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2. LITERATURÜBERSICHT

2.2 Diabetische Nephropathie und terminale Niereninsuffizienz

Der diabetische Patient ist durch die Folge- und Begleiterkrankungen seiner eigentlichen Krankheit gekennzeichnet, wobei zwischen mikro- und makrovaskulären Komplikationen oder Erkrankungen differenziert wird. Zu den mikrovaskulären Komplikationen zählen die diabetische Nephropathie, die diabetische Retinopathie und die diabetische Neuropathie. Zu den makrovaskulären Komplikationen zählen die koronare Herzkrankheit, die periphere arterielle Verschlusskrankheit und zerebrovaskuläre Erkrankungen (WILD et al. 1999). Wie schon angedeutet, fängt die Entwicklung dieser Erkrankungen allerdings nicht zum Zeitpunkt der Diagnose „Diabetes“, an sondern in einigen Fällen viele Jahre vorher. HAFFNER et al.

(1990) postulieren eine „tickende Uhr“ Hypothese, bei der die mikrovaskulären Schäden bei Eintreten der Hyperglykämie anfangen sich zu verschlechtern, die makrovaskulären Schäden sich aber schon Jahre oder Jahrzehnte vorher während der prä-diabetischen Phase entwickeln.

Diese Tatsache macht eine sorgfältige Überwachung von Personen die, aufgrund ihres Übergewichtes oder aufgrund erblicher Faktoren, als Diabetes-gefährdet gelten zwingend, um Diagnose und Behandlung des Diabetes möglichst früh zu erreichen und so die Gefahr für Folgeschäden zu reduzieren. Eine Möglichkeit, die Uhr zurückzudrehen, d.h. eventuell schon vorliegende Schäden wieder rückgängig zu machen wäre von entscheidendem Vorteil.

Klinische Studien wie der „Diabetes Control and Complications Trial“ haben deutlich gemacht, wie wichtig die stringente Überwachung des Blutglukosespiegels ist, um Folgeerkrankungen an Auge, Niere und Nerven zu verhindern (DIABETES CONTROL and COMPLICATIONS TRIAL RESEARCH GROUP 1993). Die „United Kingdom Prospective

Diabetes Study“ (UKPDS) zeigte die Wichtigkeit einer engmaschigen Blutglukosekontrolle bei Typ-2-Diabetikern (UNITED KINGDOM PROSPECTIVE DIABETES STUDY GROUP 1998). Es folgten mehrere Studien, die belegen konnten, wie wichtig medizinische Intervention in Form von Überwachung der Blutglukose, des Blutdruckes und der Lipide ist, um das Risiko von Diabetes-assozierten Komplikationen wie mikro- und makrovaskuläre Erkrankungen zu senken.

Mikrovaskuläre Erkrankungen wurden in der „MICRO HOPE“ Studie (HEART OUTCOMES PREVENTION EVALUATION (HOPE) STUDY 2000), „Stockholm“ Studie (REICHARD et al. 1993), und „Kumamoto“ Studie (OHKUBO et al. 1995) untersucht. In Studien wie z.B. „4S“ (PYÖRÄLÄ et al. 1997) und „MICRO HOPE“ (HEART OUTCOMES PREVENTION EVALUATION (HOPE) STUDY 2000) wurden Effekte auf makrovaskuläre Erkrankungen untersucht.

So zeigte z.B. die „MICRO HOPE“ Studie, dass der Angiotensin-Konversionsenzym-Inhibitor (ACE-Angiotensin-Konversionsenzym-Inhibitor) Ramipril das Risiko an einer diabetischen Nephropathie zu erkranken um 22% bei Typ-2-Diabetikern senken konnte. Die „HOPE“ Studie konnte sogar eine Reduktion des Neuauftretens eines Typ-2-Diabetes innerhalb des Beobachtungszeitraums um 34% zeigen (HEART OUTCOMES PREVENTION EVALUATION (HOPE) STUDY 2000). Die Behandlung mit ACE-Inhibitoren gehört zur Basistherapie bei der Nephropathie.

