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Diskussion

1.38 Der Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) Polymorphismus

Anfang der 80iger Jahre wurde entdeckt, dass ein Polymorphismus bei der Metabolisierung von Debrisoquin (Mahgoub et al., 1977, Sloan et al., 1983) und Spartein (Eichelbaum et al., 1982) in der menschlichen Population besteht. Als verantwortliches Enzym wurde das Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) nachgewiesen (Zanger et al., 1988, Gonzalez et al., 1988).

Das CYP2D6-Enzym ist an der Verstoffwechselung von ca. 20 % aller verschieben Wirkstoffe beteiligt (McElroy et al., 1999). In der kaukasischen Population sind ca. 5-10 % sogenannte „poor metabolizer“ (PM), die beim Metabolismus des Standard Substrate Debrisoquin keine Verstoffwechslung zeigen (Sachse et al., 1997). Das Gen wurde auf Chromosom 22q13.1 lokalisiert (Gough et al., 1994) und besteht aus neun Exons, die gesamt 4378 Basenpaare umfassen (Kimura et al., 1989).

Neben dem Wildtypallel sind noch weitere 53 Allele für das CYP2D6-Gen beschrieben worden, die durch 48 Mutationen determiniert sind (Marez et al., 1997), wobei im wesentlichen 15 Allele, einige von ihnen mit Subtypen, in der kaukasischen Population untersucht werden (Daly et al., 1996 (a), Wormhoudt et al., 1999; Tab.

30). Die meisten Allele sind durch Punktmutationen charakterisiert (Sachse et al., 1997, Griese et al., 1998), aber auch eine komplette Deletion des Gens, die als CYP2D6*5-Allel bezeichnet wird ist bekannt (Goedig et al., 1991, Steen et al., 1995).

Darüber hinaus ist ein Hybridallel aus den Allelen CYP2D6*13 und *16 nachgewiesen worden (Panserat et al., 1995, Daly et al., 1996 (b)). Eine weitere

genetische Veränderung ist die Duplikation des kompletten Gens, die als CYP2D6*1dup-Allel bezeichnet wird (Johansson et al., 1993). Eine Duplikation konnte allerdings auch für die Allele *1 und *4 nachgewiesen werden (Masimiremba et al., 1993, Dahl et al., 1995, Lovlie et al., 1996) aber auch höhere Gen-amplifikationen sind bekannt (Johansson et al., 1993, Aklillu et al., 1996), wobei inter-ethnische Unterschiede möglich sind, die bei Bertilsson (1995) zusammengefasst sind.

Tabelle 30: Allele des CYP2D6-Gens mit den dazugehörigen genetischen Veränderungen (Ins = Insertion, Del = Deletion, * G1749C ist eine stille Mutation);

Autoren: 1. Kimura et al., 1989, 2. Johansson et al., 1993, 3. Panserat et al., 1994, 4.

Kagimoto et al., 1990, 5. Gough et al., 1990, 6. Hanioka et al., 1990, 7. Heim and Meyer, 1990, 8. Evert et al., 1994, 9. Saxena et al., 1994, 10. Broly et al., 1995, 11.

Jokota et al., 1993, 12. Johansson et al., 1994, 13. Marez et al., 1995, 14. Marez et al., 1996, 15. Sachse et al., 1996, 16. Masimirembwa et al., 1993, 17. Dahl et al., 1995, 18. Lovlie et al., 1996, 19. Gaedig et al., 1991, 20. Steen et al., 1995 21.

