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Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist ein weit verzweigtes Membransystem, das für die Faltung und Modifizierung aller Proteine des sekretorischen Weges verantwortlich ist. Das Membransystem ist in Form und Größe sehr variabel und kann sich deshalb schnell an wechselnde äußere Einflüsse anpassen (Borgese et al., 2006; Westrate et al., 2015). Die sekretorischen Proteine werden cotranslational in das ER-Lumen transloziert, gefaltet, modifiziert und einer Qualitätskontrolle unterzogen. Zu den wichtigsten Proteinmodifikationen zählen die N-Glykosylierung (Silberstein und Gilmore, 1996) und die Ausbildung von Disulfidbrücken (Fassio und Sitia, 2002). Korrekt gefaltete und prozessierte Proteine werden über den Golgi-Apparat zur Plasmamembran transportiert oder gelangen in das Endomembransystem anderer Kompartimente wie den Mitochondrien und Peroxisomen. An der Zellperipherie werden die Proteine entweder sekretiert oder in der Plasmamembran verankert (Ellgaard und Helenius, 2003; Buchberger et al., 2010). Der Zustrom von Proteinen in das ER ist variabel und wird durch äußere Einflüsse, Zelldifferenzierungsprozesse und den jeweiligen physiologischen Zustand der Zelle beeinflusst. Um eine derartige Dynamik zu gewährleisten, muss die Zelle die Proteinfaltungskapazität des ERs schnell an diese aktuellen Bedürfnisse anpassen können (Schröder, 2008).

Ein Ungleichgewicht zwischen fehlerhafter Proteinfaltung und der ER-Kapazität wird als ER-Stress bezeichnet. Die UPR (unfolded protein response), ein hochkonservierter eukaryotischer Signalweg, wird als zelluläre Antwort auf die Ansammlung von un- oder fehlgefalteten Proteinen im Lumen aktiviert um Stress entgegenzuwirken und die ER-Homöostase sicherzustellen (Cox und Walter, 1996; Mori et al., 1996). Dies geschieht durch eine verstärkte Synthese von Membranlipiden, Chaperonen und Foldasen, was zu einer Vergrößerung der ER-Membranoberfläche führt und die korrekte Faltung von Proteinen im ER sicherstellt (Hurtley et al., 1989; Murray et al., 2004; Schuck et al., 2009). Kann die Homöostase im ER nicht wiederhergestellt werden, erfolgt die Induktion der Apoptose um den Organismus vor potenziell toxischen Effekten der un- oder fehlgefalteten Proteine zu schützen (Sano und Reed, 2013).

In höheren Eukaryoten besteht die UPR aus drei Signalwegen, die die Proteinhomöostase im ER überwachen und durch ER-Membran lokalisierte Stresssensoren reguliert werden.

Der durch IRE1 (inositol requiring enzyme 1) induzierte Signalweg ist in höheren und in niederen Eukaryoten konserviert (siehe auch 1.1.1) (Mori, 2009). Ausschließlich in höheren Eukaryoten zu finden sind der ATF6 (activating transcription factor 6) und PERK abhängige Signalweg (protein kinase RNA-like endoplasmic reticulum kinase). ATF6 gehört zu einer Klasse von Metazoa spezifischen ER-Stresssensoren und besitzt einen C-terminalen

Bereich durch den Stress detektiert werden kann (Haze et al., 1999). Unter ER-Stressbedingungen wird ATF6 zum Golgi-Apparat transportiert und durch die Proteasen S1P (site-1 protease) und S2P (site-2 protease) prozessiert, was zur Freisetzung der DNA bindenden cytosolischen Domäne ATF6f (f für Fragment) führt. ATF6f fungiert als bZIP (basic Leucin-Zipper) Transkriptionsfaktor und aktiviert die Genexpression von UPR-Zielgenen, die teilweise spezifisch, zum größten Teil aber auch überlappend durch den Ire1 abhängigen Signalweg reguliert werden (Haze et al., 1999). Ein weiterer ER-Stresssensor ist PERK, dessen Aktivierung durch Oligomerisierung und Trans-autophosphorylierung nach der Detektion von ER-Stress erfolgt (Bertolotti et al., 2000). In seiner aktiven Form phosphoryliert PERK die α-Untereinheit von eIF2 (eukaryotic initiation factor 2), wodurch der für die Translationsinitiation notwendige Austausch von GDP zu GTP nicht mehr stattfinden kann, was letztendlich zu einer global reduzierten Translationsinitiationsaktivität führt (Harding et al., 1999). Die Translation der ATF4 (activating transcription factor 4) mRNA unter diesen Bedingungen ist jedoch verstärkt (Harding et al., 2003). ATF4 reguliert eine Vielzahl von Genen, die an der Autophagie, der Steuerung des Aminosäuremetabolismus und der Antwort auf oxidativen Stress beteiligt sind. Eine anhaltende Aktivierung des PERK-Signalwegs führt zur Expression von CHOP (C/EBP-homologous protein), wodurch die Apoptose als terminale Antwort auf anhaltenden ER-Stress induziert wird (Ma et al., 2002;

Oyadomari und Mori, 2004).