Neue Behandlungansätze wie kombinierte ACE/Neutrale Endopeptidase (NEP)-Inhibitoren und Endothelin-Rezeptor-Antagonisten befinden sich zur Zeit noch in der Phase der prä-klinischen und prä-klinischen Forschung.

Neuere Studien belegen, dass Angiotensin-1 (AT1)-Rezeptor-Blocker (ARBs) wie Losartan und Irbesartan renoprotektive Effekte aufweisen. Hierzu gehören die „Irbesartan Diabetic Nephropathy Trial“ (IDNT) (LEWIS et al. 2001), IRMA 2 (Irbesartan Micoalbuminuria Study) (PARVING et al. 2001) und „The Reduction of Endpoints in Non-insulin-dependent Diabetes Mellitus Trial“ (RENAAL) (BRENNER et al. 2001). Beide ARBs, Losartan und Irbesartan wurden 2002 für die Behandlung der diabetischen Nephropathie des Typ-2-Diabetes zugelassen. Sie stellen somit die einzigen für diese Indikation zugelassenen

Hauptverursacher der Nephropathie sind Bluthochdruck und Diabetes (Typ-1 und Typ-2), wobei in beiden Fällen typische histologische Veränderungen in den Glomeruli vorliegen. Bei mehr als 75% aller klinischen Fälle der Nephropathie ist Diabetes die Ursache. Mehr als 90%

dieser diabetischen Nephropathien erfolgen in Patienten mit einem Typ-2-Diabetes.

Umgekehrt entwickeln etwa 40 % der Typ 2-Diabetiker eine Nephropathie (UNITED STATES RENAL DATA SYTEM 1999).

In Europa, Japan und U.S.A. ist die diabetische Nephropathie die Hauptursache der terminalen Niereninsuffizienz und verursacht jährlich zwischen 25 und 42 Prozent der vorhandenen Fälle von akutem Nierenversagen (PARVING et al. 2001). Ein Behandlungsziel des diabetischen Patienten ist es, die sogenannte „end-stage renal disease“ (ESRD), auch

„end-stage renal failure“ (ESRF) genannt, zu verhindern. Hierbei handelt es sich um die

„Endstation“ der Niere des Patienten-nur durch Dialyse oder einer Nierentransplantation kann das Überleben des Patienten gewährleistet werden.

In allen westlichen Ländern beobachtet man eine dramatische Zunahme von Diabetikern, die eine Nierentransplantation benötigen. Waren es 1984 noch 29, 23, und 4 Fälle/Million Einwohner die in jeweils U.S.A., Japan und Australien an ESRD erkrankten, so waren es 1994 schon jeweils 107, 66 und 14 Fälle/Million Einwohner in diesen Ländern (RAINE 1995;

RITZ et al. 1999).

Eine retrospektive Analyse an der Medizinischen Universitätsklink in Heidelberg über den Jahren 1998 bis 2000 belegt die Bedeutung des Diabetes für die Epidemiologie der Niereninsuffizienz und die Tatsache, dass sie bisher oft unterschätzt wurde. Betrug in dem lokalen Einzugsbereich die Häufigkeit der Diabetiker mit ESRD 1993-1994 noch 52 Patienten pro Million Einwohner pro Jahr (Lippert et al. 1995), so waren es 1998-2000 schon 98 Patienten pro Million Einwohner pro Jahr. Diese Zahl macht deutlich, dass Deutschland bezüglich des Problems „Diabetes und Niereninsuffizienz“ in erstaunlicher Übereinstimmung mit der in U.S.A. gefundenen jährlichen Zuwachsrate liegt. Bei den Patienten, die zur Einleitung einer Nierentransplantation aufgenommen wurden, lag bei 13 % der Patienten mit akutem Nierenversagen und 49 % der Patienten mit chronischem Nierenversagen ein Diabetes vor, vornehmlich ein Typ-2-Diabetes. Bei 10% der diabetischen Patienten wurde die

