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4 Modellierung der Arbeitgeberwahl

4.2 Differenzielle Wirkung des Arbeitgeberimages

4.2.6 Berufsorientierungen

Um den Einfluss interindividueller Faktoren festzustellen, greifen die meisten marketingwis-senschaftlichen Studien auf die Segmentierung mittels einer Clusteranalyse zurück, was aller-dings hinsichtlich der Ergebnisvalidierung z.T. kritisch betrachtet wird (BOSSOW-THIES und CLEMENT, 2009). Der hier gewählte Segmentierungsansatz basiert demgegenüber auf sog. Be-rufsorientierungen, deren differenzielle prognostische Validität in vielen empirischen Studien hinreichend belegt werden konnte (vgl. für einen Überblick: BLICKLE, 1999). Berufsorientie-rungen werden hierbei als „weitgehend stabile und langfristige berufliche Bestrebungen von Personen“ definiert (MAIER et al., 2009: 105). Innerhalb dieses Konstruktes werden drei

Be-rufsorientierungen unterschieden: Karriereorientierung, Freizeitorientierung sowie alternatives Engagement (BLICKLE, 1999). Die Karriereorientierung zeichnet sich durch ein Streben nach beruflichem Aufstieg und persönlicher Einflussnahme auf organisationale Entscheidungen aus, wofür karriereorientierte Personen eine höhere Anstrengungsbereitschaft aufzubringen bereit sind. Demgegenüber spiegelt sich in der Freizeitorientierung eine höhere Gewichtung der ei-genen Freizeit im Vergleich zur Arbeitszeit wider. Darüber hinaus zielen freizeitorientierte Per-sonen auf eine gesicherte Position mit geregelter Arbeitszeit und angenehmer Arbeitsatmosphä-re ab. Sowohl die KarrieArbeitsatmosphä-re- als auch die FArbeitsatmosphä-reizeitorientierung lassen sich einer materialistischen Werthaltung zuordnen, wobei sie sich zugleich auch grundlegend in ihrem strukturellen Fokus unterscheiden. Während die Karriereorientierung auf extrinsische Anreize, wie beispielsweise ein hohes Gehalt und Einflussnahme auf organisationale Entscheidungen, abzielt, geht es bei der Freizeitorientierung vorrangig um die Realisierung eigener Interessen außerhalb der Ar-beitszeit. Alternatives Engagement umfasst im Gegensatz dazu eine postmaterialistische Wert-haltung, die sich darin niederschlägt, dass alternativ engagierte Personen viel eher bereit sind, auf extrinsische Anreize zu verzichten. Im Vordergrund steht hierbei indes das Streben nach Selbstverwirklichung und nach „Idealen einer besseren Welt in der Arbeit“ (MAIER et al., 2009:

105). Analog zu den karriereorientierten Personen sind jedoch auch alternativ engagierte Per-sonen bereit, einen hohen Arbeitseinsatz zu erbringen.

Die Verwendung dieses Konstruktes liegt in seiner theoretischen Abgrenzung zu den beiden verwandten Konstrukten – den persönlichen beruflichen Zielen einerseits und den Wertvorstel-lungen andererseits – begründet. So sind persönliche berufliche Ziele mehr der volitionalen Ebe-ne zuzuordEbe-nen, während sich Berufsorientierungen eher durch ihren motivationalen Charakter auszeichnen (ROSENSTIEL und NERDINGER, 2000). Persönliche berufliche Ziele fokussieren somit auf vergleichsweise konkrete Handlungsergebnisse und lassen sich als „ideographische Ausdrucksformen von Berufsorientierungen“ auffassen (BLICKLE, 1999: 18). Demgegenü-ber nehmen Werthaltungen eine den Berufsorientierungen üDemgegenü-bergeordnete Ebene ein, da sie als abstrakte und zeitlich stabile Konzeptionen des Wünschenswerten gelten und somit auch die Auswahl verfügbarer Handlungen und Ziele beeinflussen (KLUCKHOHN, 1951, zit. in R OSEN-STIEL und NERDINGER, 2000). Während die beruflichen Werthaltungen einen allgemeinen Ori-entierungsrahmen für das berufliche Handeln bilden, können Berufsorientierungen als überge-ordnete Zielintentionen verstanden werden, die ihrerseits konkrete berufliche Entscheidungen, wie beispielsweise die Arbeitgeberwahl, beeinflussen (MAIER et al., 1994). Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Konstrukten ist überdies darin zu sehen, dass Werte als Konzeptionen des Wünschenswerten ebenso abstrakt wie zeitlich stabil sind, während Berufs-orientierungen sich auf ganz konkrete Bedingungen des Arbeitslebens beziehen und sich als Reaktion auf diese im Rahmen von Sozialisationsprozessen auch ändern können (ROSENSTIEL

und NERDINGER, 2000). Die theoretische Nähe beider Konstrukte lässt sich insgesamt daran erkennen, dass alle Aspekte, die im Rahmen des Konstruktes der Berufsorientierungen erfragt werden, in einer ähnlichen Form auch in den Instrumenten zur Erhebung von Werthaltungen 74 MODELLIERUNG DER ARBEITGEBERWAHL

zu finden sind (BLICKLE, 1999). Umgekehrt werden nicht sämtliche Werthaltungen mittels des Konstruktes der Berufsorientierungen abgebildet, da dieses ursprünglich lediglich für den Be-reich des Führungskräftenachwuchses entwickelt wurde (ROSENSTIEL und NERDINGER, 2000).

