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3 Theoretische Grundlagen der Arbeitgeberwahl

3.3 Determinanten der Arbeitgeberwahl aus prozessualer Sicht

In ihrem Prozessmodell postulieren MOSER und ZEMPEL (2006), dass das Personalmarketing von Unternehmen wesentlich durch die zugrunde liegenden Entscheidungen potenzieller Be-werber beeinflusst wird. Dementsprechend erscheint es angemessen, auch die Arbeitgeberwahl aus der Perspektive der potenziellen Bewerber prozessual zu betrachten. Allerdings können die bisher vorgestellten theoretischen Ansätze diesen Beitrag nicht leisten: Während die erwar-tungstheoretischen Ansätze bei der Alternativenbewertung und -auswahl von einer einmaligen Entscheidungssituation ausgehen, zu der sämtliche Informationen verfügbar sind, fokussieren die informationsökonomischen Ansätze auf das Informationsverhalten, ohne dabei das dazu-gehörige Entscheidungsverhalten näher zu beschreiben. Daher werden im Folgenden Modelle vorgestellt, die die gesamte Arbeitgeberwahl in mehrere (Entscheidungs-)Phasen gliedern und damit ihren prozessualen Charakter hervorheben.

3.3.1 Prozessmodell von Soelberg

Im Kontext der Arbeitgeberwahl nimmt das von SOELBERG (1967, zit. in POWER und ALDAG, 1985) konzipierte Prozessmodell eine bedeutende Stellung ein. Dieses Prozessmodell beruht auf dem „generalizable decision processing model“, das zur Erklärung und Verbesserung des Problemlösungsprozesses in wichtigen und einmaligen Entscheidungssituationen entwickelt wurde. Obwohl das Modell in seiner theoretischen Konzeption keinen situationsspezifischen Fokus aufweist, wurde es aufgrund der dazugehörigen empirischen Studie an MBA-Studenten ausschließlich im Kontext der Arbeitgeberwahl angewendet (OSBORN, 1990). Demnach lässt sich die Arbeitgeberwahl als ein mehrstufiger Prozess auffassen, der aus insgesamt vier Phasen besteht:

1. Entwicklung von Vorstellungen über einen Idealberuf 2. Planung der Arbeitsplatzsuche

3. Suche und Wahl eines Arbeitsplatzes´

4. Entscheidungsbestätigung und Entwicklung von Commitment

Die erste Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass der potenzielle Bewerber seinen idealen Be-ruf festlegt. Aus dem Durchlaufen dieser Phase resultieren drei Typen von Bewerbern, die sich darin unterscheiden, ob sie keine, eine einzige oder mehrere Ideallösungen aufweisen. An die erste Phase schließen sich die Aktivitäten der zweiten Phase an, in der zwecks Arbeitsplatz-suche drei voneinander abhängige Aufgaben zu lösen sind (POWER und ALDAG, 1985). Neben der Entwicklung von Kriterien, anhand derer der zukünftige Arbeitgeber beurteilt werden kann, erfordert die Arbeitsplatzsuche zusätzlich Aufmerksamkeit, Zeit, Geld sowie bestimmte vom potenziellen Bewerber zu erbringende Anstrengungen. Schließlich gilt es, geeignete und

effi-ziente Bewerbungswege zu identifizieren. SOELBERG (1967, zit. in POWER und ALDAG, 1985) unterscheidet hierzu vier verschiedene Strategien:

• Auf der Grundlage einer präzisen Vorstellung von seinem Idealberuf sucht der poten- zielle Bewerber nach solchen Einstiegspositionen, in denen der Idealzustand erreicht werden kann.

• Die Arbeitsplatzsuche vollzieht sich über die üblichen Berufs- und Karrierepfade, die den Bewerber zum angestrebten Beruf führen.

• Der Bewerber orientiert sich an spezifischen Merkmalen des Idealberufs, die zwar bereits beim ersten Arbeitsplatz vorliegen sollten, jedoch ohne dass sie zugleich in eine weiterführende Karriereplanung eingebunden sind.

