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2. Schriftum

2.5. Der Nematode C. elegans als Infektionsmodell

C. elegans ist ein freilebender, anspruchsloser Bodennematode der meisten gemäßigten Zonen. Er lebt im Erdreich und ernährt sich von den dort vorkommenden Mikroorganismen. Außerdem benötigt er für Wachstum und Reproduktion lediglich eine feuchte Umgebung mit gemäßigten Temperaturen und ausreichend Sauerstoff.

Aufgrund dieser Anspruchslosigkeit ist C. elegans problemlos im Labor auf Agarplatten mit E. coli als Nahrungsquelle zu halten. Aufgrund seiner geringen Größe von etwa 2 mm ist die Kultivierung einer großen Anzahl von Würmern auf kleinstem Raum möglich. Die Dauer der Entwicklung vom Ei bis zum reproduktionsfähigen adulten Wurm beträgt temperaturabhängig etwa drei (25 °C) bis sechs (15 °C) Tage, wobei sich diese Entwicklung über vier Larvenstadien (L1 bis L4) erstreckt. Die maximale Lebenszeit des adulten Wurms beträgt etwa vier Wochen, bei Nahrungsmangel oder zu hoher Populationsdichte ist die Entstehung eines resistenteren Dauerstadiums möglich (RIDDLE et al., 1997).

Abb. 3

A B

Abb. 3: Der Nematode Caenorhabditis elegans. (A) zeigt den anatomischen Aufbau einen adulten Wurms. (B) ist ein Ausschnitt aus einer Mischkulturplatte. Es sind Eier, Larven in verschiedenen Entwicklungsstufen sowie adulte Würmer zu sehen.

Jeder adulte, selbstbefruchtende Hermaphrodit legt in einem Zeitraum von 4 Tagen bis zu 300 Eier. Ebenfalls existierende männliche Würmer – weibliche Tiere gibt es nicht – lassen sich beliebig mit diesen Hermaphroditen paaren, was für die genetische Forschung von Bedeutung ist.

Der Wurm ist mechanisch sehr robust: er lässt sich schütteln, zentrifugieren, einfrieren und lebendig wieder auftauen. Die Basistechniken zur Kultivierung sind einfach und ohne großen Aufwand durchzuführen (HOPE, 1999). Die Anatomie des Wurms ist sehr übersichtlich – exakt 959 somatische Zellen bei Hermaphroditen, davon 302 Nervenzellen – und die Erscheinung unter dem Durchlichtmikroskop transparent, was für die Erforschung innerer Vorgänge von großem Vorteil ist (RIDDLE et al., 1997).

Diese Argumente veranlassten schon 1965 den britischen Molekularbiologen SYDNEY BRENNER, C. elegans als Modellorganismus in die Biologie einzuführen (BRENNER, 1974). Seit dem gewann der Wurm zunehmend an Interesse. Bereits im Jahr 1998 war das Genom von C. elegans als erstem multizellulären Organismus vollständig sequenziert (THE C. ELEGANS SEQUENCING CONSORTIUM, 1998).

Das Genom von C. elegans umfasst etwa 19000 Gene bei einer Größe von 97 Mb, was nach aktuellen Schätzungen mehr als halb so vielen Genen wie beim Mensch entspricht (INTERNATIONAL HUMAN GENOME SEQUENCING CONSORTIUM, 2001). Die Sequenzierung hat gezeigt, dass mindestens 37% der exprimierten Proteine von C. elegans Äquivalente in anderen Organismen wie dem Mensch und anderen Säugern besitzen. So kann, trotz der großen evolutionären Distanz zwischen Mensch und Nematode, C. elegans als ein gültiges, auch auf den Säugetierwirt übertragbares Modell für infektionsbiologische Studien herangezogen werden (MAHAJAN-MIKLOS et al., 2000).

Die bekannte Genomsequenz und die daraus resultierende Möglichkeit, diese genetisch zu manipulieren, machen für die Aufklärung grundlegender biologischer Vorgänge auch ein Arbeiten mit definierten Wurmmutanten möglich. Insbesondere in Verbindung mir bakteriellen Pathogenen, deren Genom ebenfalls bekannt ist, bieten sich optimale Bedingungen zur systematischen Analyse von Interaktionen zwischen einem bakteriellen Pathogen und einem eukaryotischen Wirt (TAN et al., 1999a).

