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Der Zusammenhang zwischen historischer Landnutzung und rezenter

Im Dokument Eidesstattliche Erklärung (Seite 102-105)

VI. ERGEBNISSE DER AUSWERTUNG HISTORISCHER KARTEN

VI.2. G ENESE DER DIREKTEN I NUNDATIONSFLÄCHEN

VI.3.1. Der Zusammenhang zwischen historischer Landnutzung und rezenter

Im folgenden soll als mögliche Methode der Ausweisung potentieller Druckwasserflächen die Auswertung der historischen Rheinstromatlanten im GIS vorgestellt und diskutiert werden. Die Tauglichkeit dieser Methode hängt in erster Linie von zwei Fragen ab:

I. Ist die in den historischen Rheinstromatlanten abgebildete Landnutzung der Rheinaue als Indikator für die einstige Verbreitung von Druckwasserflächen brauchbar?

II. Und wenn ja, ist diese historische Landnutzung dann auch ein Indikator für die rezente Verbreitung von Druckwasserflächen?

Zu Frage I: Zwar waren im Zuge der Oberrheinkorrektur große Teile der Rheinaue durch die neuen Dämme vor einer direkten Überflutung durch den Rhein geschützt;

der Grundwasserspiegel aber lag in der Flussniederung Anfang des 19. Jh. noch immer beträchtlich höher als heute. Bereits geringe Anstiege des Rhein-wasserstandes reichten aus, um den Grundwasserspiegel in der Niederung so weit ansteigen zu lassen, dass großflächig Druckwasser austrat. Es wurde oben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Rheinkorrektion ein Absinken des Grundwasserstandes in der Rheinaue nach sich zog. Wie weit die Tiefenerosion des Flusses bei der Erstellung des ersten Großherzoglichen Rheinstromatlanten im Jahre 1856 (der in diesem Projekt wichtigsten historischen Kartenquelle) nun genau vorangeschritten war, lässt sich heute kaum mehr rekonstruieren. Allerdings hatte der Strom im Untersuchungsgebiet zu diesem Zeitpunkt sein Bett erst seit rund einer Dekade in die künstlichen Durchstiche verlegt. Den Angelhofer Durchstich hatte der Rhein sogar trotz aller wasserbaulichen Anstrengungen noch immer nicht angenommen und der Strom floss nach wie vor im alten Bett. Die Tiefenerosion kann deshalb im Untersuchungsgebiet 1856 noch nicht weit fortgeschritten sein.

Ferner ist davon auszugehen, dass sich die Landwirtschaft nicht sofort auf das Trockenfallen ehemals durchfeuchteter Auebereiche einstellte, sondern erst mit einigen Jahren Verzögerung diese Flächen einer intensiveren Nutzung zugeführt wurden. Der Rheinstromatlas von 1856 ist somit die ausführlichste historische Quelle, welche die Nutzung der Rheinniederung in ihrem Zustand zu Beginn der Oberrheinkorrektion überliefert – zu einem Zeitpunkt also, bei dem ein Grundwasserstandsniveau in der Aue vorherrschte, das seither nicht wieder erreicht wurde.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass jede Fläche in einem Abwägungsprozess zwischen a.) dem in die Aufbereitung einer Fläche zu investierendem Arbeits- bzw.

Kapitalaufwand, b.) dem je nach Nutzung zu erwartenden Ertrag bzw.

Flächennutzungsgewinn und c.) den Risiken, welche den Ertrag der jeweils gewählten Flächennutzungsart wieder gefährden, der jeweils bestmöglichen Nutzungsart zugeführt wurde. Der enorme Arbeitsaufwand, einen Wald zu roden, ihn in eine Ackerfläche umzuwandeln und diese regelmäßig zu bestellen, wurde sicherlich nur dort betrieben, wo die Ernte nicht in Gefahr stand, durch Hochwasser oder Druckwasser vernichtet zu werden. Die Rheinstromatlanten entstanden nun in einer Zeit, in der ein wachsender Bedarf an Lebensmitteln vorherrschte. Die frühindustrielle Phase, in der sich Deutschland bzw. das Großherzogtum Baden damals befand, war noch geprägt durch eine Bevölkerungszunahme, der eine stagnierende bzw. nicht in gleichem Maße steigende Produktivität in der Landwirtschaft gegenüberstand. Noch konnte die Produktivität pro Fläche nicht durch chemischen Dünger gesteigert werden, so dass dem wachsenden Lebens-mittelbedarf lediglich durch die Einführung neuer, effizienterer Anbaumethoden sowie einer Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche begegnet werden konnte. Die im Zuge der Rheinbegradigung trockengelegten und vor direkten Über-schwemmungen des Rheins mit Dämmen geschützten Flächen wurden folglich der jeweils intensivsten, d.h. ertragsreichsten Nutzung zugeführt, welche die lokalen Grundwasser- und Bodenverhältnisse zuließen. Da Flächen, die häufig durch Druckwasser bedroht wurden, für Ackerbau oder Sonderkulturen nicht geeignet waren, wurden sie extensiv (z.B. als Wald oder Grünland) bewirtschaftet. Wald und Grünland, sowie völlig von der landwirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen Flächen wie die vegetationsfreien Sand- und Kiesbänke des Rheins oder Sümpfe werden deshalb in dieser Arbeit als Indikator für stark von der Hydrodynamik des Flusses

beeinflusste und deshalb für intensive Landnutzung unbrauchbare Flächen betrachtet.