• Die Arbeitsplatzsuche ist flexibel angelegt, sodass Arbeitsplatzalternativen mit mög- lichst vielen Optionen vorliegen, die eine gute Ausgangsbasis für diverse Karriere- wege offenhalten.

In der dritten Phase findet die eigentliche Arbeitgeberwahl statt. Hierbei werden die vorhan-denen Arbeitsplatzalternativen im Hinblick auf die zuvor definierten Kriterien überprüft, d.h.

sie werden akzeptiert oder verworfen, wobei das Modell sich auf Bedingungen konzentriert, unter denen es zu einer Änderung der Kriterien kommt. Als wesentlich werden vier Faktoren betrachtet: eine zu hohe Alternativenanzahl, die nicht mittels der vorhandenen Kriterien re-duziert werden kann, ein beschränkter Umfang der zur Suche notwendigen Ressourcen, eine vorausgehende Absage für einen angestrebten Arbeitsplatz und schließlich die Identifikation eines erwünschten Arbeitsplatzes.

Infolgedessen postuliert SOELBERG (1967, zit. in POWER und ALDAG, 1985), dass das Ergeb-nis dieser Phase häufig in einer impliziten Arbeitgeberwahl zu sehen ist. Der zuvor ablaufende Informationsprozess ist vor allem dadurch bestimmt, dass Bewerber verschiedene Alternativen mit ihren Minimalanforderungen, die beispielsweise in der Gehaltshöhe liegen könnten, ab-gleichen. Die eigentliche Arbeitsplatzsuche gilt dann als beendet, wenn die bevorzugte Alter-native mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einhergeht, dort einen Arbeitsplatz angeboten zu bekommen. Andernfalls wird der Suchvorgang solange fortgesetzt, bis dem Bewerber minde-stens zwei akzeptable Arbeitsplatzalternativen vorliegen, aus denen er anschließend seine Wahl treffen kann.

Das Ziel der vierten Phase besteht schließlich darin, Bestätigung und soziale Unterstützung für die implizit getroffene Wahl zu finden. Das in dieser Phase ebenfalls zu beobachtende Informa-tionsverhalten der Bewerber dient im Gegensatz zu den vorausgegangenen Stufen primär der

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Rechtfertigung der getroffenen Wahl, wozu insbesondere rationale Gründe angeführt werden.

Wenn abschließend sichergestellt ist, dass der Bewerber keine bessere Arbeitsplatzalternative findet, wird seine Entscheidung bekannt gegeben (POWER und ALDAG, 1985).

SOELBERG (1967, zit. in POWER und ALDAG, 1985) geht in seinem Modell davon aus, dass Bewerber im Rahmen der Arbeitgeberwahl sowohl simultane als auch sequenzielle Entschei-dungsstrategien verfolgen, wobei letzteren die Überlegung zugrunde liegt, dass ein Arbeitsplat-zangebot als akzeptabel eingeschätzt und die Arbeitsplatzsuche abgebrochen wird, sobald indi-viduelle Minimalstandards überschritten werden . Diese Grundannahme konnte in einer Studie von GLUECK (1974, zit. in POWER und ALDAG, 1985), die eine der wenigen empirischen Über-prüfungen des Modells darstellt, prinzipiell bestätigt werden. Dabei zeigte sich am Beispiel von Hochschulabsolventen, dass potenzielle Bewerber drei verschiedene Entscheidungsmuster verwenden: Während bei der Maximierungsstrategie möglichst viele Alternativen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gefunden und zur finalen Auswahl herangezogen werden sol-len, besteht die Validierungsstrategie aus dem Vergleich von insgesamt zwei Stellenangeboten, die nach einem uneingeschränkten Zeitintervall vorliegen müssen. Demgegenüber ist das Ziel der Zufriedenstellungsstrategie erreicht, sobald ein halbwegs annehmbares Angebot vorliegt.

