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Die Ausbildung des Reliefs in der Rheinniederung

Im Dokument Eidesstattliche Erklärung (Seite 36-39)

III. HYDROGEOGRAPHISCHE MERKMALE DES UNTERSUCHUNGSGEBIETES

III.1. N ATÜRLICHER Z USTAND

III.1.3. Die Ausbildung des Reliefs in der Rheinniederung

Der Talboden der Oberrheinebene ist von Süden nach Norden geneigt: Von Weil am Rhein bei Basel mit 250 m ü. NN sinkt er auf 83,5 m ü. NN an der Mainmündung bei Mainz (siehe auch SCHÄFER 1978, S. 9). Das Gefälle nimmt vom Süden bei Isen-stein mit etwa 1m/km nach Norden hin auf 0,1m/km hin ab. Aufgrund des unterschiedlich stark abnehmenden Gefälles hatten sich vor dem Beginn größerer anthropogener Eingriffe unterschiedliche Gerinnetypen ausgebildet: Im Süden die Furkationszone und im Norden die Mäanderzone. Dazwischen befand sich eine Übergangszone, die keinem der beiden Typen eindeutig zuzuordnen ist (siehe Abb.

10.).

III.1.3.1. Die Furkationszone

Dieser Abschnitt zwischen Basel und der Murgmündung bei Rastatt wird auch südlicher Oberrhein genannt. Das durchschnittliche Gefälle beträgt 0,087%; die Länge beträgt rund 202 km (TITIZER, KREBS 1996, S.16). Aufgrund der Gefällsverminderung gegenüber dem Hochrhein sedimentierte der Fluss im Oberrheinischen Tiefland Kiese und Schotter. Der Charakter der Furkationszone mit hoher Morphodynamik und einer Vielzahl von Inseln war in der breiten Talniederung besonders gut ausgeprägt. Die 30-40 km breite Ebene des Oberrheinischen Tieflandes zwischen Vogesen und Schwarzwald bot Raum für eine bis zu 12 km breite Aue (TITIZER, KREBS 1996, S.17). Der Rhein floss langsam in unregelmäßigen, stark gewundenen, durch Inseln und Kiesgründe voneinander getrennten Armen (siehe Abb. 11. und Abb. 12.). Das Gerinnebett war in mehr oder weniger parallel laufende Rinnen mit einer meist in der Mitte liegenden, schwach mäandrierenden Hauptrinne aufgespalten. Das Seitwärtswandern des Stromes hatte bescheidene Ausmaße. Eine seitwärtswandernde Rinne traf sehr bald auf eine Nachbarrinne und vereinigte sich mit ihr. Jedes Hochwasserereignis beeinflusste den Lauf des Stromes. Alte Seitenarme verschwanden, neue entstanden. Bei Überschwemmungen beherrschte der Strom die ganze Breite der Talaue (SCHÄFER 1973, S.20).

Den im Furkationsabschnitt des Rheins abgelagerten Sedimenten fehlt die klare Ordnung im Gefüge, wie sie für die Sedimente des Mäanderabschnitts gilt (s.u.). Die Erosions- und Sedimentationsverhältnisse in der Furkation schwanken wenig. Es lagern sich entsprechend der relativ einheitlich vorherrschenden Transportkraft nur bestimmte Korngrößen ab. So werden feinere Sedimente aufgrund der im Vergleich zum Mäanderbereich stärkeren Strömung und aufgrund des Mangels an größeren Stromschattengebieten stromabwärts gefrachtet. Die Sedimente der Furkationszone weisen deshalb ein recht homogenes Bild auf. Es lagern sich überwiegend in ihrer Korngröße kaum schwankende Kiese ab. Tonbestandteile fallen kaum an. Eine Schichtung der Sedimente ist immer nur auf kleine Bereiche beschränkt (SCHÄFER 1973, S.20-22).

