• Keine Ergebnisse gefunden

2. Schriftum

2.4. P. aeruginosa und CF

2.4.1. Allgemeines

Die Cystische Fibrose (CF) ist die zweithäufigste, autosomal rezessiv vererbte Erkrankung der weißen (kaukasischen) Bevölkerung, an der weltweit über 60.000 Menschen leiden (RAJAN u. SAIMAN, 2002). In Europa und Amerika erkrankt ca. 1 Kind von 2000 bis 1 von 4500 (KOCH u. HØIBY, 1993). Die CF beruht auf einem Gendefekt im cystic fibrosis transmembrane conductance regulator, CFTR (BEAR et al., 1992). CFTR ist ein Chlorid-ABC Transporter mit zusätzlichen Funktionen regulatorischer Natur (TÜMMLER u. KIEWITZ, 1999). Die häufigste Mutation (~ 70%) ist die inframe 3-Basenpaar-Deletion im CFTR-Gen (F508), welche zum Verlust der Aminosäure Phenylalanin an Position 508 führt (PIER, 1998; TÜMMLER u. KIEWITZ, 1999). Die Abwesenheit von CFTR in der apikalen Membran von Epithelzellen bewirkt einerseits die Verringerung der Cl--Sekretion und andererseits die beschleunigte Na+-Absorption durch die wegfallende inhibitorische Wirkung von CFTR auf den epithelialen Na+-Kanal (ENaC) (BEAR et al., 1992; STUTTS et al., 1995). Die dabei entstehende Dysregulation des Na+ und Cl--Haushalts bewirkt eine erhöhte Viskosität epithelialer Sekrete. Auf klinischer Ebene sind die Hauptcharakteristika der CF-Erkrankung – aufgrund von Obstruktionen in den Organen durch Bildung eines wasserarmen, hoch viskösen Sekretes – Malabsorption

(entsprechend der exokrinen Pankreasinsuffizienz), Beeinträchtigung der Lungenfunktion mit rezidivierenden bakteriellen Infektionen, zunehmender Salzverlust im Schweiß und männliche Infertilität durch Stenose in den Vasa deferentia (KOCH u. HØIBY, 1993). Auch das hepatobiliäre System ist betroffen (TÜMMLER u. KIEWITZ, 1999). Während die exokrine Pankreasinsuffizienz durch Enzymsubstitution nicht mehr den limitierenden Faktor darstellt und die meisten Patienten das Erwachsenenalter erreichen, ist und bleibt heute die CF-Lunge aufgrund der chronischen Infektionen die Hauptrsache für die Morbidität und Mortalität der Erkrankung (GOVAN u. DERETIC 1996; TÜMMLER u. KIEWITZ 1999;

RAJAN u. SAIMAN 2002).

Die Luftwege von CF-Patienten werden hauptsächlich mit opportunistischen Erregern – besonders S. aureus und H. influenzae im frühen Lebensalter und P. aeruginosa und Vertretern des Burkholderia cepacia-Komplexes im späteren Lebensalter – besiedelt und infiziert (TÜMMLER u. KIEWITZ, 1999). Neben diesen Erregern werden weitere Mikroorganismen wie Moraxella catarrhalis, Stenotrophomonas maltophilia, Alcaligenes xylosoxidans, Burkholderia gladioli, Mitglieder der Familie Enterobacteriaceae (KNOWLES, 2000), atypische Mykobakterien (KILBY et al., 1992), sowie Aspergillus fumigatus (GILLIGAN, 1991) im Respirationstrakt vorgefunden.

P. aeruginosa ist der häufigste und verbreitetste Lungeninfektionserreger in CF-Patienten und wird deshalb auch als CF-Leitkeim bezeichnet (SMITH et al., 1996;

LYCZAK et al., 2002). Bei 75-90% der Patienten entsteht eine chronische Infektion mit diesem Bakterium (PIER, 2000). In Krankenhäusern stellen Waschbecken, Toiletten und Duschen, aber auch das Klinikpersonal und bereits infizierte Patienten ein Infektionsrisiko dar (SCHAAL u. v. GRAEVENITZ, 1994). Studien von RÖMLING et al. (1994) haben gezeigt, dass Infektionen mit P. aeruginosa beinahe überall in der Umwelt stattfinden können. Das heißt, nicht nur das Krankenhaus stellt ein Risiko dar, sondern auch die häusliche Umgebung der Patienten. Die meisten Patienten werden in der Schulzeit oder der frühen Pubertät kolonisiert (TÜMMLER u. KIEWITZ,

1999). Ist die CF-Lunge chronisch infiziert, können die meisten Chemotherapeutika die Bakterien nicht mehr vollständig eliminieren (DERETIC, 2000).