Aus der Gegenüberstellung der drei Strategien wird deutlich, dass die ersten beiden nach dem Prinzip der simultanen Abwägung verfahren, wohingegen die dritte Strategie auf dem Prinzip der minimalen Standards basiert (NERDINGER, 1994). Allerdings weist die Studie POWER und ALDAG (1985) zufolge einige methodische Mängel auf, sodass die skizzierte Befundlage wei-teren empirischen Prüfungen zu unterziehen wäre. Auch andere direkte Überprüfungen des Prozessmodells sehen die Autoren mit zahlreichen methodischen Problemen verbunden, wie beispielsweise der Abgrenzung einzelner Phasen oder der Messung der Unsicherheit in der vierten Phase, behaftet und somit nicht als empirische Modellbestätigung zu werten. Ebenso liegt bislang kein fundierter Beleg für die Modellannahme vor, dass jeder Bewerber sämtliche Phasen in der vorgegebenen Reihenfolge durchläuft. Überdies geht aus dem Modell nicht her-vor, anhand welcher Arbeitsplatzmerkmale potenzielle Bewerber ihre Arbeitgeber bewerten.

Schließlich erscheint es fraglich, ob potenzielle Bewerber tatsächlich bereits in der ersten Phase über eine genaue Vorstellung ihres Idealberufes verfügen (NERDINGER, 1994).

Der hohe Stellenwert dieses Prozessmodells lässt sich vor allem dadurch erklären, dass es dem gesamten Prozess der Arbeitgeberwahl ein theoretisches Rahmenmodell zugrunde legt, wo-durch diverse Untersuchungsansätze und Ergebnisse strukturiert werden können. Als kritisch erweist sich dabei allerdings, dass das Modell in seiner gesamten Konzeption auf die kognitiven Prozesse fokussiert, wobei die konativ entscheidenden Vorgänge, nämlich die Suche und Aus-wahl eines Arbeitsplatzes, lediglich in einer einzigen Phase verdichtet werden (NERDINGER, 1994).

Die theoretischen Ansätze des oben dargestellten Prozessmodells finden sich in späteren For-schungsarbeiten wieder. So postuliert TEUFER (1999) ein zweistufiges Modell der Arbeitge-berwahl, das sich aus einer Selbstselektionsphase und einer darauf folgenden Bewertungs- und Entscheidungsphase zusammensetzt. Jede Phase ist durch unterschiedliche Arbeitsplatzmerk-male gekennzeichnet: Während in der Selbstselektionsphase die Branchen-, Unternehmens- und Standortimages verankert sind, besteht die Bewertungs- und Entscheidungsphase aus den personalpolitischen Parametern und dem sog. „feel-good“ Faktor. Die Entscheidung für ei-nen Arbeitgeber trifft der potenzielle Bewerber schließlich aufgrund des daraus resultierenden Arbeitgeberimages. Sein Modell kann jedoch aufgrund mehrerer Gesichtspunkte nicht über-zeugen. Zum einen fehlt dieser inhaltlichen Aufteilung nach Images eine theoretisch fundierte Grundlage, sodass die bei den unterschiedlichen Prozessschritten Fragen nach der Vollständig-keit und Überscheidungsfreiheit bestehen. Darüber hinaus konnte die phasenspezifische Rele-vanz bestimmter Arbeitsplatzmerkmale nicht hinreichend bestätigt werden.

Das Modell von SIMON et al. (1995) legt der Arbeitgeberwahl einen vierstufigen Prozess zugrun-de. In den ersten beiden Phasen wird die Bewerbungsentscheidung durch die Bekanntheit und Attraktivität des potenziellen Arbeitgebers beeinflusst. In der dritten Phase wird indes geprüft, ob der potenzielle Bewerber seine Entscheidung ernsthaft beabsichtigt hat. In der abschließen-den Phase wird aus mehreren Arbeitsplatzangeboten das am meisten präferierte Stellenangebot ausgewählt. Obgleich Attraktivität und Präferenz in diesem Modell als die beiden zentralen psychologischen Konstrukte postuliert werden, fehlt darin eine fundierte theoriegeleitete Basis, sodass der hiermit erbrachte Erklärungsbeitrag zumindest bislang als begrenzt zu werten ist.