III.1.3.2. Die Mäanderzone

Die Mäanderzone, auch als „Nördlicher Oberrhein“ bezeichnet, erstreckt sich von Karlsruhe bis Mainz. Das durchschnittliche Gefälle beträgt nur noch 0,025%, die Länge liegt bei 135 km (TITIZER; KREBS 1996, S.16). Aufgrund der reduzierten Strömungsenergie reagiert der Wasserkörper verstärkt auf lokale, morphologische Gegebenheiten im Gerinnebett. Der Stromstrich als Linie höchster Wassergeschwindigkeit pendelt aus der Mitte des Wasserkörpers heraus und verursacht eine verstärkte Seitenerosion (siehe Abb. 13. sowie TITIZER; KREBS 1996, S.17). Die Mäanderamplitude wächst mit abnehmendem Gefälle. Im Abschnitt Karlsruhe-Speyer liegt sie bei 2-4 km und steigt zwischen Worms und Mainz auf 5-7 km an. Dementsprechend stellt sich auch die Bildung von Auen und Altrheinarmen und Inundationsflächen in veränderter Form dar (TITIZER; KREBS 1996, S.18.).

In einem mäandrierenden Gerinne überwiegt die Seitenerosion gegenüber der Tiefenerosion. Erosion am Prallhang bedeutet stets Sedimentation am Gleithang. Da im Flussquerschnitt verschiedene Stromgeschwindigkeiten herrschen, kommt es bei der Sedimentation zu einer Sortierung der Korngrößen. Im stärker bewegten Sohlenbereich kommen die groben Kiese, in den oberen Zonen des Gleithanges und zudem nach oben gestaffelt die Feinkiese, Grobsande, Feinsande und schließlich die Auelehme zur Ablagerung (siehe Abb. 14.). Die Schichtenfolgen weisen im Idealfall immer die gleiche Neigung und die gleiche vertikale Sortierung nach Korngrößen auf.

Im Gegensatz zu den ungeordneten Sedimentkörpern der Furkationzone ist die Flussaue der Mäanderzone von horizontal übereinanderliegenden, aber in sich schräg geschichteten Sedimentkörpern geprägt (SCHÄFER 1973a, S. 20). Aufgrund der starken Wasserstandsschwankungen des Rheins im Jahresverlauf variiert die Transportkraft des Flusses. Daraus resultieren Veränderungen in der Schräge der abgelagerten Schichten und der Korngrößenfolge. Zwar bleibt die Abfolge vom Gröberen zum Feineren immer bestehen, bei Hochwasser verschiebt sich die Sortierung aber aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeiten im Schnitt nach oben, bei Niedrigwasser wird sie gestaucht. So erklärt sich, dass sich in die kontinuierliche Schrägschichtung einheitlichen Korns Schichtpakete bald gröberen (=Hochwasser) und bald feineren (=Niedrigwasser) Korns einschieben.

Die durch die skizzierte Korngrößensortierung entstehenden horizontalen Schichten mit kiesigen, wasserdurchlässigen Sedimenten spielen bei der weiter unten in dieser Arbeit diskutierten Druckwasserflächendynamik eine große Rolle, da die durchlässigen Sedimentpakete auch nach einer künstlichen oder natürlichen Verlegung des Flussbettes und der Verlandung der Altarme im Untergrund verbleiben und als Leitbahnen des während eines Hochwassererignisses in den Untergrund einsickernden Uferfiltrats dienen. Entsprechend der starken Krümmung des einstigen Flussbettes verlaufen viele dieser Sedimentablagerungen in länglichen, manchmal fast senkrecht vom heutigen Rheingerinne wegführenden Linien, weshalb sich hochwasserbedingte Druckwellen rasch auch in die flussfernen Bereiche der Aue fortpflanzen können. Eine Abdeckung dieser Leitbahnen durch die spätere Ablagerung wasserundurchlässiger, schlickig-toniger Sedimente beeinträchtigen die Leitfähigkeit der Kiesschichten nicht, solange diese irgendwie in Verbindung mit dem Hochwasser stehen. Die Versiegelung der Leitbahnen führt lediglich dazu, dass sich die Ausbreitung der Druckwasserwelle unter gespannten Bedingungen ausbreitet.