Tyndale et al., 1991, 22. Broly et al., 1993, 23. Panserat et al., 1995, 24. Daly et al., 1996b

Allele mit Punktmutationen und deren Nukleotidnummer Autoren Allele 188 212 226 971 1749* 1795 1846 1934 2637 2938 3023 4268

CYP2D6*1 C G G G G T G G A C A G 1

CYP2D6*2 C G G G G T G G A T A C 2, 3

CYP2D6*3 C G G G G T G G Del C A G 4

CYP2D6*4 T G G G C/G T G A A C A C 4, 5, 6,

7

CYP2D6*6 C G G G G Del G G A C A G 8, 9

CYP2D6*7 C G G G G T G G A C C G 8

CYP2D6*8 C G G G G T T G A T A C 10

CYP2D6*10 T G G G G T G G A C A C 11, 12

CYP2D6*11 C G G G G T G G A T A C 13

CYP2D6*12 C A G G G T G G A T A C 14

CYP2D6*14 C G G G G T A G A T A C 15

CYP2D6*15 C G Ins T G G T G G A C A G 16

Allele mit Duplikation, Deletion und Genkonversionen des CYP2D6-Gens

CYP2D6*1*dup Duplikation des CYP2D6*1-Allels 17, 18,

19

CYP2D6*1dup Duplikation des CYP2D6*1-Allels 2

CYP2D6*4x2 Duplikation des CYP2D6*1-Allels 17,18, 19

CYP2D6*5 Deletion des CYP2D6-Gens 20, 21

CYP2D6*9 Deletion der Basen (A2701-A2703) oder (G2702-A2704) des CYP2D6-Gens

22

CYP2D6*13 Hybrid-Gen aus CYP2D6 mit CYP2D7; Exon 1 des CYP2D7-Gens, Exon 2-9 des CYP2D6-Gens

23

CYP2D6*16 Hybrid-Gen aus CYP2D6 mit CYP2D7; Exon 1-7 des CYP2D7-Gens, Exon 2-9 des CYP2D6-Gens

24

Der PM-Phänotyp wird autosomal rezessiv vererbt (Daly et al., 1996b) und ist durch mehrere Allele determiniert, deren Produkte keine Enzymaktivität bei der Verstoffwechselung der Testsubstrate Debrisoquin, Dextromethorphan und Spatein (Sachse et al., 1997, Griese et al., 1998, Sachse et al., 1998, Bartsch et al., 2000) aufweisen. Mehrere epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die PM-Allele CP2D6*3, *4, *5, *6 für 93-97,5 % aller inaktiven Allele des CYP2D6-Gens in der kaukasischen Bevölkerung kodieren (Marez et al., 1997, Sachse et al., 1997, Griese et al., 1998, Sachse et al., 1998). Deshalb wurden diese Allele in dieser Arbeit für die Detektion der PM-Allele ausgewählt, darüber hinaus wurde auch die Duplikation des CYP2D6-Gens nachgewiesen, die in Zusammenwirkung mit einem normalen Allel zum „ultra rapid“ Phänotypen führt. Neben dem PM- und dem UM-Phänotypen sind noch der „extensive metabolizer“ (EM) und der „intermediate metabolizer“ (IM) Phänotyp zu unterscheiden, die durch zwei intakte bzw. einem intakten und einem inaktiven Allel determiniert sind (Wormhoudt et al., 1999).

Es konnte nachgewiesen werden, dass das CYP2D6-Enzym an der Aktivierung von Tabakrauch spezifischen Nitrosaminen, die als Lungenkarzinogene gelten, beteiligt ist (Bartsch et al., 2000). Darüber hinaus gibt es Indizien, die eine Beteiligung von CYP2D6 am Nikotinstoffwechsel wahrscheinlich machen (Boustead et al., 1997, Saarikoski et al., 2000). Diese Befunde legen nahe, dass das CYP2D6 eine Rolle als Prädispositionsfaktor bei der Lungenemphysementstehung spielen kann.

