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Der Mischindex 1

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 67-72)

Allgemeines

Mit dem Ausdruck «Mischindex» ist der in Artikel 33ter des geänderten AI-IV-Gesetzes (s. ZAK 1977, S. 280) erwähnte Rentenindex gemeint. Nach gesetzlicher Definition stellt er das arithmetische Mittel des vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) ermittelten Lohnindexes und des Landesindexes der Konsumentenpreise dar. Mit andern Worten: Dieser Rentenindex wird zu 50 Prozent vorn Lohnindex und zu 50 Prozent vorn Preisindex bestimmt, weshalb der Bundesrat die daraus resultierende Renten-anpassungsmethode in seiner Botschaft vorn 7. Juli 1976 (S. 13 ff.) als «pro-zentuale Dynamik» bezeichnet. Im Jargon der Fachleute und Politiker hat sich indessen der Begriff «Mischindex» eingebürgert, bezeichnet er doch recht anschaulich die Mischung, die sich zu gleichen Teilen aus den Kom-ponenten Lohnindex und Preisindex zusammensetzt.

Der Mischindex ist in den parlamentarischen Beratungen um die neunte AHV-Revision viel kritisiert worden. Den Befürwortern einer Volldynami-sierung (d. h. einer Anpassung der Alt- und Neurenten an die Lohnent-wicklung) erschien er begreiflicherweise als unbefriedigend. Die Anhänger der sogenannten Teildynamisierung (d. h. der Anpassung der Neurenten an die Löhne und der Altrenten an die Preise) hingegen erklärten, dass er einer-seits zu weit gehe, indem er für die Altrenten auch die Lohnbewegung mit-berücksichtige, anderseits aber gerade diese Lohnbewegung bei den Neu-renten nur zum Teil in Rechnung stelle. Sowohl die Eidgenössische AHV/

TV-Kommission wie auch der Bundesrat hatten den Mischindex nicht als Ideallösung für das Problem der Rentenanpassung betrachtet. Sie brachten ihn in Vorschlag, weil er von allen untersuchten Methoden die tragbarsten Nachteile aufwies. Eine Volldynamisierung kam aus finanziellen Gründen von vornherein nicht mehr in Frage. Im Vergleich mit der Teildynamisierung ergeben sich für die prozentuale Dynamik (verkörpert im Mischindex) fol-gende Charakteristiken:

- Der Mischindex erlaubt es, Altrentner und Neurentner gleich zu behan-deln. In den parlamentarischen Beratungen wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es im Schweizervolk nicht verstanden würde, wenn die

1 Diese Ausführungen wurden verfasst, bevor gegen die neunte AI-IV-Revision das Referendum zustande gekommen ist. Da sich das Referendum nicht zuletzt gegen den Mischindex richtet, dürften die Erläuterungen über die Wirkungsweise dieses Indexes auch unter den veränderten Vorzeichen auf Interesse stossen. Das Inkraft-treten der Neuregelung hängt indessen vom Ausgang des Volksentscheides ab.

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laufenden Renten nicht in gleicher Weise der wirtschaftlichen Entwick-lung angepasst würden wie die neu entstehenden Renten. Wer sich z. B.

beim Eintritt ins Rentenalter den Anspruch auf eine Maximalrente er-worben hat, wird niemals verstehen, dass es später für die jüngeren Jahr-gänge noch höhere Renten gibt, er dann also nach wenigen Jahren nicht mehr zu den Maximalrentnern gehört. Die bei der siebenten AHV-Re-Vision im Jahre 1969 beschlossene unterschiedliche Behandlung von Alt-und Neurenten hat obwohl es damals nur um Differenzen von wenigen Franken im Monat ging - ganze Bäche von Druckerschwärze zum Fliessen gebracht und entsprechende parlamentarische Vorstösse aus-gelöst. Ebenso ist ein ähnlicher Differenzierungsvorschlag des Bundesrates anlässlich der achten AHV-Revision zugunsten der Gleichbehandlung von Alt- und Neurenten vom Parlament abgelehnt worden. Diese Gleich-behandlung ist eine politische Forderung, die ein System der Renten-anpassung unbedingt zu erfüllen hat; das haben die Beratungen deutlich gezeigt. Bedeutsam ist auch, dass ein Auseinanderklaffen von Alt- und Neurenten das ganze System der AHV erheblich kompliziert und für den Durchschnittsbürger unüberblickbar gemacht hätte.