Wasseraustritte sind dann im Allgemeinen nicht am tiefsten Punkt von in der Nähe befindlichen Geländesenken, sondern an der geringmächtigsten Stelle der abdichtenden Tonpakete zu erwarten.

Die Mächtigkeit von durch fluviale Prozesse abgelagerten Sedimenten ist im flussnahen Bereich stets größer als im flussfernen: Tritt der Fluss über die Ufer, wird die Fliesgeschwindigkeit des jenseits des eigentlichen Gerinnebettes fließenden Wassers durch zahlreiche Faktoren (Gefälleverminderung, erhöhte Reibung, Umlenkung der Fließrichtung, geringere Wassertiefe) rasch vermindert. In Folge der abgebremsten Fliessgeschwindigkeit können größere, im Wasser mitgeführte Kornfraktionen nicht mehr weiter transportiert werden. Im Strömungsschatten kommt es besonders an den Prallufern mit flussseitig steilem Anstieg und landseitig sanftem Abfall zur Akkumulation und Ausbildung von Uferdämmen. Uferwälle entstehen durch die Wanderbewegung der Mäander und der grobkörnigen Sedimentation an den Gleithängen, die parallel zur Prallhangerosion verläuft und auch bei relativ hohen Fließgeschwindigkeiten stattfindet (TITIZER, KREBS 1996, S.18). Im Untersuchungsgebiet bei Speyer lassen sich beispielhaft ausgebildete Uferwälle und Uferdämme in der Rheinhausener Weide / Rathswörth erkennen.

Die strömungsbedingte horizontale Korngrössensortierung vertikaler Ablagerungen ist aber nur einer der fluvialen, geomorphologischen Prozesse, welche zur Ausbildung von wasserleitenden Sedimentschichten in der Mäanderzone führen.

Hält der Vorgang der Flussverlagerung durch Erosion und gleichzeitige Sedimentation lange genug an, schert der Mäanderbogen immer weiter seitwärts aus und krümmt sich asymmetrisch in Strömungsrichtung ein. Im Bogenscheitel der Mäanderkrümmung lagern sich im Bereich der größten Strömungsgeschwindigkeiten die gröbsten Sedimente, wie z.B. Kiese, ab. In seinem Ingestions- und seinem Egestionsast entstehen aufgrund geringerer Fließgeschwindigkeiten sandige Ablagerungen (SCHÄFER 1973a, S.13 ff.). Diese häufig quer zum Talverlauf von den Seiten und von oben her mit Sanden eingefasste „Kiesdöme" sind im Zusammenhang mit der oberflächennahen Grundwasserbewegung von Bedeutung (siehe Abb. 15.). Sie wurden aber im Untersuchungsgebiet bereits größtenteils im Zuge der Kiesgewinnung ausgeräumt (z.B. Binsfeld).

Die Verlagerung des Rheingerinnes vollzog sich aber nicht immer nur in Form eines allmählichen Einschneidens in den Prallhang, sondern auch in Sprüngen. Es ist zu unterscheiden zwischen progressiven und regressiven Sprüngen (SCHÄFER 1973a, S. 24ff):

Ein progressiver Sprung führt zu einer Flusslaufverlängerung. Aufgrund plötzlich erhöhter Wassermassen und größerer Erosionsenergie springt der Strom aus seiner Bogenkrümmung heraus und sucht sich einen neuen, längeren Weg (siehe Abb.

Abb. 16. oben). Im Oberrheintal war der Auslöser progressiver Sprünge oftmals Eisstauung. Das Dorf Rudolsheim wurde 1821 durch einen progressiven Sprung zerstört und aufgegeben. Auch die Ausweitung der Mäanderbögen im Unter-suchungsgebiet (Rheinhäuser Weide, Angelwald, Koller) erfolgte wahrscheinlich in Form von progressiven Sprüngen.