Konzeptionell erscheint hierbei auch die Abgrenzung zum Einstellungskonstrukt sinnvoll. Der Unterschied zwischen diesen beiden Konstrukten wird primär in ihrem Spezifitätsniveau ge-sehen (STENGEL, 1987). So richten sich Einstellungen auf spezifische Objekte, Personen bzw.

Situationen, während Berufsorientierungen situations-, person- und objektübergreifend das be-rufliche Handeln beeinflussen. Anders ausgedrückt, fokussiert eine Einstellung stets auf ab-grenzbare Objektklassen oder lediglich auf ein einzelnes Objekt, während Berufsorientierungen ein Bündel aus ähnlichen Einstellungen bilden und somit übergreifende Regelungskapazitäten aufweisen. Aufgrund einer Vielzahl von quer- und längsschnittlichen Untersuchungen mit un-terschiedlichen Zielgruppen ist die Konstruktvalidität von Berufsorientierungen als evident zu werten, und zwar hinsichtlich der Zusammenhänge mit Werthaltungen, beruflichen Einstellun-gen sowie Persönlichkeitsmerkmalen und Motiven (vgl. MAIER et al., 2009).

Neben einem strukturellen Persönlichkeitsaspekt umfassen Berufsorientierungen auch einen langfristigen Zukunfts- und Zielbezug des Handelns, wie er in der Motivationspsychologie un-tersucht wird (BLICKLE, 1999). Dort wird angenommen, dass Motive die Anregung, Selektion und Steuerung von Handlungsweisen erklären können. Die prädiktive Validität der Berufsori-entierungen konnte in einer Vielzahl von Untersuchungen an Studierenden und Führungskräf-ten bestätigt werden. So konnte gezeigt werden, dass die Wahl der ersFührungskräf-ten Beschäftigung von Hochschulabsolventen insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Berufsorientierungen erfolgt (LANGVON-WINS et al., 1995). Ebenso ist eine externe Validierung des Konstruktes der Berufsorientierungen anhand der Wochenarbeitsstunden, der Anzahl der Urlaubswochen, der Dauer der beruflichen Arbeit zu Hause sowie der Anzahl von Freizeitstunden von KOLLAR und STENGEL (1990) vorgelegt worden.

Obgleich die aufgezeigten Modelle eine nach persönlichkeitsspezifischen Merkmalen poten-zieller Bewerber differenzierende Betrachtung nahelegen, existieren bislang nur wenige Stu-dien, die diese Annahmen mittels theoretisch fundierter Konstrukte empirisch überprüft ha-ben (vgl. Abschnitt 2.5.1). An dieser Stelle kommt das Konstrukt der Berufsorientierungen zum Tragen. Dabei wird im Einzelnen angenommen, dass für karriereorientierte Bewerber vor allem die beiden Arbeitsplatzmerkmale Bezahlung und Entwicklung- und Aufstiegschancen bedeutsam sind. So konnten KOYS et al. (1989) zeigen, dass die Präferenz für eine leistungso-rientierte Bezahlung mit der positiven Einschätzung der eigenen Leistung zusammenhängt. Da die Karriereorientierung positiv mit der expliziten Leistungsmotivation einhergeht, wird von einer solchen Einschätzung bei karriereorientierten Bewerbern ausgegangen. Ebenso ergab die Untersuchung von CABLE und JUDGE (1994), dass die von den potenziellen Bewerbern bevor-zugte Gehaltshöhe mit ihren Persönlichkeitseigenschaften und Wertvorstellungen korreliert. So präferieren Personen mit ausgeprägten materialistischen Wertvorstellungen eher ein hohes bzw.

überdurchschnittliches Gehalt. Demgegenüber lässt sich bei freizeitorientierten Bewerbern eine Präferenz für die Einhaltung der arbeitsvertraglich festgelegten Arbeitszeit erwarten. In diesem Zusammenhang konnten KOLLAR und STENGEL (1990) nachweisen, dass karriereorientierte und alternativ engagierte Führungskräfte eine überdurchschnittliche Wochenarbeitszeit eher in Kauf nehmen als freizeitorientierte und somit deutlich mehr Zeit in ihren Beruf investieren.