1.1.1 IRE1: der konservierte UPR-Signalweg

In der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae wird die UPR ausschließlich durch den ER-Transmembransensor Ire1p gesteuert (Walter und Ron, 2011). Ire1p ist ein bifunktioneller Typ I ER-Transmembranrezeptor mit einer Kinase- und Endoribonuklease(RNase)-Domäne (Cox et al., 1993; Sidrauski und Walter, 1997; Credle et al., 2005). ER-Stress, ausgelöst durch un- oder fehlgefaltete Proteine, führt zur Bindung dieser an die N-terminale Domäne von Ire1p im ER-Lumen. In Kombination mit der Dissoziation des ER-Chaperons Kar2p/Bip1 löst dies eine Konformationsänderung und Oligomerisierung von Ire1p aus (Kimata et al., 2007; Gardner und Walter, 2011). Durch Trans-autophosphorylierung wird die RNase-Funktion von Ire1p aktiviert (Sidrauski und Walter, 1997; Korennykh et al., 2009). Neben ihrer Funktion innerhalb des Aktivierungsprozesses von Ire1p ist die Kinase-Aktivität ebenso für ein zeitnahes Deaktivieren des UPR-Signalwegs nach erfolgter Wiederherstellung der ER-Homöostase notwendig (Rubio et al., 2011). Das Substrat von IRE1 ist eine

„pre-messenger-RNA“, die für den Transkriptionsfaktor Hac1p (homologous to ATF/CREB1) in S. cerevisiae (Cox und Walter, 1996; Mori et al., 1996) und XBP1 (X-box binding protein 1) in höheren Eukaryoten (Yoshida et al., 2001) kodiert. Die RNase-Aktivität vermittelt das

Spleißen des in der HAC1 und XBP1 mRNA enthaltenen Introns. Die daran anschließende Ligation der beiden Exon-Fragmente erfolgt durch die tRNA Ligase Trl1p, was zur Bildung der unkonventionell gespleißten HAC1 mRNA führt und die Translation des zentralen UPR-Regulators Hac1p ermöglicht (Sidrauski et al., 1996). Hac1p gehört zur Gruppe der bZIP Transkriptionsfaktoren und bindet die UPREs (unfolded protein response elements) im Promotorbereich der Zielgene (Mori et al., 1992). Die durch Hac1p regulierten Gene kodieren unter anderem für ER-Chaperone (Kozutsumi et al., 1988; Murray et al., 2004), Proteine der Lipidsynthese (Cox et al., 1997) und Komponenten des ERAD (endoplasmic reticulum associated protein degradation) Signalwegs (Travers et al., 2000). Durch die verstärkte Expression dieser Proteine wird die Wiederherstellung der ER-Homöostase sichergestellt.

Abb. 1: Schema der Aktivierung des UPR-Signalwegs über IRE1 in höheren Eukaryoten. In gestressten Zellen oligomerisiert IRE1 in der ER-Membran. Dies hat die Trans-autophosphorylierung der cytoplasmatischen IRE1 Kinasedomäne zur Folge und führt zur Aktivierung der Endoribonukleasedomäne (Sidrauski und Walter, 1997). IRE1 schneidet sequenz-spezifisch ein kleines Fragment (Intron) aus der mRNA XBP1 in höheren Eukaryoten, HAC1 (homologous to ATF/CREB1) in Hefe heraus.

Die zwei Enden der mRNA werden durch eine Ligase zusammengefügt. Durch das Spleißen des Introns verschiebt sich der Leserahmen der kodierenden Sequenz (gezeigt durch den Farbwechsel von gelb zu rot). Die gespleißte XBP1 mRNA kodiert für einen transkriptionellen Aktivator XBP1, wohingegen die ungespleißte XBP1 mRNA für einen Inhibitor (XBP1u) der UPR kodiert (Yoshida et al., 2006). Quelle:

Abbildung modifiziert nach Ron und Walter, 2007.

Die Translation der ungespleißten HAC1 mRNA wird in S. cerevisiae und in filamentösen Ascomyceten durch verschiedene Mechanismen unterdrückt (Ruegsegger et al., 2001;

Saloheimo et al., 2003; Mulder et al., 2004; Richie et al., 2009). Im Gegensatz dazu wird in höheren Eukaryoten auch die ungespleißte mRNA (XBP1u) translatiert (Calfon et al., 2002;

Yoshida et al., 2006). Das resultierende Protein XBP1u fungiert als negativer Regulator der UPR und vermittelt durch Heterodimerisierung mit dem UPR-Aktivator XBP1 den Kernexport und den daran anschließenden proteasomalen Abbau im Cytoplasma (Tirosh et al., 2006;

Yoshida et al., 2006; Yoshida et al., 2009).