Ein regressiver Sprung beendet das beständige Seitwärtswandern eines Mäanderbogens. Die Ausweitung des Bogens verlängert den Talweg und vermindert das Gefälle im Strombett solange, bis bei einem Hochwasser mit höherer Strömungsenergie der Fluss sein Bett verlässt und sich in Richtung des größeren Gefälles sein neues Bett gräbt. (Abb.16. unten). Ein Beispiel für einen regressiven Sprung findet sich Ende des 16. Jh. bei Altrip, als der Rhein bei einem Hochwasser seinen Lauf verkürzte.

Mit jedem progressiven oder regressiven Sprung entstehen stillgelegte Bogenteile des Mäanders - die Altrheine. Altrheinarme stehen noch eine gewisse Zeit als mäßig

durchflossene Arme mit dem Hauptstrom in Verbindung. Aufgrund der in den Armen nachlassenden Strömungsgeschwindigkeit stellen sie Sedimentationsräume innerhalb des Gerinnes dar. Die Mündungen des Altrheins in den Hauptstrom verschließen sich bereits lange vor der Verlandung des Bogens (siehe Abb. 17.). Der Sedimentverschluss der Ingestion liegt zeitlich immer vor dem Verschluss der Egestion. Deutlich ist dieser Vorgang im Untersuchungsgebiet an den bereits vollständig verlandeten Ingestionen des otterstädter Altrheins (Böllenwörth) und der Runkedebunk im Süden der Rheinhäuser Weide zu erkennen. Der Verschluss der Ingestion erfolgt hauptsächlich bei Hochwasser durch grobkörnige Sedimente wie Kiese und Sande, wogegen sich in der Egestion eher feinkörnige Sedimente wie Sande und Tone ablagern (siehe Abb. 17.4.). Nach dem endgültigen Verlanden von Ingestion und Egestion bleibt für lange Zeit ein beidseitig abgeschlossenes Stillwasser (Sichelsee) erhalten, das nur bei starkem Hochwasser oberflächlich mit frischem Wasser versorgt wird. Die weitere Verlandung erfolgt durch bei Hochwasser eingetragene Feinsedimente und durch eigene Niedermoorbildung, die häufig in ein Schilffeld übergeht.

Die Rheinauen unterlagen im Naturstromregime des Rheins aufgrund der oben geschilderten fluviodynamischen Prozesse einem allmählichen aber beständigen Wandel: Erosion durch den wandernden Strom, Sedimentation und Verlandung in vom Fluss wieder verlassenen Gerinneteilen bis zu einer - manchmal erst nach Jahrtausenden - erneut einsetzenden Erosion des Flusses in seine alten Ablagerungen 11. Letztlich lässt sich die geomorphologische Wirkung des mä-andrierenden Flusses mit gleichzeitiger, aber räumlich versetzter Erosion und Sedimentation als ein "Durchpflügen" der älteren Schichtpakete aus früheren Mäandersedimentationen beschreiben. Einst abgelagertes Sedimentationsgut wird flussabwärts weggeführt, von oben kommende Sedimente lagern sich anstelle der weggeführten ab. Die weiter unten in Abschnitt III.2. beschriebenen anthropogenen Eingriffe verhindern seit Mitte des 19. Jh. die natürlichen Erosions- und Akkumulationsprozesse im Fluss und führten zu schwerwiegenden Änderung der geoökologischen Dynamik in der Aue. Dennoch ist die Kenntnis der einst wirksamen geomorphologischen Prozesse bei einer Untersuchung der rezenten Inundationsdynamik unerlässlich, da das durch sie gebildete räumliche Muster von morphologischen Senken und Rinnen, von wasserleitenden und wasserhemmenden Sedimenten noch heute das Auftreten von Überschwemmungsflächen (insbesondere von Druckwasserflächen) und die Interaktion von Fluss und Grundwasser beeinflusst.

Im Dokument Eidesstattliche Erklärung (Seite 36-39)