Diagnose Diabetes erst nach Überweisung gestellt. Bei 60% der diabetischen Patienten lagen klassische Zeichen einer diabetischen Nephropathie vor. Bei 13% lagen atypische Nierenveränderungen vor, bei 27% war zusätzlich zum Diabetes mellitus eine primär chronische Nierenkrankheit bekannt (SCHWENGER et al. 2001)

Diese Zahlen verdeutlichen die aktuelle Häufigkeit des Diabetes bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz in Deutschland und weltweit. Die hohen medizinischen Kosten der terminalen Niereninsuffizienz geben der Prävention und Therapie von diabetischer Nephropathie immer mehr Bedeutung. Zur Zeit liegen die jährlichen Kosten der ESRD bei diabetischen Patienten in Amerika bei über $6 Milliarden, wobei Dialyse oder Nierentransplantation zur Zeit Kosten von ca. $50,000 pro Patient verursachen. Ohne Dialyse oder Transplantation würden fast 70,000 diabetische Personen in U.S.A. jährlich an ESRD sterben (RITZ et al. 1999).

2.2.2 Pathophysiologie

Die Pathogenese der fokalen Glomeruloskerose, welche als gemeinsamer Endpunkt der progressiven renalen Schädigung unabhängig von der Ätiologie gilt, beeinhaltet mehrere, sich überschneidende Mechanismen. Hierzu zählen der Anstieg des arteriellen Blutdrucks, der Verlust der Autoregulation der renalen Zirkulation, die glomeruläre Hypertrophie, die renale Fibrose und Veränderungen in der Permeabilität der glomerulären Membran.

Oft wird die Nephropathie sowohl im diabetischen als auch im nicht-diabetischen Patient von einer Hypertension begleitet. Systemische Hypertension geht mit erhöhtem intraglomerulären Druck einher. Eine Senkung des arteriellen Blutdrucks bewirkt eine Nephroprotektion, auch wenn keine Hypertension vorhanden ist (SUSIC u. FROHLICH 1999; WEIR 1999). Die Rolle der Blutdrucksenkung in Bezug auf die nephroprotektive Wirkung von Antihypertensiva ist etabliert. Die Frage, ob einige Antihypertensiva einen zusätzlichen nephroprotektiven Effekt zusätzlich zu und unabhängig von dem blutdrucksenkenden Effekt haben, ist noch offen, ebenso wie die Frage des genauen Wirkmechanismus. So haben z.B.

einige Studien mit ACE-Hemmern gezeigt, dass nephroprotektive Effekte vorlagen, die

unabhängig von dem antihypertensiven Effekt waren (THE GISEN GROUP 1997; HEART OUTCOMES PREVENTION EVALUATION (HOPE) STUDY 2000).

Histopathologisch zeichnet sich die diabetische Nephropathie durch eine glomeruläre und tubuläre Hypertrophie aus, was wiederum zu der Entwicklung der Glomerulosklerose, tubulären Atrophie und interstitiellen Fibrose beiträgt (ANDERSON u. BRENNER 1995;

COOPER 1998; WOLF u. ZIYADEH 1999).

Übermäßige Proteinausscheidung mit dem Urin ist ein etabliertes Merkmal, welches auf glomeruläre Schäden hindeutet. Patienten mit Typ-2-Diabetes, bei denen eine sogenannte Mikroalbuminurie vorliegt, also eine Urinausscheidungrate von 20-200 µg Albumin pro Minute oder ein Verhältnis von Albumin/Creatinin > 20 mg/g, haben ein um 10- bis 20-fach erhöhtes Risiko, an Nephropathie zu erkranken, als Patienten mit Normoalbuminurie (PARVING 1996; GAEDE et al. 1999; HEART OUTCOMES PREVENTION EVALUATION (HOPE) STUDY 2000). Eine persistierende Mikroalbuminurie wird definiert als ein Albumin/Creatinin-Quotient von 30-299 µg/mg in mindestens zwei Urinproben (TABEI et al. 2001).

