober 1938 das Geschäft doch

waren die Forderungen Baker Sidqis den irakischen Ultranationalisten immer noch nicht radikal genug. Insbesondere die Respektierung der Verträge mit Eng-land galt ihnen als ein Indiz dafür, dass der neue Ministerpräsident der Frage der großarabischen Bewegung keineswegs genügende Aufmerksamkeit schenkte. So waren sie ihrerseits an einer schnellen Beseitigung des Putsch-Generals bestrebt, um ihre panarabischen und antibritischen Ideen noch schneller verwirklichen zu können, als dieser es selbst geplant hatte. Ihre Stunde schlug bereits am 11. Au-gust 1937, als Baker Sidqi auf dem Weg zu einem Manöver in der Türkei von Anhängern der „Golden Square“ getötet wurde.134

König Ghāzī, selbst Anhänger der Nationalisten und durchaus panarabischer Gesinnung, zudem mit starker antibritischer Einstellung, kam 1939 infolge eines Zusammenstoßes seines Wagens mit einem Strommast unerwartet ums Leben.

Doch nach der öffentlichen Meinung, gerade derjenigen der radikalen Nationa-listen waren viele Iraker der Ansicht, dass der König einem Attentat der Englän-der zum Opfer gefallen wäre. Nach dem Tod Ghāzīs kam dessen minEnglän-derjähriger Sohn Faisal II (1935-1958) auf den Thron, der aber bis zur Erlangung seiner Volljährigkeit noch unter der Vormundschaft seines Onkels stand. Als König Ghāzī 1939 durch den bereits erwähnten Autounfall ums Leben gekommen war, wurde von der deutschen und italienische Presse und dem Rundfunk folgende Version kolportiert, der Monarch sei möglicherweise einem Attentat zum Opfer gefallen, hinter dem sicherlich die Engländer steckten, da dessen achsenfreund-liche Haltung ihnen zu gefährlich geworden wäre.135

Im Dokument Das Unternehmen „Mammut“ (Seite 42-46)