Viele Virulenzfaktoren werden erst durch den Wirt induziert und können nur mit Hilfe von Techniken identifiziert werden, die den Wirt mit einbeziehen. Aus diesem Grund stellte die Gruppe um FREDERICK AUSUBEL im Januar 1999 ein Nematoden-Bakterien-Pathogenitätsmodell vor, welches sich mit den Einflüssen von P.

aeruginosa auf C. elegans befasst (TAN et al., 1999a; MAHAJAN-MIKLOS et al., 1999; TAN et al., 2000), und mit dessen Hilfe Interaktionen zwischen Virulenzfaktoren des Bakterienstammes und den Wirtsabwehrmechanismen analysiert werden können. P. aeruginosa besitzt die Fähigkeit, Virulenzfaktoren zu produzieren, die in so unterschiedlichen Wirten wie Pflanzen (Arabidopsis thaliana), Nematoden und Säugern Krankheiten verursachen (RAHME et al. 1995; TAN et al., 1999b; MAHAJAN-MIKLOS et al., 1999), so dass Vergleiche zwischen seinem Verhalten in den unterschiedlichen Wirtssystemen gezogen werden können. TAN et al. (1999a, b; 2000) und MAHAJAN-MIKLOS et al. (1999) konnten mit ihrem Modell Mutanten des P. aeruginosa-Stammes PA 14 isolieren, die sowohl im C. elegans- als auch im Mausmodell attenuiert waren. Diese Tatsache zeigt die Möglichkeit, Pathomechanismen zu detektieren, die auch für den Säugetierwirt von Bedeutung sind.

P. aeruginosa PA 14 hat ein breites Wirtsspektrum und zeigt auf C. elegans letale Wirkung. Es wurden zwei unterschiedliche Arten des Wurmsterbens beschrieben:

das durch Infektion ausgelöste langsame Sterben slowkilling und das schnellere Sterben fastkilling, das durch die Ausschüttung von Toxinen bedingt ist. Der unterschiedliche Sterbeverlauf ist von der Zusammensetzung des Kulturmediums abhängig.

Eine dritte Art des Sterbens von C. elegans durch PA 14 wurde wenige Monate später als letale Paralyse beschrieben (DARBY et al., 1999), die auf einer Cyanid-Produktion durch P. aeruginosa beruht.

Es sollte jedoch auch in Betracht gezogen werden, dass das C. elegans-Bakterien-Modell einige Einschränkungen aufweist. So wird das System zum Beispiel dadurch limitiert, dass nicht alle Bakterien C. elegans unter Laborbedingungen infizieren können. Bisher ist eine letale Wirkung auf C. elegans nur für folgende Bakterien

beschrieben: die gramnegativen Pathogene P. aeruginosa, P. fluorescens, B.

cepacia (TAN et al., 1999a, 2000), B. pseudomallei, B. thailandensis (O’QUINN et al., 2001), S. Thyphimurium (ABALLAY et al., 2000), Serratia marcescens (KURZ et al., 2000) und Yersinia spp. (DARBY u. FALKOW, 1999) sowie die grampositiven Pathogene Bacillus megaterium (ANDREW et al., 1976), Bacillus thuringiensis (LEYNS et al., 1995), Microbacterium nematophylum (HODGKIN et al., 2000), Enterococcus faecalis, S. aureus und Streptococcus pneumoniae (GARSIN et al., 2001). Zudem fehlt den Nematoden ein entwickeltes (adaptives) Immunsystem; die Aufgabe mancher Virulenzfaktoren besteht jedoch darin, die Immunantwort des Wirtes zu neutralisieren (FINLAY et al., 1999). Des Weiteren wird die Expression vieler Virulenzmechanismen im Säugetierwirt durch das Wirtsmillieu oder durch spezifische Wirtsmoleküle induziert, wobei die Temperatur (in den meisten Fällen 37 °C) oftmals ein Schlüsselsignal ist. Dementsprechend könnte man einwenden, dass einige für Säugetiere relevante Virulenzfaktoren nicht im Nematoden exprimiert werden, da diese bei Raumtemperatur gehalten werden. Trotz dieser Einschränkungen konnte in den oben genannten Studien von TAN et al. (1999a, b;

2000) gezeigt werden, dass es eine Vielzahl von Virulenzfaktoren gibt, die gleichzeitig Bedeutung für Nematoden und Säuger haben.