Bei Vorliegen von Werten, die über den genannten Parametern für die Mikroalbuminurie liegen, spricht man von einer Proteinurie. Mehrere experimentelle Modelle der Glomerulopathie konnten belegen, dass persistierende Proteinurie nicht nur mit der Entwicklung von Glomerulosklerose assoziert ist, sondern auch mit der Entwicklung einer progressiven interstitiellen Fibrose der Niere (EDDY 1989; REMUZZI u. BERTANI 1998).

Veränderungen glomerulärer Filtrationsmechanismen beeinflussen die makromolekuläre Passage in den Urin. Die Basalmembran, welche das Endothel der Kapillare von dem Endothel des Tubulus trennt, besteht aus negativ geladenen Glykoproteinen und bildet für höhermolekulare Stoffe, in Abhängigkeit von deren Ladung und Größe, eine unterschiedlich dichte Filtrationsbarriere (DEEN et al. 1982). Bei der diabetischen Nephropathie kommt es unter anderem zu einer Verdickung der Basalmembran und einer diffusen Expansion der glomerulären mesangialen Matrix mit einer Zunahme der Ablagerung von mesangialen Matrixkomponenten wie Kollagen, Fibronektin und Proteoglykanen (sogenannte diffuse

Glomerulosklerose). Als typisches histologisches Merkmal für eine diabetische Nephropathie gelten auch noduläre Läsionen, die aus unterschiedlich großen, hyalinen Kugelbildungen zwischen den Kapillarschlingen der Glomeruli resultieren. Dies wurde schon von Kimmelstiel und Wilson 1936 beschrieben (KIMMELSTIEL u. WILSON 1936) und heute tragen diese Veränderungen den Namen „Kimmelstiel-Wilson-Läsionen“. Die noduläre Form der Glomerulosklerose stellt den Endzustand der diabetes-bedingten Glomerulusveränderungen dar.

Wenn die glomeruläre Filtration normal funktioniert, werden gelöste Stoffe, deren Größe kleiner als 5 kDa ist, ungehindert von dem Glomerulus in den Primärharn filtriert. Größere Moleküle bis zu einer Größe von 50 kDa werden nur eingeschränkt filtriert. Diese auch Permselektivität genannte Filterwirkung wird teils durch die mechanische Wirkung, für die vor allem die Basalmembran verantwortlich ist, und andererseits durch die negative Ladung sowohl von Endothelzellen als auch Podozyten an der Basalmembranaußenseite, erreicht. Im gesunden Zustand werden nur kleinste Mengen von Albumin in den Primärharn filtriert, das meiste hiervon wird wiederum von den proximalen Tubuli resorbiert. Wenn jedoch Ladungsänderungen vorliegen, die negative elektrische Ladung der Basalmembran verloren geht, oder die Poren in der Basalmembran sich vergößern, können größere Mengen von Protein in den Harn filtriert werden (LAPINSKI et al. 1996).

Größere epidemiologische Studien konnten belegen, dass eine erhöhte Proteinurie in Form von z.B. Albuminurie das Risiko, an einer kardiovaskulären Krankheit zu erkranken oder gar daran zu sterben, dramatisch erhöht (COLLINS et al. 1989; WINCOUR et al. 1992;

BENNETT et al. 1995; CERASOLA et al. 1996; GRIMM et al. 1997). Patienten mit einem manifesten Diabetes und Hypertension haben ein 4-fach erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.

Patienten mit einem manifesten Diabetes und Nephropathie haben ein 100-fach erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (PIEHLMEIER et al. 1999).