1.1.2 Die UPR in pathogenen Pilzen: ein zentraler Regulator der Virulenz

In allen bislang untersuchten human- und phytopathogenen Pilzen konnte die UPR als ein konservierter Regulator der Virulenz identifiziert werden (Heimel, 2015). Phänotypische Analysen der Deletionsmutanten der HAC1 und IRE1 Homologe in pathogenen Pilzen deuten darauf hin, dass die UPR notwendig für die Anpassung an veränderte Umgebungsbedingungen während der Infektion ist. So ist der humanpathogene Pilz A. fumigatus sehr temperaturtolerant, wobei ∆hacA (HAC1 Homolog) und insbesondere

∆ireA (IRE1 Homolog) Mutanten eine deutlich reduzierte Hitzestressresistenz aufweisen (Richie et al., 2009; Richie et al., 2011). Auch im humanpathogenen Pilz Cryptococcus neoformans führt der Verlust der UPR zu einer erhöhten Temperatursensitivität, was für eine konservierte Funktion des UPR-Signalwegs bezüglich des Wachstums bei erhöhten Temperaturen spricht (Cheon et al., 2011). Für das Wachstum auf komplexen Nährstoffquellen wird in A. fumigatus und weiteren filamentösen Ascomyceten ebenfalls eine funktionelle UPR benötigt. Der Wachstumsdefekt der ∆hacA und ∆ireA Mutanten korreliert mit einer reduzierten sekretorischen Kapazität, was zu einer verminderten Nährstoffaufnahme aus dem Wirtsgewebe und einer dadurch reduzierten Virulenz dieser Stämme führen könnte (Mulder und Nikolaev, 2009; Feng et al., 2011).

Die Plasmamembran und die Zellwand des Pilzes stehen im direkten Kontakt mit der Wirtsumgebung und bilden die zentrale Schnittstelle für die Interaktion mit dem Wirt. Ein Verlust der UPR führt neben einer reduzierten ER-Stressresistenz zu einer erhöhten Sensitivität gegenüber Zellwandstress (Richie et al., 2009; Cheon et al., 2011). Viele Fungizide die zur klinischen Behandlung von Pilzinfektion eingesetzt werden beeinflussen die Zusammensetzung der Zellwand/Plasmamembran des Pilzes (Tada et al., 2013). Damit übereinstimmend konnte in C. neoformans und A. fumigatus gezeigt werden, dass der Verlust der UPR zu einer höheren Sensitivität gegenüber den meisten klinisch eingesetzten Fungiziden führt (Richie et al., 2009; Cheon et al., 2011). Dies unterstreicht die Bedeutung der UPR in pathogenen Pilzen und macht deren Untersuchung zu einem vielversprechenden Forschungsgebiet bei der Entwicklung neuer antifungaler Wirkstoffe. Eine Möglichkeit für neue klinische Therapien ist beispielsweise durch die gezielte Inhibition der enzymatischen Funktion von IreA gegeben (Krishnan und Askew, 2014).

Eine funktionelle UPR ist auch in dem nekrotrophen Ascomyceten Alternaria brassicicola für die pathogene Entwicklung notwendig (Joubert et al., 2011). In A. brassicicola wird die UPR sowohl durch ER-Stress wie auch durch Pflanzensignale aktiviert. Die Behandlung des Myzels mit Camalexin, einem Pflanzenabwehrstoff, führt zur Aktivierung der UPR und Stämme mit inaktiver UPR sind deutlich sensitiver gegenüber Camalexin (Joubert et al., 2011). In Magnaporthe oryzae, dem Erreger des Reisbrandes, wird eine funktionelle UPR für

die Penetration der Pflanzenoberfläche und das invasive Hyphenwachstum in planta benötigt (Tang et al., 2015).

Im Gegensatz zu den meisten anderen Pilzen ist der Ire1-Hac1 UPR-Signalweg in Candida glabrata und Schizosaccharomyces pombe nicht konserviert. In beiden Organismen ist das zu Ire1p homologe Protein für die ER-Stressresistenz essenziell, die Regulation jedoch unabhängig vom UPR-Regulator Hac1p. Während in C. glabrata ein Hac1p Homolog vorhanden ist, dieses aber nicht durch Ire1 gespleißt wird, besitzt S. pombe kein Hac1 Homolog. Hier prozessiert Ire1 die Bip1 mRNA, was zu deren Stabilisierung und zur erhöhten Translation des Chaperons Bip1 führt (Kimmig et al., 2012; Miyazaki et al., 2013).

In den letzten Jahren wurde in einer Vielzahl von pathogenen Pilzen ein weitgehend konservierter UPR-Signalweg nachgewiesen und beschrieben. In allen bislang untersuchten pathogenen Pilzen wird eine funktionelle UPR vor allem während der Interaktion mit dem Wirt benötigt und ist wichtig für Steuerung der pathogenen Entwicklung. Da die zu Grunde liegenden Regulationsmechanismen jedoch nur ansatzweise verstanden sind, ist die Untersuchung der UPR vermittelten Stressantwort notwendig für ein tieferes Verständnis pilzlicher Entwicklungs- und Pathogenitätsprozesse.