Das räumliche Muster der Flächennutzung, wie es sich im ersten Rheinstromatlas darstellt, überliefert deshalb ein detailliertes Bild der in der Rheinniederung von Druckwasseraustritten hauptsächlich betroffenen Flächen.

In den folgenden Jahrzehnten wurden mit sinkenden Grundwasserständen trockengefallene extensiv genutzte Flächen zusehends intensiviert: Auwälder wurden gerodet, Grünland in Äcker umgebrochen. JAKOBS beschreibt diesen Prozess für das Untersuchungsgebiet in seiner Diplomarbeit detailliert in seinem Vergleich der beiden Rheinstromatlanten von 1856 und 1875 (JACOBS 2002, S. 58f.).

Zu Frage II: Wie soeben erläutert, sind die Grundwasserverhältnisse heute nicht mehr die gleichen wie Anfang des 19. Jh. zum Zeitpunkt der Erstellung der Rheinstromatlanten. Für das Untersuchungsgebiet schwanken die Angaben über die Tiefe der seit der Korrektion eingetretenen Sohlenerosion zwischen Werten von rund 80 bis 200 cm. Inwieweit ist dann die Druckwasserdynamik des 19. Jh. überhaupt noch relevant für die rezente Druckwassergefährdung? Das Absinken des Grundwasserspiegels dürfte vor allem einen Einfluss auf die Häufigkeit bzw. die Andauer der Druckwasseraustritte haben. Das räumliche Muster der von Druckwasser bedrohten Flächen wird durch die allgemeine Grundwasserabsenkung hingegen kaum berührt worden sein. Da sich die für Druckwasseraustritte relevanten Faktoren (Verteilung von wasserleitendem und –hemmenden Substrat sowie Morphologie der Aue) durch natürliche Prozesse in den letzten 150 Jahren sicherlich nicht geändert haben, ist davon auszugehen, dass es sich nach wie vor um die gleichen Flächen handelt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass diese Flächen im 19. Jh. bereits bei einem geringen Wasseranstieg des Rheins überschwemmt wurden, wohingegen heute Hochwasserereignisse mit mehrere Meter über dem Mittelwasserstand liegenden Wasserständen vonnöten sind, bis die ersten Wasseraustritte im Gelände beobachtbar sind.

Ein weiterer Unterschied zwischen der Druckwasserdynamik zu Anfang des 19. Jh.

und der heutigen Situation besteht darin, dass Hochwasserereignisse und die von ihnen hervorgerufenen Druckwasseraustritte immer nur von relativ kurzer Dauer sind.

Im Gegensatz zu einem generell hohen Wasserstand bewirkt ein Hochwasserereignis vor allem Druckwasseraustritte in den flussnahen Bereichen der Aue. Nur wenn das Hochwasser über einen längeren Zeitraum hin anhält, erreicht die sich im Untergrund ausbreitende „Druckwelle“ auch die entfernteren Flächen der Rheinniederung. Dadurch werden bei rezenten Hochwasserereignissen die flussnahen Druckwasserflächen wesentlich häufiger und länger aktiviert, als die flussfernen. Zu Beginn des 19. Jh. hingegen waren auch große Flächen nahe der Hochgestade stark druckwassergefährdet. Auch heute können Druckwasserflächen potenziell noch in der gesamten Rheinniederung auftreten. Allerdings sind sie in Hochgestadenähe nur noch bei lang anhaltenden, hohen Rheinwasserständen bzw.

infolge des Rückstaus von Seitengewässern zu erwarten.

Dort wo allerdings die natürliche Hydrodynamik der Rheinniederung infolge anthropogener Eingriffe verändert wurde, ist die Flächennutzung des 19. Jh. bedingt als Indikator für die rezente Druckwassergefährdung brauchbar. Dass beispielsweise ein flächenhaftes Ausräumen der Aue durch den Kiesabbau das Inundationsverhalten der umgebenden Druckwasserflächen veränderte, ist naheliegend. Das Ausmaß und die genaue Art der Veränderung der Druckwasserdynamik lässt sich allerdings kaum abschätzen. Ebenso wurden im Untersuchungsgebiet oftmals einstige Druckwasserflächen durch Bebauung

versiegelt. Aufquellendes Wasser führt hier zu nassen Kellern oder gar Schäden im Fundament. In Einzelfällen sind hier auch Druckwasseraustritte in benachbarten Flächen verstärkt zu beobachten.

Im Dokument Eidesstattliche Erklärung (Seite 102-105)