1.38.1 Vergleich der CYP2D6-Genotypenverteilung bei Kontroll- und Lungenemphysemkollektiv im Vergleich mit anderen Studien

In dieser Studie wurden 264 Kontrollprobanden auf die CYP2D6-Allele CYP2D6*1,

*3, *4, *5, *6 und auf *1dup hin untersucht. Die gefundenen Genotypfrequenzen entsprechen im wesentlichen den Frequenzen, die in zwei deutschen Populationen nachgewiesen wurden (Sachse et al., 1997, Griese et al., 1998). Mit Ausnahme der Genotypen CYP2D6*1*4 und CYP2D6*4*4, die mit 30,3 % und 12,12 % in dieser Arbeit häufiger beobachtet wurden als in der Studie von Sachse et al. (1997 ) und von der Genotypenfrequenz von Griese et al. (1998; Tab. 31) weniger stark abweicht.

Die geringere Häufigkeit für diese Genotypen in der Arbeit von Sachse lässt sich eventuell dadurch erklären, dass sich die 589 untersuchten Personen aus gesunden Kontrollprobanden und Patienten (Krankheitsursache nicht genannt) zusammen-setzten.

Tabelle 31 Teil A + B: A.) Allelfrequenz für Kontrollprobanden und Lungen-emphysempatienten dieser Arbeit im Vergleich zu den Daten von Sachse et al.

(1997) und Griese et al. (1998). Die Daten für bestimmte Allele der Sachse und Griese Arbeit wurden teilweise zusammengezählt, da in dieser Arbeit nicht alle Allele des Gens untersucht wurden: So wurde die Frequenz für CYP2D6*1 aus den Allelen

*1, *2 bzw. *2B gebildet, entsprechend wurde bei den Genotypen verfahren.

CYP2D6-Allele Lungen-emphysem

Kontrollen Sachse et al., 1997

Griese et al., 1998

% % % %

CYP2D6*1 74,00 65,3 68,8 64,1

CYP2D6*3 0,80 1,9 2,04 1

CYP2D6*4 22,00 28,6 20,7 19,5

CYP2D6*5 1,60 2,8 1,95 4,1

CYP2D6*6 0,00 0,4 0,93 1,3

CYP2D6*1*dup 1,60 0,9 1,85 1,5

Tabelle 31 B: Genotypenfrequenz für Kontrollprobanden und Lungenemphysem-patienten dieser Arbeit im Vergleich zu den Daten von Sachse et al. (1997) und Griese et al. (1998).

Lungen-emphysem

Kontrollen Sachse et al., 1997

Griese et al., 1998

Anzahl 125 264 589 195

CYP2D6-Genotypen

% % % %

CYP2D6*1/*1 56,80 46,59 40,08 48,70

CYP2D6*1/*3 0,80 1,89 1,19 2,00

CYP2D6*1/*4 28,00 30,30 21,2 27,60

CYP2D6*1/*5 3,20 3,79 2,72 5,60

CYP2D6*1/*6 0,00 0,76 0,68 2,00

CYP2D6*3/*4 0,80 1,14 0,50 0,00

CYP2D6*3/*5 0,00 0,38 0,00 0,00

CYP2D6*3/*6 0,00 0,00 0,00 0,00

CYP2D6*4/*4 7,20 12,1 3,70 5,10

CYP2D6*4/*5 0,00 1,14 0,68 1,00

CYP2D6*4/*6 0,00 0,00 0,51 0,50

CYP2D6*1/*1dup 2,40 0,76 1,87 1,50

CYP2D6*3/*1dup 0,00 0,38 0,00 0,00

CYP2D6*4/*1dup 0,80 0,38 0,34 0,50

CYP2D6*5/*1dup 0,00 0,38 0,00 1,50

CYP2D6*6/*1dup 0,00 0,00 0,34 0,00

Summe 100 99,99

Der Vergleich zwischen den Allelfrequenzen für das CYP2D6-Gen zeigt, dass die Ergebnisse für die Kontrollen dieser Arbeit mit denen der Sachse et al. (1997) und der Griese et al. (1998) Studie gut übereinstimmen. Aber auch hier liegt die Frequenz des CYP2D6*4-Allels um ca. 8 % höher als bei den angegebenen Vergleichs-arbeiten.