3.3.2 Prozessmodell von Süß

Zur Erklärung der im Rahmen der Arbeitgeberwahl stattfindenden Entscheidungsprozesse wer-den in der marketingwissenschaftlichen Literatur häufig Erkenntnisse aus der Konsumenten-verhaltensforschung herangezogen (BÖTTGER, 2012). Die Konsumentenverhaltensforschung befasst sich vorrangig mit der Fragestellung, welche internen und externen Faktoren die Kauf-entscheidung eines Konsumenten beeinflussen (TROMMSDORFF, 2011). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse bzw. Typologien werden unter Berücksichtigung der zentralen theoretischen Kon-strukte auf den Prozess der Arbeitgeberwahl übertragen. Demzufolge wird die Arbeitgeberwahl in der bisherigen Forschung als eine extensive Kaufentscheidung eingeordnet, da der zugrun-deliegende Entscheidungsprozess alle hierfür relevanten Kriterien erfüllt: Die Entscheidung für einen Arbeitgeber ist ein längerfristig bindender, mit weitreichenden Konsequenzen einherge-hender und komplizierter Prozess, der mit einem hohen Informationsbedürfnis verbunden ist und bei dem verschiedene Alternativen anhand eigens aufgestellter Bewertungskriterien abge-wogen werden (TEUFER, 1999).

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Das Modell der Arbeitgeberwahl von SÜSS (1996) ist theoretisch eng an die Erkenntnisse aus der Konsumentenverhaltensforschung angelehnt. Infolgedessen ist sein dreistufiges Modell insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Entscheidungsphasen mit einem unterschiedlichen Grad an Involvement und dem daraus resultierenden Informationsverhalten von Bewerbern einhergehen. Die zugrunde liegenden Phasen umfassen folgende Informations- bzw. Entscheidungsaspekte:

1. Noch bevor ein potenzieller Bewerber an konkreten Arbeitgeberinformationen in- teressiert ist, bilden sich bei ihm Unternehmensimages heraus, die vorrangig auf unper- sönliche und indirekte Kommunikationsmedien zurückzuführen sind. Diese Phase wird aufgrund des niedrigen Involvements als „Low Involvement-Phase“ bezeich- net.

2. In der „Präferenzbildungs-Phase“ nehmen das Interesse an künftigen Arbeitgebern und das damit einhergehende Involvement deutlich zu, wodurch das Informations- bedürfnis des potenziellen Bewerbers steigt. Hieraus resultieren persönliche Einstel- lungen gegenüber möglichen Arbeitgebern. Am Ende dieser Phase entwickeln sich eindeutige Bewerberpräferenzen, die eine begrenzte Anzahl an Alternativen umfassen.

3. Die „Critical Contact-Phase“ beinhaltet neben der Bewerbungsentscheidung den direkten Kontakt mit den in Frage kommenden Arbeitgebern, die Teilnahme an Aus- wahlverfahren sowie schließlich auch die Annahme eines Arbeitsplatzangebotes.

Aufgrund des sehr hoch ausgeprägten Involvements aufseiten des potenziellen Bewerbers sind die hierbei gewonnen Eindrücke als entscheidungsrelevant für seinen Organisationseintritt zu werten.

Die Stärke des Modells von SÜSS (1996) liegt primär in seiner praxisorientierten Anwendung.

So lassen sich aus dem phasenspezifischen Involvement auch die bevorzugten Kommunikati-onsmedien potenzieller Bewerber ableiten. Die wichtigsten Kritikpunkte an der Konzeption dieses Modells lassen sich indes wie folgt zusammenfassen (vgl. MALMENDIER, 2006). Zum einen werden die zentralen Modellkonstrukte wie Involvement und die phasenspezifischen Ak-tivitäten des potenziellen Bewerbers ausschließlich durch die einzelnen Entscheidungsphasen determiniert. Dabei wird allerdings nicht auf die zugrunde liegenden Wirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Konstrukten wie Arbeitgeberimage, Involvement und Informationsver-halten eingegangen. Darüber hinaus werden die Modellannahmen empirisch nicht überprüft, so-dass die einzelnen Phasen und die darin postulierten Entscheidungsvorgänge bislang nur einen theoretischen Charakter haben. Schließlich wird anhand des Prozessmodells nicht aufgezeigt, wie die Entscheidungen potenzieller Bewerber in den einzelnen Phasen getroffen werden.