Vergleiche mit den betrieblichen Pensionskassen dürfen hier nicht an-gestellt werden. Es gibt in der Schweiz rund 18 000 Vorsorgeein-richtungen, die ihre Leistungen nach ganz unterschiedlichen Statuten und Reglementen festsetzen, während für die AHV ein einheitliches Recht gilt. Die Renten der Pensionskassen sind daher nicht in dem Masse miteinander vergleichbar wie die Renten der AHV und IV. Die Auf-fächerung der Alt- und Neurenten führt übrigens auch bei grossen Pen-sionskassen zu gewissen Problemen; denn auch hier erwarten die Rentner, dass sie alle gleich behandelt werden.

- Die Anpassung der Renten nach dem Mischindex kostet für die AHV ungefähr gleich viel wie die Teildynamisierung. Das ergibt sich aus der Konstruktion dieses Indexes. Für Einzelheiten sei auf die Ausführungen des Bundesrates in seiner Botschaft vom 7. Juli 1976 (S. 15 und Tabellen ha, llb) verwiesen.

- Im Einzelfall bewirkt der Mischindex, dass die Neurente unter normalen Verhältnissen etwas tiefer einsetzt als eine allein der Lohnentwicklung angepasste Neurente, diesen Rückstand aber im Laufe einiger Jahre ein-holt und dann später höher liegt als eine Altrente, die nur der Preisent-wicklung angepasst wurde. Diese Scherenbewegung ergibt sich deutlich aus der nachstehenden Grafik. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass die Löhne langfristig stärker steigen als die Preise. Der Mischindex bewirkt sozusagen eine Solidarität der jüngeren Rentnergeneration zugunsten der 396

älteren. Im Gegensatz zur Teildynamik kommen bei diesem System auch die Bezüger laufender Renten in den Genuss einer teilweisen Anpassung an die Lohnentwicklung, was sich besonders in Zeiten mit einem mar-kanten Lohnanstieg günstig auswirkt.

Der Mischindex wirkt ausgleichend. Er mildert sowohl extreme Aus-schläge des Preisindexes als auch solche des Lohnindexes. So hat er eine stabilisierende Wirkung, wenn sich Preis- und Lohnindex gegenläufig entwickeln. Wenn beispielsweise der Preisindex fällt und der Lohnindex steigt, wird keine Rentenherabsetzung ausgelöst, wie dies bei der Teil-dynamisierung der Fall wäre. Auch bei andern Konstellationen wirkt der Mischindex stabilisierend. So erlaubt er es gerade in rezessiven Zeiten, das Rentenniveau zu halten, und lässt extreme Entwicklungen - sowohl negative wie positive nur abgeschwächt auf das System einwirken.

Sollte sich eine echte wirtschaftliche Krise entwickeln, gekennzeichnet durch ein längerdauerndes Absinken von Löhnen und Preisen, dann wäre die Lage allerdings neu zu prüfen. Eine derartige Entwicklung würde aber nicht nur bei der Anpassung der Al-IV-Renten, sondern auch in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft Probleme aufwerfen. Kurz-fristige Schwankungen in der Indexentwicklung lassen sich mit dem zwei-jährigen Anpassungsrhythmus (Art. 33ter Abs. 1 AHVG) auffangen.

- Der Mischindex löst das Anpassungsproblem für die Hinterlassenen- und Invalidenrenten. In den Vorberatungen wurde nie bestritten, dass die Teildynamik, d. h. die Anpassung der laufenden Renten einzig und allein an die Preisentwicklung, für die Hinterlassenen und die Invaliden, deren Renten eine Laufzeit von 40 bis 60 Jahren erreichen können (wenn der Versicherungsfall z. B. im 21. Altersjahr eintritt), ganz unbefriedigend wäre. War es auch umstritten, ob den Altersrentnern ein «Stillsitzen» auf ihrem Lebensstandard im Zeitpunkt des Rentenbeginns zuzumuten sei, so stand doch von Anfang an fest, dass dies bei den Hinterlassenen, vor-ab den Witwen und den Invaliden, nicht möglich sei. Es könnte sonst leicht der Fall eintreten, dass die im Jahre 1977 entstandene Maximal-rente einer Witwe oder eines Invaliden nach 20 Jahren Laufzeit niedriger wäre als eine dannzumal neu entstehende Minimalrente. Man hätte diese beiden Bezügerkategorien auch bei der Teildynamik in irgendeiner Form an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lassen müssen.