Vergleicht man die Genotypenfrequenz der untersuchten Kontrollen mit der des Lungenemphysemkollektivs, so fällt auf, dass der Wildtyp-Genotyp, der zum EM-Phänotypen führt, bei den Patienten um 10,21 % häufiger zu beobachten ist als bei den Kontrollprobanden (56,8 % versus 46,59 %). Auch die Allelkombinationen, die zum UM-Phänotypen (das CYP2D6*1*dup-Allel in Kombination mit einem weiteren intakten Allel) führen, sind um 1,64 % häufiger als bei den Kontrollen (2,4 % versus 0,76 %). Dieses Ergebnis führt zu der Schlussfolgerung, dass die EM- und UM-Genotypen aufgrund ihrer höheren Enzymaktivität zu mehr genotoxischen und zytotoxischen Effekten beitragen, wodurch die Zerstörung des Lungengewebes zur Entstehung des Lungenemphysems führt.

Diese Vermutung wird durch ein 1,49faches (CI 95%: 0,97-2,29) Erkrankungsrisiko, das an der Grenze zur statistischen Signifikanz liegt bestätigt. Bezieht man die Untersuchung nur auf die Raucher beider Kollektive, so zeigt sich, dass das Erkrankungsrisiko leicht auf einen Odds ratio von 1,58 (0,92-2,73) erhöht wird, was zu der Annahme führt, dass das CYP2D6-Enzym bei der Detoxifikation von chemischen Verbindungen des Tabakrauches eine Rolle spielt. Bei der Gegenüberstellung des CYP2D6*1*1-Genotyps von Rauchern und Nichtrauchern zeigt sich, dass dieser Genotyp mit einem erheblichen Erkrankungsrisiko von dem 9,16fachen für Raucher gegenüber Nichtrauchern verbunden ist, was noch einmal die Rolle des CYP2D6-Enzyms bei der Detoxifikation des Tabakrauchs unterstreicht.

Dieser Polymorphismus ist zum erstenmal im Zusammenhang mit der Lungenemphysem untersucht wurden, daher stehen zum Vergleich keine Studien aus dem Themenkreis der COPD-Erkrankungen zur Verfügung. Im Zusammenhang mit der Lungenkrebserkrankung liegen drei Studien vor, die eine signifikante Assoziation zwischen dem EM-Genotypen des CYP2D6-Gens und der Erkrankung aufzeigen konnten (Hirvonen et al., 1993, Agundez et al., 1994, Dolzan et al., 1995).

Diese Assoziationen sind aber nicht einheitlich und werden in anderen Studien nicht bestätigt (Tefre et al., 1994, El-Zein et al., 1997, London et al., 1997). Auch in zwei Metaanalysen konnten keine Assoziation zwischen der Lungenkrebserkrankung und dem EM-Genotypen hergestellt werden (Christensen et al., 1997, Rostami et al., 1998).

Die biologische Plausibilität zwischen dem Zusammenhang der Emphysem-erkrankung und dem EM-Genotypen könnte darin bestehen, dass dieses Enzym an der Aktivierung von im Tabakrauch enthaltenen Nitrosaminen besonders der NNK´s (4-(Methylnitrosamino)-1-1(3-pyridyl)-1-butanon) beteiligt ist (Hecht, 1999, Bartsch et al., 2000) und dadurch eine gesteigerte Konzentration an aktivierten Metaboliten zu stärkeren genotoxischen und zytoxischen Effekten führt, die zur Lungenemphysemerkrankung beiträgt. Darüber hinaus konnte Bouchardy et al.

(1996) nachweisen, dass eine signifikante Interaktion zwischen dem täglichem Tabakkonsum und der CYP2D6-Aktivität besteht und das Personen, die täglich Tabak konsumieren und eine erhöhte CYP2D6-Aktivität aufweisen ein signifikantes Lungenkrebsrisiko haben.