Man geht davon aus, dass eine Besiedelung der Lunge mit P. aeruginosa nach erfolgreicher Infektion mit Erregern wie S. aureus oder H. influenzae stattfindet, wobei P. aeruginosa diese Keime verdrängt (DERETIC, 2000).

In der CF-Lunge ist eine Senkung der mukoziliären Clearance und somit eine Störung in der primären natürlichen Abwehr der Lunge vorzufinden. Über die Pathogenese und die hohe Empfänglichkeit für chronische Infektionen gibt es heute mehrere Hypothesen. Einige dieser Hypothesen stellen eine besondere Adhärenz von P. aeruginosa an CF-Epithelzellen in den Vordergrund (de BENTZMANN et al., 1996), eine verschlechterte Internalisierung und Abschilferung von P. aeruginosa enthaltenden Epithelzellen durch Abwesenheit von CFTR (PIER et al., 1996) oder eine Inaktivierung der Salz-sensiblen Defensine in der ASL (airway surface liquid) (GOLDMANN et al., 1997). Eine neuere Hypothese geht von speziellen Wachstumsbedingungen für die Bakterien in der CF-Lunge aus. Diese sind eng mit der bei CF veränderten Zusammensetzung des ASL verknüpft. Es wird vermutet, dass es zu einer Volumenabnahme der die Zilien umgebenden Flüssigkeit durch erhöhte Absorption von Natrium-Ionen und einer Senkung in der Sekretion der Chlorid-Ionen kommt. Die ASL, welche die Lungenoberfläche bedeckt, besteht aus einer Mukusschicht (stark vernetzte, hoch glykosylierte Proteine) und einer periziliären Flüssigkeitsschicht. Die periziliäre Flüssigkeitsschicht auf der Zelloberfläche umgibt die Zilien des Flimmerepithels und ist von niedriger Viskosität, in der sich die Zilien schnell bewegen können. Zusätzlich schützt sie die Epithelzelloberfläche vor der darüberliegenden Mukusschicht. Besteht eine physiologische Funktion, so fängt das mukoziliäre Clearance-System mit der Mukusschicht fremde inhalierte Partikel und Mikroorganismen ab und transportiert diese zum Nasopharynx, wo sie abgeschluckt oder abgehustet werden (KOCH u.

HØIBY, 1993; KNOWLES u. BOUCHER, 2002; LYCZAK, 2002). Durch die chronische Volumenabnahme der periziliären Flüssigkeitsschicht kommt es vermutlich zu einer Interaktion zwischen der Mukusschicht mit der Epithelzelloberfläche und es bilden sich dicke Mucusplaques. Hierdurch kommt es

zur Störung der Zilienbewegung, was eine Reduktion der Clearancerate zur Folge hat (KNOWLES u. BOUCHER, 2002). Da die Mucin-Sekretion unverändert bleibt, kommt es zu einem Dickenzunahme der Mucus-Schicht.

Inhalierte P. aeruginosa gelangen aktiv (flagelläre Motilität) und/oder passiv (Turbulenzen der Mukusoberfläche) in die Mukusmasse, bilden dort Mikrokolonien und reduzieren hier den Sauerstoffgehalt. Beim anschließenden anaeroben Wachstum verwenden sie vermutlich Nitrit als terminalen Elektronenakzeptor (HASSETT et al., 1999; WORLITZSCH et al., 2002). P. aeruginosa passen sich also den veränderten Lebensbedingungen in der CF-Lunge an, indem sie die Fähigkeiten besitzen, Mikrokolonien in anaeroben Mukusplaques bilden zu können (WORLITZSCH et al., 2002). Diese Hypothese wird durch Untersuchungen an humanen Lungenpräparaten (BALTIMORE et al., 1989; WORLITZSCH et al., 2002) sowie durch Studien an Tiermodellen (NIEDERMAN et al., 1983; MARCUS u.

BAKER, 1985) unterstützt. Dazu passen Beobachtungen, dass P. aeruginosa unter niedrigen O2-Partialdrücken bzw. mikroaerophilen Bedingungen gut wächst und unter anaeroben Bedingungen besonders dicke Biofilme ausbildet (YOON et al., 2002).

Biofilme schützen P. aeruginosa vor der Immunantwort ihres Wirts, da opsonisierende Antikörper und Phagozyten wenig Angriffsfläche finden (HØIBY et al., 2001). Außerdem vermitteln sie eine erhöhte Resistenz gegen Antibiotika (HANCOCK, 1998).