Inkrafttreten der neuen Anpassungsmethode

Die Rentenanpassung nach dem Mischindex tritt nicht automatisch mit den übrigen Bestimmungen der neunten AHV-Revision in Kraft. Die vorn Parlament beschlossenen Übergangsbestimmungen zur genannten Revision 397

Schematischer Vergleich der Teildynamik und der prozentualen Dynamik (Mischindex)

0

‚0 .0 .0 0 -4-,

0

Lohnentwicklung

Preisentwicklung

Rentenentwicklung

1 Rentenentwicklung nach der Teildynamik Rentenentwicklung nach der prozentualen Dynamik (Mischindex)

Zeit Zeitpunkt des Rentenbeginns

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sehen vorerst noch eine Rentenanpassung vor, die einzig und allein durch den Landesindex der Konsumentenpreise ausgelöst wird und deren Aus-mass bereits vorbestimmt ist. Sobald nämlich der Preisindex den Stand von 175,5 Punkten erreicht hat (Stand August 1977 = 168,5 Punkte), muss der Bundesrat «auf den nächstmöglichen Zeitpunkt» eine Erhöhung des Mindestbetrages der vollen einfachen Altersrente von 525 auf 550 Franken im Monat (und damit auch eine entsprechende Erhöhung aller anderen Ren-ten) anordnen. Erst bei Erreichen des Standes von 175,5 Punkten beim Preis-index wird der RentenPreis-index (d. h. der MischPreis-index) auf 100 gesetzt, ebenso seine Komponenten Preisindex und Lohnindex (vgl. Wortlaut der Über-gangsbestimmungen im Abschnitt III 1 a des Gesetzes über die 9. AHV-Revision).

Künftiges Funktionieren des Mischindexes

Das Funktionieren des künftigen Mischindexes lässt sich am besten anhand des folgenden willkürlich gewählten Beispiels aufzeigen:

Nehmen wir an, der Stand des Preisindexes von 175,5 Punkten werde im Juni 1978 erreicht und der BIGA-Lohnindex betrage dann (gestützt auf eine Interpolation der Werte vom Oktober 1977 und Oktober 1978) 500 Punkte.

Dann bilden diese Werte den Ausgangspunkt für den Rentenindex.

Nehmen wir ferner an, der Lohnindex und der Preisindex würden sich dar-aufhin (was im heutigen Zeitpunkt allerdings etwas unwahrscheinlich er-scheint) wie folgt entwickeln:

Zeitpunkt Preisindex

effektiv umgerechnet

Lohnindex Rentenindex effektiv umgerechnet (Mischindex)

Juni 1978 175,5 100 500 100 100

Dezember 1978 177,1 101 515 103 102

Juni 1979 178,6 102 530 106 104

Dezember 1979 180,2 103 545 109 106

Juni 1980 185,5 106 560 112 109

Im Juni 1980 würden die Eidgenössische AHV/IV-Kommission und der Bundesrat somit feststellen, dass der Preisindex innert zwei Jahren um 6 Prozent und der Lohnindex um 12 Prozent angestiegen ist. Die in Artikel

33ter AH\'G festgelegten Voraussetzungen für eine Rentenanpassung wären damit erfüllt (Anstieg des Preisindexes um mehr als 5 Prozent). Der Bundes-rat würde ferner feststellen, dass der neue Rentenindex 109 Punkte beträgt, und eine Erhöhung der ordentlichen Renten um 9 Prozent (in unserem Bei-spiel auf 1. Januar 1981) anordnen.

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Nach dem neuen Gesetz hat der Bundesrat ausserdem die Befugnis, auf den gleichen Zeitpunkt die Einkommensgrenzen für den Bezug von ausser-ordentlichen Renten und Ergänzungsleistungen, die Grenzen der sinkenden Beitragsskala für die Beitragsberechnung der Selbständigerwerbenden sowie den Mindestbeitrag der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen anzupassen. Dabei gelten für diese Anpassungsoperationen unterschiedliche Vorschriften, indem die Einkommensgrenzen für den Bezug ausserordentli-cher Renten der Preisentwicklung (Art. 42ter AHVG), jene für den Bezug von Ergänzungsleistungen «in angemessener Weise» (Art. 3 a ELG) und die sinkende Skala sowie der Mindestbeitrag dem Rentenindex (Art. gbis AHVG)

anzupassen sind.

Der Expertenbericht zur Teilrevision

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